Hunde-Knigge für den Reitstall Spaß zu dritt FOTO: TIERFOTOAGENTUR Pferd und Hund? Das passt, vorausgesetzt der Mensch vermittelt zwischen den beiden. Hunde im Reitstall bedeuten im Zweifel eine Menge Ärger. Oder aber Glück hoch drei. Und dazu braucht es nur zwei Zutaten: ein klares Konzept und ein wenig Durchhaltevermögen. TEXT: KIRSTEN AHRLING
PRAXIS CHECKLISTE Hunde-Ausrüstung für den Reitstall ➛ ein gut sitzendes, nicht zu schmales Halsband oder Geschirr ➛ eine drei Meter lange Trainingsleine, am besten aus Leder, ohne Schlaufen oder Ringe ➛ eine Liegedecke ➛ einen eigenen Trinknapf ➛ bei Bedarf eine Transportbox ➛ Leckerlis oder Kauknochen zur Belohnung Oft sind Pferdemenschen auch Hundemenschen. Viele Reiter bringen ihren Hund nur zu gerne mit in den Reitstall. Schließlich lassen sich so geschickt zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Während der Reiter sich um sein Pferd kümmert, kann der Hund nach Herzenslust spielen, toben und am Ende ausgepowert und zufrieden wieder mit nach Hause fahren. Doch tatsächlich genießen die Hunde im Reitstall meist Narrenfreiheit. Sie verwandeln die Stallgasse in eine Spielwiese, plündern die Futterkammer, machen den Reitplatz zur Buddelkiste oder versehen ihr Revier mit allerhand Duftmarken. Dann ist der Ärger programmiert, sagt Hundetrainerin Nicole Brinkmann, die in ihrer Hundeschule „Lieblingsviecher“ in Mettmann ein spezielles Reitbegleithundetraining anbietet. Schließlich bedeutet ein Hund, der im Stall seine eigenen Wege geht, immer ein Risiko für Reiter, Pferde und sich selbst. Brinkmann geht noch weiter: „Ein Hund, der im Reitstall keine Aufgabe hat, ist nicht glücklich.“ Hunde wollen arbeiten und das muss sich für sie lohnen, lautet ihr Grundsatz. Sie plädiert beim Training für ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit. Arbeit bedeutet für den Hund, Anweisungen zu befolgen, um dafür belohnt zu werden. Freizeit meint, Hund sein zu dürfen, umherzutollen und ausgelassen zu spielen. Sabine Lang, Leiterin des Zentrums für Pferd, Hund und Mensch, macht die besondere Aufgabe des Tierhalters für ein harmonisches Miteinander im Reitstall deutlich: „Es liegt in der Verantwortung des Hundehalters, dass sich der Hund im Stall an Regeln hält. Er muss dafür sorgen, dass sich genetisch bedingtes Verhalten des Hundes, wie Jagen oder Hüten, nicht verselbstständigt.“ Sie rät, beispielsweise die Futterkammer zum Taburaum zu machen oder unkontrolliertes Rennen auf Weide und Stallgasse nicht zu erlauben. Außerdem sollten sich alle Hundehalter am Stall einigen, fremde Hunde nicht mit Leckerlis zu füttern. „Das kann Ärger unter den Hunden schüren“, erklärt sie. Hinzu kommt die Position des Hunde- und Pferdehalters als Vermittler zwischen den Tieren. „In unsicheren Situationen sollen sich die Vierbeiner an ihm orientieren“, schildert Lang. Hund und Pferd werden sich dann weniger zu genetisch bedingtem oder instinktivem Verhalten hinreißen lassen, beispielsweise zum Hüten, Jagen oder zur Flucht. Das Training für den Hund beginnt schon zu Hause. Dort können Übungen, wie an einem Platz zu warten, trainiert werden. Begegnungen mit anderen Hunden, Joggern oder Radfahrern dürfen kein Problem darstellen, bevor der Hund mit auf den Ausritt darf. Gerade zu Beginn ist es wichtig, dass der Hund vor dem Stallbesuch ausgelastet ist. „20 Minuten spazieren gehen reichen aus“, sagt Nicole Brinkmann. So kann der Hund vorab seine Notdurft und seine Energie loswerden. Sabine Lang rät, ihn zur Gewöhnung und zu Beginn des Trainings am Stall zunächst an der Leine zu führen. „Hund und Pferd dürfen keine schlechten Erfahrungen miteinander machen“, lautet ihr Credo. Nicole Brinkmann formuliert die generelle Schwierigkeit: „Für Hunde ist der Bewegungsreiz des Pferdes sehr anregend. Das Pferd hingegen muss seine Meidereaktion im Kontakt mit Hunden überwinden.“ Deshalb startet jeder Erstkontakt der beiden Spezies mit der sogenannten Sozialisierungsphase, in der sich Hund und Pferd kennenlernen. Der erste Kontakt Für unerfahrene Hunde eignet sich am besten ein ruhiges Pferd für den Erstkontakt, sagt Nicole Brinkmann. Umgekehrt ist für ein unerfahrenes Pferd ein ruhiger Hund, der Pferde kennt, die beste Wahl. „Man lässt den Hund am Pferd schnuppern, bei sehr ruhigen Pferden beispielsweise an den Beinen“, sagt Brinkmann. Lässt man den Hund auch am Kopf des Pferdes schnuppern, sollte man es zusätzlich am Halfter festhalten. „Manche Hunde reagieren empfindlich auf den Pferdekopf, der sie mit großen Augen anstarrt und mit den Nüstern anschnaubt“, schildert Nicole Brinkmann. Ganz wichtig sei es, dass der Hund mit seiner Nase auf Tuchfühlung gehe. „Hunde lernen effektiv nur über die Nase“, erklärt sie. Dabei soll sich der ehrgeizige Hundebesitzer gerade zu Beginn mit kurzen Trainingseinheiten zufriedengeben, rät Nicole Brinkmann: „Nähert sich der Hund unbefangen aber respektvoll dem Pferd, ist das schon ein erster Erfolg.“ Für ein Pferd ist schon das neugierige Beäugen des Hundes als Erfolg zu verbuchen. Danach brauchen beide Zeit, das Gelernte zu verarbeiten. Hunde können das am besten an einem sicheren Ort, beispielsweise im Auto – sofern die Temperaturen stimmen – auf einer Decke oder in einer speziellen Transportbox für Hunde, die an einem ruhigen > FOTO: PRIVAT FOTO: PRIVAT FOTO: PRIVAT UNSERE EXPERTEN Nicole Brinkmann ist Pferdefachwirtin und Hundetrainerin. In ihrer Hundeschule „Lieblingsviecher“ in Mettmann bietet sie unter anderem ein Training für Reitbegleithunde an. www.lieblingsviecher.de Sabine Lang leitet das Zentrum für Pferd, Hund und Mensch im Allgäu. Hier gibt sie Unterricht und Kurse und bietet auch Trainingsurlaub an. Für die Ausbildung zum Reitbegleithund sowie zum Horse and Dog Trail ist sie bundesweit und grenzübergreifend unterwegs. www.sabinelang.de Sandra Pendl leitet den bundesweiten Arbeitskreis zur Reitbegleithund-Ausbildung der Vereinigung für Freizeitreiter und -fahrer in Deutschland (VFD) und unterstützt die Kurse als Übungsleiterin. www.vfdnet. de/index.php/vielfalt/reitbegleithunde Hier aktuelle Ausgabe bestellen REITER REVUE INTERNATIONAL 5/2018 57