E_1935_Zeitung_Nr.071
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71 - <strong>1935</strong> ATJTOMOBIL-REVUB 11<br />
Jahit MS Weite<br />
Schöneres Wetter wie diesen Sommer<br />
könnten wir uns gar nicht wünschen. Strahlende<br />
Sonne und dazu immer wieder ein<br />
weicher kühler Wind, auf den Höhen und an<br />
Seen ist jetzt gut sein. Wer möchte da mit<br />
seinem Wagen nicht ins Weite fahren. Am<br />
schönsten wäre es eigentlich, so an einem<br />
schönen Morgen schnell in den Wagen zu<br />
huschen und ohne Ballast loszufahren. Jedoch,<br />
so geht es nicht, wenn wir eine Reise<br />
von Tagen oder gar ein paar Wochen vor<br />
uns sehen. Viele stehen jetzt mitten in Reisevorbereitungen.<br />
Und erleben die Qual, dass<br />
sie viel mehr mitnehmen möchten als die<br />
Koffer fassen. Auf einer Ausstellung war<br />
kürzlich ein Wagen mit Anhänger für das<br />
Gampingzelt zu sehen. Hoffentlich kommt<br />
Keiner auf die Idee, sich so einen Anhänger<br />
für Gepäck zuzulegen. Das würde auf Bergstrassen<br />
eine nette Belastung werden. Und<br />
die Frauen hätten noch viel mehr zu tun, für<br />
die Reise «Allernotwendigstes» einzukaufen.<br />
Wie viel zerquetschte Plisses und zerdrückte<br />
Röcke steigen ja schon jetzt aus Koffertiefen<br />
am Ende mancher Reisen, die nie gebraucht<br />
worden sind. Reisen wir mit möglichst wenig<br />
Gepäck, es trägt zur Erholung bei. Freilich<br />
eines sollten wir nie vergessen, den Vorsatz,<br />
guter Laune und liebenswürdig zu sein. Und<br />
Alles regieren und tyrannisieren seiner Umgebung<br />
einmal beiseite lassen. Da gibt es<br />
so viele Frauen, die sich für was Besonderes<br />
halten, weil sie nicht leicht zufrieden zu stellen<br />
sind. Was man ihnen anbietet oder serviert,<br />
muss eine strenge Kritik passieren. So<br />
geht es weiter: mit dem Zimmer, dem Sitzplatz<br />
im Speisesaal, den offenen oder geschlossenen<br />
Fenstern. Und wie viel manche<br />
Fahrtgefährtinnen an Nervosität verbreiten<br />
mit ihren ständigen Bemerkungen zum Fahrttempo,<br />
das ihnen einmal zu schnell dann<br />
wieder zu, i langsani;ist»...das,,'wis5en vielleicht,<br />
einige Fahrer, die deshalb lieber allein ausziehen.<br />
Nun das grosse Kapitel, was nehmen wir<br />
mit, was ziehen wir an ? Es ist mit der Ausrüstung<br />
für Autofahrten, wie für Bergtouren.<br />
Immer gibt es eine Menge Leute, die Touren<br />
in zu leichten unpassenden Schuhen machen<br />
und überall behindert sind. Und so gibt es<br />
Frauen, die am liebsten ihr elegantestes Teekleid<br />
anziehen möchten, wenn sie auf die<br />
Reise gehen. Die Unannehmlichkeiten kommen<br />
hinten nach. Eine Autoreise ist keine<br />
Fahrt zum Cocktail. Sie soll uns in Berührung<br />
mit der Natur bringen, mit Sonne, Luft<br />
und Licht. Sie soll unbehindertes Gehen ermöglichen,<br />
wenn uns eine Gegend anspricht<br />
und wir gerne einen schönen Punkt zu Fuss<br />
erreichen möchten. Wetterwechsel, plötzliche<br />
Kühle nach grosser Hitze, Sturm und Regen,<br />
dies Alles müssen wir vor Antritt einer Reise<br />
berücksichtigen.<br />
Am Anfang aller Reisen steht für Damen<br />
und Herren ein praktischer leichter und doch<br />
schützender Wollmantel, es sei denn dass der<br />
Besitz eines weichen eleganten Ledermantels<br />
sie dessen überhebt. Dann folgt ein seidener,<br />
imprägnierter Regenmantel, der manchmal<br />
sogar genügen kann. Um so mehr, wenn auch<br />
die zum Gehen so nützliche Windjacke nicht<br />
zu Hause bleibt und überdies ein wollener<br />
Tailleur aus einem guten nicht zu dünnen<br />
Stoff mitgeht. Der sportliche Tailleur gehört<br />
sogar zur Autoreise, ist kommentgemäss,<br />
natürlich mit nicht zu engem Rock» als<br />
Wickelrock oder mit ein paar Falten die richtiges<br />
Ausschreiten erlauben, die Jacke kurz,<br />
schneidermässig mit Täschchen. Dazu die<br />
Hemdbluse aus Waschseide aus Pique mit<br />
Schleife, und daneben das Heer leichter, wollener,<br />
kunstseidener und namentlich leinener<br />
Westen und Jumper, die das sportliche Tenue<br />
betonen und zugleich abwechslungsreich wirken.<br />
Eine schicke karrierte Seidenbluse, die<br />
rasch teestundenfähig machj, kann, noch mit-:<br />
gehen. Sehen wir auf gute Farbenharmonie,<br />
und vergessen wir nicht, dass Reisekleidung,<br />
die zählt, von tadelloser Frische sein sollte.<br />
Wenn irgendwo, so auf der Reise, wird eine<br />
Frau gesehen und sollte selbst so viel Achtung<br />
vor Mitreisenden, vor sich selbst und<br />
der Natur haben, nicht abgerissen mitzufahren.<br />
Als Kopfbedeckungen Kappen, allerlei<br />
Mützen und vor allem weiche, kleinrandige<br />
Filzhüte, die schützen und kleiden. Auch ein<br />
paar Echarpen, ein Foulard, das wir bei Wind<br />
über die Mütze binden, wenn wir gerne mit<br />
offenen Fenstern, offenem oder herabgelassenen<br />
Verdeck fahren. Dann waschlederne<br />
Handschuhe, am liebsten kräftige Peccaries<br />
oder auch sonst waschbare mit kurzen Stulpen,<br />
bequem zum Hineinschlüpfen. Peccaries<br />
sind überhaupt herrlich zum Selbstlenken.<br />
Sie kleben nicht am Volant. Dann leichte<br />
Strümpfe, neben festeren sportlicher Art,<br />
melierten oder zopfartig gestrickten, seien<br />
es leinene oder wollene,, je nach Neigung.<br />
Und der Schuh für die Reise immer kräftig,<br />
aus Boxcalf, Kroko oder Briarproof, es gibt<br />
ja ein ganzes Heer praktischer und mit Eleganz<br />
verarbeiteter sportlicher Halbschuhe.<br />
Ihre vielen Luftlöcher, heut nicht mehr unterlegt,<br />
machen sie bei aller Kräftigkeit des<br />
Leders angenehm und auch ihre Sohlen sind<br />
vielfach biegsam. Niedrige Absätze, gute<br />
Rahmenarbeit sind Grunderfordernisse eines<br />
Reiseschuhes. Das Briarproof hat überdies<br />
den Vorteil, sehr leicht, mit einer Gummibürste,<br />
wieder sauber zu sein. Es gilt dies<br />
auch für den Herrenschuh, worin sich dieses<br />
Material, neben dem schönen, glatten Elkleder<br />
weitgehend eingebürgert hat. Uebrigens<br />
sind gerade die Staubfarben, die gelblichbeige<br />
und grauen Töne für die Reise das vorteilhafteste'<br />
und weniger heiss als etwa ein<br />
schwarzer Schuh, der im Ganzen aus der<br />
Sommergarderobe des Herrn weitgehend<br />
verschwunden ist. Statt dessen tragen die<br />
Herren mit Vorliebe für die Strasse zu den<br />
vielen Grautönen ihrer Kleider — sie erscheinen<br />
auch im sportlichen Reiseanzug am<br />
Knickerbocker — häufig den schwarz galochierten,<br />
weissen Schuh, der freilich zum<br />
Fahren etwas heikel sein dürfte. Doch an<br />
Kurorten tauchen jetzt oft zu ganz weissen<br />
Leinenanzügen oder sonstigen hellsten Beige<br />
und Grau ganz weisse Herrenschuhe aus<br />
Elkleder, ausgiebig perforiert; auf, womit<br />
dem weissen Damenschuh ein eleganter Partner<br />
erstanden ist Uebrigens vergessen wir<br />
die Leinentrotteurs nicht, die auf manchen<br />
Fahrten recht dienlich sein können, immer<br />
schönes Wetter vorausgesetzt. Die Reiseausrüstung<br />
des Herrn wird den leichten Gabardinemantel<br />
umfassen, vielleicht auch einen<br />
Jpsen..Wollmantel mit Rückengurt und wenn<br />
ejs in die Berge geht, die Windjacke. Die<br />
.Knickerbockers sind sozusagen unentbehrlich<br />
und beim Fahren sehr angenehm. Wer<br />
dernier cri sein will, wird sich ein Ensemble<br />
aus rostbraunem englischem Wollstoff zulegen.<br />
Vielleicht mit einem weit auseinander<br />
stehenden Linienkaro oder das Veston<br />
mit kleinem Liniennetz in dunkel markiert<br />
Dieses Rost erscheint auch zu grauer Flanellhose<br />
und ist in dieser Zusammenstellung sehr<br />
kurortgemäss. Wenige Herren werden sich<br />
bei uns in Weste und dazu in weiter, langer<br />
Pelerine zeigen. Wohl aber mit abstechenden,<br />
leichten Vestons mit Rückengürtel und waschbarem<br />
Gilet. Leinenhendem ohne Aermel, weiss<br />
und farbig, man sieht sie viel in Blau, waschseidene<br />
Wäsche und poröses Gewirk sichern dem<br />
Fahrer Kühle und Bequemlichkeit. Weiche<br />
Filzhüte, neben sportlichen Berets und Mützen<br />
sind notwendig; sie sollten sich im Rahmen<br />
der farblichen Zusammenstellung des<br />
Herrenzugs halten, wie Cravatten und Hemden<br />
oder auch Gürtel aus Leder und Schnurgeflecht,<br />
wie es denn nicht gleichgiltig ist,<br />
wie ein. Fahrer oder Mitreisender sich ausstaffiert.<br />
Für kühle Tage und früh morgens<br />
tun leichte Wollpullovers gute Dienste. Noch<br />
eine Neuheit für den Herrn; neben der Armbanduhr<br />
mit drehbarem Zifferblatt nach innen,<br />
erscheint die Uhr in einem Lederrund,<br />
das an einer Kette hängt und mit einem Klipp<br />
an Weste oder Vestonrevers befestigt wird,<br />
die Uhr steckt dann in der Brust- oder We- -<br />
stentasche.<br />
-ss.<br />
jvecht machen fedetmann ist<br />
eine JCuast, die niemand kann<br />
Das Lieserl hatte bei Tisch so oft die<br />
Grossen darüber sprechen gehört, dass die<br />
Jugend jetzt ungezogen und unliebenswürdig<br />
sei, sich gegen das Alter insbesondere recht<br />
unehrerbietig benehme, so dass es sich vornahm,<br />
es anders zu machen. Sie wollte höflich<br />
sein, die Lieserl, und den Grossen zeigen,<br />
dass man nicht über alle jungen Menschen<br />
jetzt einfach den Stab brechen dürfe.<br />
Im allgemeinen hatte säe wenig Gelegenheit<br />
ihre guten Vorsätze auszuführen, denn Klein-<br />
Lieserls Leben verfloss ruhig und ohne besondere<br />
Ereignisse. Aber nun nahm sie neuestens<br />
Klavierstunden und durfte allein zum<br />
Professor fahren — mit der Elektrischen.<br />
Lieserl war furchtbar stolz auf ihre Schülerkarte,<br />
freute sich besonders, wenn die Elektrische<br />
so recht bummvoll war und sie immer<br />
sehr höflich < Pardon» sagen konnte,<br />
wenn sie jemand halb zerquetschte, und immer<br />
geschäftig aufspringen, wenn sie einmal<br />
sass und irgend ein Neueinsteigender keinen<br />
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