E_1934_Zeitung_Nr.072
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W 72 - <strong>1934</strong><br />
aber auch solche anderer Gruppen, zum Beispiel<br />
der Alpenfahrthabitue Delmar in der Gruppe bis<br />
2000 oder Graf Spiegel. Major Gutknecht, Frau<br />
Roehrs in der Gruppe bis 1500 ocm, vertraten diese<br />
Meinung.<br />
Eine Hinaufsetzung kommt aber, wie ein Sportkommissar<br />
erklärte, wegen des zu erwartenden<br />
Widerspruches der Polizeibehörden nicht in Frage.<br />
Doch bleiben andere wünschenswerte Zusätze zur<br />
Ausschreibung, die sich in 2 Abschnitte teilen lassen:<br />
1. Prüfung der Maschinen; 2. Prüfung der<br />
Fahrkunst, beziehungsweise der Fahrtregelmässlgk«it.<br />
Für Punkt 1 wäre ausser der gegenwärtigen<br />
Farbmarkierung und der Plombierung des Kühlerverschlusses,<br />
eine PlombieruBg der Motorhaube am<br />
Platze. Aehnliches ist bereite in der Alpenfahrt 1912<br />
(damals vom Oesterreichischen Automobilclub veranstaltet)<br />
durchgeführt worden. Ja, die Plombierung<br />
erstreckte sich so weit, dass zum Beisfiipl Hie<br />
Bretnsennachstellung nur von Bord aus möglich<br />
war. Eine Folge war die Anordnung der Handradnachatellung,<br />
die damals Porsche ersann und die<br />
seither auf den Rennwagen Eingang gefunden hat.<br />
Die Plombierung der Kühler wieder hatte das Aufbringen<br />
von sogenannten Dampfdomen zur Folge,<br />
wie wir ihn diesmal auf dem Bugatti des österrei-<br />
AUTOMOBIL-REVUE<br />
chischen Fahrers Falmbi^l als Ueberrest sehen<br />
konnten.<br />
Sehr wesentlich ist auch die Fahrtregelmässigkeltsprüfung.<br />
Sie kann am besten durch Teilen der<br />
Abschnitte in vermehrte Zwischenkontrollen erfolgen.<br />
Diese Zwischenkontrollen sind vorzugsweise<br />
nach den schwierigsten Teilstücken, also z. B. Pässen,<br />
einzulegen, um damit ein Aufholen auf ebenen<br />
und geraden Strassen zu vermeiden und zwecklos<br />
zu machen. Es zeigte sich nämlich, dass von vielen<br />
Konkurrenten der kleineren Klassen Zeitversäumnisse<br />
im Hochgebirge durch tolles Fahren in freiem<br />
Geländ« bis zur nächsten Zeitkontrolle wettgemacht<br />
wurden. Ueberholen von regelmässiger fahrenden<br />
Konkurrenten, Staubbelästigung und andere Unannehmlichkeiten<br />
gingen damit einher. Soll aber eine<br />
so frühe Ankunft bei den Kontrollen penalisiert<br />
werden? Damit wäre wenig erreicht, denn die Bewerber<br />
könnten ausserhalb der Durchfahrtskontrollen<br />
anhalten.<br />
Man konnte bei der Abnahme in Nizza, als die<br />
Wagen am Quai geparkt wurden, von einer cAutomobilausfitelung<br />
unter Palmen» sprechen. Die Industrien<br />
Deutschlands, Frankreich. Englands, Italiens<br />
und der Tschechoslovakei waren vertreten,<br />
mit neuesten Modellen und auch mit recht alten. Da<br />
fuhren zwei englische Damen mit einer 7 Jahre<br />
alten Lancia-Limousine und hielten einige Zeit<br />
wacker durch; sie mussten aber nach der vierten<br />
Etapne wegen Zeitübersrhrpi'nn? in Venedig ans der<br />
Konkurrena ausscheiden. Von den 15 gemeldeten<br />
Fabrikteams abgesehen, war die Wahrnehmung zu<br />
machen, dass sich die Mehrzahl der Einzelfahrer<br />
•nit ihren zu gewöhnlichem Gebrauch bestimmten<br />
Fahrzeugen eingefunden hatte. Namentlich war<br />
dies bei den französischen Konkurrenten der Fall,<br />
wie beim Ehepaar Descollas, die mit ihrer 1800<br />
Kilogramm schweren Bugatti-Stadt-Limousine antraten<br />
(sie erwarben eich den Gletscherpokali, ebenso<br />
beim Ehepaar Schell odeT dem jungen Machat,<br />
der mit einem Citroen-Vorderradantrieb, allerdings<br />
erfolglos, teilnahm, da er ohne jede Vorbereitung<br />
und Streckenkenntnis gestartet war. während der<br />
zweite Citroen-Vorn trieb, von dem bol?annt?n Rekordmann<br />
Lecot gemeldet, aber von einem Fabrikangehörigen<br />
gesteuert, sich gut bewährt« und die<br />
vergoldete Medaille erhielt. Diese beiden Wagen<br />
mit rein serienmässiger Uebersetzung erlebten ihre<br />
erste Gebirgsprobe von solchen Ausmassen. Die Erfahrungen<br />
werden (und dies ist ein Hauptvorzug<br />
der Veranstaltung) in den Konstruktionsbüros mit<br />
Nutzen ausgewertet werden.<br />
Dem Vorderrad-Antrieb konnte keine bessere<br />
Versuchsbahn geboten werden ala die am letzten<br />
Tage eingeschaltete Pass-Strecke der 1700 Meter<br />
hohen in den österreichischen Alpen, nahe des sonst<br />
so gefürchteten Katschberges gelegenen Turracher<br />
Höhe. Mit ihrer Steigung von nahe 30 Prozent,<br />
ihrer engen, schlecht unterhaltenen Fahrbahn mit<br />
holzverkeilten Wasserrasten, glitschigem Lehmund<br />
Geröllboden, war sie zu einer Zeit stärksten Regens<br />
zu passieren. Bis auf zwei Vorntriebwagen, der<br />
eine mit 4 Personen besetzt, der andere ein 2-sitziger<br />
Konkurrentenwagen, kamen alle anderen anstandslos<br />
über die Schwierigkeiten dieser Prüfstrecke.<br />
Es kann somit mit den erwähnten Ausnahmen<br />
kaum ein Argument gegen den Vorntrieb<br />
gewonnen werden, denn es gibt wohl nur eine<br />
Turracher Höhe dieser Art in Europa, und gerade<br />
diese bei schlechtem Wetter zu befahren, wird kaum<br />
im Programm des Besitzers eines Reisewagens dieser<br />
Art stehen! Die eminenten Vorteile gerade beim<br />
Kurvenfahren im Gebirge wiegen hier wohl sehr<br />
viel.<br />
Dass sich beträchtliches Interesse den Sporttypen<br />
zuwandte, mit denen fast ausschliesslich die<br />
Engländer aufwarteten, ist erklärlich. Da waren<br />
die 3 grünen Talbotwagen, tiefliegend mit bequemer<br />
Karosserie, wie die Singer, Triumph und Riley<br />
mit ausgenommener Türfläche, dabei die Kantenbiegung<br />
rechts neben dem Lenkrad zum Aufstützen<br />
•des Armes gepolstert, links wieder ein Griff zum<br />
Festhalten für den Mitfahrer, dann ein zweiter<br />
Hupenkontakt, mit dem Ellenbogen zu betätigen,<br />
u. a. Erleichterungen.<br />
Viele der Wagen hatten 2 und mehrere Signalinstrumente,<br />
ebenso doppelte Beleuchtungseinrichtungen,<br />
vielfach waren. 2 Akkumulatoren eingebaut mit<br />
bequem erreichbarer Umschaltung (hätte der Panhardfahrer<br />
Legre diese Vorsicht geübt, so wäre ihm<br />
der Gletseherpokal sicher gewesen, denn er bekam<br />
seine Strafpunkte wegen Versagens der Batterie<br />
beim Anlassen). Oft waren auch die kombinierten<br />
Thermometer zur Temperaturmessung des Wassers<br />
beim Kühlereintritt und -austritt und der Oeltemperatur<br />
vorhanden, so auch bei den Adlerwagen.<br />
Die schnellen Riley hatten an ihrem Sportmotor<br />
3 Vergaser, der Deckel des Ventilgehäuses war geteilt,<br />
60 dass jede Zylindergruppe rasch geprüft<br />
werden konnte; bei Triumph erschien die Ansaugung<br />
der Oelgase in die Vergaserleitung als sehr<br />
zweckmässig; es wurde damit ihr Eindringen in<br />
die Karosserie vermieden.<br />
Riley und Talbot waren mit dem Wilson-Vorwählergetriebe<br />
ausgerüstet, ein deutlicher Vorteil<br />
beim Bergeschalten 1 Vorzüglich war in dieser Beziehung<br />
das synchronisierte Getriebe bei Adler-<br />
Trumpf, bei dem vornehmlich in den Kurven der<br />
dritte Gang -nahezu automatisch eingesetzt werden<br />
konnte. Die deutschen Wagen haben sich bei der<br />
Alpenfahrt überhaupt vortrefflich gehalten, ein Beweis<br />
dafür ist, dass von 38 Gestarteten nur 6 Fahrer<br />
ausser Gefecht gerieten.<br />
Hier muss eine Sonderleistung an techn Können<br />
noch Erwähnung finden. Wir warteten bei der Abnahme<br />
stets auf das Erscheinen des Adler-Trumpf-<br />
Teams. Es kam erst am zweiten Tage zur Waage;<br />
Paul von Guileaumes Fahrzeug war nämlich auf<br />
der Hinreise von einem Fünftonnen-Lastwagen gerammt<br />
worden, wobei wesentliche Teile beschädigt<br />
und der Rahmen eingerissen wurde. Meister Gehrmann<br />
der Adlerwerke, einer der Teamfahrer,<br />
machte sich die Nacht hindurch an die Arbeit, zerlegte<br />
das Chassis vollkommen, schweisste und richtete<br />
den Rahmen und am nächsten Morgen stellte<br />
sich das Team bereit, um nach tadelloser Fahrt<br />
den Alpenpokal zu erringen.<br />
Zum ersten Male nahm auch ein etromlinienartig<br />
gestalteter Wagen an einer Alpenfahrt teil:<br />
der Ford des rumänischen Obersten Berlescu, eines<br />
bekannten Monte Carlo - Fahrer. Er behauptet,<br />
durch die Formgebung 25 Kilometer an Geschwindigkeit<br />
gewonnen zu haben. Tatsache ist es ja, dass<br />
die wahre Stromlinie, die von Ingenieur Jaray, Luzern,<br />
entwickelt wurde, eine solche und noch weit<br />
höhere Geschwindigkeitssteigerung verbürgt. Bei<br />
dieser sind aber auch die Räder überdeckt, keine<br />
Kotflügel vorhanden und sonst wirksame Formdetails<br />
vorgesehen. Es wäre sicherlich zweckmässig,<br />
bei Wettbewerben für Stromlinienkarosserien<br />
Sonderpreise einzusetzen. Bei der grossen<br />
wirtschaftlichen Bedeutung (Brennstoffersparnis<br />
von mehr al« 40 Prozent!) handelt es sich hierbei<br />
weniger um ein sportliches als um ein eminent<br />
wichtiges wirtschaftliches Problem. Berlescu schied<br />
übrigens eines von ihm verursachten Strassenunfalles<br />
wegen aus der Veranstaltung aus.<br />
Ueber die Ursachen der Ausfälle war nicht immer<br />
völlige Klarheit zu erlangen, zumal die Betroffenen<br />
nicht mehr zu sehen waren. Von den<br />
durch Schleudern (Pätzold, Ford, und Graumiiller,<br />
Wanderer) oder Karambolagen bewirkten Ausfällen<br />
abgesehen, sind die mechanischen Ursachen verschieden<br />
gewesen. Dass das Stilfser Joch mit seinen<br />
18 Kilometern und 50 Kehren die Mehrzahl<br />
der Schäden bringen würde, war von vornherein<br />
zu erwarten. Die beiden Renault und der Delahaye<br />
von Perrot zerbrachen dabei die Getriebe. Wie sehr<br />
die Bremsen hergenommen wurden, bewieg das<br />
Ausscheiden von 5 Fahrzeugen wegen abgenützter<br />
Bremsen und der vor der Einfahrt nach Zagreb<br />
erfolgte Unfall des einen Terraplane, bei dem die<br />
Bremsen versagten. Es wäre meiner Meinung nach<br />
eine nützliche und im Interesse der Sicherheit von<br />
Fahrern und Dritten gelegene Ergänzun? der Ausschreibung,<br />
wenn nach Schluss einer jeden Etappe<br />
eine Bremsen-Wdrksamkeits-Prüfung eingeschaltet<br />
würde.<br />
Verhältnismässig wenige Strafpunkte wurden wegen<br />
Lösens der Kühlerplomben verhängt, .ein Beweis<br />
für dip grosse Vollendung der Kühl- und<br />
Pumpeneinrichtungen. War es doch wahrlich keine<br />
fferinje Anforderung, die die 29 Pässe mit 56.000<br />
Meter Höhenbewältigung an die Motoren und Kühler<br />
stellten!<br />
Aus den kleineren episodischen Erlebnissen<br />
wären viele Fälle aufzeichnenswert, die Beharrlichkeit<br />
und Sportenergie verrieten. So der der beiden<br />
jungen Engländerinnen auf ihrem Singerwagen,<br />
der mit gebrochener, aus dem Rahmen geratener<br />
Vorderfeder am Stilfser Joch eintraf. Wir umstanden<br />
die zierliehen Fahrerinnen, konnten nicht helfen<br />
und nrr den Rat geben, sie mösren sich nicht<br />
in Lebensgefahr begeben, also aufgeben. Entrüstete<br />
Zurückweisung ward uns zur Antwort; ein Bündel<br />
Draht wurde hervorgeholt und abgewickelt Die<br />
Statistik der Alpenfahrt <strong>1934</strong>.<br />
Gruppe Etnge- Forfaits Ge- Ausge- /Ingeschrieben<br />
startet fallen kommen<br />
I 34 1 33 15 18<br />
TI 21 2 19 6 13<br />
III 30 1 29 5 24<br />
IV 34 15 19 1 18<br />
V 36 9 27 4 23<br />
155 28 127 31 98<br />
Die Ausfälle.<br />
Etappe;<br />
Gruppe 1. 2. 3. 4. 5. 6.<br />
I . 4 1 2 6 1 1<br />
II — — 2 2 1 1<br />
III — — — 1 2 2<br />
IV — — — — 1 —<br />
V — — — 1 — 3<br />
ii 10<br />
Was sie gewannen.<br />
Teams:<br />
Gruppe Alpenpokal Plakette Gletscher- Plakettn<br />
vergoldet Silber pokal vergoldet SUtxr<br />
I 1 1 — 12 2 —<br />
II 2 1 — 1 4 —<br />
III 3 1 1 5 5 —<br />
IV 1 1 — 11 1 —<br />
V 1 1 1 6 5 3<br />
8 5 2 35 17 3<br />
Feder hing schlotternd, aber sie fuhren damit die<br />
Stilfser Jochstrasse hinunter. In Bormio schweissten<br />
sie eigenhändig, aber es war dennoch fremde<br />
Hilfe dabei, und wiewohl ans Ziel nach München<br />
gelangt, mussten sie auseer Wettbewerb. Ein<br />
Schicksal, wie es auch der Meisterfahrerin, Frau<br />
Lotte Bahr, widerfuhr.<br />
Wie die Strassenbeschaffenheit auf Wagen und<br />
Fahrer wirkte? Man bekam auf den 6 Etappen von<br />
insgesamt 2900 Kilometer wahrlich alle Bauarten<br />
der Strassenbefestigunsr zu Gesicht. Von den wassergebundenen<br />
Gerölldecken der französischen<br />
Hochalpenpässe, den z. T. vorzüglichen Schweizer<br />
Passstrassen kam man zu den staubbedeckten Kalk-<br />
Strossen beim Eintritt nach Jugoslawien und den<br />
modernsten neuen Strecken an der italienischen<br />
Küste nach Triest und von da nach Fiume mit<br />
idealen Bitumendecken.<br />
Manche Wünschen hatten die Fahrer an die<br />
Strassenbauer: etwa den, dass bei Besplittung neugeteerter<br />
Stellen nicht der rundkörnige Splitt (im<br />
Fahrermund «Kugellager» geheissen) Verwendung<br />
finde, sondern der walzenförmige oder ganz feinkörnige<br />
Splitt. Der Unfall Pätzolds, der an einer<br />
solchen Stelle aus der Kurve getragen wurde, ist<br />
auf die kugelförmige Splittart zurückzuführen.<br />
Uebrigens hat sich gleichzeitig die Widerstandsfähigkeit<br />
der Stahlkarosserie bewährt, denn trotz<br />
mehrmaligen Uebersehlagens auf steinigem Geröll<br />
war fast keine merkliche Einbeulung festzustellen.<br />
Eine natürlich wenig erwünschte, aber glücklicherweise<br />
ohne ernstliche Fol