E_1938_Zeitung_Nr.030
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touristen sind für diesen Zweig unserer Volkswirtschaft<br />
neben diesen noch immer ausschlaggebender<br />
Faktor. Diese Tatsache aber<br />
darf das einheimische Fremdengewerbe nicht<br />
ausser acht lassen, nicht vergessen über den<br />
neuen Möglichkeiten, die die jüngsten aussenpolitischen<br />
Ereignisse ihm für eine Weile<br />
bieten. Wir sagen mit Absicht: für eine Weile<br />
— wer Oesterreich kennt, wer es kennenlernen<br />
möchte, wird sich auch durch die vollzogene<br />
Gleichschaltung auf die Dauer nicht<br />
vom Besuche seiner reizvollen Landschaften,<br />
vom Befahren seines vorbildlich ausgebauten<br />
und nun erst recht im Ausbau begriffenen<br />
Strassennetzes abhalten lassen. Wer am<br />
Fremdenverkehr interessiert ist, kann nicht<br />
nur dem internationalen, sondern muss auch<br />
dem<br />
einheimischen Autotourismus<br />
äffe Beachtung schenken. Für diesen aber<br />
müsste sich die Einführung der, wie vorgeverkehrs.<br />
Denn nicht wahr, Fremdenverkehr<br />
bedeutet nicht nur der Besuch und Aufenthalt<br />
ausländischer Gäste; die inländischen Auto-<br />
Zu<br />
Im Verlaufe der nationalrätliohen Beratungen<br />
über das Reorganisationsgesetz der<br />
Schweizerischen Bundesbahnen konnte man<br />
aus beinahe allen Lagern immer wieder die<br />
Ansicht vertreten hören, es seien die eigentlichen<br />
Krisenjahre unseres grössten Staatsunternehmens<br />
nun vorüber. Man jubilierte<br />
um die Wette — das Defizit der Bundesbahnen<br />
mache pro 1937 ja statt 70 «nur» mehr<br />
15 Millionen Franken aus. Diese momentane<br />
Aufheiterung des seit Jahren chronisch verdunkelten<br />
S. B. B.-Horizontes bewog die<br />
Mehrzahl unserer Volksvertreter, sich in optimistischer<br />
Aufwallung dem Antrage auf<br />
Fallenlassen der Personalartikel<br />
anzuschliessen. Dass die Zeche für dieses<br />
Vorgehen die neuerdings in vermehrtem<br />
Masse gedrosselte Wirtschaft zu berappen<br />
habe, beunruhigte nicht.<br />
Und aus eben solch übertriebenem Optimismus,<br />
aus der bekannten Personalfreundlichkeit<br />
heraus, konnte sich auch die Verwaltung<br />
der Bundesbahnen selbst mit einer<br />
Milderung des durchgeführten Lohnabbaues<br />
nicht genug beeilen. Die bezügliche Mehrbelastung<br />
für die beiden ersten Berichtsabschnitte<br />
dieses Jahres beträgt 700 000 Fr.,<br />
das bedeutet für das ganze Jahr eine Mehrausgabe<br />
von ungefähr 4—5 Millionen Franken.<br />
Dabei aber war diese bedingungslos laut<br />
werdende Freude über den endlich etwas erquicklicher<br />
ausgefallenen Rechnungsabfichluss<br />
der S. B. B. nicht nur übertrieben, sondern<br />
ausserdem verfrüht. Die Sicherheit, in die<br />
man sich wiegte, der Optimismus, der da<br />
plötzlich bekundet wurde — sie alle beide<br />
erwiesen sich als trügerisch. Soviel steht<br />
heute — nach Vorliegen der Betriebsergebnisse<br />
für die ersten zwei BeVichtsmonate<br />
des laufen Jahres — bereits unumstösslich<br />
fest. Denn im Vergleiche zur vorjährigen Parallelperiode<br />
zeigt sich ein neuer Einnahmeneinbruch<br />
von rund 4 Millionen Franken!<br />
Zwar übertrifft das Ergebnis des Personenverkehrs,<br />
trotz einer Abnahme um 1 170 000<br />
Köpfe in der Zeit vom Januar auf den Februar,<br />
das vorjährige Februarniveau noch<br />
immer um 373 000 transportierte Personen.<br />
Dagegen hat der Güterverkehr einen ganz<br />
sehen, abgestuften Benzinpreise geradezu<br />
katastrophal auswirken.<br />
früh ^c^fw^mmt<br />
Wir wiederholen: Was einst erkämpft und<br />
als demokratische Tat belobt, das Dahinfallen<br />
des Zonenpreissystems, wird heute<br />
aus unersichtlichen Gründen wieder preisgegeben.<br />
Unsere Regierung hat das Vertrauen<br />
des Volkes nötiger denn ]e, auf solche<br />
Weise aber gewinnt sie es nicht, sondern<br />
'verscherzt es sich in zunehmendem<br />
Masse.<br />
Die Benzinpreisgestaltung — ein kleiner<br />
Ausschnitt nur aus der vielgestaltigen<br />
schweizerischen Wirtschaftspolitik, aber ein<br />
Schulbeispiel für unzureichende Anpassung<br />
an gegebene Verhältnisse, für nutzlos verpuffende<br />
Korrektürchen, genau wie ]a auch<br />
das wirtschaftliche Reyisionswerk im grossen<br />
und ganzen überhaupt nur eine Legalisierung<br />
der bisherigen Improvisationen und<br />
mutmasslichen nächsten Aktionen darstellt!<br />
beträchtlichen Ausfall<br />
aufzuweisen. Ergab sich schon pro Januar,<br />
im Vergleich zum Vorjahre, ein Mindertransportquantum<br />
von 129 000 Tonnen, so erhöhte<br />
sich diese Beförderungseinbusse im Februar<br />
bis auf 233 000 Tonnen. Allein für die beiden<br />
ersten Monate des Jahres <strong>1938</strong> weist deshalb<br />
der Güterverkehr — das eigentliche<br />
Rückgrat des gesamten S.B.B.-Betriebes —<br />
einen Einnahmenausfall von 3,87 Millionen<br />
Franken aus. Zugegeben, aus den Ergebnissen<br />
dieser ersten beiden Monate, welche<br />
ohnehin zu den verkehrsschwachen Perioden<br />
des Jahres zu zählen sind, lässt sich eine<br />
allgemein gültige Prognose für die weitere<br />
Entwicklung nicht ableiten. Eine Funktion<br />
aber haben sie trotzdem ganz bestimmt zu<br />
erfüllen und für den nachdenklichen Betrachter<br />
wenigstens tun sie dies auch in genügend<br />
drastischer Weise:<br />
Sie warnen eindringlich vor verfrühtem<br />
Optimismus,<br />
vor übertriebenen Erwartungen! Denn in Anbetracht<br />
der Tatsache dieses neuerlichen<br />
Verkehrsrückganges muss man sich heute<br />
schon allen Ernstes fragen, ob die Bundesbahnen<br />
überhaupt je in der Lage sein werden,<br />
den ihnen durch das Reorganisationsprojekt<br />
zugemuteten Anteil an der Verzinsung<br />
des Dotationskapitals aufzubringen.'<br />
Die Verkehrsentwicklung der beiden letzten<br />
Beriohtsmonate lässt diese Seite der Reorganisation<br />
in neuem Lichte erscheinen,<br />
deckt das eigentlich tönerne Fundament des<br />
ganzen Sanierungsvorschlages auf.<br />
Für die kommenden Monate muss sodann<br />
ferner die<br />
verstärkte Konkurrenzierung<br />
der Qotthard-, resp. der Simplonlinie (Transitverkehr)<br />
durch den Brenner in Rechnung<br />
gestellt werden. Wohl bedeuten die beiden<br />
schweizerischen Transitlinien für den Hauptteil<br />
des von Deutschland nach Italien — vom<br />
rheinischen Industriezentrum Ins oberitalienische<br />
Industriegebiet — rollenden Güterverkehrs<br />
die kürzere und leistungsfähigere<br />
Verbindung, aber ob dieser Vorteil heute<br />
noch ausschlaggebend sein wird?<br />
Die Betriebsergebnisse der Schweiz.*Bundesbahnen<br />
im Jahre 1937 berechtigen bei<br />
vorsichtiger Betrachtungsweise demnach<br />
durchaus nicht zu generösen Zugeständnissen<br />
der einen und andern Art. Sie erweisen<br />
sich vielmehr, eindeutig als Ausnahmefall,<br />
auf den aufgebaut eine Sanierung unter keinen<br />
Umständen Bestand haben wird. Am<br />
AUTOMOBIL-REVUE FREITAG. 8. APRIL 1S38 — N° 30"<br />
Ständerate wird es nun sein, die vom Nationalrat<br />
.in verfrühtem Optimismus unberücksichtigt<br />
oder fallen gelassenen Bestimmungen<br />
der Sanierungsvorlage wieder einzubauen,<br />
ansonst zu Anfang des vierten Jahrzehnts<br />
das Bundesbahnproblem sich in seiner<br />
ganzen Tragweite von neuem präsentiert.<br />
Öffnung der Simplonstrasse auf Karfreitag.<br />
Nach einer Mitteilung der Walliser Handelskammer<br />
wird die Simplonstrasse von Freitag<br />
den 15. April an dem durchgehenden<br />
Automobilverkehr offenstehen.<br />
Ausbau der Brünigstrasse. Auf dem 1 km<br />
langen letzten Teilstück auf der Südrampe<br />
der Brünigstrasse sind die Korrektionsarbeiten<br />
in Angriff genommen worden, so dass<br />
bis zum Herbst die auf Berner Seite gelegene<br />
Strecke dieser vielbefahrenen Alpenstrasse<br />
ausgebaut sein wird. Im Verlaufe der<br />
letzten Sommermonate wurde bekanntlich das<br />
bautechnisch schwierige Stück bei der «Bahn»<br />
den neuzeitlichen Strassenverkehrsverhältnissen<br />
angepasst. Nach durchgeführter Korrektion<br />
wird die Brünigstrasse an warmen<br />
Sommertagen nicht mehr wie bis anhin einer<br />
ununterbrochenen Staubfahne gleichen, die<br />
für Automobilisten wie Fussgänger jeglichen<br />
Fahrt- oder Wandergenuss im Keim erstickt.<br />
Ausbau der Weissensteinstrasse. Für den<br />
Ausbau der Südrampe der Weissensteinstrasse<br />
von Oberdorf bei Solothurn bis auf<br />
den Jurakamm beim Hotel Weissenstein beantragt<br />
der Bundesrat, die Ausrichtung einer<br />
Subvention aus dem Bodenverbesserungskredit<br />
in der Höhe von 30 %, höchstens<br />
240,000 Fr., zu bewilligen.<br />
WÄ<br />
Stvassen<br />
afiB<br />
Vfcfli •^^JV<br />
urosszügiges Lastwagenbauprogramm der<br />
ungarischen Industrie. Eine Reihe führender<br />
Eisenwerke und Maschinenfabriken Ungarns<br />
verhandelt zur Zeit wegen der Aufnahme<br />
eines gemeinsamen Lastwagenbauprogramms,<br />
das zur Deckung des gesamten Bedarfes des<br />
Landes ausreichen und zugleich als Anreiz<br />
für seine gründliche Motorisierung dienen<br />
soll. Ueber die mit mehreren ausländischen,<br />
insbesondere schweizerischen und deutschen<br />
Fabriken zum Zwecke der Uebernahme von<br />
Lizenzen geführten Verhandlungen sind Einzelheiten<br />
noch nicht bekannt geworden.<br />
Kohleverflüssigung<br />
auch in Oesterreich.<br />
In dem umfassenden Programm, dass die Reichsregierung<br />
sich für die Erschliessung der österreichischen<br />
Energie- und Rohstoffquellen gesetzt hat,<br />
ist auch das synthetische Benzin nicht vergessen<br />
worden. In seiner grossen Wiener Rede erklärte<br />
Feldmarschall Göring, dass, abgesehen vom Ausbau<br />
der Erdölgewinnung im Wiener Becken, auch ceine<br />
beträchtliche Verflüssigung der Kohle zu Benzin<br />
und Leichtöl» gewährleistet sei, und wie im Zusammenhang<br />
damit gemeldet wird, plant die I. G.<br />
Farbenindustrie bereits die Errichtung einer Hydrieranlage<br />
auf Braunkohlebasis.<br />
Es war selbstverständlich vorauszusehen, dass<br />
die neue Ostprovinz des Reichs ganz automatisch<br />
in den Vierjahresplan miteinbezogen werden würde,<br />
der bekanntlich auch im Bereich der Mineralölwirtschaft<br />
die völlige Unabhängigkeit der Zufuhren<br />
vom Ausland zum Ziel hat. Zweifelhaft war nur,<br />
in welcher Weise seine Durchführung in Oesterreich<br />
gedacht war, das sich nicht nur hinsichtlich<br />
der Rohstoffgrundlagen einer Ersatzstoffproduktion,<br />
sondern auch in bezug auf die Struktur seiner<br />
Oelversorgung in vielem von Deutschland unterscheidet.<br />
Oesterreich besitzt keine nennenswerten<br />
Steinkohlenvorräte, sondern nuT Braürikohlenvorkommen<br />
(überwiegend in Steiermark) und auch<br />
diese sind im Verhältnis nur wenig erschlossen. Die<br />
Förderung betrug im Durchschnitt der letzten Jahre<br />
rund 3 000 000 Tonnen, die ungefähr dem Eigenbedarf<br />
des Landes an Braunkohle entsprechen. Die<br />
Schaffung feiner Industrie der Kohlehydrierung<br />
setzt also zunächst einen sehr weitgehenden Ausbau<br />
der vorhandenen Grundlagen voraus, der nicht<br />
geringe Investitionen erfordern wird.<br />
Anderseits verfügt Oesterreich über eine Anzahl<br />
von Oelraffinerien, die bisher die grössere Hälfte<br />
des Bedarfes gedeckt haben, die aber unter relativ<br />
bescheidenem Kapitalaufwand instand gesetzt werden<br />
könnten, den gesamten Bedarf zu decken und<br />
dabei auch eteigende Mengen aus der erhofften<br />
Vergrösserung der Inlandsproduktion zu verarbeiten.<br />
Welche Absichten in bezug auf diese Raffinationsindustrie<br />
bestehen, ist nicht mitgeteilt worden,<br />
aber man solle annehmen, dass sie unter den obwaltenden<br />
Umständen die zweckmäßigste Form der<br />
Versorgung gewährleistet, zumal die Rohöl- (bzw.<br />
Kunstöl-) Einfuhr eine geringere Devisenausgabe<br />
erfordert, ale sie für den direkten Import fertiger<br />
Mineralöle notwendig wäre. Da aber der österreichische<br />
Landesteil noch auf lange hinaus auf den<br />
Auslandsbezug angewiesen bleibt, kann als wahrscheinlich<br />
gelten, dass man am bestehenden Zustand<br />
vorerst kaum etwas ändern wird.<br />
Um so überraschender muten daher auf den<br />
ersten Blick die Pläne an. denengemäss nun auch<br />
Oesterreich seine Kohleverflüssigungsanlagen erhalten<br />
soll. Man könnte natürlich unterstellen, dass<br />
die zu erwartende<br />
Zunahme des Bedarfs an Kraftstoffen, Schmiermitteln<br />
und Strassenbaustoffen<br />
auch ©ehr viel grössere Devisen-Anforderungen<br />
entstehen lassen könnte und dass vor allem aus<br />
diesem Grunde die Schaffung einer Eigenproduktion<br />
auf der Grundlage einheimischer Ausgangsstoffe<br />
angestrebt wird. Das mag bis zu einem<br />
gewissen Grade wohl zutreffen, aber bei dem starken<br />
wirtschaftlichen Uebergewicht, das Deutschland<br />
allmählich im Donauraum zu gewinnen im Begriff<br />
ist, könnte es sich rumänisches Oel vermutlich ohne<br />
allzugrosse Beanspruchung seiner Devisenbilaoz sichern.<br />
Eine sachliche Notwendigkeit für den Aufhau<br />
einer Kohleverflüssigungsindustrie in Oesterreich<br />
scheint daher kaum gegeben zu .sein. Wenn er trots<br />
dem und ungeachtet der damit verbundenen grossen<br />
finanziellen Aufwendungen in Angriff genommen<br />
wird, so dürften dafür weniger Rücksichten<br />
des zivilen Bedarfs als<br />
militärische Erwägungen<br />
massgebend sein. Die in der erwähnten Rede enthaltenen<br />
Zielsetzungen über' die sofortige Inangriffnahme<br />
von Massnahmen zur Aufrüstung laslen<br />
darüber kaum einen Zweifel zu. Wenn, wio<br />
unter anderem angeordnet wurde, Kasernen und<br />
Flugplätze gebaut, Flugzeugfabriken errichtet, die<br />
Rüstungsindustrie erweitert und hierfür «sämtliche<br />
Produktionsreserven auf vielen Gebietet erschlossen»<br />
werden sollen, so ist die Vermutung nicht von<br />
der Hand zu weisen, dass auch der Bau von Anlagen<br />
für die synthetische Benzingewinung den<br />
gleichen Zwecken zu dienen bestimmt ist.<br />
Es ist heute nicht ohne Interesse, daran zu erinnern,<br />
dass schon vor einer Reihe von Jahren die<br />
Einführung der Kohleverflüssigung in Oesterreich<br />
ins Auge gefasst worden war, jedoch scheiterte die<br />
Verwirklichung dieser Absichten an wirtschaftlichen<br />
Momenten. Weder war hierfür das erforderliche<br />
Kapital erhältlich, noch konnte sich die Regierung<br />
aus gtaatsfinanziellen Gründen die Subventionierung<br />
einer Industrie dieser Art leisten. Heute sind<br />
derlei Ueberlegungen in Wegfall gekommen. Deutschland<br />
strebt mit vollstem Bewusstsein und ungeachtet<br />
aller materiellen Opfer der Vollautarkie zu, infolgedessen<br />
wird es niemand wundernehmen können,<br />
dass jetzt auch die österreichischen Hydriorpläne<br />
unter der Aegide der Reichsregierung ihre<br />
Auferstehung feiern. J. P. K.<br />
Fundbüros der Landstrasse.<br />
Die deutschen Autofahrer haben ohne besondere<br />
Organisationsabsicht nach und nach Fundbüros der<br />
Landstrasse geschaffen, die mit den Lastwagen-<br />
Güterbahnhöfen identisch sind. Wer einen offensichtlich<br />
von einem Auto verlorenen Gegenstand,<br />
also etwa ein Reserverad, einen Koffer oder auch<br />
nur einen Autoschlüssel findet, ist verpflichtet,<br />
ihn am nächsten «Güterbahnhof» abzuliefern. Dort<br />
wird der Fund durch Anschlag am Schwarzen<br />
Brett bekanntgemacht. Diese inoffizielle Einrichtung<br />
soll nun in der Weise ausgebaut werden, dass<br />
die vielen Güterbahnhöfe die Fundgegenstände nach<br />
einer bestimmten Zeit an die grösste Stadt ihres<br />
Bezirks abliefern; auf diese Weise werden alle auf<br />
der Landstrasse gefundenen Sachen an bestimmten<br />
Sammelplätzen konzentriert und können von ihren<br />
Eigentümern mit Leichtigkeit eruiert werden, wenn<br />
diese nur ungefähr die Stelle kennen, wo sie sie<br />
verloren haben.<br />
Es ist überhaupt kein Risiko. Die Information<br />
ist sicher.»<br />
«Ich steig nicht ein.»<br />
«Wenn wir wirklich zehntausend Pfund<br />
nehmen, und Meyer macht den Dollar zu<br />
einen Schilling, fünfeinhalb Pence, oder eins<br />
und fünfdreiachtel, so...»<br />
Cary stand auf, niemand bemerkte es,<br />
auch Hubert nicht, er sah mit zusammengezogenen<br />
Brauen die Zahlen an, die der junge<br />
Ross ins Notizbuch malte.<br />
Ein grosser brauner Nachtschmetterling<br />
flatterte gegen die Tür. Es gab ein klatschendes,<br />
dumpfes Geräusch, wenn er gegen die<br />
dünnen Drahtmaschen stiess. Cary sah in die<br />
Dunkelheit. Der Geruch der Kassiablüten<br />
quoll dunstig und süss durch die Luft.<br />
Die Uhr im Korridor rasselte und holte<br />
asthmatisch zu jedem Schlag aus. Es war<br />
zwölf Cary hörte, wie Hubert die Treppe<br />
hinaufkam.<br />
Es war dunkel im Zimmer, sie sah über<br />
sich den Ungewissen Schatten des Moskitonetzes.<br />
Cary lag still, das Kissen unter ihrem<br />
Kopf war zerknittert und warm. Sie sah zu<br />
der schmalen Tapetentür hinüber.<br />
Schritte, vorsichtige, dann drehte sich die<br />
Klinke.<br />
(Fortsetzung folgt.)<br />
Vom Warten<br />
oder: „Nume nid gschprängt"<br />
warten lernen! predigen die modernen Pädagogen.<br />
Denn das ganze Leben sei eigentlich<br />
ein einziges Warten — philosophieren sie.<br />
Dass sie mit dieser These aber jenem durch<br />
mangelhafte Organisation und eine gewisse<br />
Selbstüberheblichkeit erzwungenen sinnlosen<br />
Wartenlassen, welches einer Vergeudung an<br />
Arbeitskraft und Arbeitszeit gleichkommt, das<br />
Wort reden wollen, ist kaum anzunehmen.<br />
Dienst am Kunden! predigt der umsichtige<br />
Geschäftsmann. In allen Zweigen der Privatwirtschaft<br />
hat der harte Konkurrenzkampf<br />
längst der Einsicht zum Durchbruch verholfen,<br />
dass nur der volle Einsatz aller Kräfte, die<br />
ausserordentliche Dienstleistung und weitgehende<br />
Anpassung an die Erfordernisse des<br />
Tages, bei Unterdrückung der eigenen Bequemlichkeit,<br />
Erfolg versprechen.<br />
«Nume nid gsprängt! » predigt der Staat,<br />
resp. in diesem Falle die bernische Motorfahrzeugkontrolle.<br />
Man muss es miterlebt haben,<br />
dies Warten von Automobilisten und Motorradfahrern,<br />
das sich vor diesen Schaltern um<br />
die verschiedenen Zeitpunkte der Nummernlösung<br />
periodisch wiederholt. Man muss nachgefühlt<br />
haben, wie diesen Leuten tatsächlich<br />
der Boden unter den Füssen brennt, weil unaufhaltsam<br />
ihre Arbeitszeit nutzlos verstreicht.<br />
Man muss dabei gewesen sein, wenn um<br />
7.30 Uhr der 10. oder 15. Kontrollschildanwärter<br />
in den Vorraum tritt, erschrocken die Zahl<br />
der Zuvorgekommenen abschätzt, mit halbem<br />
Ohr auf die Geräusche hinter den hermetisch<br />
geschlossenen Schaltern, mit halbem auf die<br />
knappen Feststellungen der Umstehenden<br />
horcht: Zwei-, dreimal sei man am Freitag<br />
(1. April) bereits dagewesen; zwei, drei Stunden<br />
habe man gewartet, um schliesslich erfolglos<br />
weitergehen zu müssen; auf der<br />
Treppe seien die Wartenden angestanden, weil<br />
der Schaltervorraum sie nicht mehr fasste! Inzwischen<br />
rückt der Zeiger der Uhr vorwärts.<br />
Emsige Herren in weissen Mänteln flitzen<br />
durch den Gang. Hnter den noch immer geschlossenen<br />
Schaltern hört man sprechen. Der<br />
Vorraum füllt sich unaufhaltsam. Da und dort<br />
werden Bemerkungen laut, erstaunlich wenig<br />
gehässige, aber um so verbittertere Feststellungen.<br />
Es wird beschwichtigt mit dem Hinweis<br />
darauf, dass man ja den Herren ausgeliefert<br />
sei. Welch paradoxe Situation — um<br />
nicht zu sagen, welch teuflisches Warten! Da<br />
warten sie und warten, um ihr Geld an den<br />
Staat loszuwerden, an jenen Staat, der sie<br />
durch das wenig entgegenkommende Verhalten<br />
seiner Beamten dazu zwingt, Arbeitszeit<br />
nutzlos zu vertrödeln.<br />
Ist es wirklich ein Ding der Unmöglichkeit,<br />
an solchen Tagen auf der bernischen Motorfahrzeugkontrolle<br />
den Motorfahrzeugbesitzern<br />
und -führern mehr als ganze vier Schalterbeamte<br />
zur Verfügung zu stellen? Und dürfte<br />
den bezgl. Beamten nicht viermal im Jahre<br />
ein etwas früherer Arbeitsbeginn zugemutet<br />
werden? Wir glauben doch. «Nume nid<br />
gsprängt» als Devise hat keine Berechtigung<br />
an "diesem Platze. Denn schliesslich sind diese<br />
wartenden Steuerzahler quasi die Kunden des<br />
Staates, und die selbstherrliche Atmosphäre<br />
dieser Kontrollbureaux beruht auf einem fundamentalen<br />
Irrtum, weil nämlich in weit stärkerem<br />
Masse als der Bürger vom Staat, der<br />
Staat vom Bürger abhängig ist.<br />
Bessere Organisation zur Bewältigung des<br />
stossweisen Andranges, evtl. Errichtung von<br />
billettschalterähnlichen Barrieren und ein wenig<br />
mehr Freundlichkeit und Entgegenkommen<br />
könnten schliesslich auch auf der bernischen<br />
Motorfahrzeugkontrolle bewirken, was<br />
eine grosse Zürcher Versicherungsgesellschaft<br />
durch die von privatwirtschaftlichem Geiste<br />
getragene, äusserst kulante Dienstleistung an<br />
ihren Kunden erreicht: dass das Prämienzahlen,<br />
wenn auch noch immer nicht zum Vergnügen,<br />
so doch wenigstem zu angenehmer<br />
Pflicht wird!