E_1934_Zeitung_Nr.078
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6 AUTOMOBIL-REVUE <strong>1934</strong> - N» 78<br />
LUFT FAHR<br />
Wie sieht ein Cumulus<br />
von nahe aus?<br />
Also, die Geschichte fängt so an:<br />
Einmal, ich erinnere mich noch ganz genau,<br />
an einem sonnigen Sommertag, lag ich<br />
auf dem Rücken im hohen Gras. Die Hände<br />
hatte ich unter dem Kopf und schaute in den<br />
Himmel. Ich ruhte aus, so wie man es tut,<br />
wenn man von aufregenden Erlebnissen<br />
kommt. Zuerst hatte ich versucht zu zählen,<br />
wieviel Grillen um mich herum zirpten. Nun<br />
gab es aber Grillen, die genau dieselbe Tonhöhe<br />
gewählt hatten — natürlich absichtlich—<br />
und kein Mensch hätte unterscheiden können,<br />
ob die Zirperei von drei oder dreissig<br />
oder gar dreimal dreissig Grillen herkomme.<br />
Sei dem nun wie ihm wolle, ich gab es auf<br />
und drehte den Kopf. Da fiel mein Blick auf<br />
die riesigen Grashalme um mich, zweimal so<br />
hoch wie mein Kopf. Und an einem hing, in<br />
schwindelnder Höhe, eine Heuschrecke. Ich<br />
musste denken, wie ich früher schon den<br />
Grillen Streiche gespielt hatte; mit einem<br />
abgerissenen Grashalm hatte ich sie aus ihren<br />
Höhlen geholt, ich brauchte nur darin<br />
herumzustochern. Das hatten sie mir heute<br />
noch nicht vergessen (siehe oben).<br />
Auch bei der Heuschrecke juckte es mich.<br />
Man konnte den Stiel knapp über dem Boden<br />
ein wenig hin und her wiegen und damit<br />
die Heuschrecke auf ihrem Gipfel in furchtbar<br />
böige Lagen bringen, dass sie ganz sicher<br />
erschrak. Das wiederholte ich einige<br />
Male, liess sie schliesslich in eine Steilkurve<br />
übergehen — da geschah etwas ganz Unerhörtes:<br />
Hinter der Heuschrecke, knapp über einem<br />
Hügel, stieg sie leise und vornehm empor,<br />
die Cumuluswolke. Wie vielmal hatte ich<br />
nach ihr geschaut — Traum meiner Sehnsucht.<br />
Massig war sie, geballt und schön,<br />
«zum Anbeissen schön. Sie stand fast still, bewegte<br />
sich kaum und wirkte nur durch ihr<br />
Dasein. Stetig veränderte sie ihre Form, das<br />
Spiel von Licht und Schatten auf ihrer hügeligen<br />
Oberfläche wechselte beständig.<br />
Sie einmal von nahe sehen können, vielleicht<br />
sogar von innen?<br />
Wie gut hatten es die Vögel. Aber wir?<br />
Hinausfliegen? Mit einem Motorflugzeug?<br />
Nein, da hörte sie einem ja kommen und<br />
würde, so leise wie gekommen, wieder verschwinden.<br />
Mit einem Ballon? Da würde sie wohl<br />
nichts hören, aber da konnte man nicht fliegen<br />
wohin man wollte.<br />
Mit einem Segelflugzeug? Ja, das war's,<br />
sich hinaufschleppen lassen, in ehrerbietigem<br />
Abstand bleiben, dann abhängen und läutlos 1<br />
schwebend sich heranschleichen.<br />
Meine Maschine liegt bereit im Gras, die<br />
eine Flügelspitze am Boden. Ich steige ein,<br />
den Fallschirm auf dem Rücken, und mache<br />
den Deckel, der reich mit Uhren und mit<br />
Zeigern gespickt ist, fest. Vor mir auf der<br />
Wiese wartet mein Bruder, der mich schleppen<br />
soll. Schon braust er mit Vollgas übers<br />
Feld. Wir steigen, die Häuser werden kleiner,<br />
die Hügel sinken. Zwischen gerade<br />
Strecken streuen wir einige Schleifen ein,<br />
wie es gerade so kommt. Ich behalte immer<br />
meine Cumulus im Auge. Bald sind wir<br />
etwa gleich hoch; dort, wo der Himmel eine<br />
Ecke macht, hänge ich ab.<br />
Nun heisst es, überlegt zu Werke gehen.<br />
Die Erfahrungen mit den Grillen hatten mich<br />
vorsichtig gemacht. Auch eine Cumulus-<br />
Neuer Dornier-Flugzeugtyp. Die Dornier-Werke in Friedrichshafen haben gegenwärtig einen neuen<br />
FHigzeugtyp im Bau, der als S'pezialflugzeug für Post- und Frachtzwecke zu betrachten ist. Die Zuladung<br />
des Fi-achtflugzeuges soll 3250 kg bei einem Rüstgewicht von 4770 kg betragen. Bei dem neuen<br />
Typ handelt es sich um das erste deutsche zweimotorige Verkehrsfl'gzeug; es wird mit zwei Siemens-Jupiter-llotoren<br />
von zusammen 1100 PS ausgerüstet und einen Aktionsia.üus von über 850 km<br />
aufweisen.<br />
vögeln so oft abgeschaut hatte. Und in diesem<br />
Augenblick geschieht etwas ganz Unbegreifliches:<br />
Ich steige. Ich fühle es ganz<br />
deutlich. Ungläubig schaue ich auf den Zeiger<br />
des Variometers, er steht auf Steigen.<br />
Ich kann es noch nicht ganz begreifen.<br />
Schliesslich schaue ich auf den Höhenmesser,<br />
aber auch der klettert in die Höhe, während<br />
er misst. Nun schaue ich über mich,<br />
meine Wolke ist eine riesige, grauschwarze<br />
Kuppel. Es wird merklich dunkler; die Luft<br />
wolke liess sich nicht ärgern. Noch bin ich ist feucht und kühl. Unter mir liegt das sonnige,<br />
blühende Bernbiet, die Aare zieht durch<br />
etwas höher als sie; hinter ihrem Rand verschwindet<br />
die Sonne, so dass der Rand feurig<br />
erscheint wie flüssiges Gold. Leise will etwas von der Wolke wegfliegen, um<br />
die Ebene, und die Hügel stehen Wache. Ich<br />
schwebe ich auf sie zu, kein Laut, nur der die Uebersicht zu gewinnen. Da plötzlich beginne<br />
ich mit meinem Vogel zu fallen, dass<br />
Wind rauscht vertraut unter den Tragflächen.<br />
Kein Vogel ist zu sehen, nicht einmal ich manchmal fast in den Gurten hänge.<br />
die Raben sind da, die mir sonst kopfschüttelnd<br />
nachschauten.<br />
zugetraut; sie hatte mich entdeckt.<br />
Diese Tücken hätte ich meiner Wolke nicht<br />
Rasch<br />
Je mehr ich mich der Wolke nähere, um<br />
so mehr verliert sie ihre einheitliche, massige<br />
Form, ihr leuchtendes Weiss, ihren feurigen<br />
Rand. Sie wird zum unbestimmten Grau,<br />
und ans Anbeissen denke ich schon gar nicht<br />
mehr. Ich denke vielmehr an die Grillen.<br />
Welche Umwälzung der Dinge! Zum Glück<br />
wussten sie es nicht. Wenn sie mich jetzt<br />
sähen, oben am Grashalm in schwindelnder<br />
Höhe, sie kämen alle aus ihren Löchern gekrochen,<br />
würden im Kreise zusammenstehen,<br />
mit Fingern auf mich zeigen. Und eine träte<br />
hervor und sagte laut: Der Elende! Und alle<br />
nickten beifällig und erklärten, es wäre ihnen<br />
aus dem Herzen gesprochen ...<br />
— Da muss ich mitten drin den Gedanken<br />
abbrechen und drehe in steiler Kurve unter;<br />
den Fuss meiner Wolke. Ich lasse meinen.<br />
Vogel in der Kurve liegen und kreise dauernd<br />
unter der Wolke, wie ich es den<br />
rauschen hören.<br />
Nun liege ich wieder im hohen Gras. Ich<br />
schaue in den blauen Himmel, nach dem Hügel.<br />
Langsam und unnahbar steigt sie herauf.<br />
Alle Grillen zirpen um mich. Es ist so<br />
schön. h.<br />
Gordon-Bennett-Wettfliegen<br />
<strong>1934</strong>.<br />
Am letzten Sonntag fand in Warschau der Start<br />
zum Gordon-Bennet-Rennen statt, nachdem die<br />
polnische Hauptstadt erst vorher als Ziel des Europafluges<br />
im Brennpunkt der flugsportlichen Interessen<br />
gestanden hatte. Wie den Europaflug, so<br />
haben die polnischen Sportflugverbände und Flugbehörden<br />
auch das Gordon-Bennet-Rennen vorzüglich<br />
organisiert. Besonders gelobt wurde der meteorologische<br />
Dienst, der schon drei Tage vor dem<br />
drehe ich auf die andere Seite, wo ich amStart allen Konkurrenten dreimal täglich mit aufschlussreichen<br />
Bulletins zur Verfügung stand.<br />
Anfang war und sie mich nicht sehen konnte.<br />
Das Spiel beginnt von neuem. Ich kreise, Gemeldet waren von acht Staaten 19 Kugelballons<br />
mit je 2200 Kubikmeter Inhalt, nämlich von<br />
und sie zieht mich nach oben. Ich berausche Amerika: 3 Ballons (Führer- Kendall, Mac Cormick,<br />
Sineman); Belgien: 2 Ballons (Führer: De-<br />
mich an der Seligkeit dieses sorglosen Kreisens,<br />
denke nicht an meine Grillen, nicht an muyter, Quersin); Deutschland: 3 Ballons (Führer:<br />
den Fluss, noch an die Hügel. Es ist zum<br />
Beten schön. Da, auf einmal ist alles milchigweiss<br />
um mich. Da sie mich nicht abschütteln<br />
konnte, zog sie mich in sich hinein,<br />
trachtend, mich in der Milch gehörig zu<br />
schütteln. List gegen List, denke ich, höre<br />
auf mit der Kreiserei, durchsteche in gerader<br />
Linie ihren Bauch, der Schleier zerreisst und<br />
ich bin an der Sonne. Das Gefieder meines<br />
Vogels ist etwas zerzaust, ich aber streichle<br />
es liebevoll glatt.<br />
Traum meiner Sehnsucht: Wolke, Zeichen<br />
des Sommers, vornehm ruhig Schreitende.<br />
darf fliegen, wohin er will. Ich habe Zeit, ich<br />
muss nicht eine bestimmte Strecke zurücklegen;<br />
ich will nur den Luftzug in meinem<br />
Gesicht spüren und den Wind in den Flächen<br />
Goetze, Kaulen, Zinner); Frankreich: 3 Ballons<br />
(Führer: Boitard, Ravaine, Dollfus); Italien: 1 Ballon<br />
(Führer: Amoroso); Polen: 3 Ballons Führer:<br />
Hyneck, Janusz, Burzynski); Tschechoslowakei: 1<br />
Ballon (Führer: Jezisek); Schweiz: Ballon cBasel»<br />
(Dr. A. van Baerle, Dr. E. Dietschi), Ballon «Zu<br />
rieh III» (Oberstl. Walo Gerber, Dr. E. TilgenkampX<br />
Die Schweiz hatte ursprünglich 3 Ballons gemeldet,<br />
nämlich neben 2 Club-Equipen noch eine<br />
Militär-Equipe. Da die nicht unerheblichen Kosten<br />
der Konkurrenz von den Piloten getragen werden<br />
müssen, kam die Militär-Equipe leider nicht zustande.<br />
Alle 4 Schweizer Piloten haben ihr Können<br />
schon des öftern bewiesen, sie vertreten nicht zum<br />
ersten Male die Schweizer Farben an diesem grössten<br />
internationalen Ballon-Wettfliegen, trotzdem<br />
Ich lasse das Steuer meines Vogels los, er werden sie keinen leichten Stand haben; denn sie<br />
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