E_1936_Zeitung_Nr.011
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12 - No 11<br />
sich verbessert, die Werkzeuge haben einen nicht<br />
mehr zu überbietenden Grad von Vollendung erreicht.<br />
Noch finden wir im Kesslerloch Reste eiszeitlicher<br />
Tiere, finden Mammuth und wollhaariges<br />
Nashorn; aber die Hauptnahrung für diese Höhlenmenschen<br />
muss das Rentier gewesen sein. Neun<br />
Zehntel aller Knochen der gründlich durchforschten<br />
Abfallhaufen gehören dem Ren, daneben fanden<br />
sich Reste von Steinbock, Murmeltier, Gemse, Wildpferd,<br />
Eisfuchs, Wolf, Edelhirsch und Moschusochse.<br />
Knochen werden nun schon systematisch zu Lanzenspitzen,<br />
Nadeln und Harpunen verarbeitet.<br />
Gagat, Muscheln und Knochen werden durchbohrt,<br />
der Schmucksinn weckt den Kunstsinn, Zeichnungen<br />
auf Hirschhorn, Schnitzereien aus Knochen zeugen<br />
von der Tauglichkeit der Feuersteinstichel und<br />
-messer, zeugen aber auch von einer unglaublich<br />
präzisen Naturbeobachtung und einer hochkünstlerischen<br />
Darstellungsfähigkeit. Das weltberühmte,<br />
weidende Ren, auf eine Geweihstange geritzt, ist in<br />
seinem innersten Wesen so vollendet erfasst und<br />
seine Darstellung ist so überaus vollkommen und<br />
restlos gelungen, dass wir uns fragend an unsere<br />
Graphiker in ihren stahlwerkzeuggespickten Ateliers<br />
wenden, die uns, ehrlich beschämt, am allerwenigsten<br />
eine Erklärung zu geben vermögen. Aus<br />
Rentierhorn liegen Tier-Schnitzereien vor, um die<br />
unsere Plastiker die Höhlenbewohner<br />
könnten.<br />
beneiden<br />
Die unglaubliche Zahl von Feuersteingeräten, die<br />
in diesen Stationen gehoben wurden, könnte für ein<br />
etwas sesshafteres Leben dieser Jungpaläolithiker<br />
sprechen. Aber immer noch ist es die Jagd und der<br />
Fischfang, der sie ernährt, immer noch gehen sie<br />
in Tierfelle gekleidet, immer noch fehlt ihnen Weberei<br />
und Töpferei, fehlt ihnen das Metall. Das<br />
heisst, es fehlte ihnen bestimmt nicht, denn sie kannten<br />
nichts anderes und sie lebten auf ihre Art nicht<br />
schlechter, als frühere oder spätere Menschheit.<br />
Ihre Tätigkeit füllte ihr Leben aus, und was bei<br />
Namen-Gedächtnis<br />
von Eugen Pfister<br />
Eine schmerzhafte Sportverletzung hat mir<br />
vorübergehend auf mein sonst ordentliches<br />
Dutzendgedächtnis geschlagen. Das kann vorkommen<br />
und braucht nicht als geschmackloses<br />
Geständnis verurteilt zu werden. Nachdem es<br />
mir im geplagten Kopfe wieder wohler wird,<br />
möchte ich doch den Zehntausenden, die dies<br />
vielleicht lesen, das sorgenvolle Leben derer<br />
vor Augen führen, die ein schlechtes Personengedächtnis<br />
haben.<br />
Hat ein Mensch eines Tages entdeckt, dass<br />
er die Namen der ihm vorgestellten Personen<br />
nicht behalten kann, so beherrscht die Angst<br />
seine Schritte unter den Menschen. Spricht er<br />
Französisch, so wird der Fall zwar kaum akut,<br />
spricht man dann doch Hoch und Niedrig mit<br />
Monsieur, Madame und Mademoiselle an, den<br />
Namen kann man sich schenken. Aber wir<br />
Menschen deutscher Zunge leiden unter der<br />
Hinterlist unserer Sitte, die gebietet, in der<br />
Anrede Herr und Frau auch den Namen zu<br />
nennen. Eine Ausnahme ist bekanntlich das<br />
Fräulein, und das ist für Leidende ein Grund<br />
mehr, sich vorwiegend mit diesen zu unterhalten.<br />
Ehegattinnen pflegen zwar meist rasch<br />
das-Gedächtnis zu stärken. Lob und Preis sei<br />
hingegen unserer Titelei gespendet, vermindert<br />
sie doch die Anreden auf vielleicht ein halbes<br />
Dutzend: Herrn und Frau € Doktor », « Professor<br />
», «National-, Stände- oder Kantonsrat»<br />
und vor allem den beliebten «Direktor»<br />
meist eigener Ernennung!<br />
Ungefährlich ist es noch, wenn man zu Dritt<br />
über jemanden spricht, dessen Namen man<br />
nicht mehr weiss. Man heuchelt, dass der<br />
Name einem auf der Zunge brenne und lässt<br />
den andern einem damit ins Wort fallen. Aber<br />
mehr als dreimal wird einem der Trick nicht<br />
geglaubt. Will man noch nicht seinen Mangel<br />
bekennen, muss man sich mit gefährlichen Umschreibungen<br />
helfen: das lange Elend dort drüben,<br />
der blonde Hüne da vorn, die Tochter<br />
Israels nebenan. Muss man aber den bekannten<br />
Unbenannten' anreden, so kann einen der<br />
Schreck fast lähmen. Man versucht es zuerst<br />
mit stilistischen Einten, dreht den Satz so,<br />
dass keine Anrede nötig wird. Manchmal<br />
kann man riskieren, durchschaut zu werden,<br />
indem man den Namen einfach im Barte versickern<br />
lässt: « Guten Morgen, Herr hkm...<br />
hkm!» Ein Hustenanfall ist empfehlenswert,<br />
sofern man den Hals in richtiger Verschleimung<br />
erhalten kann. Vielleicht kann man einmal<br />
den Scherz jenes alten Schreibmaschinenmechanikers<br />
wagen, der mich ansprach: « Guten<br />
Tag, Herr... Herrrr.... na Sie wissen ja<br />
selber am besten wie Sie heissenü » Gelegentlich<br />
findet man eine geduldige Seele, der man<br />
darüber einen Vortrag halten kann, wie das<br />
menschliche Gedächtnis sich gegenüber irgend<br />
einem Wort, einer Zahl rebellisch zeige, wie<br />
manchmal eine Ansichtskarte, die sich mitten<br />
im geistreichen Gruss mit verborgenem Finger-<br />
ihnen in unsern Augen als Luxus erscheint, all ihr«<br />
künstlerische Produktion, hatte seinen geheimen<br />
Nebensinn, seine kultische Bedeutung. Denn durch<br />
die zeichnerische oder plastische Darstellung der<br />
Jagdtiere vermochte man einen magischen Zauber<br />
auf sie auszuüben, man gelangte zunächst symbolisch,<br />
dann aber durch den Zauber der Beschwörung<br />
auch wirklich in deren Besitz. Es fällt auf, dass die<br />
Darstellungen der menschlichen, vorab der weiblichen<br />
Gestalt, nie den gleichen Grad von Vollendung<br />
erreichen, wie die Tierdarstellungen.<br />
Wie eine bestimmte Zeit in eine andere übergeht,<br />
wissen wir nicht. Die scharfen Einschnitte, wie sie<br />
aus unsern Bezeichnungen hervorgehen könnten,<br />
bestanden gewiss nicht. Aeltere Wirtschaftsformen<br />
verschwinden nie plötzlich. Auch wenn mit Einwanderungen<br />
gerechnet werden muss, auch wenn Verdrängung<br />
zu erwarten ist, so wissen wir doch aus<br />
der Völkerkunde der Primitiven, dass ein Nebeneinander<br />
verschiedener Stämme durchaus möglich<br />
ist. Trotz grösserer Stammesverbände aber fehlen<br />
staatliche Gebilde in den Steinzeiten.<br />
An gleichen Fundorten erscheinen die verschiedenen<br />
Steinzeiten allerdings getrennt. Eine ausgesprochene<br />
Uebergangsschicht fehlt. Aber auch wenn<br />
Klimarückschläge eine Gegend vorübergehend unbehwonbar<br />
machen konnten, so verschwand das<br />
Menschenleben deshalb nicht, es wanderte eben<br />
nicht nur mit dem Jagdtier, es wanderte auch mit<br />
dem Klima. Hat unser Land zwischen den Steinzeiten<br />
Siedelungsunferbrüche wirklich erlebt, so isr<br />
dies für die klimabegünstigtern Landstriche unserer<br />
Nachbarländer nicht wohl anzunehmen. Die Unterbrüche<br />
bestehen mehr in unserer Systematik als in<br />
Wirklichkeit. Alles Lebendige strebt nach Dauer,<br />
nach Kontinuität...<br />
Dieser Aufsatz erscheint in dem zweibändigen<br />
Werk „Confoederatio Helvetica", das demnächst<br />
im Verlag Bohnenberger, Zürich, herauskommt.<br />
Namen und ihre Schicksale<br />
abdruck weigert, sich weiterhin betinten zu<br />
lassen. Angenehm sind Menschen mit ungewöhnlichen<br />
Namen, weil sie sich an dessen<br />
Verschandelung gewöhnt sind. Da helfen oft<br />
die Ratschläge von Paul Reboux. Man fragt<br />
den Betreffenden: «Verzeihung, wie buchstabieren<br />
Sie eigentlich Ihren geschätzten Namen?»<br />
Oder: «Pardon, wie wird Ihr Name<br />
richtig ausgesprochen? » Aber da kann man<br />
dann eben Antworten bekommen wie: « Mein<br />
Name wird genau so geschrieben, wie man ihn<br />
ausspricht», oder « Die Aussprache ist genau<br />
phonetisch ». Ein Herr Grzenkowski in Zürich<br />
lässt sogar freundlich die Aussprache neben<br />
seinen Namen drucken « sprich Schenkowski »,<br />
ohne zu bedenken, dass er manchen die obige<br />
rettende Ausrede abschneidet. Hat man ein<br />
erstes Gespräch überstanden, so kann man sich<br />
für ein zweites Mal durch verschiedene bekannte<br />
Kniffs sichern. Man beschnüffelt Kofferetiketten,<br />
liegen gelassene Briefumschläge,<br />
<strong>Zeitung</strong>sstreifbänder, stöbert in unbewachten<br />
Augenblicken vor Banketten im Speisesaal umher<br />
und lernt die Tischkarten auswendig. Oder<br />
einfacher (worauf die schlechten Gedächtnisse<br />
meist nicht kommen): man fragt diskret jemand<br />
vom Personal! Drastisch machten wir es<br />
an einem Studentenball: jedem Neuangekommenen<br />
wurde ein Karton auf die Brust gehängt,<br />
der in Blaustift seinen Namen trug. In<br />
einer Stunde war alles todsicher bekannt. Am<br />
schlimmsten ist es, wenn man meint, einen Namen<br />
zu wissen und dem Betreffenden einen<br />
andern Namen'anhängt, womöglich den einer<br />
Person, die er nicht riechen kann. Darüber<br />
kann jeder ein Lied singen, wie dem Verwechselten<br />
zumute ist. So machte die Mutter eines<br />
Schulkameraden, eine alte Italienerin, aus<br />
meinem wackern Pfister-Namen, der sich vom<br />
Pistor, dem Getreidezerstosser und Bäcker ableitet,<br />
einen «Finster». Eitlem Schulschatz<br />
schrieb ich einen feurigen Liebesbrief, den sie<br />
mit « Lieber Heini! » beantwortete, dieweil ich<br />
auf Eugen getauft bin. Vielleicht hat sie es<br />
andern später auch so gemacht, jedenfalls ist<br />
sie ledig geblieben.<br />
Angesichts solcher Folgen muss man auf<br />
Hilfe sinnen. Man denkt dann an die gute<br />
Mnemotechnik, mittels derer man sich die<br />
längsten Telephonnummern merken kann, indem<br />
man sie in eine Anekdote verarbeitet. Der<br />
Name vergeht, die Anekdote bleibt und bringt<br />
ihn zurück. So beginnt meine Telephonnummer<br />
mit 39, d.h. 3 X 13, oder: Dreimal Unglück.<br />
Ingenieuren präge ich meine Hausnummer<br />
« 27 » als 3 hoch 3 ein. Viel gesündigt<br />
wird beim undeutlichen Vorstellen. Ich pflege<br />
stets meinen Namen selber auszusprechen, nach<br />
Teleponmanier: Pffisstterrrr. Naseweise Verkäuferinnen,<br />
die mir etwas ins Haus schicken<br />
sollen, glauben oft auf das Buchstabieren verzichten<br />
zu können. Dann erhält regelmässig<br />
ein Herr Fischer im Haus meine Pakete. Um<br />
das Buchstabieren mit einem Spass zu würzen,<br />
sage ich oft « Pfister, mit einem Aepf am Anfang<br />
wie Pfui». Aber kürzlich fragte mich<br />
eine Ladentochter schüchtern: « Aber heissen<br />
Das Kapriolett<br />
Der Schlagbaum<br />
Unser «Kapriolett» ist eine neue Automarke,<br />
die sich allerhand Kapriolen erlaubt.<br />
Hier steht der Wagen vor dem Schlagbaum<br />
und setzt kurzerhand über das Hindernis<br />
hinweg. In den nächsten Nummern bringen<br />
wir weitere Stücklein des neuen Automobilisten-Lieblings.<br />
(Zeichnung Buss.)<br />
Sie wirklich Herr Pfui? » Dieser Irrtum bestärkte<br />
mich in der Gewissheit, dass noch<br />
manche die Namen durcheinander bringen.<br />
Das war Trost, das war Heilung.<br />
Seither verzichte ich auf eine Reformkampagne<br />
und hoffe nur noch auf die christliche<br />
Nächstenliebe aller jener, die falsch oder undeutlich<br />
angesprochen werden.<br />
Vom Alter der Bergnamen<br />
Die Namen unserer Hochgebirgsgipfel sind nicht<br />
sehr alt. Das ganze Mittelalter hindurch bis weit in<br />
die Neuzeit hinein wurden die Alpen nur zu Passüberschreitung<br />
betreten, und darüber findet man in<br />
der Literatur nur Ausdrücke des Schreckens und<br />
des Abscheus. Auch Münster bemerkt noch in seiner<br />
«Kosmographey»* dass ihm bei einer Reise über die<br />
Gemmi «das Herz bis auf die Knochen erzitterte».<br />
Die schweizerischen Kartographen bezeichneten bis<br />
in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts keine<br />
eigentlichen Hochgipfel. Verschiedene Gipfel haben<br />
ihre Namen gewechselt. Die wenigen Benennungen<br />
früherer Zeiten waren ungenau. Verhältnismässig<br />
früh tauchten urkundlich die Namen Eiger (1173<br />
in einem Schirm-Brief Kaiser Barbarossas) und<br />
Balmhorn (1260 «Balenhorn») auf. Anlässlich der<br />
Erbauung des Hospizes im Jahre 1235 wurde der<br />
Simplem erstmalig erwähnt. Von besonderem Interesse,<br />
speziell im Hinblick auf den Streit um das<br />
Geschlecht der Rigi, ist deren erstmalige Erwähnung<br />
1384 als «Riginen» heute noch in der Gegend<br />
eine Bezeichnung von Felsbändern. 1481 dagegen<br />
wird der Berg «Mons regina» genannt. Die älteste<br />
urkundlich erhaltene Benennung des Pilatus als<br />
«mons fractus» geht ungefähr auf das Jahr 1200<br />
zurück. Nebenbei bemerkt war dessen Besteigung<br />
lange Zeit vom Rate von Luzern verboten, so dass<br />
1387 6 Geistliche dieser Stadt ihren Besuch des<br />
Pilatusses im Gefängnis büssen mussten. Das Verbot<br />
wurde erst im Jahre 1594 aufgehoben. Der<br />
heutige Name des Pilatus taucht 1433 zum ersten<br />
Male auf. 15 72 vernimmt man zum ersten Male<br />
von der «Saffretta (Silvretta) und vom Piz Linard,<br />
und 1576 erwähnt der Arzt Dr. Thomas Schöpf<br />
in einer Monographie des Berner Oberlandes zuerst<br />
Jungfrau, Schreckhom, Finsteraarhorn, Wildstrubel<br />
u. a. Das Matterhorn wird merkwürdigerweise bereits<br />
1581 als Mont Cervin, ,1644 wiederum als<br />
Monte Silvio, 1680 auf einer Karte von Borgonio<br />
als M. Servino und 1682 endlich als Matterhorn<br />
bezeichnet. Der Montblanc wurde jahrhundertelang<br />
«Les Glacieres» genannt, wobei teils der<br />
Gipfel, teils die ganze Gruppe gemeint war, und<br />
erst 1672 kam er zu seiner heutigen Bezeichnung.<br />
Das Schwinden von Scheu und Angst vor den<br />
Hochgebirgsgipfeln und das Aufkommen des Alpinismus<br />
erst brachte den meisten der eisigen Majestäten<br />
ihre heutigen Namen. W. R.<br />
Was bedeutet „Haile Selassie"?<br />
Die Vorgänge in Ostafrika haben der Welt Einzelheiten<br />
über Land und Leute Abessiniens übermittelt,<br />
die bisher unbekannt waren. Namen von<br />
Flüssen und Bergen, die man in den besten Karten<br />
vergeblich sucht, sind uns seit Kriegsbeginn allmählich<br />
geläufig geworden. Ebenso die Namen von<br />
Personen, die in diesem Krieg als Gegner Italiens<br />
eine Rolle spielen. Man hat die Namen so hingenommen<br />
wie die anderer Völker, ohne zu wissen,<br />
dass jedem abessinischen Namen eine besondere<br />
Deutung zukommt. Zwei grössere Gruppen sind<br />
zu unterscheiden: religiöse und Mutternamen. Die<br />
ersteren sind gar mannigfaltig und in unzähligen<br />
Kombinationen zu fibden. So heissen sie beispielsweise:<br />
Gabra Egzianaber, Gabra Johannes, Gab»<br />
Gujorius, das bedeutet Sklave des Herrn, des heiligen<br />
Johannes, des heiligen Georg. Oder: LJdj<br />
Mariam, LJdj Havariat, LJdj Mikael und bedeutet<br />
Sohn Marias, Sohn des Apostels, des heiligen Michael.<br />
Weiter: Haile Hajmanot, Haile Kedusan,<br />
Haue Amlak und bedeutet Macht des Glaubens,<br />
der Heiligen, Macht Gottes. Alle Heiligen werden<br />
da in Kombination gezogen, wie alles, was mit dem<br />
Glauben in Verbindung steht. Das Namensrepertoire<br />
erscheint daher unerschöpflich. Der Name<br />
Haile ist in Abessinien der gebräuchlichste, er wird<br />
mit dem Himmel, dem Himmelreich und Christus<br />
in Verbindung gebracht. Der Name des Negus<br />
Haile Selassie bedeutet «die Macht der heiligen<br />
Dreifaltigkeit», und der Name des früheren Emissärs<br />
in Genf, Tekla Havariat, bedeutet «Vertreter<br />
des Apostels». Der zweite Name des Negus,<br />
den er noch als Ras führte, gehört in die Reihe jener<br />
Namen, welche die Mutter dem Kind bei der<br />
Geburt verleiht. Man nannte ihn Tafari, das heisst<br />
Sieger. Die Mutternamen sind noch vielfach bunter<br />
als die religiösen. Die Mutter kann für ihr Kind<br />
jede erdenkliche Bezeichnung als Namen wählen.<br />
Söhne werden Makonenen, Masfen, Atschanfi benannt.<br />
Das bedeutet Eroberer, Richter oder Prinz.<br />
Mädchen werden «Blümelein», «Mein Gold» oder<br />
«Du bist schön» benannt. Abessinisch: Ababatsch,<br />
Ujarke und Ujeb Neh. Die Mutter kann ihren<br />
Sohn auch Tana Natschao, das heisst «Sein Schild<br />
ist stark», benennen. Schliesslich sei noch die Bezeichnung<br />
Addis Abeba hier erklärt. Sie wurde<br />
von ihrem Erbauer Menelik II. «Die neue Blüte»<br />
benannt.<br />
(N. F. P.)<br />
Ein Wort macht Karriere<br />
Die Wörter erleben oft seltsame Abenteuer. Daran<br />
sind die Gelehrten nicht unschuldig. Besonders<br />
in der Zeit, da Latein die Sprache der Wissenschaft<br />
war, wurde manch ein deutsches Wort von seiner<br />
Muttersprache getrennt und drang als Wechselbalg<br />
in das Vokabular lateinischer und latinisierender<br />
Rhetorik ein. Plötzlich Uucht die verirrte Sprachmünze<br />
dann auf dem Markte auf, erhält neuen Ge-^<br />
brauchswert und wird wieder populär. Ein «Watte^<br />
bausch», «sich bauschen», «aufbauschen», und der<br />
Ausdruck «In Bausch und Bogen», sind bekannt;<br />
«Pauschale», «pauschal», das heute durch die Pauschalferien<br />
und Pauschalreisen in aller Munde<br />
kommt, ist eine Latinisierung eben dieses hübschen<br />
deutschen Wörtchens «Bausch». Seine Verinung<br />
sei ihm verziehen, denn es schliesst für uns heute<br />
das schönste Versprechen, sorglose, zum voraus bezahlte,<br />
herrliche Ferien ein. So wollen wir es denn<br />
in Bausch und Bogen wieder in die deutsche Sprache<br />
aufnehmen.<br />
svz.<br />
Milde Winter<br />
Der bisher so ungemein milde Winter 1935/36 erweckt<br />
in vielen Menschen die Furcht, dass der wirkliche<br />
Winter verspätet und mit um so grösserer<br />
Wucht kommen werde. Man kann heute natürlich<br />
kein Prophet sein,- und es ist vielleicht gar nicht<br />
ausgeschlossen, dass die Furcht auch berechtigt ist.<br />
Immerhin soll von einigen Wintern berichtet sein,<br />
die durchwegs milde waren und durch keinen verspäteten<br />
Kälteeinbruch nachgeholt wurden. Natürlich<br />
ist nur von Mitteleuropa die Rede.<br />
So war der Winter des Jahres 1172 so milde, dass<br />
bereits im Januar die Bäume im Schmucke des Laubes<br />
standen, und dass im Februar die Vögel brüteten,<br />
zu Weihnachten 1289 konnte man am Rhein<br />
Veilchen suchen. 1421 standen die Weinstöcke bereits<br />
zu einer Zeit in Blüte, da wir noch den Wintermantel<br />
tragen. Im April leuchteten bereits rot die<br />
Kirschen von den Bäumen. 1572 hatten es die Vögel<br />
besonders eilig; sie brüteten schon im Januar auf<br />
belaubten Bäumen. 1585 konnte man den Osterspazlergang<br />
durch die Felder machen und schon die<br />
Aehren des Getreides sehen. Die Winter der Jahre<br />
1607, 1609, 1617, 1659 waren frostfrei und ohne<br />
Schnee. Der Winter 1662 war so milde, dass man<br />
überhaupt nicht heizen brauchte. Auch 1663 blühten<br />
die Bäume im Februar. Man sieht, dass milde<br />
Winter auch hintereinander auftreten können.<br />
Auch die Winter 1807, 1821 und 1822 waren sehr<br />
milde; im Jahre 1822 gab es weder Schnee noch<br />
Eis. Der Winter 1833 begann mit kurzem Frost, dann<br />
fiel nur mehr Regen statt Schnee. In der Neujahrsnacht<br />
ging in Niederhessen ein Gewitter wie Im Sommer<br />
nieder. Der Winter 1834 war ebenfalls sehr<br />
milde,- Pfirsiche und Aprikosen blühten vorzeitig.<br />
Auch der Winter 1846 hatte keinen Schneefall und<br />
keinen Frost. Sehr sonnig und lind waren die Winter<br />
1857 und 1859.<br />
Wenn wir also in diesen Tagen lesen, dass da und<br />
dort der Flieder blüht, und dass Gewitter vorkommen<br />
mit wunderbaren Regenbogen, dass In den<br />
Gärten die Bäume grün werden, braucht man sich<br />
nicht wundern,<br />
Dr. J. R. Harrer.