E_1934_Zeitung_Nr.010
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No 10 - <strong>1934</strong><br />
CD EI<br />
Die Mode hat stets etwas zu sagen. Und<br />
es ist verständlich, dass viele Frauen beim<br />
Anblick von immer wieder anderen, schmeichelnden<br />
Details dazu verführt werden, fortwährend<br />
irgendetwas in Aenderung oder Neuarbeitung<br />
zu wissen. Es scheint, dass gegenwärtig<br />
die Trikotneuheiten ihre grosse Zeit<br />
haben. Paris bringt wirklich reizvolle Einfälle.<br />
Die weiten Pelzmäntel sind so gut geeignet,<br />
schmiegsame zwei- und dreiteilige<br />
Kostüme zu decken. Und was gibt es Besseres<br />
für die Autofahrerin als das Trikotensemble<br />
unterm Sport- oder Pelzmantel?<br />
Es mehren sich die grossen Eisplätze mit<br />
ihren spiegelgÄtten Flächen und ihren Zuschauertribünen.<br />
Die Toilettefrage ist rasch<br />
gelöst, wenn die Dame, sei sie nun Schlittschuhläuferin<br />
oder Zuschauerin, zu diesen<br />
praktischen Kleidungsstücken greift<br />
Schauen wir uns kurz ein wenig um, was<br />
es hier alles gibt. Da sehen wir das schlichte,<br />
hoch hinaufreichende Kleid mit einer kragenlosen<br />
Jacke, die breite Revers trägt und mit<br />
je zwei Durchsteckknöpfen in dreifacher<br />
Wiederholung geschlossen ist. Streifen in<br />
zwei Tönen von Grau strecken die Figur.<br />
Beliebt sind bis in die Taille reichende anschliessende<br />
Jäckchen aus grober, aber dichter<br />
Strick- oder Häckelarbeit. Sie schliessen<br />
seitlich, tragen ein überfallendes Revers, Umlegkragen<br />
und schliessen mit einem grossen<br />
Knopf auf der linken Schulter. Reizvoll die<br />
Blusen aus samtartig weichem Trikot mit<br />
Mittelschluss aus Knebeln oder runden Knöpfen.<br />
Gewöhnlich ist auch ein Ledergürtel vorhanden.<br />
Dunkle Ledergürtel halten die Taille<br />
auch bei neuen Ensembles aus ganz weichen,<br />
aufgeworfenen Wollstoffen, wobei das Jäckchen<br />
manchmal kurz und nur am Hals geschlossen<br />
wird. Bajaderestreifen für die<br />
Taille treten zu dem hellen Unigrund des<br />
Gewebes. Aus zwei, drei Wollfäden, in verschiedenen<br />
Farben gemischte, homespunartige<br />
Gewebe dienen zu Kostümen, denen<br />
man das Uebereinandertreten der Vorderteile<br />
nicht gönnt. Sie lassen sogar einen kleinen<br />
Spalt zwischen den sie verschliessenden<br />
lederbezogenen Knebeln sehen, wohl um die<br />
weiche Bluse aus Trikot mit Umlegkragen<br />
etwas erraten zu lassen.<br />
Immer noch geht das Spiel angeschnittener'<br />
oder selbständig zu tragender Echarpen weiter.<br />
Hängende, grosse Bandköpfe fallen bei<br />
Abendkleidern auf die Büste, wiederholen<br />
sich in der Taille ebenfalls vorn. Das Seidenkleid<br />
mit seitlicher Schleife auf der Achsel<br />
und vorne herabfallend, ist weit verbreitet.<br />
Das kleine Schultertuch, das, über die Oberarme<br />
fallend, diese flügelartig deckt, ist mit<br />
Enden versehen, die, am Halsansatz gebunden,<br />
dem Kleid reizvolle Weichheit verleihen.<br />
<br />
Und dieser Ansicht werden wohl viele sein;<br />
wie wenig weise man von dem Land!<br />
Mich reizte die neue Aufgabe. Vielleicht spürte<br />
meine Kameia wieder verborgene Schönheiten<br />
auf.<br />
Trotzdem packten mich doch dann und wann<br />
Zweifel: wird sich mir die Seele dos La,nde§ auch<br />
diesmal wieder offenbaren? Wird meine Arbeit<br />
mir lieb werden wie in all den andern Ländern<br />
Europas, in denen mit jedem Tag, mit jeder Woche<br />
meine Jagdlust mehr und mehr zur Leidenschaft<br />
wuchs, immer Neues zu entdecken, immer<br />
tiefer in das Wesen eines Volkes einzudringen?<br />
Ich machte mich getrost auf den Weg und<br />
bereiste in den Jahren 1931 und 1932 das Land<br />
bis in seine entlegendsten Winkel. Dabei legte ich<br />
im Auto allein über 25 000 km zurück — nicht<br />
immer auf bequemen Strassen!<br />
Meine Erwartungen wurden bei weitem übertroffen;<br />
fast täglich gab es neue üeberraschunigen.<br />
Diase Landschaften! Wilde Bergformationen<br />
in den Karpathen, liebliche Täler im freundlich,<br />
anmutigen Hügelland Siebenbürgens; der breite<br />
Donaustrom mit seinem engen Felsdurchbruch<br />
vor dem Eisernen Tor. und die ungeheure Weit©<br />
seines Deltas: die Lagunen und die silberne Küste<br />
am leuchtenden Meer; Steppen in der Dobrudscha<br />
und Fruchtebenen in der Walachei.<br />
Welche Formenfülle in den Bauten! Einfache<br />
Lehmhütten und stattliche Bauernhäuser mit<br />
reich geschnitzten Toren; wahrhaft königliche<br />
Schlösser und Gärten; orthodoxe Kirchen mit<br />
Aussenfresken und goldstrotzenden Altären;<br />
Wehrklöster mit gewaltigen Mauern; zierliche<br />
Holzkirchen mit oft nadelspitzem Turmdach, und<br />
die Wucht der vielen deutschen Kirchenburgett<br />
in Siebenbürgen^ die einzig in der Welt sind.<br />
Und ich sah das Volk, in einzelnen Gegenden<br />
bunt zusammengewürfelt, mit mancherlei Sprache<br />
und verschiedenen Sitten; ich sah es und<br />
lernte es lieben. Je einsamer ein Dorf, desto<br />
rassiger der Menschenschlag, desto edler die<br />
Züge; die Tracht noch Volks- und Arbeitstracht<br />
von einer Bewegtheit und Buntheit von einem<br />
Farben und Formenreichtum, der mich entzückte.<br />
Mit wieviel Liebe und natürlichem Kunstempfinden<br />
schmücken die rumänischen Bauern<br />
ihr Haus und ihre letzte Ruhestatt: die Kreuze<br />
auf Gräbern, an Brunnen und an Wegen sind<br />
Zeichen der tiefen Innerlichkeit ihres naiven<br />
Empfindens.<br />
Mir ist mit jedem Tag, mit jeder Woche das<br />
Land lieber geworden. Die Kindlichkeit uijd<br />
Freundlichkeit der rumänischen Dorfbewohner<br />
gewann mein Herz.<br />
Das Studium der unruhigen, kampfdnrehtobten<br />
Geschichte des Landes half mir. ein Volk<br />
zu verstehen, das sich zusammenschlieesen wollte<br />
nach Blut und Sprache.<br />
Aber neben der Freude bei der Arbeit ergriff<br />
es mich schmerzlich, dass dem gesamten<br />
Volkstum Rumäniens ein schwerer Feind droht;<br />
es nähert sich der Kultur dieses gesegneten<br />
Sonnenlandes die graue Wolke des Westens: der<br />
alles bunte Leben erstickende Staub der Zivilisation!<br />
Schon erfasst er einzelne Dörfer; gtau<br />
überzieht er Urväterhausrat und die Farbenfroheit<br />
der Trachten und taucht sie in Eintönigkeit<br />
und Stumpfheit der Allerweltsmorte. So wird allmählich<br />
ein künstlerisch empfindendes Volk sein<br />
Urgesioht verlieren. »<br />
Die Ausbeute dieser 25 000 km im Auto ist<br />
in einem Prachtswerk niedergelegt, das der<br />
bekannte Verlag F. A. Brockhaus, Leipzig,<br />
kürzlich herausbrachte; in über 300 Bildtafeln<br />
in Kupfer-Tiefdruck wird der Beschauer von<br />
Seite zu Seite stärker gefesselt — entzückt;<br />
herrliche Landschaften, wunderbare alte und<br />
neuere, bodenständige Bauten, Volkstypen<br />
zahlreicher Stämme — Sitten und Gebräuche<br />
eigenartigster Prägung leuchten aus den Bildern<br />
entgegen.<br />
Beim Automobilisten löst das Buch un-<br />
Höhere •<br />
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