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E_1936_Zeitung_Nr.104

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12<br />

Automobfl-Bevtie _ N° 104<br />

Frau, die sie bezauberte, trug. Sie Tcdnnten kaum<br />

seine Farbe nennen. Heute wissen sieben von<br />

zehn Herren ungefähr das Kleid zu beschreiben,<br />

in dem eine schöne Frau besonders reizend aussah<br />

und drei, vier von diesen sieben können das<br />

Kleid vielleicht sogar mit schneidertechnischer Bezeichnung<br />

des Gewebes und der Form genau charakterisieren.<br />

Mode ist Tagesgespräch geworden,<br />

sie ist volkswirtschaftliches Gebiet und verbunden<br />

mit künstlerischem Schaffen. Sie wird längst nicht<br />

mehr nur als verspottetes Ziel der weiblichen Eitelkeit<br />

gewertet.<br />

Aussuchen helfen.<br />

Daher will die Frau oft, dass der Mann zur<br />

Schneiderin mitgeht. Es handelt sich um ein Kleid,<br />

für eine Hochzeit bestimmt, für einen Ball vorgesehen.<br />

Um den Kauf eines Pelzes, eines besonderen<br />

Hutes. Wenn der Gatte, der Bräutigam,<br />

Freund oder ein guter Bekannter sich erbötig machen,<br />

die Wahl zu unterstützen, ist das Aufmerksamkeit,<br />

Freude, Interesse. Jede Frau wird über<br />

diesen Willen, die Toilette mitzubestimmen, glücklich<br />

sein. Man kommt sich geborgen, verwöhnt und<br />

beglückt vor, wenn der Mann dem man gefallen<br />

will, der zu einem gehört, gehören will, einmal<br />

zur Wahl des Kleides mitgeht. Ob er nun die<br />

Rechnung zahlen wird, ob selbstverdientes Geld<br />

oder die Zuwendungen des Vaters die Geldfrage<br />

lösen, ist gleichgültig. «Mitgehen und aussuchen<br />

helfen», um seltene wichtige Toiletten gut<br />

zu wählen, das ist wirkliche Aufmerksamkeit des<br />

Mannes. Nicht weibliche Neugierde, Sparsamkeit.<br />

Nein — Interesse, Mitgefühl und Liebe.<br />

Die Frau, die mit «ihm», mit «Monsieur», wie die<br />

Französin sagen würde, im Vorführungsraum des<br />

Modesalons erscheint, wird von den anderen<br />

Frauen neidisch betrachtet. Man weiss sich wirklich<br />

geliebt. Geborgen. Denn schliesslich kann sogar<br />

einmal ein Bruder, ein Vater mitgehen und wählen<br />

helfen. Der Mann, der den anderen Mann beobachtet,<br />

der ernst und liebevoll ein Kleid aussucht,<br />

wird auch ein wenig neidisch sein. Er weiss, dieser<br />

Mann hat eine Frau wirklich gern. Und er wird<br />

sich arm vorkommen, wenn er keine Frau kennt,<br />

für die er in ein Geschäft mitginge, Kleider, Handtaschen,<br />

Hüte, Pelze auszusuchen, um «Madame><br />

nach seinem Geschmack noch hübscher zu haben.<br />

Die Pariser Journalistin Raymonde St. Jean veröffentlichte<br />

im «Neuen Wiener Journal> eine Studie,<br />

die die Leserinnen interessieren dürfte.<br />

Glückliche Fahrt ins Neue Jahr!<br />

Wirkung eines Kleides.<br />

Die meisten Frauen wählen ihre Kleider selbständig.<br />

Begleitet von Mutter, Schwester oder<br />

Freundin, die ältere Dame von ihrer Tochter, wird<br />

der Einkauf des Stoffes besorgt, die Modelle geprüft,<br />

bestellt, gewählt. Jede Frau hat ein bisschen<br />

«Lampenfieber:», wenn sie dieses neue Kleid zum<br />

erstenmal trägt. «Wird es ihm gefallen?» Wie<br />

verschieden reagieren Männer doch auf dieses<br />

neue Kleid. Sie sehen es, frisch geliefert, auf dem<br />

Sofa liegen und finden es «scheusslichv Ein Kleid<br />

ist ein Nichts, wenn es nicht von der Trägerin belebt<br />

ist. Nur selten kann ein Mann die Wirkung<br />

eines Kleides abschätzen, ehe er es an der Frau,<br />

der es zugedacht ist, sieht. Die Phantasie des<br />

Mannes geht hier nicht weit. Das Kleid allein macht<br />

keinen Eindruck auf ihn. Es muss von allen unentbehrlichen<br />

Kleinigkeiten begleitet sein und eine<br />

nachlässige Frisur vermag es seiher ganzen Wirkung<br />

zu berauben. Die kluge Frau lässt das Kleid<br />

daher nicht ansehen. Sie verbirgt es im Schrank<br />

und erst bis es an der Zeit ist, das Kleid zu tragen,<br />

sei es für ein Fest, einen Spaziergang, einen Ausflug,<br />

eine Reise, stellt sie sich, ganz tiptop, dem<br />

Mann vor. Dann mag er urteilen, wie ihm die Frau<br />

in dem neuen Modell gefällt.<br />

Jetzt kann sich allerlei ereignen. Der Mann<br />

kann das Kleid übersehen. Er bemerkt es nicht.<br />

Oder er bemerkt es und spricht kein Wort. Unendlich<br />

viele Tränen sind über diese zwei Tatsachen<br />

geflossen. Frauentränen verletzter Eitelkeit. Tränen<br />

Zeichnung Bachmann<br />

Was versteht der >^Mann von der ^Alode?<br />

des Zornes, der Eifersucht, Streitigkeiten haben<br />

sich an diesen zwei Tatsachen entzündet und ihre<br />

weiten, schicksalsbestimrnenden Kreise gezogen.<br />

«Entzückend bist du in dem neuen Kleid.» Der<br />

Mann sagt den Satz und hat die beinahe schon<br />

verlorene Liebe seiner Frau zurückerobert. Und er<br />

sagt: «Das Kleid ist seine Rechnung nicht wert»,<br />

und die Liebe erlischt an seiner Taktlosigkeit und<br />

Kleinlichkeit. Er meint: «Das Kleid würde deiner<br />

Freundin Elvira passen, dir steht es schlecht.» Und<br />

Elyira ist die Freundin der Dame gewesen und<br />

Wird es nie mehr sein. Eifersucht umnebelt die<br />

Gedanken und ein Frauenantlitz altert um; zehn<br />

Jahre an einer lieblosen Bemerkung. , • ' • -<br />

Mode ist Tagesgespräch.<br />

«Mir gefällt es nicht sehr gut. Ich hätte dich<br />

gern in einer anderen blauen Nuance gesehen.<br />

Und auch das Cape .. ich hätte ein anderes<br />

Modell für dich gewählt...» Wenn der Mann<br />

diese Worte spricht, muss die Frau ihn fragen,<br />

warum er also nicht mitgegangen ist, das Kleid zu<br />

bestellen. «Es soll dir gefallen, ein andermal<br />

nimm dir eben Zeit und komm 1 mit zur Wahl.»<br />

Männer gehen nicht gern mit ihrer Frau zur Modistin,<br />

zur Schneiderin. Eine frühere Zeit hat Kleidersorgen<br />

als weibisch angesehen und den Mann,<br />

der mit der Frau die Toiletten bestellte, als «weibisch»<br />

verschrien oder gar zum Pantoffelhelden<br />

gestempelt. Eine frühere Zeit hat auf die Mode<br />

nicht so viel Gewicht gelegt, wie die Gegenwart<br />

es mit Recht tut. Damals war es nur wichtig, dass<br />

Frisur und Kleid, Hut und Mantel, die Frau hübscher<br />

machen. Neun von zehn Herren wussten<br />

nicht, wie das Kleid beschaffen war, das eine<br />

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