E_1933_Zeitung_Nr.064
E_1933_Zeitung_Nr.064
E_1933_Zeitung_Nr.064
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Bern, Dienstag, 1. August <strong>1933</strong> IV. Blatt der „Automobil-Revue" No. 64<br />
Das Land Lemuria ist entdeckt<br />
Mit Scheinwerfer und Taucherhelm nach der<br />
Stätte der Sintflut.<br />
Schon seit langem nahm die Wissenschaft an,<br />
dass zwischen Amerika und Asien im Indischen<br />
Ozean ein versunkener Erdteil liege, dessen ehemalige<br />
Existenz bereits den alten Griechen bekannt<br />
war. Durch neueste geographische Forschungen<br />
ist das Vorhandensein dieses Erdteils,<br />
den alte griechische Schriftsteller als Land Lemuria<br />
bezeichneten, für erwiesen anzusehen. Zurzeit<br />
rüsten englische Wissenschaftler eine grosse<br />
Expedition aus, um praktische Forschungen nach<br />
dem versunkenen Erdteil zu unternehmen.<br />
Was uns heute Atlantis bedeutet, das war<br />
für die alten Griechen vor rund dreitausend<br />
Jahren Lemuria. Damals schon ein versunkenes<br />
Paradies mit wunderbaren Früchten<br />
und jener Ueppigkeit von Fauna und Flora,<br />
wurde dieses Land in der Dichtung der Alten<br />
der Sitz der Götter, und in der Ueberlieferung<br />
nahm Lemuria den Rang eines Wunderlandes<br />
ein. Erst allmählich geriet dieses sagenhafte<br />
Land in Vergessenheit.<br />
Nach 15,000 Jahren wiederentdeckt.<br />
Nun scheint es durch die moderne Wissenschaft<br />
dieser Vergessenheit wieder entrissen<br />
zu werden. In London machte Professor<br />
Stanley Gardiner aufsehenerregende Mitteilungen<br />
über neueste Forschungen, die ergeben<br />
haben, dass dieses sagenhafte Land<br />
Lemuria wirklich bestanden hat. Geographische<br />
Beobachtungen ergaben, dass die<br />
Inselkette zwischen Indien und Madagaskar<br />
einen letzten Rest des untergegangenen Erdteils<br />
darstellt und die Fauna und Flora dieser<br />
kleinen und kleinsten Inselchen die gleiche<br />
ist, wie vor 15 000 Jahren in dem Erdteil<br />
Lemuria.<br />
Der Erdteil soll die Grosse Australiens genabt<br />
haben. Die biblische Geschiehte von der<br />
Sintflut gewinnt an Wahrscheinlichkeit; denn<br />
man nimmt an, dass vor fünfzehntausend<br />
Jahren eine Naturkatastrophe von ganz gewaltigem<br />
Ausmass die Erdoberfläche wesentlich<br />
verändert hat, so dass riesige Landstrecken<br />
versunken sind. Es besteht auch die<br />
Möglichkeit, dass der Erdteil vulkanischer<br />
Natur gewesen ist und durch starke Ausbrüche<br />
sich selbst zum Untergang gebracht<br />
hat. Das ist sogar wahrscheinlich, denn noch<br />
heute ist die dortige Inselwelt stark vulkanisch.<br />
Ausgangspunkt aller Kulturen.<br />
Professor Stanley Gardiner ist der Ansicht,<br />
dass Lemuria der Ausgangspunkt aller Kultur<br />
gewesen sei. Wenn man auch annehmen<br />
darf, dass durch die mündlichen Ueberlieferungen<br />
manches übertrieben und manches erfunden<br />
ist, so ist doch die Theorie, dass von<br />
Rufe aus dem Dunkel<br />
Roman von Karl Strecker.<br />
(Fortsetzung aus dem Haüptblatt.)<br />
«Von Schuld kann natürlich gar keine Rede<br />
sein. Allerdings sind meine Mutter und Otto<br />
Ihretwegen sehr hart aneinandergeraten.<br />
Mama konnte ihn ja nie recht leiden, schon<br />
wegen seiner anmassenden Art und seiner Anschauungen,<br />
die sie für überspannt hält. Und<br />
als er irgend eine abfällige Bemerkung über<br />
Sie machte —»<br />
«Was warf er mir denn vor?»<br />
«Direkt vorgeworfen hat er Ihnen nichts.<br />
Er machte nur eine dunkle Andeutung. Er<br />
führte Ihren langen Aufenthalt in Amerika als<br />
Entschuldigungsgrund dafür an, dass Sie<br />
glaubten, mit Geld könne man alles erreichen.<br />
Er schien da einen bestimmten Fall im Auge<br />
zu haben, über den er sich nicht näher äussern<br />
wollte.»<br />
Georg lachte kurz auf. «Da ist er sehr im<br />
Irrtum. Teilen Sie denn seine Ansicht über<br />
mich?»<br />
Anni schüttelte den Kopf. «Ich kenne Sie<br />
ja eigentlich seit meiner Kindheit, Herr<br />
Nicola.»<br />
«Wieso? Ich war ja gar nicht da.»<br />
«Doch! Sie waren immer da — als ,Onkel<br />
Georg'.» Georg kniff die Lippen zusammen.<br />
«Ihr Bild,» fuhr Anni arglos fort, «das Mama,<br />
glaub' ich, nach einer Photographie hatte vergrössern<br />
lassen, hing ja in Mamas Stube.<br />
Und sie hat oft so lieb von Ihnen gesprochen.»<br />
Anni errötete. Ob für ihre Mutter oder wegen<br />
des Wortes «lieb», das sie gebraucht hatte?<br />
fragte sich Georg, dem das Herz schneller<br />
schlug.<br />
Wie um rasch darüber hinwegzukommen,<br />
dem versunkenen Erdteil alle Kulturen ausgegangen<br />
sind, nicht von der Hand zu weisen.<br />
Wir wissen, dass die indische Kultur<br />
eine der ältesten Kulturen überhaupt ist. Die<br />
Lage Lemurias in der unmittelbaren Nähe Indiens<br />
lässt ohne weiteres den Schluss zu,<br />
dass diese beiden Kulturen sich berührt und<br />
•ergänzt haben, wobei angenommen werden<br />
darf — auf Grund geographischer Erkenntnisse<br />
—, dass die indische Kultur mehr von<br />
der älteren lemurischen übernommen hat.<br />
Der deutsche Forscher Wegener hat eine<br />
Theorie von der Kontinuierlichkeit der Kontinente<br />
aufgestellt. Nach dieser Theorie<br />
haben ursprünglich alle Kontinente ohne Einschnitte<br />
und Meerdurchzüge zusammengehört.<br />
Erst später veränderte sich die Oberfläche<br />
der Erde durch vulkanische Bewegungen und<br />
Einschüsse von Wasser. Länder versanken,<br />
wurden auseinandergerissen und gaben der<br />
Erde ein völlig neues Gepräge.<br />
Keine Wissenschaft war bisher imstande,<br />
diese Zusammenhänge vollständig zu klären.<br />
Allen diesbezüglichen Versuchen trotzte die<br />
ungemein schwierige Materie, trotz aller<br />
Hilfsmittel der modernen Technik. Und wenn<br />
neue Erkenntnisse theoretischer Natur als<br />
Endergebnis langjähriger Untersuchungen<br />
auftauchten, so war es kaum möglich, sie<br />
bis zum einwandfreien Beweis fortzuführen.<br />
Der Gelehrte und der Forscher aber liessen<br />
nicht nach.<br />
Expedition in den Indischen Ozean.<br />
Nachdem es nun gelungen ist, die genaue<br />
Lage des versunkenen Erdteils Lemuria festzustellen,<br />
rüstet die englische Regierung eine<br />
Expedition nach dem Indischen Ozean aus,<br />
die unter Führung des Obersten Seymour<br />
Sewell die Forschung nach dem versunkenen<br />
Wunderland aufnehmen wird. Zu diesem<br />
Zweck wird eine Ausrüstung beschafft, wie<br />
sie wohl noch zu keiner Expedition gebraucht<br />
wurde. Wissenschaftler und Tauchtechniker<br />
nehmen an ihr teil, um nach Möglichkeit den^<br />
ganzen Fragenkomplex an Ort und Stelle zu<br />
klären.<br />
Die Expedition, welche im August England<br />
verlassen und sich durch den Suezkanal nach<br />
der bezeichneten Stelle im Indischen Ozean<br />
begeben wird, plant ihre' Forschungen auf<br />
einer der kleinen Inselgruppen zu beginnen,<br />
die als Reste des versunkenen Erdteils angesprochen<br />
werden. Hier wird festzustellen<br />
sein, welche Einzigartigkeiten vorhanden sind,<br />
die nirgend anders vorkommen und darum<br />
Wesenszüge Lemurias sind. Geologen werden<br />
genaue Untersuchungen über die Art der<br />
Erdbeschaffenheit auf den Inseln anstellen,<br />
um dadurch einen Anhaltspunkt zu gewinnen.<br />
Man hofft, zu wesentlichen Erkenntnissen zu<br />
gelangen und genau feststellen zu können,<br />
wo diese Erdart sich fortsetzt.<br />
Schatzgräber im Taucherhelm.<br />
Endlich aber will man durch Taucherarbeit<br />
direkt nach Spuren des verschwundenen<br />
Landes im Meere suchen. Die besten Taucher<br />
Englands werden sich zur Verfügung stellen,<br />
und die neuesten Tauchmethoden sollen angewandt<br />
werden. So wird man ein Instrument<br />
gebrauchen, das eine Verbindung von<br />
Fernglas und Scheinwerfer ist und dem Taucher<br />
ermöglicht, sich in gewaltigen Tiefen<br />
zu orientieren. Das ist natürlich schon sehr<br />
wesentlich, denn bisher scheiterte jede<br />
Taucherarbeit an der Unmöglichkeit der<br />
Lichtbeschaffung in grösseren Tiefen.<br />
Um grösste Tiefen zu erreichen, wird man<br />
ein sogenanntes « Taucherhaus » anwenden,<br />
das ein vollkommenes Häuschen darstellt,<br />
welches aus Stahl besteht und den Taucher<br />
vor dem immensen Wasserdruck schützt. Von<br />
diesem Stahlhaus aus ist der Taucher radiographisch<br />
mit dem Leitschiff verbunden.<br />
Man darf nun natürlich nicht annehmen,<br />
dass etwa ein Taucher « das Land Lemuria »<br />
findet. Ihre Arbeit besteht vielmehr darin.<br />
Hinweise zu finden, auf Grund derer die<br />
Wissenschaft weiterarbeiten kann. Gelingt<br />
es nämlich, an dieser Stelle etwa Spuren<br />
einer unbekannten oder vergangenen Kultur<br />
zu entdecken, dann ist mit ziemlicher Sicherheit<br />
der Beweis für das ehemalige Vorhandensein<br />
des Erdteils erbracht.<br />
Der Tagesfilm<br />
Der Zeigefinger der Filmdiva.<br />
Welches Wertverhältnis besteht zwischen<br />
dem Kopf Bernard Shaws und dem<br />
Zeigefinger der Filmschauspielerin Käthe<br />
v. Nagy? Für Shaws Kopf hat kürzlich<br />
ein begeisterter Verehrer (ein höchst geschmackvoller<br />
jedenfalls!) 5000 Pfund ge-<br />
^ b6tfenJ"J|5en beschädigten Zeigefinger ihres<br />
Filmstars Käthe v. Nagy stellt die Ufa,<br />
wie man kürzlieh aus einem Gerichtssaalbericht<br />
erfuhr, mit 150 000 Mark in Rechnung.<br />
Der Zeigefinger der jungen Dame<br />
wird also höher bewertet wie der Kopf<br />
eines der glänzendsten Schriftsteller der<br />
Gegenwart. Nun ist dieser Zeigefinger,<br />
wie die Filmenthusiasten wissen, sehr<br />
niedlich und sehenswert. Aber man begeht<br />
gewiss keine Todsünde gegen die einer<br />
hübschen Filmschauspielerin schuldige<br />
Galanterie, .wenn man in der Relation<br />
ihres Zeigefingers zu Shaws Kopf sozusagen<br />
eine Preistreiberei erblickt.<br />
fuhr Anni fort: «Und dann hat sie so oft<br />
davon gesprochen, was Sie drüben hätten leiden<br />
müssen in all den schweren Kämpfen,<br />
bloss um leben zu können.»<br />
«Das, liebes Fräulein Anni, ist manchmal<br />
in Wirklichkeit nicht ganz so schlimm, wie<br />
es für den Fernstehenden aussieht. Meist<br />
lässt einen die Notwendigkeit, sich mit allen<br />
Kräften zu rühren, gar nicht zur Besinnung<br />
kommen. Es ist wie bei einem Zweikampf<br />
auf Tod und Leben. Da empfindet man das<br />
Furchtbare des Augenblicks gar nicht. Da<br />
heisst es nur: Los! Vorwärts! Deck dich!<br />
Ruhe! Jetzt schlag zu! und so weiter.»<br />
Anni hatte angespannt zugehört, und der<br />
Ausdruck ihrer grossen Augen wurde dabei<br />
so lebendig, dass Georg von ihrer Schönheit<br />
wie berauscht war. Und um dies Glück ihrer<br />
Blicke so lange wie möglich auszukosten, geriet<br />
er ins Erzählen, was sonst gar nicht seine<br />
Art war. Er berichtete von seinen Kämpfen<br />
und Krisen drüben, und fand, durch die sichtliche<br />
Anteilnahme des schönen Mädchens befeuert,<br />
eine so lebendige Form der Schilderung,<br />
dass er sich selber darüber wunderte<br />
und immer mehr fortgerissen wurde. Er<br />
hatte in der Tat genug Merkwürdigkeiten erlebt,<br />
und was er erzählte, hätte auch in weniger<br />
lebendiger Darstellung schon interessiert.<br />
Er musste, während er sprach, mit innerem<br />
Lächeln an die Szene denken, wo der Mohr<br />
die aufhorchende Desdemona mit der Erzählung<br />
seiner Abenteuer gewinnt. Wenn das sogar<br />
einem Mohren gelingt... Unwillkürlich<br />
machte er bei diesem heimlichen Lächeln<br />
eine Pause. Anni vermutete einen anderen<br />
Gedankengang als Grund seines Schweigens.<br />
Sie fragte: «Und bei alledem haben Sie<br />
immer an meine Mutter gedacht?»<br />
«Nicht immer,» bekannte er leise. «Ich<br />
sagte ja schon, oft kommt man gar nicht zur<br />
Besinnung in solcher Lage. Aber der Gedanke<br />
an sie hat mich dennoch nie verlassen.<br />
Er begleitete mich sozusagen im Geheimdepot<br />
meines Wesens.»<br />
«Und als Sie meine Mutter nun wieder<br />
sahen?» fragte Anni und schämte sich sogleich<br />
ihrer mädchenhaften Neugier.<br />
«Da war das grosse Wunder geschehen.»<br />
«Welches Wunder?» fragte sie stockend.<br />
«Da sah ich sie, unberührt von den Jahren,<br />
so wie sie einst gewesen und so wie sie<br />
In meiner Erinnerung weitergelebt. Nicht um<br />
Monate gealtert. War das nicht ein Wunder,<br />
Anni?»<br />
Sie war von Glut übergössen. Aber die<br />
Art, wie sie jetzt nachdenklich und verlegen<br />
den Blick auf den Boden richtete, brachte ihn<br />
zur Besinnung. Er durfte so nicht fortfahren,<br />
durfte es jetzt nicht zur Entscheidung kommen<br />
lassen. Und doch fühlte er ein ungestümes<br />
Drängen in sich, demgegenüber sein<br />
Wille mehr und mehr die Macht verlor. Dis<br />
Entschiedenheit, mit der er so oft in Gegenwart<br />
Annis seine Liebe zu ihr wie eine gefährliche<br />
Flamme unterdrückt hatte, wurde<br />
gelähmt durch den Gedanken: Wäre es nicht<br />
doch möglich? Sie hat sich von Wermstedt<br />
getrennt. Sie ist jetzt frei. Und hat sie mich<br />
nicht mit leuchtenden Augen angesehen? Hat<br />
sie mir nicht mehr als herzlich die Hand gedrückt?<br />
Der Unterschied der Jahre ist schon<br />
in mancher Ehe dem Glück nicht hinderlich<br />
gewesen. Und er wollte sie glücklich machen.<br />
Er konnte es. Es war ein grosses Lebensziel:<br />
Sie auf den Händen zu tragen, ihr jeden<br />
Wunsch zu erfüllen...<br />
«Warum erzählen Sie nicht weiter?» fragte<br />
Anni.<br />
«Ja, richtig — ich überlegte nur —, mir ist<br />
natürlich im Laufe der Zeit manches entfallen.<br />
Also — wo war ich doch stehen eeblieben?»<br />
Der Falter<br />
Hermann Hesse.<br />
In meinen Becher mit Wein ist ein Falter g&*<br />
flogen,<br />
Trunken ergibt er sich seinem süssen Verderben,<br />
Rudert erlahmend im Nass und ist willig za<br />
sterben;<br />
Endlich hat ihn mein Finger rettend heraus'<br />
gezogen.<br />
So ist mein Herz, von deinen Augen verblendet,<br />
Selig im duftenden Becher der Liebe versunken.<br />
Willig zu sterben, vom Wein deiner Blicke<br />
betrunken,<br />
Wenn nicht ein Wink deiner Hand mein<br />
Schicksal vollendet.<br />
Dabei hat na die Künstlerin keineswegs<br />
den Verlust ihres ganzen Zeigefingers zu<br />
beklagen. Sie hat sich peinlicherweise nur<br />
die Spitze ihres Zeigefingers weggeschossen,<br />
als sie beim Kölner Sechstagerennen<br />
den Startschuss abgab. Wenn man den<br />
von der Ufa für diese Fingerspitze geforderten<br />
Schadenersatz als Beniessungsgrundlage<br />
annimmt — wieviel wäre für<br />
den ganzen Zeigefinger der Käthe v. Nagy<br />
berechnet worden 1 Und wieviel wäre<br />
erst für ihren Kopf — in diesem Fall<br />
spricht man besser im Diminutiv: für ihr<br />
reizendes Köpfchen — gefordert worden?<br />
Es ist überhaupt nicht auszudenken, und<br />
man käme zu einer astronomischen Ziffer.<br />
Ja, die Dichter stehen heute neben den<br />
Filmstars tief im Kurs, und neben Käthe<br />
v. Nagy kann sich Bernard Shaw verstecken.<br />
Neben einer Greta Garbo aber<br />
wäre er wohl mit freiem Auge überhaupt<br />
nicht wahrzunehmen.<br />
Vierhundertzwanzig Autos gestohlen.<br />
In New-York wurde eben eine Diebsbande<br />
dingfest gemacht, die einen,<br />
schwunghaften Handel mit gestohlenen<br />
Autos trieb. In aller Welt werden jetzt<br />
die Wagen dieser Bande gesucht. Iin letzten<br />
Jahre haben sie nach allen möglichen<br />
Ländern ihre gestohlenen Autos geliefert.<br />
Bis jetzt sind ihnen vierhundertundzwanzig<br />
Autodiebstähle nachgewiesen worden.<br />
Bin Transport mit vierunddreissig Autos<br />
wurde in Trenton beschlagnahmt; er war<br />
für Oslo bestimmt. Die meisten Wagen<br />
haben sie nach Schanghai und Persien geliefert.<br />
Die Polizei schätzt ihre Beute auf<br />
zweieinhalb Millionen Dollar.<br />
«Bei Ihrer Anstellung auf dem Mississippidampfer.»<br />
«Richtig. Ja, da habe ich eine gehörige<br />
Sommerreise gemacht.»<br />
Während er von den Eindrücken dieser<br />
Schiffsfahrten erzählte, von den Landschaften,<br />
die er gesehen, kam ihm plötzlich ein<br />
Gedanke. Er wusste später nicht, war es Berechnung<br />
oder nur harmloser Einfall gewesen,<br />
als er sagte: «Wenn Sie eine Karte<br />
da haben, Fräulein Anni, kann ich Ihnen die<br />
Reiselinien zeigen.»<br />
«Aber gewiss!» Sie holte einen Handatlas<br />
herbei und schlug Amerika auf. Sie stand<br />
vor dem Sofa am Tisch. Er erhob sich und<br />
trat neben sie.<br />
«Nun?» lächelte Georg, sich an ihrer Seite<br />
vorbeugend, «zeigen Sie mal, wo der Mississippi<br />
ist. Richtig, da. Wir fuhren nun» —<br />
er neigte sich neben ihr über die Karte, auf<br />
der sie mit dem Zeigefinger den Lauf des<br />
Stromes verfolgte, und legte seinen Finger<br />
neben den ihren. «Ich kam von Chikago nach<br />
St. Louis und fuhr von da bis Neuorleans.<br />
Nein, St. Louis ist hier,» lächelte er und schob<br />
ihren Finger mit dem seinen an die rechte<br />
Stelle. Die Berührung ihrer Hand brachte<br />
sein Blut in Wällung. Er fühlte die Wärme<br />
ihrer Wange neben der seinen. Ihr Haar<br />
streifte leise seine Stirn, der Duft ihrer Nähe<br />
flutete berauschend zu ihm herüber und nahm<br />
ihm die Besinnung. Plötzlich fasste er ihre<br />
Hand, umschlang mit dem anderen Arm ihren<br />
Körper und sie aufs Sofa zurücklehnend, bedeckte<br />
er Gesicht und Mund mit glühenden<br />
Küssen.<br />
«Liebe, liebe einzige Anni!» stammelten dazwischen<br />
seine Lippen.<br />
(Fortsetzung siehe Seite 16.)