E_1933_Zeitung_Nr.103
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ingen Mehrkosten einer Reorganisation der<br />
Automobilstatistik auf sich zu nehmen und<br />
damit die Möglichkeit zu haben, die Ausgaben<br />
für Verkehrswerbung im Auslande am<br />
erfolgversprechendsten anlegen zu können.<br />
Es ist doch gewiss ein Armutszeugnis, wenn<br />
die Zollverwaltung selbst zugeben muss,<br />
dass die Statistik über die temporäre Einfuhr<br />
nicht genau ist. Ueber die bestehenden<br />
Mängel kann uns auch der recht billige Trost<br />
nicht hinwegtäuschen, dass das Endergebnis<br />
der Erhebungen nicht allzusehr von den<br />
Tatsachen abweiche, da eine Fehlerquelle<br />
die andere ziemlich kompensiere. Entweder<br />
ist eine Statistik genau, was um so notwendiger<br />
ist, als in der Auslegung bekanntlich<br />
immer noch verschiedene Meinungen möglich<br />
sind, oder sie entspricht nicht den tatsächlichen<br />
Verhältnissen und dann kann die<br />
Zusammenstellung nicht mehr den Anspruch<br />
darauf machen, als Statistik zu gelten. Sie<br />
ist dann nur mehr eine Schätzung und mit<br />
solchen sollten sich vor allem behördliche<br />
Organe nicht zufrieden geben. Wir hoffen<br />
doch, dass sich die Oberzolldirektion diesen<br />
Ueberlegungen nicht verschliesst und im Interesse<br />
der Allgemeinheit ihre Zählungen so<br />
reorganisiert, dass sie nicht nur dem internen<br />
Gebrauch, sondern auch anderen Verwendungszwecken<br />
dienlich sind und zudem<br />
mit gutem Oewissen auch ohne «Wenn und<br />
Aber » als Statistik der Oeffentliehkeit übergeben<br />
werden können. Mittlererweile mögen<br />
die Verbände immerhin die Angelegenheit vor<br />
internationalem Forum zur Sprache bringen.<br />
Mit vereinten Kräften und etwas gutem<br />
Willen sollte sie, die doch gewiss kein eigentliches<br />
Problem darstellt, zu einem guten<br />
Ende geführt werden können. B.<br />
zu respektieren und sich im Verkehr entsprechend<br />
zu verhalten. Die Vollzugsverordnung<br />
zum Automobilgesetz bestimmt, dass<br />
die Motorfahrzeugfilhrer vor Fussgängerstreifen<br />
die Geschwindigkeit zu massigen<br />
und nötigenfalls anzuhalten haben, um den<br />
sich darauf befindlichen Passanten die ungehinderte<br />
Ueberquerung der Fahrbahn zu ermöglichen.<br />
Das ist schön und recht, wenn<br />
der Fussgänger seinerseits auch ausschliesslich<br />
diesen Streifen benützt und die übrige<br />
Fahrbahn dem Fahrzeugverkehr freilässt.<br />
Begegnet der Automobilist aber Passanten<br />
an jeder beliebigen Stelle und zwingt ihn die<br />
willkürliche Beanspruchung der Strasse<br />
durch die Fussgänger zu einer dauernden<br />
Beobachtung und verlangsamten Fahrweise,<br />
so kann wohl kaum von ihm erwartet werden,<br />
dass er bei den sogenannten Fussgängerstreifen<br />
noch weitergehende Rücksichten<br />
walten lasse. Konzentriert sich dagegen der<br />
Fussgängerverkehr auf diese besonders markierten<br />
Stellen und hat der Fahrzeugführer<br />
auf den Zwischenstrecken vollkommen freie<br />
Fahrt, dann ist es selbstverständlich, dass<br />
dem Passanten an den Uebergängen das<br />
Vortrittsrecht gehört, das der Automobilist<br />
und Motorradfahrer auf der übrigen Strasse<br />
für sich in Ansoruch nehmen kann.<br />
AUTOMOBTL-REVUr! <strong>1933</strong> - N" 103<br />
und die ihnen für die Benützung der Fahrbahn<br />
gegebenen Zeichen zu befolgen.<br />
Wie sich die Polizei die Auslegung des Absatzes<br />
2 vorstellt, hat sie bereits gezeigt, indem<br />
an den verkehrsreichsten Strassen und<br />
Plätzen uniformierte Verkehrspolizei in der<br />
Nähe der Markierungen postiert wurde, welche<br />
die Passanten veranlassen, ausschliesslich<br />
die Fussgängerstreifen zur Ueberquerung<br />
der Fahrbahn zu benützen. Wie wenig diszipliniert<br />
und unachtsam das Publikum im<br />
grossen und ganzen noch ist, kann jedermann<br />
selbst beurteilen, der sich die Mühe<br />
nimmt, an einem solchen beaufsichtigten<br />
Uebergang Posto zu fassen und den Verkehr<br />
nur eine Viertelstunde zu beobachten. Der<br />
überwachende Beamte hat ständig Veranlassung,<br />
Leute auf den Zweck der Fussgängerstreifen<br />
aufmerksam zu machen und sie von<br />
den meistens bereits beschrittenen «Abwegen<br />
» wieder auf den « Pfad der Tugend > zu<br />
bringen. Gerade beim Bahnhofplatz, wo diese<br />
Fussgängerreservate gewiss breit genug geraten<br />
sind, laufen in unbeaufsichtigten Zeiten<br />
mehr Passanten neben als innerhalb der<br />
Markierungsnägel. Solange aber das Auge<br />
des Gesetzes wachsam ist, ordnet sich der<br />
Verkehr ganz leidlich. Das Gewimmel hört<br />
jeweilen auf und macht einem geordneten<br />
Betrieb Platz, der allen Beteiligten Freude<br />
machen sollte.<br />
Mit diesem ersten Versuch wird es aber<br />
nicht sein Bewenden haben dürfen. Bis es<br />
der gesamten Stadtbevölkerung eingehämmert<br />
ist, dass die Strasse ausserhalb der Nagellinie<br />
verbotenes Terrain darstellt, wird es<br />
noch viel Geduld und Belehrung brauchen.<br />
Wenn diese Beaufsichtigung vorläufig nicht<br />
regelmässig und später dann wenigstens<br />
Um den Fussgängerstreifen auch bei uns<br />
zu der Bedeutung im Strassenverkehr zu<br />
verhelfen, die ihnen als wichtiger Faktor der<br />
Verkehrsregelung und Hilfsmittel zur Erzielung<br />
erhöhter Verkehrssicherheit zukommt,<br />
schlugen wir eine Reglementierung vor, die<br />
Fussgängern und Motorfahrzeugführern ihre<br />
Pflichten und Rechte gleichmässig und entsprechend<br />
ihrer Rolle im Verkehr sinngemäss<br />
zuweist. Das Polizeiinspektorat der<br />
Stadt Zürich hat es sich nun angelegen sein<br />
zum Zwecke von Stichproben gelegentlich<br />
Der Fussgängerstreifen. lassen, den Strassenverkehr in dieser Richtung<br />
neu zu ordnen. Den mittelbaren Anstoss<br />
weitergeführt wird, dann geraten Demarkationslinien<br />
und Erlasse wiederum in Verges-<br />
Er ist eine äusserst nützliche Institution,<br />
hiezu mögen die Ausführungen der städtischen<br />
Geschäftsprüfungskommission gegeben<br />
wenn er wirklich seinen Zweck erfüllen<br />
senheit.<br />
kann. Nachdem in grossen Städten des Auslandes<br />
dieser Sonderweg für Passanten seit<br />
haben, welche die Ansprüche des Fussgängers<br />
an die Sicherheit auf öffentlichen Strasfach<br />
gewiss nicht schlechter Wille, sondern<br />
Im übrigen ist es bei den Fussgängern viel-<br />
längeren Jahren mit Erfolg im verkehrsintensiven<br />
Stadtkern angewendet wird, entschlossen<br />
und Plätzen als zu wenig gewährleistet nur Unachtsamkeit, wenn sie in der Eile von<br />
erachtete. Nun beschränkte sich aber die den Fussgängerstreifen keine Notiz nehmen.<br />
sen sich auch städtische Behörden unseres<br />
Polizei, in richtiger Erkenntnis der Tatsache, Wäre es deshalb nicht möglich, dieselben<br />
Landes dem Beispiel Folge zu leisten. Dabei dass eine Verkehrsregelung nur unter Heranziehung<br />
aller am Verkehr beteiligten Ele-<br />
besser kenntlich zu machen? Selbst in Eng-<br />
durch auffällige Aufschriften auf Ständern<br />
hat es dann aber entweder an den gesetzlichen<br />
Voraussetzungen oder am notwendigen<br />
Rückgrat gefehlt, um dieses neue Hilfs-<br />
auf eine einseitige Reglementierung der viel disziplinierteren Publikum bedeutend<br />
mente Aussicht auf Erfolg habe, nicht etwa land, wo die Verkehrsregelung, dank einem<br />
mittel in der Verkehrsregelung ganz und vor Fahrzeuge und ihrer Führer, sondern bezog einfacher ist, findet man immer wieder an<br />
allem konsequent zu übernehmen. Die Fussgängerstreifen<br />
wurden wohl auf alle mögli-<br />
Vorschriften ein. In bezug auf die Fussgänschriften<br />
« Cross here >, wobei gewöhnlich<br />
auch den Fussgänger in den Kreis ihrer Strassen und Plätzen weithin sichtbare Anchen<br />
Arten schön und deutlich gekennzeichnet<br />
und der schüchterne Aufruf an das ge-<br />
Art. 45, AI. 13 der Vollziehungsverordnuhg den Streifen verwiesen wird.<br />
gerstreifen gilt für Fahrzeuglenker: Die in noch mit einem auffallenden Pfeil eigensauf<br />
samte Publikum erlassen, sich einerseits dieser<br />
Streifen zu bedienen, anderseits diese Fussgängerstreifen die Geschwindigkeit zu<br />
niedergelegte Bestimmung, wonach vor Auf alle Fälle ist die Bemühung der Zürcher<br />
Polizei, den Fussgängerstreifen in vermehrtem<br />
Masse zu Ehren zu bringen, sehr<br />
Ausschnitte in der Fahrbahn besonders zu verlangsamen, nötigenfalls anzuhalten sei,<br />
respektieren und als Reservat der Fussgänger<br />
zu betrachten und darnach zu handeln. Fussgängern die ungehinderte Ueberquerung<br />
um den sich auf den Streifen befindlichen<br />
begrüssenswert. Es ist aber auch dringend<br />
notwendig, dass alle Strassenbenützer mit<br />
Es blieb beim frommen Wunsche. Die Fussgänger<br />
gehen mehrheitlich ausgerechnet ne-<br />
der Passanten wurde die nachstehende Auf-<br />
der Fahrbahn zu ermöglichen. An die Adresse<br />
dessen Zweck vertraut gemacht werden und<br />
die Polizei nach einer Karrenzzeit zur Gewöhnung<br />
des Publikums an dieses Hilfisben<br />
dem Streifen über die Strasse und die forderung gerichtet:<br />
Fahrzeugführer tun ebenfalls so, als ob keinerlei<br />
Markierung vorhanden wäre. Die Ver-<br />
Fussgänger merke:<br />
mittel des Verkehrs auch in der Lage ist,<br />
straffere Saiten aufzuziehen, wenn es nötig<br />
kehrspolizei schüttelt resigniert das Haupt 1. Wo Trottoire vorhanden sind, haben die sein sollte. Dabei darf aber wiederum die<br />
und wenn es im Stadtparlament Interpellationen<br />
regnet wegen vermehrten Unfällen benützen. Fehlen Trottoire, so ist die äusser-<br />
Fussgänger diese und nicht die Fahrbahn zu Sanktion nicht bei den Fahrzeugführern haltmachen,<br />
ß<br />
oder mangelnder Verkehrssicherheit, dann ste rechte Strassenseite einzuhalten.<br />
wirft sich der Polizeigewaltige in die Brust, Die Fussgänger haben nach rechts auszuweichen.<br />
Schweizerische Rundschau<br />
weist entrüstet alle Vorwürfe zurück, beweist<br />
an Hand der erstellten Fussgängerstreifen<br />
seine Vorsorge und Umsicht und benen<br />
in der ganzen Breite des Trottoirs ist Gesetzgeberische Massnahmen. Die Ver-<br />
Das Nebeneinandergehen mehrerer Persodenkt<br />
die Strassenbenützer, vorab die Motorfahrzeugführer<br />
mit einer eindringlichen Wer die Strasse überschreiten will, hat Ruhezeit der berufsmässigen Motorwagen-<br />
verboten.<br />
ordnung über die Regelung der Arbeits- und<br />
Mahnpredigt, worauf das Traktandum abgeschrieben<br />
wird !<br />
auf zu achten, ob die Fahrbahn frei ist; die durch das Parlament. Dieses ist gegenwär-<br />
durch Ausschau nach beiden Richtungen darführer<br />
harrt immer noch ihrer Behandlung<br />
Spass beiseite ! Wir haben erst kürzlich Ueberquerung muss rasch und auf dem kürzesten<br />
Weg erfolgen.<br />
liste vorgesehenen Geschäften belastet, dass<br />
tig noch so mit anderen in der Traktanden-<br />
an Hand französischer Gerichtsurteile nachgewiesen,<br />
dass den Fussgängerstreifen nur Wo Fussgängerstreifen vorhanden sind, es bald den Anschein hat, als ob die prompte<br />
dann eine verkehrsregelnde Bedeutung zukommt,<br />
wenn Fahrzeugführer und Fussgän-<br />
2. Die Fussgänger haben überdies die Andesrätlichen<br />
Botschaft vergebliche Liebes-<br />
haben die Fussgänger diese zu benützen. Ausarbeitung der Verordnung und der bunger<br />
ohne Unterschied verpflichtet sind, diese ordnungen der Verkehrspolizei zu beachten müh gewesen wären. Wenn das Geschäft<br />
auf die erste Session des nächsten Jahres<br />
verschoben werden müsste, so wäre auch<br />
mit der Einführung der Verordnung auf Neujahr<br />
nicht zu rechnen.<br />
Der Entwurf zum Bundesgesetz über die<br />
Regelung der Verkaufsaufteilung zwischen<br />
Bahn und Auto liegt im Bundeshaus bereinigt<br />
vor und ist, wie wir hören, den Interessenten<br />
zur Einsichtnahme unterbreitet worden.<br />
In seinen Hauptzügen entspricht er dem<br />
Vorentwurf, wie er in Nr. 46 der « A.-R.»<br />
im Mai bekannt gegeben wurde. Einige Ergänzungen<br />
und Aenderungen, welche vor allem<br />
die Postbeförderung betreffen, werden<br />
wohl auch die Genehmigung durch die Interessenten<br />
des Strassenverkehrs finden. Es<br />
ist anzunehmen, dass der Entwurf in der jetzigen<br />
Fassung zur Beratung gelangt. Die<br />
Kommissionen zur Behandlung des Geschäftes<br />
in den Räten, sollen wenn möglich, noch<br />
in der laufenden Session bezeichnet werden.<br />
Die Bestrebungen zur Regelung der Automobilwirtschaft<br />
dauern an. So fand am Montag<br />
eine weitere Besprechung der am schweizerischen<br />
Benzinmarkt interessierten Kreise<br />
statt, ohne dass die Angelegenheit zu einem<br />
Abschluss gekommen wäre. Gestern Don*-<br />
nerstag trafen sich in Bern die Vertreter der<br />
verschiedenen Verbände und Wirtschaftsgruppen,<br />
um die mit dem Pneuhandel in Zusammenhang<br />
stehenden Fragen zu erörtern.<br />
Sodann findet dieser Tage noch eine Sitzung<br />
in Zürich statt, welche sich mit der seit einigen<br />
Jahren vom Bund in petto gehaltenen<br />
Erhöhung der Einfuhrzölle auf Rohöl zu befassen<br />
haben wird. Wie wir erfahren, soll<br />
sich der Bund diese neue Einnahmequelle<br />
unter keinen Umständen entgehen lassen<br />
wollen. Hoffentlich wird wenigstens eine Regelung<br />
getroffen, die nicht etwa unserer einheimischen<br />
Fabrikation von Rohölmotoren<br />
aufs neue die Existenz gefährdet. ß<br />
Zur Auslegung des Automobilgesetzes. Das<br />
Eidg. Justiz- und Polizeidepartement hat in<br />
einem weiteren Rundschreiben seine Stellungnahme<br />
zu einigen Vorschriften der Vollziehungsverordnung<br />
zum eidg. Automobilgesetz<br />
wie folgt bekanntgegeben:<br />
1. Art. 12, Abs. 3. Kühlerfigur. — Nach Besprechung<br />
mit Experten betrachten wir als<br />
eine ungefährliche Kühlerfigur eine solche,<br />
welche weder scharfe Kanten noch Schneiden<br />
oder Spitzen nach irgendeiner Richtung<br />
hin aufweist und welche bei einem Zusammenstoss<br />
keine schwereren Verletzungen erzeugen<br />
kann als irgendein anderer Bestandteil<br />
am Automobil. Die Kühlerfigur darf auch<br />
nach hinten keine scharfen Kanten, Schneiden<br />
oder Spitzen aufweisen, weil erfahrungsgemäss<br />
Personen, die beim Zusammenstoss<br />
auf den Vorderteil des Fahrzeuges geschleudert<br />
werden, durch solche schwer verletzt<br />
werden können. Kühlerfiguren aus Weichgummi<br />
erachten wir dagegen gemäss dem<br />
Gutachten unserer Experten auch dann als<br />
zulässig, wenn sie Kanten oder Spitzen auir<br />
weisen.<br />
2. Art. 14, Abs. 6. Genügender Gleitschutz.<br />
— Gemäss Art. 14, Abs. 6, der Vollziehungsverordnung<br />
müssen alle Gummireifen mit<br />
genügendem Gleitschutz versehen sein. Gestützt<br />
auf die übereinstimmende Ansicht aller<br />
befragten Experten legen wir diese Bestimmung<br />
so aus, dass der verlangte Gleitschutz<br />
nur dann vorhanden ist, wenn das Reifenprofil,<br />
d. h. die Struktur desselben, auf der<br />
Lauffläche noch deutlich erkennbar ist. Für<br />
Vollgummireifen muss überdies verlangt<br />
werden, dass der Gummi in unbelastetem<br />
Zustand nicht unter eine Dicke von 4 Zentimeter<br />
abgefahren werden darf, wobei die<br />
Eisenbandage nicht mitzurechnen ist.<br />
23.<br />
Der Abend, den Eberhard in der kleinen<br />
Wohnung Buturlins verbrachte, war in hohem<br />
Masse interessant. Er lernte ein paar<br />
Menschen kennen, die den Eindruck einer<br />
fast unheimlichen Energie und Entschlossenheit<br />
machten. Er hörte ihre Namen, aber er<br />
achtete nicht darauf: sie waren ia sicher<br />
falsch. Echt aber waren die Berichte aus<br />
Russland; Berichte über die eigene Organisation<br />
wie über die der bürgerlichen Linken,<br />
die zunächst die Oberhand zu haben<br />
schien und vor allem auch im Heer stark<br />
Eingang gefunden hatte. Und echt war auch<br />
die Begeisterung dieser Revolutionäre für<br />
eine Idee, unter der sich Eberhard zunächst<br />
gar nichts vorstellen konnte : für die Idee<br />
einer Herrschaft des Proletariats. Hier hörte<br />
Eberhard zum erstenmal die Parteibezeichnung<br />
« Bolschewiki» und erhielt einigen<br />
Einblick in das Programm dieser Partei. Er<br />
hielt die Ausführung für eine Unmöglichkeit<br />
— selbtsverständlich ohne diese Meinung<br />
auszusprechen —. aber er verhehlte sich<br />
nicht, dass von diesen Männern, die ein kaltes<br />
Feuer zu verzehren schien. Wesentliches<br />
zu erwarten war. Und der Bericht, der noch<br />
am gleichen Abend seinen geheimen Weg<br />
nach dem deutschen Hauptquartier antrat,<br />
erregte dort stärkstes Interesse.<br />
Eberhard vereinbarte mit Buturlin. in ständiger<br />
enger Fühlung zu bleiben, die Beziehungen<br />
aber vor der Oeffentliehkeit geheim<br />
zu halten. Für Herrn Stein sollte Eberhard<br />
besondere Informationen erhalten. Die Russen<br />
wussten genau, dass dieser Advokat der<br />
Vertrauensmann aller Ententevertretungen<br />
war, und es lag in ihrem Interesse, ihn gelegentlich<br />
Dinge wissen zu lassen, die an<br />
sich richtig waren, ihren eigentlichen Wert<br />
aber erst erhielten durch die Konsequenzen,<br />
die ihnen die « Bolschewiki» gaben. Es war<br />
den Russen auch kein Geheimnis, dass die<br />
Ententevertretungen, insbesondere die Vertretung<br />
Frankreichs, mit der bevorstehenden<br />
Aktion der bürgerlichen Linken sympathisierten.<br />
Man misstraute in Paris und vermutlich<br />
auch in London dem Zaren, dessen<br />
Schwäche man kannte. Man war unzufrieden<br />
mit der lahmen Art der Kriegsführung,<br />
die man den Russen vorwarf; man erwartete<br />
von der bürgerlichen Revolution, dass<br />
sie zugleich eine Welle der Kriegsbegeisterung<br />
über das ganze unertnessliche Land<br />
schleudern würde — einer Kriegsbegeisterung,<br />
von der unter den jetzigen Verhältnissen<br />
keine Rede sein konnte.<br />
Das alles, sagte sich Eberhard, ist Zukunftsmusik.<br />
Aber so lange er mit den Russen<br />
zusammensass, so lange er ihrer streng<br />
logischen Beweisführung zuhörte, war er<br />
überzeugt von der Richtigkeit und absoluten<br />
Verlässlichkeit ihrer Ausführungen. Persönlich<br />
machten diese Männer auf ihn keinen<br />
freundlichen Eindruck; sie gaben sich viel<br />
zu sachlich, um nebenbei auch noch liebenswürdig<br />
sein zu können. Auch Hessen sie<br />
Eberhard, viel mehr als Buturlin es getan,<br />
durchaus fühlen, dass sie ihn keineswegs als<br />
zugehörig, eher als einen Gegner betrachteten,<br />
die sie zwar in ihr Spiel als nicht unwichtig<br />
einstellten, aber der ihnen sonst<br />
durchaus ferne stand. Er gehörte eben nach<br />
ihrer Meinung einer Gesellschaftsschicht an,<br />
die sie noch viel mehr hassten und verachteten<br />
als das Autokratentum der Bürgerschaft.<br />
Er wusste jetzt auch genau, was sie<br />
von ihm wollten. Sobald die bürgerliche Revolution<br />
in sich zusammengebrochen war,<br />
wollten sie in Russland erscheinen, um die<br />
Revolution des Proletariats zu beginnen. Die<br />
Möglichkeit hierzu musste ihnen Deutsch-<br />
'and bieten : die Durchfahrt durch deutsches<br />
Gebiet. Das sollte Eberhard vermitteln. Dafür<br />
wollten die «Bolschewiki» sich verpflichten,<br />
sofort den Krieg zu beenden, so-<br />
bald sie die Macht in die Hände bekämen.<br />
Dieser Teil des Hatzbergschen Berichts<br />
wurde im deutschen Hauptquartier mit einigem<br />
Kopfschütteln gelesen und erörtert.<br />
Am nächsten Vormittag fand Eberhard<br />
sich wieder bei Herrn Stein ein. Er wurde<br />
bereits erwartet. In dem Zimmer des Journalisten<br />
befanden sich ausser diesem zwei<br />
Herren* die Eberhard lieber mit dem Sammelnamen<br />
«Individuen» bezeichnet hätte; Leute,<br />
mit denen man nicht gern zur Tageszeit und<br />
an jedem Ort zusammentreffen mag. Unbestimmbaren<br />
Alters und unbestimmbarer Nationalität,<br />
fielen sie vor allem dadurch auf,<br />
dass sie ihre eleganten Anzüge trugen, als<br />
wenn sie nicht hineingehörten. Namen wurden<br />
hier anscheinend nicht genannt. Eberhard<br />
wurde als «der Russe» vorgestellt, deT<br />
eine, Grössere von den beiden, wurde «le<br />
Grand » genannt, der Kleinere, « le Petit».<br />
Das war jedenfalls leicht zu merken. Aus der<br />
Aussprache schloss Eberhard, dass der<br />
Grössere ein Schweizer war, der Kleinere<br />
ein Holländer. Zunächst war davon die Rede,<br />
dass wieder eine grössere Auflage von Propagandabroschüren<br />
nach Deutschland, vor<br />
allem nach dem Elsass gebracht werden<br />
musste.<br />
(Fortsetzung folgt.)