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E_1936_Zeitung_Nr.084

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N» 84 Antomohfl-Revue 13<br />

Abschied von meinem Auto<br />

Auf-<br />

Erster Akt: Spannung 10 000 Volt,<br />

regung 500 Ampere.<br />

So leb denn wohl und fahr* dahin. Ein<br />

bisschen schwummerig wird mir's doch, da<br />

zum letztenmal aus der Garagentür du hinausfährst.<br />

Irgendwer hat über die beiden glücklichen<br />

Tage, da man ein Haus kauft und den zweiten,<br />

wenn man's wieder los wird, eine ganze<br />

Komödie geschrieben. Die beiden Stunden, da<br />

unser Auto zum erstenmal in unser Tor<br />

hineinfährt — und auf immer uns verlässt —<br />

ein Filmstoff immerhin. Sollen wir ihn rasch<br />

entwerfen? Vorangeschickt: Wochen und Monate,<br />

da Tag für Tag, hei jeder Mahlzeit, in<br />

jeder freien Stunde, was sage ich! in jeder<br />

Minute, jedem Augenblick « sie» dem Herrn<br />

Gemahl in den Ohren liegt mit den erdenklichsten<br />

Argumenten, ihm plausibel zu machen<br />

weiss, warum ganz unbedingt sie ein Auto<br />

haben muss. Sie ohne einen Wagen nicht mehr<br />

leben kann. Als letzte Waffe ein nervenärztliches<br />

Attest, das als einziges Rettungsheilmittel<br />

das Chauffieren empfiehlt, verordnet —<br />

fordert — oh, das kann man wunderbar gestalten.<br />

Sie fährt, sie lenkt, sie schaltet ...<br />

Zeichnung Wohnlich<br />

Dass der Gatte nachgeben muss, ist selbstverständlich.<br />

Dass das Auto gekauft wird,<br />

steht ausser jedem Zweifel. Sind Scheck, pardon<br />

Wechsel unterschrieben, so rückt der Herr<br />

Gemahl aus dem Zentrum des Interesses, auf<br />

den Nebensitz. Sie fährt, sie lenkt, sie schaltet<br />

und waltet mit ihrem Wagen, den sie mit<br />

aller Liebe, allen Zärtlichkeiten nun umfängt,<br />

die eine Frau nur aufzubringen weiss. Pflegt<br />

ihn mit Mutterliebe, sorgt sich und müht sich<br />

um ihn wie um ein Kind, spielt mit ihm und<br />

kokettiert wie mit einem Freund, ist ärgerlich<br />

tund schilt, wenn mal was schief geht, wie mit<br />

dem Herrn Gemahl.<br />

0 nein, ihr Wagen ist kein Gegenstand, ist<br />

keine Sache. Er ist ein Wesen, das lebt und<br />

sich bewegt, atmet und schwingt, das, wie sie's<br />

wünscht, auf leisen Hebeldruck ihrer kleinen<br />

Hand gehorcht, voll Langmut und Geduld, in<br />

unermüdlicher Bereitschaft ihr treu ergeben.<br />

Natürlich kann man das alles auf die Leinwand<br />

malen. Fabelhafte Wirkung! Grossaufnahmen,<br />

dass es nur so funkt!<br />

Weiter geht's. Es kommen die kleinen Erlebnisse,<br />

die sie dem Wagen verdankt, nur<br />

ihm allein, dazu sie ohne ihn niemals gekommen<br />

wäre. So eine Fahrt ins Blaue, ins Heimliche,<br />

nach einem verschwiegenen stillen<br />

Plätzchen, weit draussen irgendwo, den Augen<br />

der Welt entrückt — wie wäre sie ohne ihren<br />

Wagen je dorthin gekommen? Ganz unmöglich.<br />

Doch auch sonst, wenn mal ein Mann<br />

neben einer Frau sitzt, die das Steuer führt,<br />

mein Gott, wer will da etwas sagen? Man ist<br />

so rasch vorbei, und gibt so viel plausible<br />

Gründe.<br />

Drinnen aber kann's sehr gemütlich sein.<br />

Und der kleine rollende Raum so behaglich<br />

und traut wie eine Ecke am Kamin, überboten<br />

noch durch die vollkommene Ungestörtheit.<br />

Kein Telephon, es klingelt nicht, kein unerwarteter<br />

Besuch. Oh, wie sie darum ihren Wagen<br />

liebt! Liess Sie der Zufall einmal Zeuge<br />

werden, wie eine Frau am Morgen ihren Wagen<br />

begrüsst, bevor sie einsteigt? Wie sie<br />

zärtlich mit der Hand ihn streichelt, mit liebevollen<br />

Blicken ihn umfängt<br />

Dann aber hat sie einen neuen Typ gesehen.<br />

Der ist irgendwie anders in Bau, Ausstattung<br />

und Betrieb. Eleganter. Und wie aus einer<br />

Ehe, leise zunächst und verstohlen nur ein<br />

blinzelnder Blick und wieder einer hinüberfliegt<br />

an einen andern Tisch, so kokettiert Madame<br />

zunächst ein bisschen in aller Heimlichkeit<br />

mit dem feschen grünen Cabriolet, der<br />

blauen tiefen Pullman-Limousine, dem flinken,<br />

kleinen Roadster.<br />

Und siehe, in ihren Träumen, da machen<br />

sich plötzlich «ganz abscheuliche» Unannehmlichkeiten<br />

an ihrem eigenen, bisher so heissgeliebten<br />

Wagen bemerkbar. Bemerkbar? Sie<br />

hat das immer schon gewusst und nie geachtet,<br />

Von Margret Halm.<br />

zärtlich übersehen, was jetzt zu unüberwindbarer<br />

Schwierigkeit von Tag zu Tag ihren<br />

Wünschen entgegenwächst.<br />

Da ist die Schaltung so hart, das Volant<br />

geht so schwer. Der Wagen klappert und<br />

zieht nicht mehr. Und gibt er sich die grösste<br />

Mühe wie zuvor, kann er sie doch nicht mehr<br />

zufrieden stellen. Nun, zwei, drei Tage noch<br />

— und dass er weg muss, zum Abgang reif,<br />

ist ausgemachte Sache. Einmal darf es noch<br />

in altem Glanz erblühen, nämlich wenn sie<br />

dem davon erzählt, dem sie ihn verkaufen<br />

(lies: aufhängen) will, um in Befreiung aufzuatmen,<br />

wenn sie den Handel abgeschlossen,<br />

den Verkaufsauftrag unterzeichnet.<br />

Liess euch je der Zufall Zeuge werden, was<br />

Madame nun alles weiss, um vor sich und andern<br />

zu begründen, dass unbedingt und überhaupt<br />

ihr erster Wagen einfach nicht mehr...<br />

Da stehe ich, bin eigens nochmal hergelaufen,<br />

um das Geleite ihm zu geben, wenn er<br />

hinauszieht. Leb' wohl, mein alter, lass' dich<br />

gut behandeln. Gewiss, ich brauche einen<br />

neuen Freund. Du aber — komm', lass dich<br />

noch einmal streicheln, noch einmal fühlen<br />

dich. Schau', ich ziehe meinen Handschuh aus,<br />

um übers Leder dir zu streichen. Die Rückwand<br />

entlang. Gott, weisst du noch, war das<br />

'ne Sache, du armer Kerl, bei dem Zusammenstoss,<br />

als du hier bös verwundet wurdest. Nein,<br />

glaube mir, ich war nicht schuld daran. Der<br />

andere .., Ach du, mein guter alter treuer Kamerad,<br />

es war doch schön, wenn wir zwei beiden<br />

Wahrhaftig, nun wollen wirklich<br />

gar die Tränen kommen. Nein. Lächerlich.<br />

Rasch weg damit. Die Leute müssen denken,<br />

ich sei, ich hätte<br />

du — nein, wart*<br />

noch einen Augenblick. Zu spät.<br />

dahin.<br />

Musik: Wenn eine Liebe stirbt.<br />

Hei,<br />

Er „fährt<br />

ist der neue Wagen schont<br />

Ja, und dazu noch ein zehnjähriges! Höchst<br />

lächerlich und unwahrscheinlich klingt es, ja paradox,<br />

dass die Mode, die ewig wandelbare, ewig<br />

wechselnde, tatsächlich ein längeres als ein sechsmonatliches<br />

Jubiläum feiern kannl Und doch,<br />

meine Damen, es ist Tatsache: es sind genau zehn<br />

Jahre seitdem das anspruchslose Beret, die sogenannte<br />

Boina der Basken, sich bei uns eingebürgert<br />

hat. Wer sie eingeführt hat? Das weiss man<br />

nicht bestimmt, aber man geht vielleicht nicht fehl,<br />

wenn man annimmt, es sei der frühere Prince of<br />

Wales, der führende Mann der Herrenmode, gewesen,<br />

der sich viel und oft am Golf von Biscaya,<br />

in St. Jean-de-Luz, aufhielt und die Vorzüge dieser<br />

klassischen Mütze herausgefunden haben mag.<br />

Jedenfalls sah man diese Mütze plötzlich überall<br />

quftauchen, allerdings sah es aus, als ob man<br />

bloss die Mütze kopiert hätte, nicht aber den<br />

Schneid, mit dem sie selbst vom einfachsten baskischen<br />

Bauern getragen* wird, denn man stülpte<br />

sie schlecht und recht über tetes carrees, ganze<br />

und halbe Glatzen, ja es ist anzunehmen, dass sie<br />

sich deshalb bei der Männerwelt so rasch einbürgerte,<br />

weil sie sich so vorzüglich dazu eignete,<br />

den sogenannten «gelichteten Scheitel> zu verdecken!<br />

Erst den pamen blieb es vorbehalten, die<br />

Boina kunstgerecht, in jenem bewussten rechten<br />

Winkel aufzusetzen, der so kokett wirkt und sich<br />

vorzüglich zum Kokettieren eignet. Man denke:<br />

ein Auge beständig Unter Feuer, das andere in<br />

sicherer Deckung!<br />

Seither haben die Damen dem Beret eine geradezu<br />

rührende Anhänglichkeit bewiesen. Immer<br />

wieder taucht es auf ohne viel in der Form zu variieren.<br />

Man hat es eine Zeitlang sogar zur führenden<br />

Modeform der Kopfbedeckung erhoben<br />

und allerlei modischen Schabernack mit ihm getrieben.<br />

Maschen und Federchen, phantastischer<br />

Schmuck aus Simili-Diamanten, Initialen aus Holz<br />

wurden ihm angeheftet, sein ursprüngliches Kleid<br />

aus matter Wolle durch ein solches aus Seide und<br />

Samt, Fell, Stroh und Leder umgetauscht, sogar<br />

aus lauter Blumen wurde es mitunter zusammengesetzt.<br />

Die Baskenmütze hat diese Modelaunen<br />

geduldig über sich ergehen lassen, und es auch<br />

ertragen, dass man nach dieser Orgie seiner etwas<br />

müde wurde und es vernachlässigte. Aber<br />

nicht lange, bald hatten es die Damen heraus,<br />

dass sie seiner nicht mehr .entbehren konnten. Es<br />

JSutUes<br />

Mayazin^<br />

Die Lebensweise der Spanier.<br />

Die Spanier'gehen sehr spät schlafen und stehen<br />

darum auch viel zu spät auf. Ihre ganze Lebensweise<br />

ist nicht dieselbe, wie in den andern Län-'<br />

dem Europas.<br />

Die Kanzleien in den Ministerien werden erst<br />

um 11 Uhr morgens geöffnet; die <strong>Zeitung</strong>en erscheinen<br />

erst zwischen 9—10 Uhr morgens; in<br />

Spanien wird um 3 Uhr am Tage gefrühstückt<br />

und zwischen 10—11 abends diniert.<br />

Die Theatervorstellungen fangen erst um 11 Uhr<br />

abends an und sind erst um 3 Uhr nachts zu<br />

Ende.<br />

Daher ist jetzt in Spanien eine Bewegung ins<br />

Leben gerufen worden, um eine von Grund aus<br />

veränderte Lebensweise zu organisieren. Die Initiatoren<br />

dieser Reformbewegung ersehen in der<br />

jetzigen Lebensweise eine Gefahr für die Volksgesundheit<br />

und wollen mit allen Mitteln dagegen<br />

steuern. R. B.<br />

Was kostet eine Pyramide ><br />

Zwei amerikanische Architekten machten sich<br />

in ihren Mussestunden einen Spass daraus, zu berechnen,<br />

wie hoch in unseren Tagen die Kosten<br />

für die Erbauung der grössten Pyramide bei Gizeh<br />

kämen. Die beiden Forscher brachten dabei die<br />

Riesensumme von 150 Millionen Dollar (rund<br />

375 Millionen Mark) heraus, die nur als reine<br />

Materialkosten anzusehen sind. Für den Bau<br />

würden etwa 10,000 Arbeiter 200 Tage arbeiten<br />

müssen. Bei einem Arbeitslohn von einem Dollar<br />

pro Tag und Arbeiter kämen dann zu den reinen<br />

Materialkosten noch zwei Millionen Dollar hinzu.<br />

Natürlich legten die beiden Architekten ihren Berechnungen<br />

die Möglichkeit moderner Arbeitsmethoden<br />

zugrunde.<br />

Ein Jubiläum in der Mode!<br />

ist neu auferstanden, und zwar in seiner ursprünglichen<br />

klassischen Form, ohne Firlefanz und<br />

nur in einigen wenigen diskreten Farben. Es hat<br />

sich aller Sporte bemächtigt, die Dame am Volant<br />

trägt es so gerne als die Tennisspielerin und das<br />

Golfgirl. Man trägt es am Strand, wenn zufällig<br />

die Sonne nicht scheint, und sogar die Amazone<br />

findet, es passe ausgezeichnet zum Reitdress. Für<br />

Zetcnnuno Mimi<br />

Reisen zu Wasser und zu lande ist das Beret unentbehrlich<br />

geworden, es nimmt so wenig Platz<br />

in Anspruch, dass es überall, sogar in der Manteltasche<br />

verstaut werden kann. In der Bahn entledigt<br />

sich die Dame gerne ihres Hütchens, das<br />

zwar sehr elegant ist, sie aber zur steifen Haltung<br />

verurteilt, und stülpt sich das Beret über ihre<br />

Locken, das ihr in jeder Beziehung Bequemlichkeit<br />

verschafft. Für Meer-Reisen ist die Baskenmütze<br />

geradezu zur klassischen Kopfbedeckung<br />

geworden in seiner ursprünglichen dunkelblauen<br />

Farbe, da es so gut auf dem Kopf hält und jedem<br />

Windstoss standhält. Und endlich ist es eine<br />

Interessengemeinschaft mit dem Impermeable und<br />

dem Regenschirm eingegangen, womit es sich völlig<br />

unentbehrlich gemacht hat.<br />

Nein, das hätte sich die bescheidene Boina nie<br />

träumen lassen, dass sie eines Tages die ganze<br />

Welt — wenigstens die Damenwelt — erobern<br />

würde, und da sie sich nun zehn Jahre behauptet<br />

hat, ist man fast versucht, zu glauben, ihr wohne<br />

etwas vom zähen Sinn und der Durchschlagskraft<br />

ihrer ursprünglichen Träger, dem unbezähmbaren<br />

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