E_1936_Zeitung_Nr.058
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8 AUTOMOBIL-REVUE<br />
FREITAG, YI. JTJLI <strong>1936</strong> = N° 58<br />
Seltsame Auffassungen<br />
Ein Nachspiel zum Referendum gegen das Verkehrsteilungsgesetz.<br />
Während in Bern das System der dringlichen<br />
Bundesbeschlüsse immer mehr zur Anwendung<br />
gelangt und damit das Volk um die<br />
ihm verfassungsmässig zustehenden Rechte<br />
gebracht wird, kämpfen unsere Confederes<br />
einen harten Kampf um die Erhaltung der<br />
Volksrechte. Eine diesbezügliche Initiative ist<br />
in Vorbereitung und wenn man den neuesten<br />
Entscheid des Bundesrates in einer Angelegenheit<br />
vernimmt, welche den Referendumskampf<br />
um das Verkehrsteilungsgesetz betrifft,<br />
so kann man sich nicht verhehlen, dass<br />
es allerdings um unsere Volksrechte nicht<br />
mehr zum Besten steht<br />
Das Referendumskomitee gegen das Verkehrsteilungsgesetz<br />
hat in einem Schreiben<br />
an den Bundesrat die Anschuldigung erhoben,<br />
die Generaldirektion der SBB habe mit öffentlichen<br />
Geldern die Unterschriftensammlung<br />
gebremst und einem beauftragten Sammler<br />
durch einen Mittelsmann 1000 Fr. aushändigen<br />
lassen, unfer der Bedingung, dass dieser<br />
seine Arbeit einstelle.<br />
Das Referendum ist ein Volksrecht, auf das<br />
•wir stolz sein dürfen, beruht doch auf der<br />
damit eingeführten Gesetzeskontrolle eine wesentliche<br />
Eigenheit der Demokratie. Einfache<br />
Bundesgesetze, wie das Verkehrsteilungsgesetz,<br />
müssen dem Volke vorgelegt werden,<br />
wenn 30,000 Schweizerbürger oder 8 Kantone<br />
eine Abstimmung verlangen. Das Referendum<br />
in Gesetzessachen* beim Bunde ist somit fakultativ.<br />
Sache der Komitees ist es, die<br />
Sammlung der Unterschriften einzuleiten und<br />
die Unterschriftbogen an die Bundeskanzlei<br />
einzureichen. Jede Tätigkeit, welche sich<br />
gegen dieses verfassungsmässige Recht des<br />
Schweizerbürgers richtet, ist ein Vergehen<br />
gegen unsere Volksrechte.<br />
Die Bundesbahnen haben diese Rechte nicht<br />
respektiert.<br />
Das hat der Bundesrat selbst in seiner Antwort<br />
an das Referendumskomitee festgestellt.<br />
Ein Sonderkomitee, das von den SBB zur Bekämpfung<br />
des Referendums eingesetzt wurde,<br />
hat an einen Unterschriftensammler Geld ausgerichtet<br />
— diesen also bestochen — und ihn<br />
damit veranlasst, seine Tätigkeit zur Sairnmlung<br />
von Unterschriften einzustellen.<br />
Der Bundesrat vertritt die Ansicht, dass<br />
die Bundesbahnen das Recht gehabt hätten,<br />
sich mit öffentlichen Mitteln — denn um solche<br />
handelt es sich doch wohl heute bei den<br />
Bundesbahnen!—am Kampf für das Verkehrsteilungsgesetz<br />
zu beteiligen. Wir bezweifeln,<br />
ob die Bundesbahnen ein Recht dazu haben,<br />
mit<br />
öffentlichen Mitteln Sabotage zu treiben<br />
und durch Bestechung die Ausübung eines<br />
Volksrechtes zu hintertreiben. Es scheint uns,<br />
dass diese Behörde im Gegenteil die Pflicht<br />
gehabt hätte, sich während 'der Unterschriftensammlung<br />
zurückzuhalten, um dann beim<br />
Abstimmangskampfe ihre Interessen zu wahren.<br />
Wenn es angängig ist, eine Unterschriftensammlung<br />
zu verhindern, dann wird ja das<br />
Referendumsredht illusorisch. Allerdings, hat<br />
der Bundesrat — so scheint es — in seinem<br />
Schreiben einen Tadel an die Bundesbahnen<br />
über die Art der Verwendung öffentlicher,<br />
Gelder ausgesprochen. Er hat aber nicht festgestellt,<br />
dass eine solche Verhinderung der<br />
Unterschriftensammlung<br />
gegen die Bundesverfassung verstosst<br />
Von einer Bestrafung der verantwortlichen<br />
Behörde ist übrigens auch nichts bekannt ge-'<br />
worden. Wir fragen uns, ob man auf diese<br />
Weise nicht von oben herab den Respekt des<br />
Bürgers vor den Gesetzen untergräbt und<br />
wohin es führen soll, wenn unsere oberste<br />
Landesbehörde solche Praktiken in Schutz<br />
nimmt dadurch, dass sie die verantwortlichen<br />
Urheber nicht zur Rechenschaft zieht und es<br />
bei einem blossen platonischen Tadel bebenden<br />
lässt.<br />
Bereits einmal — anlässlioh einer wieder<br />
zurückgezogenen Vorlage über die Erschwerung<br />
der Unterschriftensammlung bei Initiativen<br />
und Referenda — hat der Bundesrat erfahren<br />
müssen, dass unser Volk nicht gewillt<br />
ist, auf seine Rechte.zu verzichten. Glaubt er<br />
vielleicht, dass solche Vorkommnisse geeignet<br />
sind, das Misstrauen der Bürger zu beheben<br />
?<br />
Wir erinnern in diesem 1 Zusammenhange<br />
auch daran, dass eine ganze Reihe von Volksbegehren<br />
noch immer der Abstimmung harren.<br />
Findet es vielleicht der Bundesrat "be-'<br />
quemer, sie eines nach dem andern durch<br />
«Erdauern > * ',"<br />
Delegiertenversammlung und Zentralfest des A.C.S. in St. Moritz. Der Zentralforstand des Clubs mit<br />
den Vertretern der Gemeinde, der Hotellerie, des Kurvereins St. Moritz und den Spitzen der Ortsgruppe<br />
Engadin beim offiziellen Bankett im «Kulm>. (Phot. Engadin Express.)<br />
zum Absterben zu bringen ?<br />
Bereits hat ja die vom Bunde für Volk und<br />
Heimat eingereichte Initiative über die Entstaatlichung<br />
der Bundesbahnen dieses Schicksal<br />
erreicht. Nachdem der BVH sich aufgelöst<br />
hat, wird sie wohl kaum mehr zur Abstimmung<br />
gelangen. Wir bezweifeln aber sehr, ob<br />
es im Willen der Schöpfer unserer Verfassung<br />
gelegen ist, dass man die Abstimmungen<br />
durch Hinausschieben — nicht nur um Monate,<br />
sondern um Jahre! — schliesslich umgeht.<br />
Es kommen dann manchmal «dringliche»<br />
Bundesbeschlüsse — die eigentlich<br />
auch nicht so dringlich sind, da man sie ja<br />
zwei Sessionen lang hinausschiebt — und<br />
verlangen das Recht zu Notmassnahmen, die<br />
sehr nahe an Massnahimen herankommen, wie<br />
sie vorher durch Gesetzesreferendum verlangt<br />
worden sind. Wenn man heute in weiten<br />
Kreisen unserer Landesregierung<br />
sie treibe eine<br />
vorwirft,<br />
( Politik ohne Richtlinien<br />
und regiere «von der Hand in den Mund», so<br />
muss man sich darob im Bundesrat nicht<br />
wundern. Schon haben die Ritzungen unserer<br />
Verfassung vielen Ortes böses Blut gemacht<br />
— eines Tages wird sich das Volk auch gegen<br />
die dringlichen Bundesbeschlüsse erheben —<br />
indem es bei den nächsten Nationalratswahlen<br />
eine gründliche Blutauffrischung vornimmt.<br />
Und wie es mit dem Bundesrat steht, das hat<br />
die Protestaktion gegen das Budget der Alkoholverwaltung<br />
gezeigt. Der Bundesrat glaubte,<br />
dieser Protest beschränke sich auf einige<br />
Verbandsspitzen und musste es erleben, dass<br />
nicht nur die Verbände, sondern auch die nicht<br />
organisierten Automobilisten sich einmütig<br />
gegen die Massnahmen der Regierung erhoben.<br />
o<br />
Es passt in dieses Bild, dass der Bundesrat<br />
es nicht für notwendig gefunden hat, die Bestechung<br />
eines Unterschriftensammlers durch<br />
ein von den Bundesbahnen einberufenes Komitee<br />
als solche zu-brandmarken und zu bestrafen.<br />
« Caveant consules... > X.<br />
Autokuvse<br />
Schweiz. Alpenposten. Die Woche vom 6.—12.<br />
Juli <strong>1936</strong> brachte den schweizerischen Alpenposten<br />
eine Gesamtfrequenz von 21,907 Personen. Gegenüber<br />
dem entsprechenden Zeitabschnitt 1935, während<br />
dessen die Post insgesamt 32,546 Passagiere<br />
beförderte, bedeutet diese Zahl eine Verminderung<br />
um 10,639 Fahrgäste, woran von den 36 regelmässigen<br />
Kursen nicht weniger als 31 beteiligt sind.<br />
Am stärksten machen sich die Ausfälle auf den<br />
Strecken Chur - Lenzerheide - Julier - St. Moritz<br />
mit — 1306 und St Moritz - Maloja - Castasegna.<br />
mit —1196 fühlbar. Rechnet man noch die Reisendenzahlen<br />
der neu in Betrieb genommenen Kurse<br />
Brienz - Axafp, Bern - Gurnigel - Schwefelberg und<br />
Lugano - St. Moritz hinzu, dann ergibt sich für<br />
die Berichtswoche ein Total von 22,696 Passagieren.<br />
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