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NaturGartenKunstErlebnis: 50 Jahre Merian Gärten in Brüglingen
NaturGartenKunstErlebnis: 50 Jahre Merian Gärten in Brüglingen
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Editorial<br />
Inhalt<br />
22 000 v. Chr. – 1839<br />
NaturGarten-<br />
KunstErlebnis<br />
50 Jahre<br />
Merian Gärten<br />
in Brüglingen<br />
Im Juni 2018 feiern wir einen runden Geburtstag. Vor fünfzig Jahren stellte<br />
die Christoph Merian Stiftung (CMS) in Brüglingen dreizehn Hektaren<br />
Land für einen zweiten botanischen Garten neben jenem beim Spalentor<br />
zur Verfügung. Was die Merian Gärten heute sind, verdanken sie<br />
zahlreichen glücklichen Fügungen: Christoph Merians Witwe Margaretha<br />
bestimmte im 19. Jahrhundert nach dem Tod ihres Mannes, dass Brüglinger<br />
Gut und Landschaftspark als Denkmal für ihren Mann erhalten<br />
werden sollten. Das zivilgesellschaftliche Engagement von Gartenliebhabern<br />
in den 1960er-Jahren regte die Einrichtung des Botanischen<br />
Gartens Brüglingen an. Die CMS hat ihn ermöglicht. Eine gemeinnützige<br />
Aktiengesellschaft hat ihn lange betrieben. Die nationale Gartenausstellung<br />
Grün 80 hat in ihm landschaftsgärtnerische Ideale der<br />
1970er-Jahre präsentiert. Seither haben sich das zu den Merian Gärten<br />
fusionierte Gut Unter Brüglingen und der botanische Garten weiterentwickelt:<br />
In ihnen gedeihen heute sieben international einzigartige<br />
Pflanzensammlungen mit grösster Sortenvielfalt. Weite Flächen mit<br />
reicher Biodiversität stehen unter Naturschutz. In den Nutzgärten werden<br />
alte Pflanzensorten von Pro Specie Rara kultiviert.<br />
Die Gärten sind pädagogischer Ausbildungsort für Schulen. Ein Kulturdenkmal<br />
mit den historischen Bauten, dem Skulpturenpark und den<br />
Relikten der Grün 80. Erholungsraum und Stadtpark mitten im urbanen<br />
Raum, der heute das ehemalige Meriansche Stammland umschliesst.<br />
Die Gärten sind damit heute vieles gleichzeitig: Künstlich gestalteter<br />
und natürlich wachsender ökologischer Raum. Kultur- und naturhistorisches<br />
Vermächtnis vom Mittelalter über die Merians bis hin zur<br />
Grün 80 und zur Gegenwart. Wissenschafts- und Ausbildungszentrum.<br />
Pflanzengarten und Refugium für geschützte Tiere. Samentresor. Idylle<br />
im Häusermeer.<br />
Gerade die historisch gewachsene Mischung macht die Qualität der<br />
Gärten aus. Die CMS trägt grosse Sorge zu diesem Erbe, ihrem grössten<br />
Engagement. Sie will aber nicht nur Bestehendes konservieren, sondern<br />
einen Schritt vorwärts gehen und die Gärten klarer positionieren. Sie hat<br />
seit 1. Januar 2018 den Betrieb von der Merian Gärten AG übernommen<br />
und wird mit grösseren Investitionen Vorder Brüglingen umgestalten,<br />
aufwerten und zum neuen Zentrum in den Gärten umgestalten. In diesem<br />
RADAR gibt Projektwettbewerbsgewinner Massimo Fontana Auskunft<br />
über die Pläne. Davor vermitteln wir Ihnen zum 50-Jahr-Jubiläum<br />
einen kurzen Überblick über die bewegte Geschichte der Gärten von der<br />
Eiszeit bis heute und eine Momentaufnahme eines ganz normalen Tages<br />
in den Gärten.<br />
Jubiläen sind immer auch eine Gelegenheit, allen Beteiligten eines<br />
erfolgreichen Projekts zu danken. Das will ich hier gerne tun. Wir danken<br />
allen Besucherinnen und Besuchern für die Wertschätzung unseres<br />
Kleinods in Brüglingen. Dem Team der Merian Gärten und allen Freiwilligen<br />
für ihren grossen Einsatz. Allen Gönnerinnen und Gönnern und<br />
dem Verein der Freunde des Botanischen Gartens in Brüglingen für die<br />
langjährige Treue und Unterstützung. Und all unseren Partnern und<br />
Nachbarn, mit denen wir seit Jahren eine fruchtbare Zusammenarbeit<br />
pflegen: der Merian Gärten AG, dem Team des Cafés/Restaurants Villa<br />
Merian, der Stiftung Pro Specie Rara, dem Zentrum für Brückenangebote,<br />
der Stadtgärtnerei, der Stiftung Park im Grünen, dem Kanton<br />
Baselland und der Gemeinde Münchenstein, den Robi-Spiel-Aktionen,<br />
der Dyychkorporation und dem Staatssekretariat für Migration. Zum<br />
Schluss: Einen herzlichen Dank an unsere Bienen, die unsere Pflanzen<br />
bestäuben und somit für den ‹Pflanzennachwuchs› und für unseren<br />
prämierten Honig besorgt sind.<br />
Besuchen Sie die<br />
Merian Gärten<br />
am Festwochenende<br />
2. und 3. Juni 2018!<br />
Informationen und Programm:<br />
www.meriangaerten.ch<br />
3 Bewegte Geschichte<br />
Rückblick: die Merian Gärten<br />
in Jahreszahlen und Bildern, von der<br />
Eiszeit bis heute<br />
7 Mehr als nur Gärten<br />
Standortbestimmung: das grösste<br />
Engagement der CMS und seine vielen<br />
Facetten<br />
8 Ganz schön was los<br />
Gartenalltag: von Mondviolen,<br />
Hirschkäfern, Bienen, einem<br />
Rohrbruch und kichernden Kids<br />
10 Zukunftsmusik<br />
Ausblick: Massimo Fontana,<br />
Gewinner des Studienauftrags,<br />
über seine Umgestaltungspläne<br />
in Vorder Brüglingen<br />
13 Digitale Plattformen<br />
Überblick: niederschwelliger Zugang<br />
zu Wissen – ein Service public der CMS<br />
14 Zum Staunen<br />
Rundgang Kunst im Bau:<br />
von schmackhaften Kultureiern und<br />
Plastiken aus dem 3D-Drucker<br />
22 000 v. Chr.<br />
DIE BIRS: SEGEN UND FLUCH<br />
Die Region Basel war während der maximalen Vergletscherung vor<br />
24 000 Jahren eisfrei. Es herrschte ein trocken-kaltes Klima mit einer<br />
Steppenvegetation ähnlich jener, die sich heute in Kasachstan findet.<br />
Die Birs formte nach der Eiszeit Terrassen und die Brüglinger Ebene.<br />
Der Fluss dient den Menschen der Neuzeit als Wasser- und Energielieferant,<br />
überschwemmt bis zur Flusskorrektur im 19. Jahrhundert<br />
aber auch Land und Höfe und richtet immer wieder grosse Schäden an.<br />
1444<br />
BLUTIGE SCHLACHT<br />
1444 ist das Gebiet rund um die heutigen Merian Gärten Schauplatz<br />
einer blutigen Schlacht. 1500 Eidgenossen kämpfen gegen 20 000<br />
Armagnaken bei St. Jakob an der Birs. Die Eidgenossen unterliegen<br />
zwar, sind danach aber begehrte Söldner auf dem ganzen Kontinent,<br />
werden später und vor allem während der geistigen Landesver-<br />
teidigung im Zweiten Weltkrieg als Helden verehrt und bis in die<br />
1960er-Jahre in der alten Landeshymne besungen.<br />
1775<br />
DER AGRARREFORMER<br />
Hieronymus Christ-Kuder (1729–1806), Landvogt von Münchenstein,<br />
kauft das Brüglinger Gut 1775. Der engagierte Agrarreformer setzt sich<br />
für einen gesteigerten Bodenertrag ein – auch, um die wachsende<br />
einheimische Bevölkerung besser versorgen und Armut und Hunger<br />
bekämpfen zu können. Er ersetzt die Dreifelderwirtschaft vermutlich<br />
durch eine ertragreichere Anbaumethode: die Bepflanzung der<br />
Brachen mit Futterpflanzen wie Klee und Rüben.<br />
1801<br />
JOHANN JAKOB THURNEYSEN-BISCHOFF (1763–1829)<br />
Der Basler Bandfabrikant erwirbt das Gut 1801, vergrössert es auf<br />
beinahe das Doppelte (41 Hektaren), baut die heutige Villa Merian<br />
vom Barockschlösschen zum frühklassizistischen Herrenhaus um und<br />
lässt vermutlich den englischen Landschaftsgarten anlegen. Im<br />
Krisenjahr 1811 geht Thurneysens Bandfabrik wie viele andere export-<br />
orientierte Basler Firmen als Folge der napoleonischen Kontinental-<br />
sperre in Konkurs.<br />
600 n. Chr.<br />
DIE ERSTEN BRÜGLINGER<br />
In römischer Zeit gibt es vermutlich zahlreiche Übergänge über<br />
die damals noch sehr verästelte Birs im Gebiet von St. Jakob. Die<br />
Namensforschung geht davon aus, dass der Name Brüglingen auf die<br />
alemannische Besiedlung im frühen Mittelalter zurückgeht und<br />
das Siedlungsgebiet eines Brugilo benennt. Das Suffix ‹-ingen› würde<br />
demnach den Ort bezeichnen, wo die Leute des Brugilo lebten. Überliefert<br />
ist allerdings nichts.<br />
17. Jahrhundert<br />
DER TEICH, DER EIN GEWERBEKANAL IST<br />
Der St. Alban-Teich/Dalbediich und sein Seitenarm, der Mühleteich/<br />
Mühlediich, fliessen heute durch die Merian Gärten. Der Gewerbeka-<br />
nal wird im 12. Jahrhundert künstlich angelegt und im 17. Jahrhundert<br />
bis nach Brüglingen verlängert. Er treibt Mühlen an, wird später für<br />
die Papierproduktion und den Buchdruck genutzt und ist damit die<br />
technische Voraussetzung für den Aufstieg Basels zu einem Zentrum<br />
des europäischen Humanismus.<br />
1811<br />
CHRISTOPH MERIAN-HOFFMANN (1769–1849)<br />
Der Vater von Stiftungsgründer Christoph Merian-Burckhardt, ein<br />
gewiefter Handelsmann und Bonvivant, verfügt trotz napoleonischer<br />
Kontinentalsperre über genügend Mittel, um 1811 vom Konkursiten<br />
Thurneysen das Brüglinger Gut zu kaufen und den Grundbesitz auf<br />
56 Hektaren zu vergrössern. In dieser Zeit beginnen auch die Birs-<br />
korrekturen.<br />
13. Jahrhundert<br />
KLIPPKLAPP<br />
An der Stelle der Mühle aus dem 16. Jahrhundert steht im 13. Jahrhundert<br />
noch der Vorgängerbau – wohl ein einfacher Holzbau. 1259 wird<br />
die Mühle erstmals urkundlich erwähnt. Heute setzen zweimal im<br />
Monat die ‹Müllersleut› in historischen Kostümen das Wasserrad in<br />
Betrieb und vermitteln Besucherinnen und Besuchern im heutigen<br />
Museum die bewegte Geschichte des Ortes.<br />
17. Jahrhundert<br />
TRÈS CHIC: FAMILIE LÖFFEL<br />
Die französische Immigrantenfamilie Cuiller, ‹Löffel›, erwirbt das<br />
Brüglinger Gut im 17. Jahrhundert und baut es vor den Toren der<br />
Stadt zu einem repräsentativen Sommersitz mit Hof, Scheune, Stall,<br />
Trotte, französischem Garten und einem barocken Landschlösschen<br />
aus. Das ehemalige Landschlösschen ist heute die Villa Merian, im<br />
19. Jahrhundert im frühklassizistischen Stil umgebaut.<br />
Fünfzig Jahre Merian Gärten – profitieren Sie von unserem ganzjährigen<br />
Veranstaltungsangebot und kommen Sie am Festwochenende vorbei<br />
und feiern Sie mit!<br />
16 Vernetzter Freilager-Platz<br />
Austausch: Diskussion und Interaktion<br />
auf dem Dreispitz<br />
1824<br />
CHRISTOPH MERIAN-BURCKHARDT (1800–1858)<br />
Christoph Merian junior heiratet 1824 die 18-jährige Industriellen-<br />
tochter Margaretha Burckhardt, erhält Gut und Villa von seinem Vater<br />
1833<br />
EIN GUT – ZWEI KANTONE<br />
Christoph Merian ist knapp zehn Jahre lang Gutsbesitzer, als die<br />
eidgenössische Tagsatzung 1833 nach der Niederlage der Stadtbasler<br />
1839<br />
STANDESBEWUSSTES STATEMENT<br />
Melchior Berri (1801–1854) baut als einer der bekanntesten Basler<br />
Architekten seiner Zeit im Auftrag von Christoph Merian 1837 ein<br />
als Hochzeitsgeschenk, sichert sich alle Weg- und Wassernutzungs-<br />
gegen die Landschäftler an der Hülftenschanz der Kantonstrennung<br />
Ökonomiegebäude in Vorder Brüglingen (Berrischeune), 1839 das<br />
Dr. Beat von Wartburg<br />
Direktor der Christoph Merian Stiftung<br />
16 Veränderte Freiräume<br />
Ab April: Ausstellung<br />
rechte und vergrössert den Besitz auf 311 Hektaren. In den 1830er-<br />
Jahren melioriert er das Schwemmland der Birs. Das Paar nutzt das<br />
Gut als Sommersitz. 1857 verfasst er sein Testament, wonach der<br />
zustimmt. Der Südteil seines Gutes liegt neu im damals noch fortschrittlichen<br />
Kanton Basel-Landschaft, dem er skeptisch begegnet.<br />
2012 wird die jüngste Wiedervereinigungsinitiative in den Merian<br />
Pächterhaus und plante auch die Orangerie im neoklassizistischen<br />
Stil von Berris Monumentalbau, dem heutigen Naturhistorischen<br />
Museum an der Augustinergasse. Ein standesbewusstes Statement<br />
und Begleitpublikation<br />
ganze Besitz des kinderlosen Ehepaars an eine Stiftung übergehen soll.<br />
Gärten lanciert – und scheitert erneut.<br />
Merians vor den Toren des Stadtkantons.<br />
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