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E_1934_Zeitung_Nr.010

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N° 10 - <strong>1934</strong> AUTOMOBIL-REVUE<br />

Verkehrsprobleme der Stadt<br />

Zürich.<br />

Auf Einladung des Zürcher Verkehrsvereins<br />

sprach letzten Freitagabend in der «Schmidstube»<br />

der Vorstand des Bauwesens I, Stadtrat<br />

Baumann, über obiges Thema. Im Zusammenhang<br />

mit der von uns veröffentlichten<br />

Abhandlung in Nr. 6 der «Automobil-Revue»<br />

(Das Auto in der Stadt Zürich) vermittelt das<br />

Expose des Vortragenden ein klares und<br />

übersichtliches Bild von der stadtzürcherischen<br />

Strassenbaupolitik, speziell im Hinblick<br />

auf die dem Auto im Verkehrsleben der Stadt<br />

zukommende Rolle.<br />

Seit etwa 20 Jahren sind die Strassen Zürichs<br />

in einer planmässigen Umgestaltung<br />

begriffen, die auf weite Sicht berechnet, vor<br />

allem durch die veränderte Technik des Verkehrs<br />

zu einer dringenden Notwendigkeit geworden<br />

ist. Im Jahr 1905 zählte man 114<br />

Autos und 60 Motorvelos, 1932 dagegen 8954<br />

Autos, oder 81mal mehr, und 2187 Motorräder,<br />

oder 36mal mehr. Diesen Verkehr<br />

durch Polizeiposten regeln zu wollen, wäre<br />

aussichtslos. Die Anforderungen entstehen<br />

aus der Natur der Sache. Bei diesem Problem<br />

handelt es sich also um etwas Naturnotwendiges,<br />

weshalb man auch nicht darum<br />

herum kommt, den motorisierten Verkehr zu<br />

regeln.<br />

Vorerst ging der Referent auf die Strassen<br />

in der City ein. Auf Grund eingehender<br />

Untersuchungen beträgt die schmälste Fahrbahnbreite<br />

für Einbahnverkehr 3,65 m. Die<br />

zweite normale Strassenbreite ist diejenige<br />

von 6 m, welche bereits einen Verkehr in<br />

zwei Richtungen erlaubt. Als weitere Stufe<br />

ist diejenige von 8,50 m zu betrachten, d.h.<br />

die dreispurige Fahrbahn mit Abstellstreifen<br />

oder mittlerer Vorfahrbahn. Die Norm für<br />

die stadtzürcherischen Hauptverkehrslinien<br />

schreibt eine Breite von minimal 11 m vor,<br />

wobei in die Mitte der Fahrbahn die Geleise<br />

der Strassenbahn verlegt werden können, so<br />

"iss ausserhalb der Tramlinie noch zwei<br />

Greifen von je 3,50 m zur Verfügung stehen.<br />

Der Referent warnt vor der Anlage zu schmaler<br />

Strassen, wobei er auf das Beispiel der<br />

Bahnhofstrasse verweist, welche früher oder<br />

später beidseitig um je 50 cm verbreitert werden<br />

muss.<br />

Im weitern kam der Referent auf die zweite<br />

Kategorie der vom Strassenbauprogramm erfassten<br />

Verkehrslinien, auf die Ausfallstrassen,<br />

zu sprechen; so soll die Seestrasse durch<br />

den Ausbau der Mythenquaistrasse entlastet<br />

werden. Durch diese Linie (Quaibrücke,<br />

Mythenquai, Gelände der Züga, seeseitig der<br />

S. B. B. bis Bahnübergang Wollishofen) können<br />

die unhaltbaren Zustände am Bahnübergang<br />

Wollishofen beseitigt werden, indem<br />

nach Erstellung dieser Strasse 75 bis 80 Prozent<br />

der Wagen die direkte Stadtroute benützen.<br />

Nach dem Ausbauprofil der Mythenquaistrasse<br />

ist eine Fahrbahnbreite von 8,50 m<br />

vorgesehen mit je zwei 1,5 m breiten Radfahrerstreifen<br />

(rechter Streifen stadtwärtiger<br />

Verkehr, linker Streifen stadtauswärts).<br />

Ueberdies ist durch einen Grünstreifen, 7,5 m<br />

von der Fahrbahn getrennt, die Erstellung<br />

eines seeseitig gelegenen Fussgängerweges<br />

geplant.<br />

Richtung Sihltal soll ein neuer Strassenzug<br />

Brunau, Höcklerbrücke, Maneggbrücke nach<br />

Adliswil erstellt werden. Dem Stadtrat dürfte<br />

der ganze Ausbau auf einmal, bei einer Breite<br />

von 8,5 m, beantragt werden. Die Birmensdorferstrasse,<br />

als weitere Ausfallstrasse, ist<br />

zurzeit zum Teil ausgebaut. Das gleiche gilt<br />

für die Badenerstrasse wie auch für die<br />

Hardturm-Industriestrasse, über welche der<br />

zweitstärkste Verkehr der Schweiz rollt. Unbefriedigend<br />

ist hingegen der Ausbau der<br />

Strasse über Höngg am rechtserjgen Limmathanggebiet.<br />

Ihr Ausbau kommt sehr teuer zu<br />

stehen und wird noch einige Geduld erfordern.<br />

Zum grossen Teil vollwertig ausgebaut<br />

sind auch Schaffhauser-, Universitäts- und<br />

Winterthurerstrasse, während die Strasse<br />

nach Affoltern ins Glatt-Tal zum Teil noch<br />

einiger Ergänzungen bedarf. Als heikles Problem<br />

ist die Hauptausfallstrasse nach dem<br />

rechten Seeufer zu bezeichnen, wozu die Bellerivestrasse<br />

vorgesehen ist, indem Mühlebachstrasse<br />

wie Dufourstrasse dafür nicht geeignet<br />

sind. Ihre Totalbreite soll in Zukunft<br />

12 m betragen, doch besteht einstweilen für<br />

die Anstösser kein Grund zur Beunruhigung.<br />

Zu mehr als der Hälfte dürften dennoch die<br />

Ausfallstrassen ausgebaut sein.<br />

Zurückkommend auf die Strassenverhältnisse<br />

in der Stadt erinnerte der Referent daran,<br />

dass die sich aus diesen ergebenden<br />

Schwierigkeiten sehr bedeutende seien. In<br />

der inneren Stadt gibt vor allem das Problem<br />

der Verbindung zwischen Bahnhof und See<br />

zu denken, wo bereits drei Strassen vorhanden<br />

sind, keine aber auch nur annähernd den<br />

Bedürfnissen zu entsprechen vermag; speziell<br />

wird der Limmatquai streckenweise verbreitert<br />

und neu bebaut werden müssen. Bei diesem<br />

Strassenzug sind verschiedene alte Gebäulichkeiten<br />

zu schützen. Die Niederlegung<br />

des Wasserhauses hinter dem Helmhaus<br />

würde die Durchführung des Personenverkehrs<br />

durch die Helmhaushalle ermöglichen<br />

und zugleich die Wasserkirche besser<br />

in Erscheinung treten lassen. Linksseitig der<br />

Limmat müssen «Meise» und «Schipfe» erhalten<br />

bleiben, wogegen eine Verbreiterung<br />

der Storchengasse beabsichtigt ist. Wichtiger<br />

ist hingegen die Idee der Aufhebung des<br />

Schanzengrabens, um an dessen Stelle bis<br />

zum Bahnhof eine Strasse zu erstellen. Was<br />

das Projekt der Untertunneilung des Lindenhofes<br />

anbetrifft, dürfte dies kaum zur Ausführung<br />

gelangen, da man wegen der Ueberbauung<br />

der Uraniastrasse noch nicht durchwegs<br />

einig ist.<br />

Neben diesen Strassenzügen ist aber auch<br />

an die Querverbindungen der City zu denken.<br />

Unter diesen beabsichtigt die Stadt die grosszügige<br />

Linienführung von der Sihlbrücke über<br />

die Uraniabrücke nach dem Zähringerplatz<br />

und unter Durchbrechung verschiedener<br />

Häusergruppen zum Heimplatz auszuführen.<br />

Der Regierungsrat hat jedoch das Projekt<br />

abgelehnt, weil zu wenig Rücksicht auf Privatinteressen<br />

genommen worden sei, was im<br />

Stadthaus aber nicht als stichhaltig angesehen<br />

werde.<br />

Bedeutende und zum Teil sehr schwierig<br />

zu lösende Aufgaben stellen verschiedene<br />

Plätze. Während der Paradeplatz heute ziemlich<br />

den Ansprüchen genügt, kann dies beim<br />

Bahnhofplatz nicht behauptet werden, doch<br />

hängt hier eine durchgreifende Sanierung von<br />

den endgültigen S. B. B.-Bahnhof-Umbauprojekten<br />

ab. Im Studium begriffen ist die Regelung<br />

der Verkehrsverhältnisse am Leonhardsplatz,<br />

welcher entweder mehr in den<br />

Berg hinein, oder auf die Limmat hinaus verlegt<br />

werden soll. Dem Bürkliplatz glaubt der<br />

Referent eine gute Note verleihen zu können.<br />

In nächster Zeit sollen Bellevue- und Escher-<br />

Wyss-Platz in Angriff genommen werden, für<br />

die verschiedene Projekte vorliegen.<br />

Dass derartige Umbauten nicht nur Zeit,<br />

sondern auch Geld kosten, braucht kaum<br />

mehr des nähern erörtert zu werden. Für<br />

den Bau, die Erhaltung und Reinigung der<br />

Strassen gibt Zürich jährlich im Durchschnitt<br />

8 bis 9 Mill. Fr. aus. Daran werden vom<br />

Kanton vergütet 1,681 Mill. Fr., und zwar<br />

1,034 Mill. Fr. aus Motorfahrzeuggebühren,<br />

150 000 Fr. für Neubauten und 493 000 Fr. für<br />

Umbauten; das sind rund 15 Prozent der<br />

Gesamtausgaben. Stadtrat Baumann betonte,<br />

dass die Stadt die im neuen Verkehrsgesetz<br />

des Kantons Zürich vorgesehene Kürzung der<br />

Beiträge nicht ohne weiteres hinnehmen<br />

könne. Sie werde sich deshalb zur Wehr<br />

setzen und hoffe, erhebliche Aenderungen<br />

im Gesetzesentwurf noch durchbringen zu<br />

können. Wenn alles nichts helfen sollte, sähe<br />

sich die Stadt genötigt, ihr Strassenbauprogramm<br />

zu reduzieren.<br />

Zum Schluss bemerkte der Referent, dass<br />

kein Projekt in der Stadt Zürich zur Verwirklichung<br />

gelange, ohne dass dasselbe den<br />

Verkehrsverbänden vorgelegt worden sei.<br />

In der Diskussion beleuchtete Polizeiadjunkt<br />

Hartmarin die Strassenverkehrspolitik speziell<br />

vom Standpunkt seines Interessengebietes<br />

aus, indem er die Strasse heute als das spezielle<br />

Arbeitsfeld der Polizei bezeichnet, so<br />

dass diese an der Regelung der Verkehrsverhältnisse<br />

einen wohllegitimierten Anspruch<br />

habe. Im weitern kamen verschiedene Auffassungen<br />

und Wünsche der Fussgänger und<br />

Automobilisten zum Wort, so z.B. die Fragen<br />

der Parkierungsplätze und der Strassenbeleuchtung.<br />

- my.<br />

Zur Lage der Motorwagenindustrie. Wir<br />

haben schon vor Monaten auf den Rückgang<br />

in der Zahl der polizeilich angemeldeten<br />

Lastwagen schweizerischer Konstruktion und<br />

auf die unabwendbar gewordenen Betriebseinschränkungen<br />

in einheimischen Fabriken<br />

hingewiesen. Der Geschäftsgang hat sich seither<br />

derart verschlechtert, dass in einzelnen<br />

Werkstätten nur noch 25—36 Stunden in der<br />

Woche gearbeitet werden kann, und dass ein<br />

Abbau der Arbeitslöhne unumgänglich zu<br />

sein scheint.<br />

Was ein weiterer Niedergang unserer Motorwagenindustrie<br />

für die Betriebe, für die<br />

betroffenen Arbeiter und ihre Familien, aber<br />

auch für den öffentlichen Haushalt bedeuten<br />

würde, sollte auch von denjenigen erkannt<br />

werden, die selber weitgehend auf die Solidarität<br />

der einheimischen Abnehmerschaft<br />

angewiesen sind. So haben, wie uns mitgeteilt<br />

wird, einheimische Mostereien und Obstverwertungsgenossenschaften<br />

in den letzten<br />

Monaten und in einer Reihe von Fällen Lastwagen<br />

fremdländischer Fabrikation angeschafft,<br />

ebenso Betriebe anderer Branchen,<br />

deren Existenzfähigkeit heute völlig vom Inlandmarkt<br />

abhängig ist.<br />

Muss es uns noch viel schlechter gehen,<br />

bis wir zur Einsicht kommen, dass ein momentaner<br />

materieller Vorteil oft gleichbedeutend<br />

ist mit dauernder Schädigung anderer<br />

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