E_1940_Zeitung_Nr.047
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Wie, 45 Millionen soll der Benzinzoll<br />
1941 abwerfen?<br />
Die nationalrätliche Finanzkommission korrigiert<br />
das Bundesbudget und setzt den Benzinzollertrag<br />
aui 35 Mill. herab.<br />
Im Jahre 1939 hatte der Bund aus dem Benzinzoll<br />
noch 52,6 Millionen eingenommen. Wenn gestützt<br />
darauf dieser Posten im Voranschlag für das<br />
laufende Jahr mit 53 Mill. eingesetzt wurde, dann<br />
ist angesichts der Entwicklung der Benzinimporte<br />
mit hundert gegen eins zu wetten, dass die Erreichung<br />
dieses Betrages ein frommer Wunsch bleiben<br />
muss. Den Bundesrat hinderte das jedoch<br />
keineswegs, bei der Aufstellung des Budgets 1941<br />
den Benzinzollerlös noch immer mit 45 Millionen<br />
zu veranschlagen, obwohl er wissen musste, dass<br />
es mit der Ergiebigkeit dieser Einnahmenquelle<br />
nicht mehr weit her sein kann, sintemalen die Einfuhr<br />
im Laufe dieses Jahres auf einen bedenkenerregenden<br />
Tiefpunkt gesunken ist, wie es erst<br />
kürzlich noch der Chef des Kriegsindustrie- und<br />
Arbeitsamtes, Oberst Renggli, in aller Oeffentlichkeit<br />
drgelegt hat. Was das nächste Jahr in dieser<br />
Hinsicht für uns bereithält, darüber tappt selbst<br />
der Bundesrat vollkommen im Dunkeln. Mit dem<br />
Gebot vorsichtigen Budgetierens lässt es sich deshalb<br />
schlechterdings nicht in Einklang bringen,<br />
dass er, gemessen an der Rechnung 1939 einen Abstrich<br />
von lediglich 15 °/o vornimmt. Wie er dazu<br />
kommt, die künftige Gestaltung der Dinge auf diesem<br />
Gebiet in derart optimistischem Licht zu sehen,<br />
mag sein Geheimnis bleiben. Auf jeden Fall vermochte<br />
die nationalrätliche Finanzkommission an<br />
unserem Benzineinfuhr-Horizont bedeutend weniger<br />
rosarote Anzeichen einer Aufhellung zu entdecken.<br />
Wesentlich nüchterner und offenbar auch richtiger<br />
denkend, ging sie hin und unterzog den bundesrätlichen<br />
Voranschlag einer zünftigen Revision nach<br />
rückwärts. Von 45 Millionen schraubte sie den Benzinzollertrag<br />
auf 35 Mill. herab (was gegenüber der<br />
Rechnung 1939 immerhin einem Abbau von 33 '/o<br />
entspricht), wobei sie jedoch kein Hehl daraus<br />
macht, dass möglicherweise auch diese Summe noch<br />
zu hoch gegriffen ist. Diese Korrektur bedingt auch<br />
eine Herabsetzung des für den Ausbau von Autostrassen<br />
vorgesehenen Kredits von 9 auf 7 Millionen.<br />
5St«e wa^t!»tfr>sm^n&wm<br />
Was gedenkt der Kanton Schwyz für die<br />
weitere Anpassung der Steuern zu tun?<br />
Wie man hört, soll die Sektion Schwyz des ACS<br />
die Absicht hegen, mit einer Anfrage an den Regierungsrat<br />
zu gelangen, ob er bereit sei, mit den<br />
am Motorfahrzeugverkehr interessierten Kreisen<br />
zu prüfen, auf welcher Basis die Steuern und Gebühren<br />
im kommenden Jahre zu berechnen seien,<br />
um den Fahrzeugbesitzern in gerechter Weise entgegenzukommen<br />
und der veränderten Lage Rücksicht<br />
zu tragen, wie sie sich als Folge der Treibetoffrationierung<br />
herausgebildet hat.<br />
Die Frage der Benzinsteuer im freiburgischen<br />
Grossen Rat.<br />
Der Kanton Freiburg erhebt die Verkehrssteuer<br />
in Form der fixen, nach Steuerpferden berechneten<br />
Taxe. An der letzten Sitzung des Grossen Rates<br />
kam nun die Staatswirtschaftskommission mit dem<br />
Vorschlag, an Stelle der Hubraumsteuer die Benzinsteuer<br />
einzuführen, wobei nach dem Vorbild<br />
anderer Kantone der Ansatz auf 15 Rappen pro<br />
Liter Benzin festzusetzen wäre. Bei der Regierung<br />
fand diese Anregung keine Gegenliebe, denn der<br />
Chef des Militärdepartements, Regierungsrat Corboz,<br />
dem auch der Automobilverkehr untersteht,<br />
bemühte sich, die Schwierigkeiten und Nachteile,<br />
welche der Uebergang zu diesem B&steuerungsmodus<br />
mit sich bringe, möglichst drastisch auszumalen.<br />
Man müsse mit den Ersatztreibstoffen, dem<br />
Handel mit Benzinbons, mit den versteckten Benzinvorräten,<br />
den elektrischen Fahrzeugen rechnen<br />
usw. usw. Im übrigen erbringe eine Statistik den<br />
Beweis dafür, dass es ungerecht wäre, die Steuer<br />
für die auf ihren Wagen angewiesenen Automobilisten<br />
nach dem Benzinverbrauch zu berechnen,<br />
währenddem die « Luxuswagen >, die ja erheblich<br />
weniger fahren können, mit einer geringeren<br />
Steuerbelastung davonkämen. Aus diesen Erwägungen<br />
heraus gedenke der Kanton Freiburg am Status<br />
quo festzuhalten.<br />
Ein Beschluss über die Frage ist noch nicht<br />
zustandegekcmmen, weil die Session unterbrochen<br />
wurde; die Sache kommt jedoch heute Dienstag<br />
neuerdings aufs Tapet.<br />
lim ^Benzin zu. späten<br />
Gemeinschaftsstunden<br />
beim Fahrunterricht<br />
Eine Anregung...<br />
Wir erhalten folgende Zuschrift:<br />
Wir Automobilisten gehören ja leider mit zu<br />
den ersten, welche die Folgen des Krieges am eigenen<br />
Leibe zu verspüren kriegten. «Benzin sparen»<br />
hiess die Parole schon unmittelbar nach Ausbruch<br />
des Konfliktes, Benzin sparen ist heute für jeden<br />
einsichtigen Zeit- und Eidgenossen ein kategorischer<br />
Imperativ. In einem gewissen Mindestausmass<br />
müssen wir den Motorfahrzeugverkehr, koste<br />
es was es wolle, um des Landesinteresses willen<br />
aufrechterhalten. Und das verpflichtet. Zwar haben<br />
die Behörden einem Teil der Automobilisten das<br />
Zwangssparen bereits beigebracht, dadurch nämlich,<br />
dass sie ihnen den Benzinhahn absperrten. Aber<br />
dennoch kann man in guten Treuen geteilter Meinung<br />
darüber sein, ob heute wirklich auch das<br />
letzte Mittel erschöpft ist, das einen haushälterischen<br />
Umgang mit diesem nachgerade kostbar gewordenen<br />
Nass gewährleistet.<br />
Soviel sich feststellen lässt, sind die Fahrlehrer,<br />
gemessen an den gegenwärtigen Verhältnissen, noch<br />
leidlich beschäftigt. Kein Wort darüber, dass ich<br />
ihnen den Verdienst nicht aufrichtig gönnte, doch<br />
frage ich mich, ob es sich nicht trotzdem überlegen<br />
Hesse, beim Fahrunterricht jeweilen zwei oder drei<br />
Schüler gleichzeitig zusammenzunehmen. Irgendwie<br />
finde ich, es reime sich mit der unabweisbaren<br />
Pflicht zum Benzinsparen nicht so recht zusammen,<br />
wenn ich da — was ziemlich häufig passiert<br />
— einen Fahrlehrer mit einem einzelreisenden Zögling<br />
einherkutschieren sehe. Autofahren ist doch<br />
eine Sache des Gefühls. Gewiss, dieses Fahrgefühl,<br />
der Instinkt für das richtige Verhalten in jeder<br />
Verkehrssituation, will in erster Linie durch Übung<br />
am Lenkrad selbst erworben sein. Aber trägt zu<br />
dessen Schärfung nicht auch das Mitfahren, das<br />
Miterleben und Zusehen bei, wie der andere das<br />
Volant handhabt, die Pedale und Hebel bedient?<br />
Liesse sich wirklich nichts gewinnen, wenn -Jer<br />
Fahrlehrer aufs mal gleich zwei oder sogar drei<br />
Schüler mitnähme? Und ist das, was er dem einen<br />
von ihnen vordoziert, nicht auch für die Ohren der<br />
anderen bestimmt... sofern diese anderen zugegen<br />
wären?<br />
Mögen sich vielleicht gegen solche «Simultan-<br />
Lektionen» Einwendungen erheben, so vermag ich<br />
nicht recht einzusehen, weshalb man nicht zum<br />
mindesten einen Versuch damit wagen sollte. Dass<br />
sie keinen Idealzustand darstellen, dessen bin ich<br />
mir bewusst, aber wo gibt es heute in unserem<br />
Automobilwesen noch Idealzustände? Dem Zwang,<br />
unsere Benzinvorräte zu schonen, können wir nicht<br />
entrinnen, ja wir werden, nach der jetzigen Lage<br />
der Dinge zu schliessen, in dieser Hinsicht noch<br />
hinzulernen müssen. Einzig und allein der Erkenntnis,<br />
dass Benzinsparen heute ein nationales<br />
Gebot ist, entsnringt die hier skizzierte Idee. Und<br />
unter diesem Gesichtswinkel betrachtet scheint sie<br />
mir immerhin der Prüfung wert zu sein. R. B;<br />
Und eine Antwort aus Fahrlehrerkreisen.<br />
Der Kantonal-Bernische Autofahrlehrer-<br />
Verband, dem wir diesen Vorschlag zur<br />
Kenntnis gebracht haben, lässt uns darauf<br />
folgende Erwiderung zugehen:<br />
«In Anbetracht der schwierigen Lage, in der<br />
sich das Autogewerbe sowie der einzelne auf seinen<br />
Wagen als Transport- oder Reisefahrzeug angewiesene<br />
Automobilist befindet, verwundert uns der<br />
obenstehende Artikel absolut nicht. Vorerst sei bemerkt,<br />
dass die Zuteilung von Benzinkarten an<br />
Fahrlehrer auf einem Niveau gehalten wird, das<br />
uns das Sparen von selbst beibringt, sofern wir<br />
nicht Gefahr laufen wollen, unsere durch die eingetretenen<br />
Verhältnisse ohnehin auf ein Minimum<br />
zurückgegangene Zahl an Fahrschülern wegen<br />
Mangel an Benzin nicht ausbilden zu können.<br />
Die Durchführung von Gemeinschafts-Unterrichtsstunden<br />
nach dem vorgeschlagenen System<br />
scheint auf den ersten Blick wohl gut möglich,<br />
wenn nicht eine Reihe von Argumenten, die wir<br />
Fahrlehrer längst erprobt haben, dagegen spräche.<br />
1. Ein Fahrschüler, der den vollen Stundenpreis<br />
bezahlt, hat das Anrecht auf Einzelunterricht,<br />
was auch in vielen Fällen als Bedingung gestellt<br />
wird. Man denke besonders an die Schüler,<br />
welche den Wagen selber stellen.<br />
2. Mit ganz wenig Ausnahmen zeigen alle Fahrschüler<br />
am Lenkrad Hemmungen, -wenn sich<br />
ausser dem Fahrlehrer noch weitere Personen<br />
im Wagen befinden. Diese Hemmungen aber<br />
können in vielen Fällen gerade das Gegenteil<br />
AUTOMOBIL-REVUE DIENSTAG, 19. NOVEMBER <strong>1940</strong> — N° 47<br />
dessen bewirken, was eigentlich bezweckt werden<br />
sollte, nämlich eine Reduktion der Zahl an Fahrstunden.<br />
3. Bei der gegenwärtig sehr geringen Fahrschülerzahl<br />
trifft es selten zu, dass zwei oder mehrere<br />
Personen sich zu einer und derselben Stunde<br />
für den Fahrunterricht freimachen können. Man<br />
bedenke die verschiedenartigen Arbeitszeiten aller<br />
Berufszweige. Dem einen passt die Fahrstunde<br />
besser am Vormittag, dem andern am Nachmittag,<br />
usw. Können wir aber die Kundschaft<br />
nicht nach Wunsch bedienen, so kann es ja vielleicht<br />
unser Kollege! — Für jeden einzelnen von<br />
uns spielt das jedoch eine wichtige Rolle. Ein<br />
grosser Teil unserer Schüler kommt zudem per<br />
Bahn in die Stadt, wobei also wiederum der<br />
Fahrplan mit in Berücksichtigung gezogen werden<br />
muss.<br />
Ein auf der Seestrasse gegen Zürich fahrender<br />
Automobilist bog langsam nach links<br />
in die Staubstrasse ein, obschon er dabei die<br />
Fahrbahn eines von Zürich her nahenden<br />
Autos kreuzen musste. Er glaubte dazu genügend<br />
Zeit zu haben, weil der andere Wanoch<br />
80—100 in entfernt war, täuschte sich<br />
aber, weil dieser trotz des strömenden Regens<br />
sehr rasch fuhr und an der Kreuzungsstelle<br />
mit ihm zusammenstiess. Der Polizeirichter<br />
büsste ihn wegen Verletzung des<br />
Vortrittsrechts mit 20 Fr., worauf ihn der<br />
Einzelrichter des Bezirksgerichts Zürich freisprach.<br />
Der andere Fahrer wurde wegen seiner<br />
übersetzten, den Strassen- und Verkehrsverhältnissen<br />
nicht angepassten Geschwindigkeit<br />
bestraft.<br />
Das Polizeirichteramt wollte nicht gelten<br />
lassen, dass hier kein Verstoss gegen das<br />
Vortrittsrecht vorliege und reichte gegen das<br />
freisprechende bezirksgerichtliche Urteil eine<br />
Nichtigkeitsbeschwerde ein, die jedoch vom<br />
Kassationshof des Bundesgerichts abgewiesen<br />
worden ist. Nach Art. 27 des Motorfahrzeuggesetzes<br />
und Art. 47 der Vollziehungsverordnung<br />
hat der Fahrer vor dem Abbiegen<br />
nach links einem gleichzeitig entgegenkommenden<br />
Fahrzeug den Vortritt zu lassen.<br />
Die Gleichzeitigkeit wird von der Rechtsprechung<br />
in allen Fällen angenommen, wo der<br />
Vortrittsberechtigte seine Fahrt nicht ungestört<br />
fortsetzen könnte, ohne mit dem seine<br />
Fahrbahn kreuzenden Fahrzeug zusammenzustossen.<br />
Hiebei ist mit der tatsächlich vom<br />
Vortrittsberechtigten eingehaltenen Geschwindigkeit<br />
zu rechnen und wenn diese<br />
den Strassen- und Verkehrsverhältnissen<br />
nicht angepasst ist, bringt ihn dies nicht um<br />
das Vortrittsrecht, auch wenn er wegen des<br />
übersetzten Tempos bestraft wird. Auf das<br />
Ermessen des Nichtberechtigten, ob noch genügend<br />
Raum zum Einschwenken vorhanden<br />
sei, kann nicht abgestellt werden, denn dies<br />
würde die Gefahren des Verkehrs bedeutend<br />
erhöhen.<br />
Im vorliegenden Falle genügten eben die<br />
80—1O0 m nicht mehr, um ein Abbiegen nach<br />
links zu erlauben, weil das Tempo des vortrittsberechtigten<br />
entgegenkommenden Wagens<br />
unerwartet hoch war; es liegt somit<br />
eine Verletzung des Vortrittsrechtes vor.<br />
Zwei Freisprüche<br />
4. An Hand langjähriger Erfahrungen haben wir<br />
Fahrlehrer festgestellt, dass Personen, die jahrelang<br />
als Mitfahrer neben dem Führer eines Personen-<br />
oder Lastwagens gesessen haben, vor andern,<br />
die diese Gelegenheit nicht hatten, wenig oder<br />
nichts voraus haben. Zum Erlernen des Autofahrens<br />
braucht es unbedingt Praxis, da dem<br />
Schüler nur durch diese die notwendigen Reaktionen<br />
in Fleisch und Blut übergehen.<br />
5. Das Mitführen mehrerer Personen ergibt überdies<br />
eine für Fahrzeuge mit niedriger PS-Zahl<br />
fühlbare Mehrbelastung, was namentlich an<br />
Steigungen ein früheres Zurückschalten und somit<br />
auch grösseren Benzinverbrauch bedingt.<br />
Mit diesen Punkten hoffen wir den Verfasser<br />
der Einsendung zufriedengestellt zu haben. Wir<br />
können ihm überdies versichern, dass wir seine<br />
wohl nur gut gemeinte Ermahnung trotzdem nicht<br />
ganz in den Wind schlagen und die Gemeinschafts-<br />
Fahrstunden da, wo sie uns als nutzbringend erscheinen,<br />
auch anwenden werden. Es kann dies<br />
namentlich der Fall sein, wenn zwei Freunde oder<br />
Kollegen gleichzeitig beim gleichen Fahrlehrer Unterricht<br />
nehmen, was übrigens in solchen Fällen<br />
bisher schon immer so gehandhabt wurde.<br />
Zum Schluss sei noch erwähnt, dass unsere Verbandsmitglieder<br />
vom Vorstande schon oft aufs dringlichste<br />
und stets neu wieder aufgefordert werden,<br />
jedwelche Vergnügungfahrten zu unterlassen.<br />
Ganz besonders erwähnenswert erscheint uns<br />
auch die von den bernischen Automobil-Experten<br />
in verdankenswerter Weise eingeführte Mithilfe<br />
beim Benzinsparen während den Fahrprüfungen,<br />
deren Durchführung in dem Sinne abgeändert<br />
wurde, dass der Experte die Prüfungsfahrt nicht<br />
mehr mit 2 Prüflingen, d. h. 2 Wagen gleichzeitig,<br />
sondern im Wechsel jeweils nur noch mit einem<br />
Prüfling durchführt und den andern Wagen während<br />
der halben Zeit stehenlässt.><br />
Für den Vorstand des Kantonal-Bernischen<br />
Autofahrlehrer-Verbandes: A. Bl.<br />
Linksabbiegen — Einbiegen aas einer Nebenstrasse<br />
(Aus dem Bundesgericht.)<br />
Trotzdem Ist der Fahrer freizusprechen,<br />
denn die Geschwindigkeit eines entgegenkommenden<br />
Wagens ist sehr schwer<br />
abzuschätzen und es ist begreiflich, wenn<br />
der Angeklagte bei den schlechten Sichtverhältnissen<br />
kein so rasches Tempo<br />
vermutete; in seinem Irrtum lag deshalb<br />
kein strafbares Verschulden.<br />
In Zürich ereignete sich ein Zusammenstoss<br />
zwischen einem mit 55 km Geschwindigkeit<br />
auf der Schaffhauserstrasse fahrenden Wagen<br />
und einem von links auf der Guggach-<br />
Milchbuckstrasse eintreffenden Auto. Der<br />
Polizeirichter erachtete ein Tempo von 55 km<br />
innerorts als übersetzt und verhängte über<br />
den betreffenden Automobilisten eine Busse<br />
von 15 Fr., die jedoch vom Einzelrichter des<br />
Bezirksgerichts aufgehoben wurde. Die dagegen<br />
eingereichte Nichtigkeitsbeschwerde<br />
des Polizeirichteramts wurde auch hier vom<br />
Kassationshof des Bundesgerichts abgewiesen.<br />
Ein bundesgerichtliches Urteil aus dem<br />
Jahre 1935 hat freilich noch den Standpunkt<br />
vertreten, in städtischen Verhältnissen seien<br />
auch für den Vortrittsberechtigten Geschwindigkeiten<br />
von 50 km und mehr nicht<br />
zulässig, weil sonst Zusammenstösse unvermeidlich<br />
würden. Seither hat aber<br />
die Entwicklung des Verkehrs und die<br />
Ausgestaltung des Strassennetzes zu der<br />
Auffassung geführt, dass auf gut ausgebauten<br />
Hauptverkehrsstrassen bei guter<br />
Uebersicht und nicht zu dichtem Verkehr<br />
auch ein rascheres Tempo keine<br />
besonderen Gefahren mehr bietet. Auch<br />
in städtischen Verhältnissen sind bei<br />
günstigen Verhältnissen, wie sie hier<br />
vorlagen, 55 km noch zulässig.<br />
Das freisprechende bezirksgerichtliche Urteil<br />
ist demnach zu schützen.<br />
In diesem Zusammenhang muss daran erinnert<br />
werden, dass anderseits der aus einer<br />
Nebenstrasse kommende Fahrer selbst dann<br />
mit ganz besonderer Vorsicht in eine Hauptverkehrsader<br />
einbiegen soll, wenn ihm der<br />
Vortritt zusteht<br />
Wp.<br />
ter ist schwer krank. Er hat mir sämtliche<br />
Vollmachten übergeben.»<br />
« Der Clown ist Ihr Vater? »<br />
* Ja.»<br />
« Das wussten Sie? ><br />
« Nein.»<br />
« Das haben Sie erst während der Vorstellung<br />
erfahren? »<br />
« Ja.»<br />
« Und haben auf ihn geschossen? »<br />
« Nein. »<br />
Die Herren stehen auf, stecken Hans Römers<br />
Pass in ihre Mappe.<br />
Hans Römer sagt:<br />
«Ich muss heute verreisen. Kann ich meinen<br />
Pass heute nacht zurückerhalten? »<br />
« Sie brauchen keinen Pass. Sie gehen mit<br />
uns. Sie bleiben auf der Polizei.»<br />
Gerda Manz schreit auf: «Nein! Nein! »<br />
Hans Römer wendet sich zu Gerda:<br />
« Klaren Kopf behalten, Gerda. Mein Vater<br />
ist sehr krank. Er braucht Sie. Nehmen Sie<br />
einen Wagen und bringen Sie ihn ins Hotel.<br />
Wenn es überhaupt noch möglich ist, vermeiden<br />
Sie Aufsehen.»<br />
l<br />
tuschelte Worte und Bemerkungen werden<br />
zu Ausrufen.<br />
Karsten, dem die Unruhe unter den Arbeitern<br />
aufgefallen ist, tritt zu einer Gruppe in<br />
hitzigem Gespräch beieinanderstehender<br />
Männer.<br />
« Was ist los, Kinder ? »<br />
« Gar nichts ist los!... Wir können nichts<br />
dafür, was in der <strong>Zeitung</strong> steht.., Mir ist's<br />
egal. Die Fabrik wird auch so weitergehn! »<br />
Karsten bricht aus: «Zum Donnerwetter<br />
noch mal! Ich habe noch keine Morgenzeitung<br />
gelesen heute! Gib her! », und er reisst<br />
einem jungen Burschen die <strong>Zeitung</strong> aus der<br />
Hand. « Wo denn? »<br />
«Auf der zweiten Seite! Ein Telegramm<br />
aus Grass — oder wie das heisst...»<br />
Karsten liest. Er liest einmal, zweimal.<br />
Ohne zu begreifen.<br />
Sensationelles Attentat auf einen Zirkusclown.<br />
Henri Rene wurde mitten in der Vorstellung<br />
von einem Irrsinnigen aus einer<br />
Loge angeschossen. Wie es heisst, soll der<br />
Zirkusbesucher, der die Tat in einem Anfall<br />
von Umnachtung beging, ein gewisser H. R. 1<br />
« Ja », sagt Gerda.<br />
Hans Römer zündet sich eine Zigarette an:<br />
« Meine Herren, ich stehe zu Ihrer Disposition.<br />
»<br />
Er schreitet zwischen den Polizeibeamten<br />
zum Ausgang und verschwindet in der Nacht,<br />
im triefenden Regen. Der Orkan ist verstummt.<br />
Gerda Manz geht an Herrn und Frau Direktor<br />
Molignon vorbei: «Besorgen Sie einen<br />
Wagen^ Schadenersatzansprüche sind bis<br />
morgen vormittag zwölf Uhr im Hotel de la<br />
Gare anzumelden! »<br />
Sie geht zur Garderobe Direktor Heinrich<br />
Römers. Steht einen Augenblick in Angst.<br />
Dann stösst sie die kleine holzversteifte<br />
Zeltstofftür auf — die grüne Perücke liegt<br />
am Boden, die roten Augenbrauenstreifen,<br />
das grün-gelb gewürfelte Clownkostüm mit<br />
dem blutgetränkten Aermel.<br />
Von Heinrich Römer keine Spur.<br />
Die Sirene der Maschinenfabrik Vulkan<br />
heult über die Dächer. Neun Uhr morgens. In<br />
beispielloser Erregung sammeln sich die Arbeiter<br />
zur Frühstückspause. Vorher nur geund,<br />
wie Nachforschungen ergaben, der bekannte<br />
Industrielle und Direktor einer Maschinenfabrik<br />
sein. Der Täter wurde verhaftet.<br />
Karsten lässt das Blatt sinken.<br />
Die Arbeiter umdrängen ihn.<br />
«Hier steht's nun ganz anders! » sagt einer<br />
und reicht ihm seine <strong>Zeitung</strong> hin.<br />
Karsten liest:<br />
Grauenhafte Panik in einem französischen<br />
Zirkus. Telegramm aus Grasse. — Mordanschlag<br />
auf Direktor Heinrich Römer.<br />
Während einer Zirkusvorstellung feuerte<br />
der vierundzwanzigj ährige Student Hans<br />
Römer einen Schuss auf seinen Vater ab<br />
und verletzte ihn tödlich. In der entstehenden<br />
Panik, die um so grauenhafter war,<br />
als sich das Publikum im Banne des berühmten<br />
Wachsuggestors und Groteskclowns<br />
Henri Rene befand und sich in<br />
Lachkrämpfen wälzte, riss das Zirkuszelt<br />
unter der Gewalt eines Orkans, der über<br />
Grasse niederging. Zahlreiche Menschen<br />
fanden den Tod. Die Zahl der Verletzten<br />
steht noch nicht fest (Fortsetzung folgt.)