E_1940_Zeitung_Nr.038
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BERN, Bienstag, 17. September <strong>1940</strong><br />
Automobil-Revue - II. Blatt, Nr. 38<br />
Die Kunst des Goldmacliens<br />
Der uralte Gedanke der Verwandlung der Elemente<br />
ineinander, ihrer Verschmelzung und Trennung,<br />
wie ihrer Herkunft aus den vier Elementen,<br />
lag der Alchimie zugrunde. Benutzung und Gewinnung<br />
verschiedener Metalle, von denen mehrere,<br />
wie Kupfer, Eisen und Bronze, gleichzeitig gebraucht<br />
wurden, reichen so tief in die Zeit hinab,<br />
dass geschichtlich sichere Zahlenangaben dafür zu<br />
geben unmöglich ist. Durch frühere praktische Betätigung<br />
wurden Vermischungen organischer Stoffe<br />
gewonnen; man lernte trennen und verbinden,<br />
wurde eigengeartete Veränderungen an Zusammensetzungen<br />
gewahr, die sich unter verschiedenen<br />
Umständen jeweilig anders gestalteten. Kupfer<br />
verlor durch Zusatz von Zinn seine rote Farbe,<br />
gewann an Härte und näherte sich im Aussehen<br />
dem Gold.<br />
Die Alchimie war eine Kunst, die zu Entdeckungen<br />
und Erfindungen führte. Wenn sie auch Tausende<br />
von Irrtümern begangen hatte — sie förderte<br />
trotzdem unzählige praktische Ergebnisse<br />
und Erfahrungen, die in langen Jahrhunderten fortgesetzter<br />
Arbeit, mühsam und den Theorien entgegengesetzt,<br />
gewonnen wurde. Sie kam als Afterwissenschaft<br />
erst in Verruf, als sich die Lehre von<br />
den vier Grundstoffen als reine Dichtung erwiesen.<br />
Dazu waren mehr als zwei Jahrtausende nötig.<br />
Wie die Astronomie die Tochter der Astrologie genannt<br />
werden darf, so war die alchimistische<br />
Kunst die Mutter der Chemie. Alchimie war die<br />
Kunst, einen Stoff in einen anderen zu verwandeln;<br />
dieser Grundgedanke bestimmte alle ihre<br />
Wege bis zu dem alten, kühnen Gedanken, edle<br />
Metalle, wie Gold oder Silber und Edelsteine<br />
künstlich zu erzeugen. Das unermüdliche Suchen<br />
nach der mächtigen «Tinktur», dem «grossen Elixier»,<br />
wodurch das Kunststück der «Transmutation»<br />
der Metalle, ihre Verwandlung, gelingen<br />
musste, ging von Geschlecht zu Geschlecht durch<br />
die Jahrhunderte.<br />
Wurde Kupfer mit Galmei (Zinkerz) zusammengeschmolzen,<br />
kam eine goldglänzende Legierung<br />
zustande. Durch Auripigment (Arsenverbindung)<br />
wurde Kupfer weiss; eine silberähnliche Verbindung<br />
war das Ergebnis. In beiden Fällen schien<br />
Verwandlung oder Veredelung des Kupfers gelungen.<br />
Im Altertum erfasste man den Begriff des<br />
Goldes nicht immer streng; man hielt mit dem<br />
echten Edelmetall auch ähnliche Legierungen für<br />
gleichwertig und nannte sie Gold. Zuverlässige<br />
Methoden, das echte Gold vom falschen zu scheiden,<br />
fehlten oft, wenn man auch die Feuerprobe,<br />
Bestimmung des Gewichts und den Probierstein,<br />
allerdings ohne Zuhilfenahme von Säuren, kannte.<br />
Wenn auch, naturphilosophisch gedacht, die<br />
besten Köpfe immer wieder gläubig daran festhielten,<br />
dass edle Metalle durch bestimmte Prozesse<br />
erzeugbar sein müssten, so ging doch offenbare<br />
Fälschung und plumper Betrug von frühe an<br />
durch lange Jahrhunderte. Im Jahre 81 vor Christi<br />
Geburt bedrohte ein römisches Gesetz, die Lex<br />
Cornelia de Falsis, die Falschmünzer mit Todesstrafe.<br />
Kaiser Antonius Hess eiserne silberplattierte<br />
Denare schlagen; unter Nero, Vitellius, Trojan<br />
und späteren Kaisern wurden die Münzen so<br />
schlecht, dass die Staatskassen ihre eigenen Münzen<br />
nicht mehr annahmen und die Abgabe in Gold<br />
verlangten. Zuletzt enthielten die Silberstücke nur<br />
noch 5 Prozent reines Metall, die Goldmünzen<br />
waren zur Hälfte mit Kupfer legiert. Die Fälschung<br />
erfolgte im grossen. Unter Aurelian war<br />
reines Gold selten, Silber gänzlich verschwunden<br />
und ersetzt durch wertloses Blei; Kupfer war das<br />
einzige unverfälscht, in Massen vorhandene Metall.<br />
Durch ein Edikt des Kaisers Diokletian wurde<br />
296 n. Chr. befohlen, dass «alle von uralten ägyptlrchea<br />
Weisen geschriebenen Bücher über die<br />
Kunst, Gold und Silber künstlich herzustellen, aufgesucht<br />
und verbrannt werden sollten». Der Betrug<br />
der angeblichen Metallverwandlung war<br />
schon damals offenbar, die Kunst der Goldmacherei<br />
erschien nicht bloss deswegen, weil sie eine<br />
bedeutsame Geheimlehre war, begehrenswert. Der<br />
Glaube an die Möglichkeit der Erzeugung edler<br />
Metalle erlosch aber so wenig als gauklerischer<br />
Betrug.<br />
Uralt sind die Klagen über die mystische Kunst<br />
der Goldmacherei. Wer glaubt, dass der Schwindel<br />
der Alchimie ein Produkt des Mittelalters gewesen<br />
sei, irrt sich. Indien, China und der Orient kannten<br />
Goldmacher schon zu einer Zeit, als in Europa<br />
noch keine Spur von Kultur zu finden war. Ums<br />
Jahr 400 v. Chr. schrieb der arabische Gelehrte<br />
Jbn Khaldün: «Unter den Menschen, die zu faul<br />
sind, um ihren Lebensunterhalt durch Arbeit *zu<br />
verdienen, gibt es viele, die sich, durch ihre Begehrlichkeit<br />
verführt, der Alchimie widmen... Sie<br />
betrügen öffentlich und geheim. Sie überziehen<br />
Schmuckgegenstände aus Silber mit einer dünnen<br />
Goldschicht, solche aus Kupfer mit Silber, oder<br />
stellen ein Gemisch beider Metalle her. Kupfer<br />
machen sie durch sublimiertes Quecksilber weiss,<br />
so dass es silberähnlich wird; auch machen sie<br />
falsches Geld, das sie mit dem Stempel des Sultans<br />
versehen. Sie treiben sich an den Grenzen<br />
der Provinzen umher, wohnen in Dörfern, deren<br />
Bewohner unwissend sind, und ziehen sich in die<br />
kleinen Moscheen der Nomadenvölker zurück. Sie<br />
erwecken in diesen Einfaltspinseln den Glauben,<br />
als ob sie Gold und Silber machen könnten, und<br />
so finden diese Schufte leicht die Mittel für ihren<br />
Lebensunterhalt. Wird ihre Unfähigkeit offenkundig,<br />
so verziehen sie sich in eine andere Provinz<br />
und beginnen von neuem mit ihren Betrügereien.»<br />
Schon früh enthüllte AI Gaubari aus Damaskus<br />
dreihundert solcher Methoden zum Ueberlisten.<br />
Mit ruhiger Klarheit sagt der alte Gelehrte, dass<br />
jene Schwindler ja überhaupt nichts von den<br />
Menschen brauchten, nicht zu betrügen nötig hätten,<br />
wenn sie etwas von der Wissenschaft, Gold<br />
zu machen, wüssten. Sie stellten sich an, als sei<br />
ihnen an irdischen Gütern nichts gelegen, brächten<br />
die reichen Menschen dadurch um ihren Verstand<br />
und nähmen ihnen zuletzt Goldpfunde für eine<br />
Silbermünze ab.<br />
Abschliessend lassen wir noch eine Erzählung<br />
folgen, die schlagend beweist, dass schon vor<br />
zweitausend Jahren die Betrüger mit einer Klugheit<br />
zu Werke gingen, die bis heute noch nicht<br />
übertroffen ist,<br />
Um die Zeit von Christi Geburt kam ein Perser<br />
nach Damaskus, nahm 1000 Golddenare, feilte<br />
sie klein, setzte dem Goldstaub feines Kohlenpulver,<br />
Mehl und Fischleim zu und knetete aus<br />
der Masse kleine Kugeln. Als Fakir verkleidet,<br />
verkaufte er diese Pillen einem Drogisten als<br />
«chorassanischen Tabarnak», Das Phantasiewort<br />
war eine Erfindung des Persers. Der Tabarnak<br />
sollte ein Heilmittel gegen Gifte sein und gut für<br />
alle Erkrankungen der vier Säfte des menschlichen<br />
Körpers. Er pries dem Drogisten den Nutzen<br />
und bot ihm als notleidender Fakir den «Tabarnak»<br />
für fünf Silbermünzen. Nun verkleidete sich<br />
der Fakir als Wesir und stieg, begleitet von einem<br />
Mamelucken, in einer grossen Karawanserei ab.<br />
Bald erfuhren die Edlen des Landes, er könne in<br />
einem Tag ein grosses Vermögen machen. Man<br />
bedrängte ihn hart um seiner Kunst willen, aber<br />
er wollte sie nur dem Sultan offenbaren, der ihm<br />
zuvor schwören müsse: «Was er auch immer darstelle,<br />
nur für den Krieg auf den Pfaden Gottes»<br />
auszugeben. Der falsche Wesir wurde zum Sultan<br />
gebracht und versprach, nichts mit seiner Hand<br />
zu berühren; er schrieb die Chemikalien auf, die<br />
er zum Goldmachen brauche, darunter war ein<br />
Pfund chorassanischer Tabarnak, Niemand in Damaskus<br />
kannte das Geforderte, bis der Polizeidirektor<br />
auf Geheiss des Sultans von Laden zu<br />
Laden ging. Endlich fand man das Mittel und versiegelte<br />
den Krug, der es enthielt. Der Besitzer<br />
sagte aus, dass ihm ein armer Fakir den Tabarnak<br />
um fünf Dirham verkauft habe; man gab ihm<br />
das Doppelte. Der Gauner machte nun vor dem<br />
Sultan aus den Goldstaub enthaltenden Pillen<br />
Gold und erhielt 1000 Pfund zum Geschenk. Die<br />
Versuche wurden wiederholt, bis das herrliche<br />
Mittel verbraucht war. Nun sollte es aus einer<br />
Berghöhle in Chorassan geholt werden. Der Sul-<br />
. tan gab dem Perser dazu 60 Leute mit, feine<br />
Leinengewebe aus Alexandria, Ladungen Zucker,<br />
Kamele und Treiber, ein Zelt mit Küche, Teppiche<br />
und Reisegeld nach Persien. Darauf nahmen der<br />
Sultan und seine Beamten Abschied von dem —<br />
Schwindler.<br />
Dieser Trick verwendete der Perser noch dreimal.<br />
Darauf soll er nach der Chronik lange Zeit<br />
verschwunden sein. Später tauchte wieder ein<br />
Wesir auf, der zum erstenmal die Verwendung<br />
eines Tiegels mit doppeltem Boden in Gebrauch<br />
brachte. Auch diesmal erkannte man den Betrug,<br />
als es es zu spät war. Wie die Chronik weiter<br />
meldet, soll es sich in beiden Fällen um denselben<br />
Betrüger gehandelt haben. Man hat ihn nie erwischt.<br />
Damit ist erwiesen, dass der Hang zum «Gold*<br />
machen» wahrscheinlich so alt ist wie die Menschheit<br />
selber. Das Gold hat die Menschen immer<br />
geblendet und blendet sie auch heute noch. Viele<br />
Alchimisten haben im Laufe der Jahrhunderte<br />
Ehre und Ruhm geerntet — aber ebensoviele,<br />
wenn nicht noch mehr, den Weg zum Galgen angetreten.<br />
Und leider — leider waren es meistens<br />
die ehrlichen Goldsucher, die den letzten Gang<br />
zur Richtstätte taten.