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E_1938_Zeitung_Nr.038

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N° 38. — DIENSTAG, 10. MAI <strong>1938</strong> AUTOMOBIL-ÜEVUE<br />

W. Badertscher, Rechtsanwalt, Zürich.<br />

Die Schaffung von Spezialgerichten käme<br />

wohl nur in einigen wenigen Schweizerstädten<br />

in Frage, und zwar in der Weise, dass<br />

Verkehrsunfälle immer einer bestimmten<br />

Abteilung des betreffenden Gerichtes überwiesen<br />

werden. Sofern das betreffende Spezialgericht<br />

einwandfrei zusammengesetzt ist,<br />

würde sich dadurch eine wünschbare Vereinheitlichung<br />

der Rechtssprechung innerhalb<br />

des Bezirkes ergeben, während wir<br />

heute oft feststellen müssen, dass die Beurteilung<br />

des ungefähr gleichen Tatbestandes<br />

innerhalb desselben Gerichtes je nach der<br />

Abteilung sehr unterschiedlich ist. Spezialgerichte<br />

tragen die Gefahr in sich, dass die<br />

Richter unter Umständen zu stark auf ihre<br />

Spezialkenntnis abstellen und demzufolge<br />

glauben, auf den Beizug technischer Experten<br />

überhaupt verzichten zu können, wähnicht<br />

za haben. Und heute steht der Kanton<br />

Graubünden infolge der Verlängerung der<br />

deutschen Grenze von Lindau bis Martinsbruck,<br />

militärisch betrachtet, von allen 25<br />

Ständen am exponiertesten da. Der einzige<br />

Zugang vom Mittelland her<br />

— durch das Döfilee von Sargans —<br />

kann, sowohl Schiene als Strasse, durch Artilleriefeuer<br />

abgeriegelt werden, und zwar<br />

ohne dass hiezu vorerst auch nur ein Geschütz<br />

über die Grenze geschafft werden<br />

müsste! Soll der Kanton Graubünden deshalb<br />

der Gefahr, von der übrigen Schweiz<br />

getrennt zu werden, entgehen, dann ist unverzüglich<br />

— lieber heute als erst morgen —<br />

der Bau einer neuen Strassenverbindung vom<br />

Glarnerlande her in Angriff zu nehmen. Vor<br />

dieser dringenden militärischen Erfordernis<br />

hat der lokalpolitische Kleinkrieg ob Segnes<br />

oder Panixer zu verstummen. Ein Blick auf<br />

die Karte genügt, die<br />

Ueberlegenheit des mehr landeinwärts<br />

ist zu augenfällig, um nicht überzeugend zu<br />

sein. Aehnliche Folgerungen zog übrigens ein<br />

kürzlicher, vielbeachteter Artikel der «N.Z.Z.»<br />

über « Unsere militärische Bereitschaft». Es<br />

hiess dort, dass die politischen Veränderungen<br />

an unserer Ostgrenze die beschleunigte<br />

Inangriffnahme und Durchführung bisher zurückgestellter<br />

Massnahmen strassenbautechnischer<br />

Natur erfordern. Die von uns im<br />

Kampfe um die Linienführung der Walenseestrasse<br />

immer wieder vertretene und- vielfach<br />

kritisierte Ansicht fand darin nachfolgende<br />

Bestätigung:<br />

«Dass innerhalb des Alpenstrassenprogrammes<br />

dem Bau einer^direkten Strasse aus dem Glarnerland<br />

ins Vorderrheintal eine ganz besondere Bedeutung<br />

zukommt, werden vermutlich heute auch<br />

jene Kreise einsehsn, die noch vor kurzem den<br />

Wert einer solchen Verbindung bagatellisieren zu<br />

können glaubten und vermeinten, den vitalen Interesssen<br />

des Kantons Graubünden durch den Aushau<br />

der Walenseeverbindung besser zu dienen als<br />

durch eine der direkten Einwirktung Dritter entzogene<br />

Paßstrasse aus dem Glarnerland.»<br />

Wenn jedoch die für den Bau einer Panixerstrasse<br />

aufzuwendenden Finanzmittel wirklich<br />

nutzbringend angelegt werden sollen, dann<br />

muss im gleichen Zeitpunkte auch der<br />

Aus-<br />

gelegenen Panixer<br />

und Neubau der Prageistrasse nach<br />

wesenlich grosszugigeren Gesichtspunkten<br />

als vorgesehen in Angriff genommen werden.<br />

Gerade im Hinblick auf die nördlichen Grenzverhältnisse<br />

kommt einer direkten Verbindung<br />

Schwyz-Glarus heute grosse militärische<br />

Bedeutung zu. Ein Ausbau der Projektierung<br />

von 4.50 m auf 6 m muss deshalb unbedingt<br />

gefordert werden.<br />

Zu den bei uns heute üblichen Gebirgsstrassenbreiten<br />

sei in diesem Zusammenhange<br />

einmal mehr wiederholt:<br />

kommenden Normalien sind völlig<br />

ungenügend!<br />

Gebirgsstrassen von 6 m Breite werden dem<br />

alpinen Motorfahrzeugverkehr nicht mehr<br />

gerecht; man denke nur an das Kreuzen mit<br />

•weitausladenden Gesellschaftswagen, ganz<br />

zu schweigen vom Kreuzen der Militärtransporte.<br />

Die Behauptung, eine 4.50 m breite<br />

Prageistrasse genüge den heutigen Erfordernissen,<br />

ist ins Reich der Fabel zu verweisen.<br />

Vogel-Strauss-Politik haben wir genug getrieben;<br />

die Gegenwart verlangt mehr — auch<br />

auf dem Boden der Landesverteidigung.<br />

Zu diesem Sofortprogramm des Alpen-<br />

Btrassen-Neubaues gehört last but not least<br />

auch der Susten. Bekanntlich hat das Bernervolk<br />

das auf sein Gebiet Bezug habende Bauprojekt<br />

mit 86 000 Ja zu 19 000 Nein am 28.<br />

November 1937 gutgeheissen. Am 15. Mai a. c.<br />

wird nun das Urnervolk über sein Stück der<br />

Sustenstrasse<br />

zu entscheiden haben. Wie die Dinge heute<br />

liegen, ist an einem Ueberwiegen der eidgenössischen<br />

Gesichtspunkte über solche rein<br />

lokaler Natur anlässlich dieser Abstimmung<br />

nicht zu zweifeln. Denn so gross die touristische<br />

Bedeutung dieses Strassenbaues sein<br />

mag, für unsere Landesverteidigung und damit<br />

für unsere Mission als Hüterin der Alperistrassen<br />

kommt ihm noch grössere Wirkung<br />

zu, denn im System der Kommunikationen<br />

im Festungsgebiet des St. Gotthard kann der<br />

Susten viel, könnte er vielleicht alles bedeuten.<br />

Ein Sofortprogramm für den Bau von drei<br />

neuen Alpenstrassen! Fügen wir noch bei,<br />

dass dessen Verwirklichung in erster Linie<br />

wohl militärischen Zwecken dient, daneben<br />

aber gleichzeitig Erschliessung wichtigen touristischen<br />

Neulandes bedeutet. Denn obwohl<br />

ca.40 Km.<br />

im Augenblicke auf allen Gebieten des Geschehens<br />

landesverteidigungspolitische Gesichtspunkte<br />

im Vordergrund des Interesses<br />

stehen, dürfen für den Bau neuer Alpenstrassen<br />

nur verkehrswirtschaitliche Faktoren<br />

ausschlaggebend sein. Die Erstellung dieser<br />

drei Paßstrassen aber schlösse in unserer<br />

West-Osttransversale vom Genfersee bis zur<br />

Ostgrenze eine Reihe empfindlicher Lücken<br />

und schüfe — abgesehen von der teilweise<br />

recht exponierten und nur während wenigen<br />

Monaten befahrbaren Strecke über Furka und<br />

Oberalp ein neues, mitten durchs Schweizerland<br />

sich hinziehendes Verkekrsband.<br />

Dass unser Volk im Interesse seiner Wehrbereitschaft<br />

zu grossen Opfern bereit ist, bewies<br />

der Erfolg der Wehranleihe. Es verfügt<br />

über einen Wirklichkeitssinn, der die<br />

Ueberängstlichkeit gewisser Stellen unnötig,<br />

ja unentschuldbar macht. Es wird deshalb<br />

vmWiäwXmMk<br />

Julier<br />

! Elm 970 Scheireirunnel1450 m.ü/M. Rgis790mj<br />

,' 5-6 Km gjgg<br />

!Elm970 5cheitelrunnel2000-Z300m.ü/M FlimsvlOO<br />

f. ""^ c a .30K,n. 1<br />

Nach den jüngsten Veränderungen<br />

auf der politischen<br />

Karte Europas hat das seit<br />

einiger Zeit diskutierte Problem<br />

der Verbindung zwischen<br />

Graubünden und der<br />

übrigen Schweiz an Aktualität<br />

bedeutend gewonnen. Die<br />

Verbindung durch das Sarganserbecken<br />

einerseits und<br />

die über den Oberalp anderseits,<br />

erscheint ungenügend,<br />

und es drängt sich deshalb<br />

die Frage eines weitern Ausbaus<br />

auf, wobei die Anlage<br />

einer neuen Nord-Süd-Verbindung<br />

über den Panixer<br />

oder Segnes im Vordergrund<br />

steht. Diese Frage soll denn<br />

auch im Rahmen des in Ausarbeitung<br />

begriffenen Arbeitsbeschaffungsprogrammes<br />

für die nächsten drei Jahre<br />

eine positive Abklärung finden.<br />

nicht erschrecken, sondern es vielmehr begrüssen,<br />

wenn der Bundesrat seiner Erklärung<br />

vom 21. März a. c. die Tat folgen lässt.<br />

Die Erklärung hiess: «Im Interesse aller haben<br />

wir die Alpenpässe zu hüten». Eine Mission,<br />

die verpflichtet!<br />

Die Tat umfasst:<br />

den Ausbau des gesamten Strassennetzes,<br />

den Neubau einiger bedeutsamer Alpenstrassen<br />

und die Ermöglichung der Haltung<br />

diensttauglicher Motorfahrzeuge — mit tunlichster<br />

Beschleunigung in die Wege zu leiten<br />

und durchzuführen. Eine Tat, die erlösen<br />

würde von der Sorge um Unzulänglichkelten<br />

in unserer Webrbereitschaft!<br />

wmm^&M?^<br />

Spezialgerichte<br />

für Verkehrsunfälle?<br />

Dr. J. Strebe», Bundesrichter, Lausanne.<br />

Die Beantwortung der Frage, ob Spezialgerichte<br />

für die Behandlung der Automobilverkehrsunfälle<br />

wünschenswert seien, muss<br />

von einer Ueberlegung allgemeiner Natur<br />

ausgehen, die wohl die Zustimmung aller<br />

Juristen finden wird, von der Ueberlegung,<br />

dass es für eine gleichmässige Rechtsanwendung<br />

und für die organische Fortentwicklung<br />

des Rechts äusserst verhängnisvoll<br />

wäre, wenn die Rechtspflege weiter als absolut<br />

nötig in Spezialverfahren vor besondern<br />

Gerichten aufgelöst würde. Spezialgerichte<br />

dürfen nur geschaffen werden, wo<br />

die Rechtsverhältnisse so eigenartig sind,<br />

dass sie ohne wesentliche Bedeutung für die<br />

allgemeine Rechtsentwicklung sind, oder so<br />

weitgehende Snezialkenntnisse der Richter<br />

voraussetzen (Handelsusancen, Handelsgericht<br />

usw.), dass sie vom ordentlichen Richter<br />

nicht erwartet werden können. Die erstere<br />

Voraussetzung trifft beim Verkehrsrecht,<br />

insbesondere beim Automobilrecht,<br />

jedenfalls nicht zu. Im Gegenteil. Das Automobilhaftpflichtrecht<br />

steht heute im Mittelpunkt<br />

des Haftpflichtrechtes überhaupt und<br />

ist berufen, dessen Entwicklung zu fördern.<br />

Und die vorausgesetzte Spezialkenntnis ist<br />

nicht derart, dass die ordentlichen Gerichte<br />

sie sich nicht aneignen könnten, ganz abgesehen<br />

davon, dass sie technische Fragen<br />

durch Sachverständige begutachten lassen<br />

können, eine Methode, die den Rechtsuchenden<br />

in gewisser Hinsicht erhöhte Garantien<br />

gbt, indem sie die Möglichkeit haben, sich<br />

mit den Gutachten der Experten auseinanderzusetzen,<br />

während sie sich den eigenen<br />

Feststellungen der < sachverständigen Richter<br />

», die sie erst durch die Urteile vernehmen,<br />

stillschweigend unterwerfen müssen.<br />

Ich vermag beim Automobilrecht keine andere<br />

Situation zu sehen, als z.B. bei der<br />

Erledigung der Eisenbahnverkehrsunfälle,<br />

für die auch keine Sondergerichte bestehen.<br />

Mit der Schaffung von Spezialgerichten<br />

für die Beurteilung der Zivilstreitigkeiten<br />

aus Verkehrsunfällen könnte ich mich daher<br />

nicht befreunden. Auch aus einem andern<br />

Grunde nicht : Die verkehrsrechtlichten Fragen<br />

werden in der Regel nur einen (angesichts<br />

der Kausalhaft oft geringen) Ausschnitt<br />

aus dem zu beurteilenden Fragenkomplex<br />

darstellen, dessen Lösung die<br />

Kenntnis anderer Rechtsmaterien voraussetzt,<br />

z.B. des Obligationenrechtes hinsichtlich<br />

Art und Umfang des Schadenersatzes,<br />

des Versicherungsvertragsrechtes usw. Ein<br />

auf das Verkehrsrecht spezialisierter Richter<br />

würde diese Fragen zu wenig beherrschen.<br />

Anders hinsichtlich der strafrechtlichen Erledigung<br />

der Verkehrsdelikte. Hier würde<br />

ich keine Bedenken haben, sie Spezialgerichten<br />

anzuvertrauen. Für den Fall, dass<br />

Zivilfragen adhäsionsweise damit verbunden<br />

würden, müsste natürlich die Weiterziehungsmöglichkeit<br />

an ordentliche obere Instanzen<br />

gewahrt bleiben.<br />

Eine besondere verkehrstechnische Ausbildung<br />

der Richter erscheint mir *nicht erforderlich,<br />

sofern man darunter einen Zwang<br />

zu Führerkursen und dergleichen versteht.<br />

Dagegen gehört zur Beherrschung des Verkehrsrechtes,<br />

wie sie von jedem Richter<br />

verlangt werden muss, der sich mit Verkehrsunfällen<br />

zu befassen hat, auch die nötige<br />

Kenntnis der technischen Seite des Problems.<br />

Wie er sich diese erwirbt, ist seine<br />

Sache. Zwangsunterricht ist hier so wenig<br />

angezeigt, wie auf andern Gebieten. Zu begrüssen<br />

aber wäre es, wenn den Richtern,<br />

besonders den Richtern der ersten Instanz,<br />

denen es in erster Linie obliegt, die Tatsachen<br />

abzuklären und verständlich darzustellen,<br />

Gelegenheit gegeben würde, sich in<br />

Kursen zu instruieren.

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