E_1934_Zeitung_Nr.056
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Bern, Dienstag, 10. Juli <strong>1934</strong> III. Blatt der „Automobil-Revue" No. 56<br />
Was ist die Affäre Dreyfus ?<br />
Dem umfangreichen, auf einem gewaltigen<br />
Tatsachen-Material beruhenden und mit höchster<br />
Eindrückltebkeit geschriebenen Werk «Der Kampf<br />
einer Republik» (Europa-Verlag, Zürich), das die<br />
grosse Dreyfus-Affäre in umfassender Weise beleuchtet,<br />
entnehmen wir den folgenden zusammenfassenden<br />
Abschnitt.<br />
Die Red.<br />
Zunächst: Ein Kriminalroman, spannender,<br />
phantastischer, sensationeller als irgendein<br />
berühmter Detektivroman.<br />
Zweitens: die ergreifende rührende Geschichte<br />
einer jüdischen Familie.<br />
Drittens: ein Prozess, der immer neue<br />
Prozesse hervorruft. Von 1894 bis 1906.<br />
Viertens: der Kampf zwischen Militär-und<br />
Zivilgewalt in einer ungefestigten Republik.<br />
Die Auseinandersetzung zwischen den Republikanern<br />
und allen Feinden der Republik, die<br />
sich steigert bis zum Bürgerkrieg für den<br />
Sieg des Rechts gegen die Macht.<br />
Fünftens: die heroische Periode der dritten<br />
Republik.<br />
Sechstens: das Erlebnis einer ganzen Generation.<br />
Die Geistes- und Zeitgeschichte<br />
Frankreichs um 1900. Der ewige Kampf ums<br />
Recht.<br />
Siebentens : der Riesenstoff zu einer<br />
« Menschlichen Komödie ».<br />
Der Kriminalroman.<br />
I.<br />
Noch der raffinierteste amerikanische Detektivroman<br />
bleibt hinter dem einfachen Tatsachenbericht<br />
weit zurück, der die in Paris<br />
.ch vor dreissig Jahren abspielenden Szenen<br />
und Vorgänge rein dokumentarisch feststellt.<br />
Wie erklügelt und konstruiert erscheinen<br />
uns jene mit dem Grauen und den Abgründigen<br />
kokettierenden Romanserien angesichts<br />
der realen Geschehnisse und Begebenheiten,<br />
deren Schauplatz mitten in der Weltstadt<br />
Paris lag Begebenheiten, die sich<br />
nicht in Verbrecherkreisen abspielten, sondern<br />
in den angesehensten und gesellschaftlich<br />
höchsten Milieus. In der Rue St-Dominique,<br />
im Generalstabsgebäude der französischen<br />
Armee, in der Deutschen Botschaft, Rue de<br />
Lille, im Elysee, dem Palais des Präsidenten<br />
der Republik, in den Ministerien, in den Beratungszimmern<br />
der Kriegsgerichte, vor den<br />
Geschworenen im Justizpalast, auf öffentlichen<br />
Pariser Plätzen, auf der Esplanade des<br />
Invalides, im Parc de Montsouris und im<br />
Palais Bourbon.<br />
u^~'iuen<br />
-Hohe Offiziere mit falschen Barten und<br />
Brillen, in Riesenulster vermummt,<br />
geben sich mit einem Verbrecher ein Stelldichein,<br />
stecken ihm Briefe und Dokumente<br />
zu, vermitteln ihm alles, was er braucht, um<br />
sich vor dem Zuchthaus zu retten. Sie erfinden<br />
«eine verschleierte Dame», die ihm auf<br />
einer Pariser Brücke mitten im Zentrum der<br />
Stadt ein geheimes Schriftstück zusteckt, das<br />
aus dem dreimal verschlossenen Tresor der<br />
Spionageabteilung des Kriegsministeriums<br />
stammt.<br />
Der Verbrecher hat Format. Er nimmt<br />
F E U I L L E T O N<br />
Bux.<br />
Zirkusroman von Hans Possendorl.<br />
(Fortsetzung aus dem Hauptblatt.)<br />
Ahnen Sie, welche Pflichttreue in so<br />
einem Tier steckt? Dem alten Brahma verdankten<br />
meine Vorfahren zum grossen Teil<br />
ihre Erfolge; es war die Grundlage zu dem<br />
Aufstieg meiner Familie, der meine Eltern<br />
zu vermögenden Leuten gemacht hat. —<br />
Heute sind sie es freilich nicht mehr. —<br />
Aber auch ich verdanke Brahma im Grunde<br />
genommen alles, was ich bin und was ich<br />
gelernt habe. Ohne ihn wäre ich vielleicht<br />
heute ein kleiner Seiltänzer oder wer weiss<br />
was sonst.»<br />
«Verzeihen Sie mir», sagte Fee weich. «Ich<br />
werde nie wieder so etwas tun. Ich habe<br />
bisher nie über Tiere und ihr... wie soll<br />
ich sagen? — ihr Seelenleben kann ich wohl<br />
nicht gut...»<br />
«Doch, doch; sprechen Sie ruhig von der<br />
Tierseele; sie ist es wert, davon zu sprechen<br />
— und zu schreiben.»<br />
Fees nachdenkliche Anwandlung dauerte<br />
Von Wilhelm Herzog.<br />
lonschef in der französischen Armee. Ein<br />
Unschuldiger wird an seiner Stelle von einem<br />
Kriegsgericht verurteilt. Für alle Verbrechen,<br />
die er begangen hat, wird dieser für<br />
Lebenszeit auf eine südamerikanische Fieberinsel<br />
deportiert. Während der unschuldig<br />
Verurteilte in der französischen Verbrecherkolonie<br />
jahrelang gefoltert wird, spaziert er<br />
fröhlich und guter Laune in Paris herum,<br />
setzt unbekümmert seine vom deutschen Generalstab<br />
gut honorierte Tätigkeit als Spion<br />
fort, und als schliesslich der Verdacht auf<br />
ihn fällt, als er vom Bruder des Unschuldigen<br />
öffentlich gebrandmarkt wird, erfreut er<br />
sich der Sympathien aller Mächtigen bis zum<br />
Chef des Generalstabes. Er sieht sich von denen,<br />
deren Pflicht es wäre, ihn sofort verhaften<br />
zu lassen, umworben und reichlich unterstützt.<br />
Alle diese hohen Generalstabsoffiziere<br />
bemühen sich, ihn zu entlasten. Sie diktieren<br />
ihm Drohbriefe an den Präsidenten<br />
der Republik und an den Kriegsminister. Sie<br />
helfen ihm bei seinen Erpressungen, schikken<br />
ihm Boten und Telegramme, richten einen<br />
Kurierdienst mit ihm ein, halten ihn dauernd<br />
über alle Angriffe und Untersuchungen,<br />
die ihm drohen, auf dem laufenden.<br />
Als ihm schliesslich doch der Prozess gemacht<br />
wird, erzwingen sie seinen Freispruch.<br />
Alles lange mit raffiniertesten Mitteln vorbereitet.<br />
Die Fragen, die man ihm, dem angeklagten<br />
Verbrecher, stellen wird, weiss er<br />
vorher und die Antworten, die er dem Kriegsgerichtspräsidenten<br />
geben soll, werden ihm<br />
aufgeschrieben. Er lernt sie vorher auswendig.<br />
Dies alles spielt sich vor dem ersten<br />
Kriegsgericht des Militärgouvernements ab.<br />
Nach dem Freispruch, der einstimmig erfolgt,<br />
wird der Verbrecher umjubelt. 1898<br />
in Paris. Es war ihm nichts nachzuweisen.<br />
Generäle schütteln ihm die Hand. Der Herzog-von<br />
Orleans, der -Kronprätendent umarmt<br />
und küsst ihn auf den Stufen des Justiz-'<br />
Palastes. Die Volksmenge, die ihn im Triumphzug<br />
vom Gericht zu seiner Wohnung<br />
begleitet, schreit: «Hoch Esterhazy! E& lebe<br />
die Armee!» Er sinkt in die Arme seiner<br />
Geliebten.<br />
II.<br />
Deutsche Botschaft in Paris. Palais in der<br />
Rue de Lille 78. Umlauert Tag und Nacht<br />
von Spionen. Draussen und drinnen. Etwa<br />
zwei Dutzend Angestellte im Dienste der<br />
Spionageabteilung des französischen Generalstabs.<br />
Die Zofe der Gräfin Münster, der<br />
Botschaftsportier, Diener, Reinemachfrauen.<br />
Alles spioniert. Belangloses und weniger Belangloses.<br />
Drinnen regiert ein alter Grandseigneur,<br />
der Graf Münster, ein vornehmer<br />
Greis von 75 Jahren. Um ihn herum: seine<br />
Tochter, die Komtess Münster (deren Zofe —<br />
eine der tüchtigsten und eifrigsten Mitarbeiterinnen<br />
des französischen Generalstabs),<br />
Botschaftsräte und Militärattaches. Der erste<br />
Militärattache, ein Oberleutnant, empfängt<br />
im Botschaftspalais ohne Wissen seines<br />
Chefs, des Grafen, französische Spione,<br />
die ihm allerhand Wissenswertes für den<br />
deutschen Generalstab gegen feste monatliche<br />
Gage liefern. So auch Esterhazy, der<br />
beim ersten Besuch in Zivil erscheint, ohne<br />
nicht lange. Bald war sie wieder beim Fragen,<br />
und sie erfuhr allmählich dieses:<br />
Willibald Buchsbaums Grossvater hatte<br />
schon einen recht bedeutenden Wanderzirkus<br />
gehabt, sein Vater hatte das Unternehmen<br />
immer mehr ausgebaut und war im<br />
Laufe der Jahre zum reichen Mann geworden.<br />
Willy selbst war von kleinauf Artist.<br />
Er lernte sozusagen alles; er war Reiter,<br />
Akrobat, Turner, Dresseur. Bis zu seinem<br />
sechzehnten Jahre trat er allabendlich im<br />
Zirkus auf. Dann setzte seine Mutter ihren<br />
Willen durch: Obwohl selbst aus einer alten<br />
Zirkusfamilie stammend, wollte sie den Sohn<br />
dem bürgerlichen Leben zuführen, und ihr<br />
ganzer Ehrgeiz war, dass Willy studieren<br />
sollen. Durch einen Hauslehrer, der stets<br />
mitreiste, hatte er eine ganz gute Gymnasialbildung<br />
erhalten. Ein Jahr lang hatte er<br />
dann noch eine Schule besucht, machte darauf<br />
sein Abitur und begann Medizin zu studieren,<br />
obwohl er lieber Tierarzt werden<br />
wollte. Er hatte erst drei Semester hinter<br />
sich, als der Krieg ausbrach. Wenige Monate<br />
vorher hatte Herr Buchsbaum Senior<br />
seinen Zirkus aufgelöst und sich als wohlhabender<br />
Privatmann in seine Heimatstadt<br />
im Knopfloch seines schwarzen Ueberrockes<br />
das rote Band der Ehrenlegion zu vergessen.<br />
Er liefert dem deutschen Militärattache nach<br />
und nach 162 militärische Geheimdokumente.<br />
Kommt und geht, — wie der deutsche Oberst,<br />
der Chef der deutschen Spionagezentrale in<br />
Paris, glaubt — unauffällig, von niemandem<br />
bemerkt. Der Spion hatte ihn über seine wiederholten<br />
Besuche beruhigt; es gingen doch<br />
so viele Leute in der Botschaft ein und aus.<br />
Ausserdem sei er mit dem Obersten Sandherr,<br />
dem Chef des Spionagedienstes, befreundet<br />
und der Präsident der Republik,<br />
Casimir-Perier, sei sein Schulkamerad gewesen.<br />
In den nächsten Tagen ginge er ins<br />
Manöver. Es fänden sehr wichtige militari-<br />
sehe Uebungen im Lager von Chälons statt.<br />
Er stellt dem Obersten, neben vielen andern<br />
Geheimnissen, den neuen Mobilmachungsplan<br />
der Artillerie in Aussicht. Er verlangt<br />
ein Monatsgehalt von 2000 Mark und<br />
empfängt in der Tat über drei Jahre hindurch<br />
viele Zehntausende in gutem französischem<br />
Geld.<br />
Kurz vor seiner Entlarvung kommt der<br />
Spion — gewarnt von dem neuen Chef der<br />
französischen Spionageabteilung, dem Obersten<br />
Henry, der mit ihm im Bunde steht —<br />
zum letztenmal zu dem Militärattache in die<br />
Deutsche Botschaft. Er fährt in einem Wagen<br />
vor. Wird beobachtet von einem Polizeiagenten.<br />
Bevor er zu dem Obersten von<br />
Schwartzkoppen fährt, hatte er eine geheimnisvolle<br />
Zusammenkunft mit Offizieren des<br />
französischen Generalstabs im Parc de Montsouris.<br />
Frühmorgens hatte ihn bereits ein<br />
Beamter aus dem Kriegsministerium aufgesucht,<br />
ihn aus dem Schlaf geweckt und ihn<br />
zu. dem Rendez-vous in dem abgelegenen<br />
Park bestellt. Er übergab ihm einen Zettel,<br />
auf dem stand: «Geben Sie dort ein Erkennungszeichen<br />
an! Sie werden von einem<br />
Manne angesprochen werden, der Ihnen das<br />
verabredete Wort sagen wird.» Alles klappt.<br />
Esterhazy findet die Offiziere an der gegebeneii,.<br />
? S l telle. Sie warnen ihn, er sei von einer"<br />
Anklage bedroht, die gegen ihn die Familie<br />
des unschuldig Verurteilten zu richten<br />
im Begriffe sei.<br />
Darauf begibt sich Esterhazy zu dem Militärattache<br />
und fleht ihn an, dies um jeden<br />
Preis zu verhindern. Er müsse der Familie<br />
des unschuldig Verurteilten erklären, dass sie<br />
sich täusche. Sonst sei er verloren. Der<br />
Oberst lehnt dieses Ansinnen ab. Da zieht<br />
der Spion seine Revolver und droht, ihn und<br />
sich selbst zu erschiessen. Nicht ohne dem<br />
Obersten noch vorher leise angedeutet zu<br />
haben, er kenne seine skandalösen Beziehungen<br />
zu einer Dame der Gesellschaft. Der<br />
Oberst wirft ihn hinaus. Was nicht ohne<br />
Skandal abgeht. Voller Angst und Verzweiflung<br />
fährt der Spion nach dem Parc von<br />
Montsouris zurück, wo seine Komplicen auf<br />
ihn warten, um das Ergebnis seines Besuches<br />
zu erfahren. Trotz dem negativen Bescheid<br />
beruhigen sie ihn. Er brauche sich<br />
nicht zu ängstigen. Er habe mächtige Beschützer.<br />
Der Generalstab decke ihn. Darauf<br />
kehrt er völlig verwandelt, sichtbar vergnügt<br />
und heiter, nochmals in die Deutsche<br />
Botschaft zurück und verabschiedet sich mit<br />
sicherer Eleganz von dem Obersten. Er ist<br />
gerettet.<br />
Man sollte nicht glauben, eine wie gespen-<br />
Nördlingen zurückgezogen. Sein Sohn studierte<br />
auch noch Tierheilkunde und doktorierte<br />
dann mit Erfolg. Vom Mai 1919 an<br />
war er zwei Jahre lang als praktischer Arzt<br />
in Nördlingen tätig. Dann nahm der Vermögensverfall<br />
seiner Eltern durch die Inflation<br />
einen so rapiden Verlauf, dass Willibald wieder<br />
zum Zirkus ging, damit seine Eltern so<br />
weiterleben könnten, wie sie es gewohnt waren.<br />
Er holte sich Brahma wieder, den man<br />
nicht verkauft, sondern samt seinem alten<br />
Wärter an einen andern Zirkus vermietet<br />
hatte, schaffte neue Tiere an und stellte eine<br />
grosse Dressurnummer zusammen. Nach<br />
einem Jahr schon war er zu einer bekannten<br />
Grosse in der Zirkuswelt geworden. Auch<br />
im Zirkus Kreno hatte er einige Monate gearbeitet<br />
und war endlich mit seiner Nummer<br />
nach Holland, der Schweiz, Dänemark,<br />
Schweden und Amerika gegangen, wo er<br />
sehr hohe Gagen bezog. Was ihn jetzt nach<br />
Europa zurückgetrieben, war die Sehnsucht<br />
nach den Eltern.<br />
Noch stundenlang hätte Fee von Prastelny<br />
fragen mögen. Aber endlich sah Bux auf die<br />
Uhr und sagte: «Es ist Zeit zu gehen. Wir<br />
haben heute Nachmittagsvorstellung,»<br />
diese Hilfeleistungen der Generalstabsoffiziere<br />
als ganz selbstverständlich hin. Er ist<br />
nicht nur ein Spion in deutschen Diensten,<br />
sondern ein Zuhälter, ein grosser Spieler, ein<br />
Hochstapler und Abenteurer, Teilhaber eines<br />
Bordells und zugleich Major und Batails:<br />
he Atmosphäre in den Kanzleien und<br />
Bureaustuben einer Botschaft herrschen<br />
kann. Am hellichten Tage. Korrekte Beamte<br />
tun ihren Dienst. Banalste Wirklichkeit. Es<br />
riecht nach Akten. Gleichgültige Besucher<br />
werden empfangen.<br />
Die jungen Attaches unterhalten sich von<br />
ihren Pferden, Frauen und Spielgewinnen.<br />
Auch zuweilen von ihren Geschäften und<br />
dienstlichen Angelegenheiten. Alles nüchtern<br />
und belanglos. Erwähnen Beziehungen zu<br />
französischen Kameraden, plaudern, lesen<br />
<strong>Zeitung</strong>en, Witzblätter und Briefe. Schwätzen<br />
darüber, erzählen kleine Indiskretionen.<br />
Jedes Wort, das sie sprechen, wird abgehört.<br />
Durch Mikrophone. Sie sind in einem Nebenhause<br />
der Botschaft untergebracht. Ueber ihren<br />
Räumen hat der französische Generalstab<br />
Zimmer für sich gemietet und in dem<br />
Kamin Abhörvorrichtungen anbringen lassen.<br />
Eine Viertelstunde später liegen die Gespräche<br />
der Botschaftsmitglieder in peinlicher<br />
Maschinenschrift auf den Schreibtischen der<br />
Offiziere des französischen Spionagedienstes.<br />
Spionage und Contrespionage in beiden Häusern.<br />
Der Hauptspion arbeitet höchstwahrscheinlich<br />
nach beiden Seiten gleichzeitig.<br />
Als Spion und Contrespion. Ein irrsinniges,<br />
raffiniertes und mit grossem Aufwand betriebenes<br />
System, bei dem kaum etwas herauskommt.<br />
Jeder weiss vom andern alles. Nichts<br />
bleibt verborgen.<br />
Gegen bares Geld (deutsches und französisches)<br />
wird alles verraten. Die Institution<br />
der Militärattaches ist nichts anderes als<br />
eine Spitzelzentrale, die von den französischen<br />
Generalstabsspitzeln überwacht, manchmal<br />
bedient wird. Nicht genug, die Diener<br />
der Botschaft bespitzeln die Militärattaches<br />
und sind Lieferanten des französischen Generalstabs.<br />
Die Geheimnisse bleiben nicht<br />
geheim. Nur ihr Verrat muss geheim bleiben.<br />
Sonst leidet der Betrieb. Korrekte, hochachtbare,<br />
im Privatleben sehr vornehme Offiziere<br />
leiten ihn. Weil es sein muss. Weil<br />
die «Sicherheit des Staates» ihn erfordert.<br />
Inmitten trockenster Pflichterfüllung, inmitten<br />
des sachlichen Dienstes militärischer<br />
Ordnung und Disziplin, wo das Wort Ehre<br />
den höchsten Klang besitzt — Verkehr mit<br />
Verbrechern und fragwürdigstem Gesindel.<br />
Moralische Rechtfertigung: wir verachten<br />
den Verräter, aber nicht den Verrat.<br />
Und über allem grinst die Angst. Die Welt<br />
E.T. A. Hoffmanns und Edgar Allan Poes<br />
mitten in Paris. Marionetten des Gehorsams,<br />
die sich fürchten. Ve'rbrecher aus Not oder<br />
Abenteuerlust, die zittern und sich gegensei-<br />
VEVEY<br />
(Genfersee)<br />
und Mont-Pelerin<br />
Prachtvolles Ausflugszentrum<br />
Modernes Strandbad<br />
Schöne Fahrstrassen<br />
Prospekt durch das Verkehrsbureau<br />
Da konnte Fee die Frage nicht mehr unterdrücken,<br />
die ihr schon lange auf der Zunge<br />
lag. Zum Entsetzen ihres Vaters sagte sie<br />
ganz unvermittelt: «Und verheiratet sind Sie<br />
nicht, Herr Doktor?»<br />
«Nein, meine Familie ist ja schon gross<br />
genug», meinte Bux lächelnd.<br />
Und diese Antwort erfüllte Fee mit tiefer<br />
Befriedigung; weshalb — das wusste sie<br />
wohl selbst nicht. Denn dass es Fee von<br />
Prastelny etwa in den Sinn gekommen wäre,<br />
die Frau eines Zirkusclowns werden zu wollen...<br />
Um Gottes willen!!<br />
Als Bux nach Rückkehr in den Zirkus im<br />
Bürowagen nach Briefen fragte, bat ihn Direktor<br />
Kreno in sein Privatkontor.<br />
«Hören Sie mal, Bux. Mir ist vorhin ein<br />
Gerücht zu Ohren gekommen, von dem, wie<br />
meine Sekretärin, sagt, schon der ganze Zirkus<br />
voll ist. Als Urheber dieses Gerüchtes<br />
habe ich nun Jack Benson ermittelt.» — Der<br />
Direktor machte eine Pause und sagte dann<br />
plötzlich: «Kennen Sie den Benson vielleicht<br />
schon von früher?»<br />
(Fortsetzung folgt)