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E_1933_Zeitung_Nr.074

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Bern, Dienstag, 5. September <strong>1933</strong> III. Blatt der „Automobil-Revue" No. 74<br />

Hauch über der Kindheit<br />

Hans Natonek.<br />

Die erste Brille.<br />

Ich erinnere mich noch wie heute, als<br />

Hans Winter zum ersten Male mit einer<br />

Brille auf der Nase die fünfte Volksschulklasse<br />

betrat. Es ging ein Gebrüll los, dass<br />

die alte Wandtafel klapperte. Wir alle trampelten<br />

und schrien: «Brille, Brille! Ein Profax!»<br />

Was soviel bedeutete wie Professor.<br />

Es war eine unvergleichlich grössere Sensation<br />

als ein neuer Anzug, ja selbst als die<br />

ersten langen Hosen, deren Besitzer gleichfalls<br />

hochgenommen wurden.<br />

Und nun — die Zeit hat die wehmütige<br />

Eigenschaft, zu vergehen — ist mein Junge<br />

so weit wie damals der Hans Winter, der<br />

Mathematikprofessor geworden ist, wovor<br />

das Schicksal meinen Sohn gnädig bewahren<br />

möge. (Zwischenruf meiner Frau: «Warum<br />

nicht, Mathematikprofessor ist auch<br />

ganz gut.»)<br />

Als er sich zum ersten Male mit der Brille<br />

präsentierte, lächelte er ungewiss, und die<br />

Augen hatten die gewohnte Blicksicherheit<br />

verloren. Da haben sie nun in das kleine<br />

Gesicht eine grosse Brille hineingesetzt, sie<br />

balanciert verlegen auf dem Naschen, und<br />

ihr Träger ist teils stolz und teils befangen,<br />

also in einem Konflikt. Alles Erstmalige ist<br />

ein Ereignis, und jedes Ereignis stört das<br />

Gleichgewicht. Vielleicht ist der Betroffene<br />

weniger betroffen als ich, der Betrachter,<br />

dem die Brille zu einem Symbol wird. Dieses<br />

Glas vor den Kinderaugen kommt mir<br />

vor wie eine Verfälschung der Natur. Mit<br />

der Brille fängt's an, es ist der erste Hauch<br />

der Erwachsenheit, Fortsetzung folgt: die<br />

ersten langen Hosen, das erste kleine Mädchen,<br />

nun ist kein Halten mehr. Nur eine<br />

Brille, und mir ist wie Abschied vom Gesicht<br />

meines Kindes.<br />

Habt ihr schon einmal beobachtet, wie<br />

ein Kind seine Brille aus *lem Futteral holt,<br />

den vergoldeten Bügel über die Ohren<br />

schlägt, die sich leicht krümmen, und sich<br />

über sein Buch beugt? Es ist die getragene<br />

Handlung eines Erwachsenen; sie hat etwas<br />

Altbärtiges, der Kontrast von Kindlichem<br />

und Unkindlichem etwas Rührendes. Gleich<br />

wird er, denkt man, Leitartikel lesen, über<br />

die Wahlen debattieren, Börsenzettel und<br />

Bilanzen studieren und eine interessenvermanschte<br />

unfreie Kreatur sein wie wir alle.<br />

Mich schmerzt diese Brille, die er selbst<br />

«sar nicht mehr spürt. Das ist die Anpassung<br />

an und die Umformung durch das- Leben;<br />

und es ist ein Glück, dass die meisten<br />

Menschen diesen Prozess gar nicht wahrnehmen.<br />

«Mit bewaffnetem Auge», sagen die Erwachsenen,<br />

die es gern mit Kampf und seinen<br />

Attributen zu tun haben. Siehst du,<br />

Junge, nun hast du ein «bewaffnetes Auge».<br />

Gucke scharf!<br />

Manche Kinder, denen man die erste Brille<br />

aufsetzt, sehen aus wie Buchhalter, andere<br />

wie Beamte, andere wie Rechtsanwälte, andere<br />

wie Bankdirektoren, andere wie Börsianer<br />

und wieder andere wie Professoren.<br />

Alles nur an miniature, in humoristischer<br />

Verkleinerung, wie wenn Liliputaner Normalgrösse<br />

markieren. Das künftige erwachsene<br />

Gesicht kommt heraus wie ein fester<br />

Umriss aus zartem Morgennebel.<br />

Die Welle.<br />

Es muss doch etwas mehr gewesen sein,<br />

als ein kleiner Schreck und ein nasser Umfall,<br />

als die vierjährige Ilse, von einer kräftigen<br />

Welle umgelegt, unter den Seespiegel<br />

geriet und ziemlich verstört aus dem Wasser<br />

geholt wurde. Sie war sehr blass und<br />

konnte nicht reden; und alles, was sie von<br />

sich gab, war Seewasser.<br />

Von Carona am Monte Salvatore ging ich<br />

sommerabends, gleich nach Sonnenuntergang,<br />

zurMadonna d'Ongero hinüber. Aus den letzten,<br />

patrizisch stolzen Häusern des Dorfes<br />

steigt der steinige Weg etwas bergan, ein<br />

paar Gärten liegen zu beiden Seiten, Feigenbäume<br />

über ockerfarbne Mauer hängend, im<br />

fetten Laub die fetten, satten Früchte schwellend;<br />

rückwärts sieht man bald das ganze<br />

Dorf gelagert, Dach in Dach gedrängt, uniform,<br />

einfarbig, primitiv und schön wie eine<br />

Negersiedlung, hier und dort Polenta-Rauch<br />

aus einem Kamin, das Ganze ein brauner,<br />

grosser Steinhaufen, in dem die gespeicherte<br />

Wärme des Augusttages lang noch nachglüht.<br />

Die Gärten hören auf, Fusswege verlieren<br />

sich überall, launig, spielerisch, vielstrahüg in<br />

die Haine, ins gelbe Gerstenfeld, in die dunklen<br />

Pyramidenreihen der Bohnenäcker. Ein<br />

Grotto liegt am Strässchen, stets geschlossen<br />

ausser am Sonntagabend; er heisst «al pan<br />

perdu», zum verlorenen Brot, eine leere Bocciabahn,<br />

darüber die Terrassenmauer, aus<br />

dem schön rosigen Stein dieses Berges, warm<br />

schmelzend von Farbe, sanft im Grünen brennend,<br />

so wie bei Renoir die rosigen Frauen<br />

aus dem Grün hervorschimmern, warme<br />

Edelsteine auf unterlegtem Sammet. Eine<br />

alte Skulptur schaut edel aus dem Gemäuer,<br />

von klassischer Haltung, aber durch Alter<br />

und Verwitterung hinüber ins Frühe, Gotischere,<br />

Wildere und Innigere verwandelt,<br />

eine Gottesmutter mit dem toten Sohn im<br />

Schoss. Der Weg steigt, unter den Sohlen<br />

rollt das lose Gestein. Wunderlich schweigsam<br />

ist dieser Weg, so alt, so anders als gewohnt,<br />

so aus einer andern Zeit, einem andern<br />

Weltalter, einer anderen Lebensstimmung.<br />

Um Lugano findet man selten, äusserst<br />

selten solche Wege, so ernste, so in<br />

sich gekehrte, eingeschlafene, an welchen<br />

nichts von heute ist und an heute erinnert.<br />

Eher noch findet man solche Streifen, solche<br />

verlorene Stücke Urwelt oder Mittelalter in<br />

den Gegenden um Locarno, am Onsernone,<br />

im Gebiet zwischen Losone und Golino, in<br />

Arcegno.<br />

«Was hast du damals empfunden, wie<br />

war es denn,» fragte man sie später, «als<br />

du so dalagst und das Wasser über dich<br />

hinwegging?»<br />

«Es war ganz dunkel,» erzählte Ilse, «wie<br />

unter der Steppdecke, wenn man sich versteckt,<br />

und die Welle sagte: Trink mich,<br />

trink mich, damit du stirbst.»<br />

Stirbst... Was ist Sterben für eine Vierjährige?<br />

Die Dunkelheit, die Welle, keine<br />

Luft, die Angst. Es war eine Trübung, ein<br />

Hauch über einem Spiegel. Es war die Sekunde<br />

einer Erkenntnis. Es ging vorüber;<br />

zum erstenmal ging der Tod vorüber.<br />

Spätsommerabend im Tessin<br />

Hermann Hesse.<br />

Dieser abendliche Weg tut wohl, er erregt<br />

die Seele nicht, noch erheitert er sie, er ruft<br />

ihr nichts zu, er ist schweigsam wie sie,<br />

dämmernd wie sie, fromm wie sie. Frömmigkeit,<br />

Vertrauen, Kindersinn spricht hier mich<br />

an, kindlich ist der bald breite, bald wieder<br />

schmale launenvoll schweifende Weg, kindlich<br />

sind die Mäuerchen an seinem Rande,<br />

kindlich die kleinen, wie im Spiel angelegten<br />

Maisfelderchen, Rebenreihen, Bohnengärtchen.<br />

Ueberall verliert sich Feld und Wiese<br />

sachte ins Gehölz, überall kommt der Wald,<br />

licht und zum Hain gemildert, mir entgegen,<br />

mit einzelstehenden alten Kastanienbäumen,<br />

voll Individualität und Schicksal, mit jung<br />

umgrünten Strünken, mit ginsterüberwehten<br />

kleinen Felsblöcken, neben denen sich Klee<br />

und Gras, Wicken und Esper unvermerkt in<br />

die Waldpflanzenwelt, in Maiblumenstengel,<br />

Ginster, Tausendgüldenkraut, Farren, Spiräen<br />

verlieren. Heu liegt da und dort gehäuft,<br />

der dritte Schnitt des Jahres, und,neben frisch<br />

gemähten, winzig kleinen Kornfeldern das<br />

sauber aufgehäufte, ausgeraufte Stoppelstroh,<br />

mit den sorgfältig ausgeschüttelten<br />

Wurzeln dran.<br />

Wie würde ein modern eingerichteter Landwirt<br />

lachen, wenn er diese arme, winzige,<br />

ganz, und gar von Hand betriebene ZwergwirtSchäft<br />

"sähe, diese von Hand mit dem<br />

Spaten geackerten, von Hand besäten, mit<br />

der Sichel geernteten Kornfeldchen — mit<br />

wieviel Ueberlegenheit, mit wieviel gutem<br />

Recht, wieviel gutem Unrecht würde er lächeln!<br />

Mir aber, dem rückwärts Gewandten,<br />

dem Romantiker, dem Infantilen ist dies von<br />

Hand gerodete Stroh sehr lieb, ebenso lieb<br />

wie die unkorrigierten Bachläufe und irrationell<br />

beforsteten Wälder dieses Landes,<br />

wie die verfallenden, aber immerhin noch stehenden<br />

Bildstöcke und halbheidnischen Waldund<br />

Feldkapellen mit dem abgebröckelten<br />

Verputz und den zartfarbigen Resten alter<br />

gemalter Engel und Heiliger, die primitiven<br />

Feuerstätten und die Gesichter, Hände und<br />

Gebärden, die man hierzulande bei allen alten<br />

Leuten und sogar noch bei manchen jungen<br />

findet und *Welche kindlich, fromm und<br />

innig sind wie alle diese zarten, alten, etwas<br />

hilflosen, etwas unzeitgemässen Dinge hier<br />

am Wege.<br />

Ich liebe dies alles sehr, und ohne mich gegen<br />

den «Fortschritt» irgend zu wehren, ohne<br />

die lebendige Flut der Veränderungen anzuklagen,<br />

bedaure ich doch im Herzen jeden<br />

neuen Betonbau, jeden korrigierten Linealflusslauf,<br />

jeden eisernen Leitungsmast, die<br />

auch in diese zurückgebliebene Welt sich eindrängen<br />

und deien Geist längst schon die<br />

Wurzeln dieses Idylls blossgelegt hat. Auch<br />

hier geht es zu Ende mit dieser alten Welt,<br />

es wird auch hier bald vollends die Maschine<br />

über die Hand, das Geld über die Sitte, die<br />

rationelle Wirtschaft über die Idylle siegen,<br />

mit gutem Recht, mit gutem Unrecht.<br />

Uns Schwärmer wird das betrüben, es wird<br />

uns aber nicht hindern, unser ebenso gutes<br />

Recht, unser ebenso gutes Unrecht weiter zu<br />

üben, und mancher von uns weiss auch, mit<br />

dem Verstand oder mit dem Herzen, dass es<br />

sich hier nicht um Fortschritt und Romantik,<br />

um Vorwärts oder Rückwärts handelt, sondern<br />

um Aussen und Innen, dass wir nicht<br />

die Eisenbahn und das Auto scheuen, nicht<br />

das Geld und die Vernunft, sondern nur das<br />

Vergessen Gottes und das Verflachen der<br />

Seelen und dass erst hoch über all diesen<br />

Gegensatzpaaren von Maschine und Herz,<br />

Geld und Gott, Vernunft und Frömmigkeit<br />

der Himmel wahren Lebens, echter Wirklichkeit<br />

sich wölbt. Manche von uns wissen mit<br />

Lächeln, dass dem Mangel unseres Sinnes<br />

für Rentabilität und Unternehmerlust bei unsern<br />

Antipoden, den Unternehmern und Rentablen,<br />

der Mangel einer seelischen Dimension<br />

entspricht und dass unsere romantischpoetische<br />

Infantilität nicht infantiler ist als<br />

die kinderstolze Zuversicht des welterobernden<br />

Ingenieurs, der an seinen Rechenschieber<br />

glaubt wie wir an unsern Gott und der in<br />

Zorn und Angst gerät, wenn die Unbedingtheit<br />

seiner Weltregeln durch Einstein erschüttert<br />

wird.<br />

Wir Romantiker und Sentimentalen, als die<br />

wir von der grossstädtischen Literatur meist<br />

verspottet werden, wir sind ja nicht alle bloss<br />

dumme Fanatiker, die wegen eines zum Fall<br />

verurteilten alten Gemäuers die Oeffentlichkeit<br />

bemühen und die Heimatschutzgarden<br />

mobilisieren, manche von uns sind nahezu<br />

ebenso klug wie mancher von der Rentabilitätspartei<br />

und sind im Herzen vielleicht zukunftsgläubiger<br />

und nach der Zukunft begieriger<br />

als viele von den Frommen des Fortschrittes.<br />

Denn wir glauben an die Vergänglichkeit<br />

der Maschine und die Unvergänglichkeit<br />

Gottes. Einer von uns, unser grosser<br />

Bruder, einer der letzten wirklichen Dichter<br />

Euopas, sitzt hoch im Norden, flieht die<br />

«Welt» und liebt sie doch gläubig und fruchtbar;<br />

er heisst Knut Hamsun.<br />

Ich bin abgeschweift. Es dämmert. Hinter<br />

den krummen, sehnigen Stämmen, den Waldvorboten,<br />

Waldvorhallen, ist alle Farbe<br />

So den lieben langen Tag<br />

fischen zu könnenl Wundervoll]<br />

Unterbrodien nur<br />

mit einem feinen Fraß aus<br />

R<br />

l i iä E FLEISCH-<br />

VK^H u U.WURST-<br />

F E U I L L E T O N<br />

Der geheime Kampf<br />

Von Philipp Klein.<br />

(Fortsetzung: aus dem Hauptblatt.)<br />

Eberhard entschloss sich, das Albergo Michele<br />

aufzusuchen — das war sicher keine<br />

Stätte, an der er Gefahr lief, von Leuten gesehen<br />

zu werden, von denen er besser nicht<br />

beachtet wurde. Und wenn er dort sozusagen<br />

unter dem Patronat eines Karabiniere<br />

einzog, so war das gewiss auch nicht ohne<br />

Wert.<br />

Er winkte einem Droschkenkutscher und<br />

gab ihm die Adresse. Der Mann, der noch<br />

recht verschlafen aussah, brummte etwas<br />

Unverständliches und fuhr los. Eberhard<br />

kannte Rom von früher her, das heisst, soweit<br />

es eben ein Fremder überhaupt kennenlernt.<br />

Aber die Stadtteile, durch die er jetzt<br />

in dem wackeligen alten Karren geschaukelt<br />

wurde, waren ihm neu. Sie waren sicher<br />

vom grossen Brand unter Nero zufällig verschont<br />

geblieben. Nach einer halben Stunde,<br />

nach einer Fahrt bergauf-bergab, landete das<br />

Gefährt auf einem kleinen, stillen Platz vor<br />

einem kleinen, stillen Haus, das ziemlich<br />

verwittert die Aufschrift trug: «Albergo<br />

Michele».<br />

Der Kutscher verlangte zehn Lire.<br />

Eberhard gab ihm stillschweigend acht.<br />

«Mille gracia!» sagte der Kutscher und<br />

fuhr weg, so rasch seine lahme Kracke laufen<br />

konnte. ,Ich habe ihm wahrscheinlich<br />

noch um die Hälfte zuviel gegeben', dachte<br />

Eberhard, als er an der Klingel zu dem Albergo<br />

zog.<br />

Eine Frau in mittleren Jahren öffnete.<br />

Es war die Wirtin selbst. «Ihr Herr Bruder<br />

schickt mich zu Ihnen — Sie haben ein<br />

Zimmer abzugeben?»<br />

Die Frau sah ihn aufmerksam an. «Mein<br />

Bruder? Giuseppe?»<br />

«Der Karabiniere.»<br />

Die Frau Hess ihn eintreten. «Es stehen<br />

augenblicklich zwei Zimmer leer, Herr —<br />

Sie können wählen!»<br />

Beide Zimmer lagen im ersten Stock; das<br />

eine, grössere, ging auf die Piazza Pergolose<br />

hinaus, das zweite auf einen kleinen Garten,<br />

in dessen Mitte ein alter, verkrüppelter<br />

Feigenbaum stand. Die Zimmer waren beide<br />

bescheiden, aber sauber eingerichtet; Eberhard<br />

entschied sich für das grössere, was<br />

die Frau sichtlich zu seinen Gunsten stimmte.<br />

Er wollte auch die volle Pension nehmen und<br />

zahlte den lächerlich geringen Betrag für den<br />

ganzen Monat voraus.<br />

«Haben Sie viele Gäste, Signora?» fragte<br />

Eberhard.<br />

«Augenblicklich ausser Ihnen nur drei.<br />

Einen Sprachlehrer, der schon zwei Jahre<br />

hier wohnt, einen .forestiere', einen Deutschen,<br />

der aber wahrscheinlich ein ,maledetto<br />

Austriaco' ist und sein Zimmer zum<br />

fünfzehnten gekündigt hat, und eine Dame.»<br />

«Eine Dame?»<br />

«Si, Signore. Eine wirkliche Dame, die sich<br />

auf ein paar Monate zurückziehen will. Sie<br />

ist erst acht Tage hier. Sie werden es sehr<br />

ruhig hier finden, Signore, wenn Sie das<br />

wünschen.»<br />

«Es wird mir sehr angenehm sein!»<br />

«Wo darf ich das Gepäck holen lassen,<br />

Signore?»<br />

Eberhard wies auf seinen Handkoffer. «Das<br />

ist augenblicklich alles. Ich werde meine<br />

Garderobe und Wäsche erst hier ergänzen...»<br />

«Ausserdem muss ich um den Pass bitten<br />

— die Polizei ist sehr streng.»<br />

Eberhard überreichte ihr den Pass; sie<br />

warf einen flüchtigen Blick darauf. «Signore<br />

Farnaglia — Sie sind wohl erst mit der Bahn<br />

gekommen — ich werde mich beeilen, Ihnen<br />

das Frühstück zu bringen.»<br />

«Das wird mich sehr freuen, Signora —<br />

ich habe einen ganz ordentlichen Appetit!»<br />

«Sofort, Signore!» Die Wirtin verbeugte<br />

sich lächelnd und ging. Eberhard sah sich<br />

das Zimmer nun genauer an, betrachtete eingehend<br />

den Keilpolster des Bettes, rückte<br />

den alten Diwan von der Wand, sah hinter<br />

ein paar Bilder — billige Oeldrucke — und<br />

war befriedigt. Wanzen keine, stellte er fest.<br />

Es war also jedenfalls.zum Aushalten hier —<br />

sicher angenehmer, als im komfortabelsten<br />

Schützengraben, dachte er. Er hatte sich für<br />

den ersten Tag seine Einteilung gemacht.<br />

Zunächst sich in Rom ein wenig umsehen,<br />

die notwendigste Wäsche und Garderobe<br />

einkaufen. Dann Alberto Falieri aufsuchen,<br />

sich einige notwendige Drogen verschaffen,<br />

und dann — ja: was dann? Zu arbeiten beginnen?<br />

Es war vielleicht nicht so ganz einfach,<br />

und Eberhard kam sich einen Augenblick<br />

ein wenig verloren vor in diesem stillen<br />

Winkel. Der Oberst hatte ihm gesagt: leben<br />

Sie sich erst ein, glauben Sie ja nicht, dass<br />

ich am ersten Tage schon Nachrichten von<br />

Ihnen erwarte — Sie müssen erst sehen<br />

lernen, richtig sehen. Melden Sie auch, wenn<br />

Sie einmal so weit sind, spärlich, dafür aber<br />

nur wirklich Richtiges. Darnach musste er<br />

sich richten.<br />

Die Wirtin brachte ihm das Frühstück<br />

selbst, das Eberhard gut und reichlich fand.<br />

Es klopfte an der Tür. Auf die Aufforderung<br />

Eberhards trat ein Mann in das Zimmer,<br />

mittelgross, blasses, mageres Gesicht,<br />

schwarzes Haar und ebensolcher Schnurrbart,<br />

graue, ein wenig scheue Augen. Er verbeugte<br />

sich lächelnd vor Eberhard: «Stöck-

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