Timotheus Magazin #21 - Helden
Inhalt Editorial Was der tote Abel uns sagt (Jon Bloom) – Der erste Mord der Menschheitsgeschichte. Asaf und das ehrliche Gebet (Gunnar Schröder) – Das beispielhafte Gebet eines zweifelnden Mannes im Ringen mit Gott. Wie Nehemia kämpfte und gewann (Daniel Facius) – Was ein Mundschenk uns über das Kämpfen lehrt! Obadja: frisches Wasser in der Dürre (Nils Freerksema) – Wie man Gott treu bleibt in einer gottlosen Welt! Hugh Latimer (Sergej Pauli) – Leben und Sterben für die Heilige Schrift in Zeiten der Reformation. Loyal bis in den Tod – Uria, der Hetiter (Andreas Münch) – Lektionen von einem Helden, der Gott und König bis zum letzten Atemzug diente. Jesaja, der erste Evangelist! (Jochen Klautke) – Als Mensch stand er ganz hinter seiner Botschaft zurück. Aber diese Botschaft hatte es in sich. Interview mit Thomas Reiner (Peter Voth) – Reformierte Kirche in der Schweiz! Interview mit Matthias Lohmann (Peter Voth) – Für das Evangelium in Deutschland! Buchvorstellungen
Inhalt
Editorial
Was der tote Abel uns sagt (Jon Bloom) – Der erste Mord der Menschheitsgeschichte.
Asaf und das ehrliche Gebet (Gunnar Schröder) – Das beispielhafte Gebet eines zweifelnden Mannes im Ringen mit Gott.
Wie Nehemia kämpfte und gewann (Daniel Facius) – Was ein Mundschenk uns über das Kämpfen lehrt!
Obadja: frisches Wasser in der Dürre (Nils Freerksema) – Wie man Gott treu bleibt in einer gottlosen Welt!
Hugh Latimer (Sergej Pauli) – Leben und Sterben für die Heilige Schrift in Zeiten der Reformation.
Loyal bis in den Tod – Uria, der Hetiter (Andreas Münch) – Lektionen von einem Helden, der Gott und König bis zum letzten Atemzug diente.
Jesaja, der erste Evangelist! (Jochen Klautke) – Als Mensch stand er ganz hinter seiner Botschaft zurück. Aber diese Botschaft hatte es in sich.
Interview mit Thomas Reiner (Peter Voth) – Reformierte Kirche in der Schweiz!
Interview mit Matthias Lohmann (Peter Voth) – Für das Evangelium in Deutschland!
Buchvorstellungen
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BIBELTREUES MAGAZIN FÜR JUNGE CHRISTEN · <strong>#21</strong> · 04/2015<br />
+<br />
Thomas<br />
Reiner<br />
Reformierte Kirche<br />
in der Schweiz<br />
S. 32<br />
+<br />
Hugh<br />
Latimer<br />
Leben und Sterben<br />
für das Wort Gottes<br />
S. 20<br />
Ungewöhnliche <strong>Helden</strong><br />
Was »Außenseiter« des Alten<br />
Testaments uns heute sagen
Editorial<br />
<strong>#21</strong> Ungewöhnliche <strong>Helden</strong> - 04/2015<br />
Auf dem Cover<br />
»Leuchtturm«<br />
Joshua Hibbert<br />
ist ein australischer<br />
Webdesigner, der<br />
nebenbei auch schöne<br />
Fotos macht. Mehr über<br />
Joshua auf Twitter unter<br />
@_joshnh<br />
LIEBE LESERIN, LIEBER LESER,<br />
die Bibel ist voller Biographien. Ungewöhnliche, unbekannte<br />
und leider oft auch übersehene Biographien.<br />
Nicht selten handeln sie von Außenseitern. Manche<br />
waren mutig, manche feige und manche trugen ihre absolute<br />
Verdorbenheit besonders offensichtlich zu tage.<br />
Kurz gesagt: Die meisten Personen der Bibel sind genau<br />
wie wir. Und das ist ein unglaublich wunderbarer Fakt.<br />
Zu oft schieben wir diese Lebensbilder in das Reich<br />
der „Kindergeschichten“. Dabei sind es unglaubliche,<br />
wahre, wahrhaftige und oft auch sehr brutale Geschichten<br />
und Ereignisse. Wenn wir alle Verniedlichung und<br />
Beschönigung weglassen, offenbaren sich Lebensbilder,<br />
die nur von der Hand des souveränen Gottes geschrieben<br />
worden sein können. Und sehr oft sind diese<br />
Geschichten mit Blut geschrieben. Daher lasst uns auch<br />
die scheinbar kleinste Biographie nicht gering schätzen,<br />
sondern aufmerksam begutachten. Unser Augenmerk<br />
haben wir auf das Alte Testament gelegt. Das ist es<br />
letztlich, was diese Menschen von uns unterscheidet:<br />
Zeit und Raum. Die Umstände, in die Gott diese Menschen<br />
gesetzt hat. Wie handelten Menschen, als der<br />
Messias noch nicht da war? Als das Evangelium noch<br />
nicht in voller Gänze offenbart war, als Gott anders zu<br />
den Menschen sprach? Unsere Autoren haben in ihren<br />
Texten aufgezeigt, wie das Evangelium in diesen Leben<br />
doch eine Rolle spielte und was diese Lebensbilder<br />
heute über das Evangelium aussagen. In dieser Ausgabe<br />
beleuchten wir bekanntere Namen wie Kain, Abel,<br />
Jesaja oder Nehemia. Aber auch weniger bekannte wie<br />
Uria, Obadja und Asaf nehmen wir unter die Lupe.<br />
Letztendlich hat dir jedes dieser Leben etwas zu sagen.<br />
Sie sprechen zu dir, sie sagen etwas über dich und über<br />
das Evangelium Jesu Christi aus.<br />
Letztendlich hat dir jedes<br />
dieser Leben etwas zu<br />
sagen. Sie sprechen zu<br />
dir, sie sagen etwas<br />
über dich und über das<br />
Evangelium Jesu Christi<br />
aus.<br />
Peter Voth<br />
2
Inhalt<br />
Inhalt<br />
4<br />
Was der tote<br />
Abel uns sagt<br />
JON BLOOM<br />
Der erste Mord der<br />
Menschheitsgeschichte.<br />
8<br />
Asaf und das ehrliche Gebet<br />
GUNNAR SCHRÖDER<br />
Das beispielhafte Gebet eines<br />
zweifelnden Mannes im Ringen<br />
mit Gott.<br />
12<br />
Wie Nehemia kämpfte<br />
und gewann<br />
D A N I E L F A C I U S<br />
Was ein Mundschenk uns über<br />
das Kämpfen lehrt!<br />
16<br />
Obadja: frisches Wasser<br />
in der Dürre<br />
NILS FREERKSEMA<br />
Wie man Gott treu bleibt in einer<br />
gottlosen Welt!<br />
20<br />
Hugh Latimer<br />
SERGEJ PAULI<br />
Leben und Sterben für die<br />
Heilige Schrift in Zeiten der<br />
Reformation.<br />
24<br />
Loyal bis in den Tod —<br />
Uria, der Hetiter<br />
ANDREAS MÜNCH<br />
Lektionen von einem <strong>Helden</strong>, der<br />
Gott und König bis zum letzten<br />
Atemzug diente.<br />
28<br />
Jesaja, der erste Evangelist!<br />
JOCHEN KLAUTKE<br />
Als Mensch stand er ganz hinter<br />
seiner Botschaft zurück. Aber<br />
diese Botschaft hatte es in sich.<br />
32<br />
Interview mit<br />
Thomas Reiner<br />
PETER VOTH<br />
Reformierte Kirche in der<br />
Schweiz!<br />
38<br />
Interview mit<br />
Matthias Lohmann<br />
PETER VOTH<br />
Für das Evangelium in<br />
Deutschland!<br />
IMPRESSUM<br />
Redaktion Waldemar Dirksen,<br />
Viktor Sudermann, Andreas Kuhlmann,<br />
Peter Voth<br />
Art Direktor Peter Voth ∙ vothpeter@yahoo.de<br />
Lektorat Tanja Mirau<br />
Abodienst Katharina Wiebe ∙ kwiebe@betanien.de<br />
Verlag Betanien Verlag e.K. ∙ Imkerweg 38<br />
D-32832 Augustdorf ∙ info@betanien.de<br />
Online www.timotheusmagazin.de<br />
Shop www.cbuch.de/timotheus<br />
Erscheinungsweise Erscheint als<br />
Quartalsmagazin seit Oktober 2010<br />
alle drei Monate: Januar (Winter) · April<br />
(Frühling) · Juli (Sommer) · Oktober (Herbst).<br />
Preise Einzelausgabe ∙ €2,90 (zzgl.Versand)<br />
Jahresabo (D) ∙ €13,55 (inkl. Versand)<br />
Jahresabo (EU) ∙ €21,50 (inkl. Versand)<br />
Rubriken im Heft<br />
Nach Christus<br />
Schriftgelehrt<br />
Josia<br />
Kirche in Deutschland<br />
Im Studierzimmer<br />
3
Was der tote<br />
Abel uns sagt<br />
Text von Jon Bloom<br />
Da sprach der Herr zu Kain: Wo ist dein Bruder Abel? Er sprach:<br />
Ich weiß nicht; soll ich meines Bruders Hüter sein? Er aber sprach:<br />
Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines Bruders schreit zu<br />
mir von der Erde. —1. Mose 4,9-10
Durch den Glauben hat Abel Gott ein besseres Opfer dargebracht als<br />
Kain; deshalb wurde ihm bezeugt, dass er gerecht sei, da Gott selbst<br />
es über seine Gaben bezeugte; und durch den Glauben redet er noch,<br />
obwohl er gestorben ist. —Hebräer 11,4
Was Kain nicht<br />
wusste, war, dass<br />
sein zum Schweigen<br />
gebrachter Bruder<br />
nicht ruhig<br />
geblieben war.<br />
Die Geschichte von Kain und Abel in 1.<br />
Mose 4 erzählt uns viel mehr über Kain<br />
als über Abel. Tatsächlich ist kein einziges<br />
Wort aus dem Mund des lebenden Abel<br />
aufgezeichnet. Aber der Schreiber des<br />
Hebräerbriefs sagt, dass er „durch Glauben noch redet,<br />
obwohl er gestorben ist“ (Hebräer 11,4). Was also<br />
spricht Abel zu uns?<br />
Der Abend dämmerte. Kain arbeitete heute länger.<br />
Um seinen Eltern nicht gegenüberzutreten, versuchte<br />
er seine schuldgetränkte Furcht mit einer übermäßigen<br />
Sorge um seine Ernte zu verbergen. Plötzlich sendet die<br />
unmissverständliche Stimme des Herrn einen Schrecken<br />
durch Kains Innerstes: „Wo ist dein Bruder Abel?“<br />
(1. Mose 4,9).<br />
Mit der Zeit lernte Kain Abel zu verachten. Egal,<br />
um was es sich handelte, Abel schien die Situation<br />
immer zu seinen Gunsten zu wenden. Ist ein Konflikt<br />
entstanden? Abel, „der Demütige“, liebte es, der erste<br />
zu sein, um sich zu versöhnen. Brauchte jemand Hilfe?<br />
Abel, „der Diener“, liebte es, der erste zu sein, um sie<br />
anzubieten. Gab es eine Verletzung? Abel „der Mitfühlende“<br />
liebte es, der erste zu sein, um zu trösten. Selbst<br />
wenn Kain größere Ausdauer und Kreativität in seiner<br />
Tätigkeit zeigte, Abel, „der Tugendhafte“, konnte ihn<br />
immer seiner Freude berauben mit seiner tugendhaften<br />
Ausübung von Zurückhaltung.<br />
Am unerträglichsten für Kain war jedoch Abel, „der<br />
Fromme“, der kühn sein empfindliches Gewissen und<br />
seine kostbare Ergebenheit für Gott offenlegte, so dass<br />
jedermann es sah. Kain konnte es kaum ertragen, wie<br />
sein Vater und seine Mutter davon schwärmten.<br />
Mit jeder weiteren Demütigung hegte Kain den<br />
verborgenen Gedanken, dass Abel seine Gutherzigkeit<br />
nutzte, um sich Uüberlegener als er zu zeigen.<br />
Aber an jenem Morgen erlitt Kain einen vernichtenden<br />
Schlag. Der Herr forderte von beiden<br />
Brüdern eine Opfergabe, die Erstlingsfrucht ihrer Arbeit,<br />
und Kain sah darin eine Gelegenheit. Dieses Mal<br />
würde Abel ihn nicht vorführen. Kain wollte beweisen,<br />
dass er sich wie Abel ebenfalls mit Hingabe auszeichnen<br />
konnte. So stellte er sicher, dass seine Gabe auf<br />
verschwenderische Weise die geforderte Erstlingsfrucht<br />
seiner Arbeit übertraf.<br />
Aber als der Herr Kains extravagante Gabe sah,<br />
lehnte er sie ab. Kain war fassungslos. Dann, um noch<br />
Salz in die Wunden zu streuen, akzeptierte der Herr<br />
Abels vergleichsweise einfaches Lammopfer. Wieder<br />
von Abel gedemütigt! Aber dieses Mal vor Gott!<br />
Kains Hass wandelte sich in Schrecken. Abel hat<br />
ihn zum letzten Mal in den Schatten gestellt. Am<br />
späten Nachmittag lag Abels lebloser Körper auf einem<br />
abgeschiedenen Feld, zurückgelassen in der Hoffnung,<br />
dass der Hunger eines wilden Tieres den Brudermord<br />
verschleiert.<br />
Doch die Frage des Herrn ließ Kain „bloß und aufgedeckt“<br />
(Hebräer 4,13) zurück. Mit dem Zorn seiner<br />
einengenden Schuld log er: „Ich weiß nicht; soll ich<br />
meines Bruders Hüter sein?“ Was Kain aber tatsächlich<br />
nicht wusste, war, dass sein zum Schweigen gebrachter<br />
Bruder nicht ruhig geblieben war. Der Herr antwortete:<br />
„Was hast du getan? Die Stimme des Blutes deines<br />
Bruders schreit zu mir von der Erde“ (V. 10).<br />
Das Blut des toten Abels schrie hoch zu Gott nach<br />
Gerechtigkeit (1. Mose 4,10; Hebräer 12,24). Doch der<br />
Glaube des toten Abels „redet noch“ (Hebräer 11,4).<br />
Was also spricht Abel zu uns durch seinen Glauben?<br />
OHNE GLAUBEN IST ES UNMÖGLICH,<br />
GOTT ZU GEFALLEN<br />
Fakt ist: Gott akzeptiert nur glaubensangefachte Opfergaben!<br />
Es ist wichtig, dass Gott uns keine weiteren Details<br />
gewährt, weder über Kains noch über Abels Opfer<br />
– die ersten, die in der Bibel aufgezeichnet wurden. In<br />
dieser Geschichte stelle ich mir vor, dass Kain versuchte<br />
Gottes Zustimmung zu gewinnen, mithilfe eines beeindruckend<br />
aussehenden Opfers. Aber es könnte ebenso<br />
einfach auch ein geiziges Opfer oder auch ein überaus<br />
genaues Opfer sein. Der Punkt ist, dass Gott unmittelbar<br />
zu Beginn unsere Aufmerksamkeit abwendet<br />
6
In dieser<br />
Geschichte sind<br />
wir alle Kain –<br />
auch wenn wir<br />
uns lieber als Abel<br />
sehen würden.<br />
von den Dingen, die gefallene Menschen für wichtig<br />
halten (wie unsere Werke uns beeindruckend erscheinen<br />
lassen) und hinwendet zu den Dingen, die Gott für<br />
wichtig hält (wie unsere Werke offenbaren, wem wir<br />
vertrauen).<br />
Die Schrift lehrt, dass „der Gerechte durch seinen<br />
Glauben leben wird“ (Habakuk 2,4), weil „es ohne<br />
Glauben unmöglich ist, Gott zu gefallen“ (Hebräer<br />
11,6). Abel wurde von Gott „als gerecht bezeugt“, weil<br />
er sein Opfer durch Glauben dargebracht hat (Hebräer<br />
11,4). Kains Opfer war „böse“ (1. Johannes 3,12), weil<br />
unsere Opfergaben (hier: jedes für Gott vollbrachte<br />
Werk) ohne demütiges Vertrauen auf Gott selbst böse<br />
vor Gott sind – selbst wenn sie für alle anderen als gut<br />
und beeindruckend erscheinen.<br />
DU WIRST VON ALLEN GEHASST WERDEN<br />
UM MEINES NAMENS WILLEN<br />
Eine weitere Sache, die wir von Abel hören, ist, dass<br />
die Welt dich hassen wird, wenn du durch Glauben an<br />
Jesus lebst (den das Neue Testament als Jahweh offenbart,<br />
der Herr [Philipper 2,11]). Der Apostel Johannes<br />
macht uns diesen Hass klar: „Seid nicht wie Kain, der<br />
von dem Bösen stammte und seinen Bruder umbrachte.<br />
Und warum brachte er ihn um? Weil seine Werke<br />
böse waren und die seines Bruders gerecht. Wundert<br />
euch nicht, meine Brüder, wenn euch die Welt hasst“<br />
(1. Johannes 3,12-13). Abel war der erste, der erfuhr,<br />
dass „alle, die fromm leben wollen in Christus Jesus,<br />
Verfolgung leiden müssen“ (2. <strong>Timotheus</strong> 3,12).<br />
Unser „Licht leuchten zu lassen vor den Leuten,<br />
damit sie unsere guten Werke sehen“ (Matthäus 5,16)<br />
wird bei Zeiten auch die Boshaftigkeit anderer aufdecken<br />
und ihren Hass erregen (Johannes 3,20). Jesus<br />
selbst sagte, „ihr werdet gehasst sein von jedermann<br />
um meines Namens willen“ und „man wird einige von<br />
euch töten“ – einige sogar durch die Hand von „Eltern,<br />
Brüdern, Verwandten und Freunden“ (Lukas 21,16-<br />
17). Rechtschaffener Glaube erregt bösen Hass.<br />
EIN BESSERES WORT ALS ABELS BLUT<br />
In dieser Geschichte sind wir alle Kain – auch wenn<br />
wir uns lieber als Abel sehen würden. Wir waren alle<br />
zu einer Zeit verflucht, „verfeindet mit Gott“ und<br />
entfremdet von ihm (Römer 8,7; Epheser 4,18). Abel,<br />
der erste Märtyrer des Glaubens, ist ein Vorschatten<br />
auf unseren Herrn Jesus, dessen „Blut ... besser redet<br />
als Abels Blut“ (Hebräer 12,24). Denn obwohl Abels<br />
unschuldiges Blut emporschrie für Gerechtigkeit gegen<br />
Sünde, so schreit Jesu unschuldiges Blut empor um<br />
Gnade für Sünder. Abels Blut offenbart Kain in seinem<br />
Elend. Jesu Blut bedeckt unser Elend und reinigt uns<br />
von unseren Sünden (Römer 7,24; 1. Johannes 1,9).<br />
Und jetzt, während wir danach trachten unsere<br />
Leiber als lebendige Opfer Gott darzubringen, lasst uns<br />
daran denken, dass der einzige Weg, um unsere Opfer<br />
akzeptabel vor Gott zu machen, der einzige Weg, um<br />
unsere Opfer zu einem geistlichen Dienst der Anbetung<br />
zu machen, unser kindlicher Glaube an Jesus ist (Römer<br />
3,26; 12,1). Und lasst uns nüchtern daran denken,<br />
dass die einzige Belohnung, die wir von der Welt erwarten<br />
können, ihr Hass ist. 1<br />
1 Dieser Artikel ist eine Übersetzung (Andreas Kuhlmann) des Kapitels<br />
„What Dead Abel Speaks To Us – Abel, Cain and Faith“ aus<br />
Jon Blooms Buch „Things Not Seen“ (Crossway 2015). Übersetzt<br />
und veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Verlags und<br />
des Autoren (Taken from Things Not Seen by Jon Bloom, © 2015,<br />
pp. (143-148). Used by permission of Crossway, a publishing ministry<br />
of Good News Publishers, Wheaton, IL 60187, www.crossway.org).<br />
Jon Bloom dient Desiring God als Mitgründer, Vorstand und<br />
Autor. Er ist Autor mehrerer Bücher. Er lebt mit seiner Ehefrau<br />
Pam und fünf Kindern in Minneapolis. Twitter: @Bloom_Jon<br />
© Foto: Thomas Lefebvre 7
Asaf und das<br />
ehrliche Gebet<br />
Text von Gunnar Schröder<br />
Die Bibel berichtet uns von großen Gestalten. Von Königen und<br />
Priestern. Von Propheten und Aposteln. Sie sind uns Vorbilder<br />
im Glauben, im Leben und im Sterben. Aber daneben gibt es die<br />
Menschen, über die man wenig hört und noch weniger weiß.<br />
Die großen und kleinen Unbekannten. In<br />
gewisser Weise sind es Menschen in unserer<br />
Position. Sie sind Teil der Geschichte<br />
Gottes, Teil seines Plans. Und doch tauchen<br />
sie nicht in den großen Erzählungen<br />
auf. Sie sind Glaubende, halten Gott die Treue. Und<br />
doch sind sie nicht in aller Munde.<br />
Einer dieser Männer war Asaf. Fakten haben wir<br />
nur wenige zu seinem Leben. Er war ein Sohn des<br />
Berechjas (1. Chronik 15,17), hatte Brüder (1. Chronik<br />
16,37) und lebte zur Zeit Davids (Nehemia 12,46).<br />
Seine Söhne waren an der Reinigung des Tempels von<br />
falschen Götzen unter Hiskia beteiligt (2. Chronik<br />
29,13), beim großen Passamahl Josias (2. Chronik<br />
35,15) und befanden sich unter den Rückkehrern aus<br />
der babylonischen Gefangenschaft (Esra 2,41; Nehemia<br />
7,44).<br />
So viel zu den harten Fakten. Aber wie bei jedem<br />
menschlichen Leben reichen Fakten alleine nicht aus,<br />
um es zu beschreiben und zu verstehen. Ein genauerer<br />
Blick in 1. Chronik 16 verdeutlicht uns das Bild dieses<br />
Mannes.<br />
4 Und er bestellte einige Leviten zu Dienern vor der<br />
Lade des Herrn, dass sie priesen, dankten und lobten den<br />
Herrn, den Gott Israels,<br />
5 nämlich Asaf als Vorsteher, Secharja als Zweiten,<br />
Jaasiël, Schemiramot, Jehiël, Mattitja, Eliab, Benaja,<br />
Obed-Edom und Jëiël mit Psaltern und Harfen, Asaf aber<br />
mit hellen Zimbeln,<br />
Aus den Versen erfahren wir ein wenig mehr über<br />
den Mann namens Asaf. Er war kein Krieger, kein<br />
König, kein Priester, kein berühmter Mann. Er war<br />
Musiker und Dichter.<br />
Asaf war ein Levit, ein Angehöriger des Stammes<br />
Levi, dessen Aufgabe es war, am Heiligtum der<br />
Bundeslade und später am Tempel zu dienen (Nehemia<br />
12,35).<br />
Von dieser Gruppe nahm David eine Handvoll<br />
Menschen und gab ihnen eine besondere Aufgabe: Er<br />
machte sie zu prophetischen Musikern. Asaf war der<br />
Kopf dieser Gruppe. 1. Chronik 25 fährt fort:<br />
1 Und David und die Feldhauptleute sonderten aus<br />
zum Dienst die Söhne Asafs, Hemans und Jedutuns, prophetische<br />
Männer, die auf Harfen, Psaltern und Zimbeln<br />
8<br />
© Foto: Joshua Earle
Er war kein<br />
Krieger, kein<br />
König, kein<br />
Priester, kein<br />
berühmter<br />
Mann. Er war<br />
Musiker und<br />
Dichter!
Asaf wird deutlich, dass<br />
sein Bild der Realität<br />
und Gottes Realität nicht<br />
überein stimmen.<br />
spielen sollten. Und es war die Zahl derer, die Dienst taten<br />
in ihrem Amt: 2 von den Söhnen Asafs: Sakkur, Josef,<br />
Netanja, Asarela, Söhne Asafs, unter der Leitung Asafs,<br />
der als prophetischer Mann nach Anweisung des Königs<br />
spielte.<br />
Schon wird das Bild deutlicher: Asaf war kein bloßer<br />
Musiker. Die Gruppe um ihn herum hat – ebenso<br />
wie er selbst als ihr Kopf – unter der Autorität des<br />
Königs Prophezeiungen von sich gegeben. Er war ein<br />
Sprachrohr Gottes.<br />
Eine spätere Stelle (2. Chronik 29,30) bestätigt<br />
dies:<br />
30 Und der König Hiskia samt den Oberen gebot den<br />
Leviten, den Herrn zu loben mit den Liedern Davids und<br />
des Sehers Asaf. Und sie lobten mit Freuden und neigten<br />
sich und beteten an.<br />
Asaf, hier Seher genannt, dichtet also nicht bloß<br />
Lieder. Er verkündet als Prophet durch die Musik<br />
Gottes Willen. Zwölf dieser Psalmen (Psalm 50; 73-<br />
80) sind uns im dritten Teil des Psalters erhalten 1 und<br />
zeigen das Bild eines Mannes, der vor seinem Gott um<br />
Ehrlichkeit und Gerechtigkeit ringt und damit prophetische<br />
Weisung erhält.<br />
Eindrücklich wird dies in Psalm 73 erfahrbar.<br />
AUF WEN SOLLEN WIR HÖREN?<br />
„Asafs Gebete sind von einer tiefen Offenheit<br />
und radikalen Menschlichkeit geprägt. Dabei<br />
kommen sie von einem dunklen Ort. Am Anfang<br />
steht ein wunderbares Bekenntnis: ‚Gott ist gut<br />
zu Israel‘“ (Psalm 73,1)<br />
Asaf weiß, dass Gott gut ist, nur leider passt dieser<br />
Gedanke nicht mit seiner Erfahrung zusammen. Was<br />
folgt, sind deshalb dreizehn Verse voller Beschwerden<br />
über seine Empfindungen, wenn er die Welt um sich<br />
herum betrachtet. Schließlich beichtet er, dass er beinahe<br />
seinen Glauben verloren hätte, als er das Wohlergehen<br />
der Gottlosen sah (Psalm 73,2-3). Er zweifelt an<br />
Gottes Anwesenheit (Psalm 73,4-12). Er ist kurz davor,<br />
den Boden unter den Füßen zu verlieren, kurz davor,<br />
den Glauben zu verlieren (Psalm 73,13-14).<br />
Asaf kämpft mit einem Problem, das aus den<br />
Tiefen seines eigenen Verstandes zu ihm vordringt:<br />
1 Insgesamt ist lediglich einer der siebzehn Psalmen in diesem Teil<br />
des Psalters von David verfasst. Es ist beinahe, als wären an dieser<br />
Stelle absichtlich Gedanken und Gebete „einfacher“ Menschen gesammelt<br />
worden.<br />
Das menschliche Gehirn ist einer der interessantesten<br />
Aspekte der Schöpfung. Unendlich kompliziert, unendlich<br />
unerforscht, ständig im Gespräch mit sich selbst.<br />
Denn: Jeder Mensch führt einen inneren Monolog.<br />
Dies geschieht auf zwei unterschiedliche Arten. Positive<br />
Sätze nennen wir Bestärkung. Negative Aussagen<br />
bemerken wir als Unsicherheit, Zweifel oder Angst.<br />
Damit hat der innere Monolog einen großen Einfluss<br />
auf unser Denken, unser Fühlen, die Einstellung<br />
zu bestimmten Themen, Erlebnissen und auf unser<br />
Handeln.<br />
Asaf kennt den Satz: Gott ist gut. Er weiß auch:<br />
Gott ist gerecht. Er hat gelernt: Gott ist allmächtig.<br />
Aber Asaf hört: Gott ist nicht hier. Gott liebt dich<br />
nicht. Gott ist nicht gut zu Israel.<br />
Wie leicht geschieht es, dass wir uns so sehr auf<br />
unsere Umstände konzentrieren, dass wir nichts<br />
anderes mehr wahrnehmen können? Dass unser Blick<br />
für das große Ganze versperrt bleibt? Asaf erlebt diesen<br />
dunklen Ort am eigenen Leib. Das Leben verdrängt<br />
seine Theologie. Er hört die eigene Stimme in seinem<br />
Kopf lauter als Gottes Stimme. Er ist überwältigt von<br />
einem aus Erfahrung, eigener Geschichte und Umwelt<br />
geformten Bild. Ein Leben aus Schmerz und Leiden<br />
führt ihn in den Zweifel. Aus diesem Zweifel heraus<br />
öffnet Asaf sein Herz und tritt vor Gott. Er übergeht<br />
diese Gefühle nicht. Er wischt sie nicht fort.<br />
Er spricht ein ehrliches Gebet.<br />
DAS EHRLICHE GEBET HÖRT AUF GOTT<br />
„Deshalb versuchte ich zu begreifen, warum es<br />
den Gottlosen so gut geht. Aber das war mir zu<br />
schwer! Bis ich eines Tages in Gottes Heiligtum<br />
kam…“ (Psalm 73,16)<br />
Die erste Hälfte (V. 1-15) von Asafs Gebet ist wie ein<br />
Workout für seine Seele. Er verausgabt sich, schreit<br />
sich den Schmerz von der Seele. Die Ergebnisse seiner<br />
Übungen erntet er in der zweiten Hälfte. Asaf berichtet<br />
uns, wie er in den Tempel geht, um dort auf Gott zu<br />
treffen. Er richtet seinen Blick nach oben. Weg von<br />
den eigenen Gedanken und der eigenen Stimme. Dort<br />
offenbart Gott ihm ein vollständigeres Bild seines<br />
Wesens.<br />
In einer großen Vision lässt Gott Asaf an seinem<br />
Plan teilhaben. Asaf wird deutlich, dass sein Bild der<br />
Realität und Gottes Realität nicht übereinstimmen<br />
(Psalm 73,15-17). Was er sah, war nur ein flüchtiger<br />
10
Wenn wir Gott im Gebet<br />
offenbaren, wer wir<br />
wirklich sind, offenbart<br />
er uns, wer er ist.<br />
Moment. Gott ist ein gerechter Gott, der richten wird<br />
(Psalm 73,18-20) und Asaf ein Zweifler, der diese Tatsache<br />
nicht bemerkt hat (Psalm 73,21-22). So bekennt<br />
Asaf vor Gott seine Sünde und sein Zweifeln. Und<br />
Gott nimmt ihn an.<br />
Ganz ähnlich wie Hiob macht er die Entdeckung,<br />
dass sich Gott immer wieder neu offenbart und den<br />
Glauben stärkt, wenn man sich ihm ehrlich und offen<br />
zuwendet.<br />
DAS EHRLICHE GEBET VERÄNDERT<br />
„Da erkannte ich, wie verbittert ich war und<br />
welcher Zorn in mir aufstieg, als ich all dies<br />
sah“ (Psalm73,21)<br />
Asaf trägt seine Wut und seine Zweifel zu Gott. Er<br />
bricht aus der Spirale der eigenen Gedanken aus. Aber<br />
indem er dies tut, befasst er sich auch auf schmerzliche<br />
Art mit sich selbst. Er betrachtet seine Fehler und<br />
Zweifel wie von außen (Psalm 73,21-22) und lernt<br />
über sich selbst. Die Selbsterkenntnis, so schmerzhaft<br />
sie auch sein mag, ist ein wichtiger Schritt im Wachstum<br />
eines Christen. Dabei geht es nicht um ein bloßes<br />
Niedermachen oder um eine ewig zirkuläre Nabelschau.<br />
Vielmehr geht es um Wachstum. Es geht um<br />
eine genaue Diagnose der eigenen Person, der eigenen<br />
Gedanken und Handlungen.<br />
Das ehrliche Gebet führt zur Kenntnis des eigenen<br />
Herzens. Wie könnten wir ehrlich beten, wenn wir<br />
nicht aus tiefstem Herzen beten würden? Wie könnten<br />
wir ehrlich vor Gott treten, wenn wir uns nicht zuerst<br />
mit uns selbst auseinandersetzen würden?<br />
konfrontiert. Natürlich, immerhin lebt er in einer gefallen<br />
Welt! Aber er kennt den Gott, der für ihn einsteht.<br />
Er kennt den Schöpfer, der alles neu machen wird. Er<br />
kennt den Vater, der den Erlöser schicken wird.<br />
Dieses Vertrauen, diese Gottesnähe stärkt und bewahrt<br />
ihn. Er lernt, eine Wirklichkeit zu sehen, die den<br />
Augen verborgen bleibt.<br />
DAS GEBET UND DIE OFFENBARUNG<br />
Asaf war ein Mann Gottes, der einen besonderen<br />
Dienst versah, indem er Prophetie und Musik zur<br />
Ehre Gottes vereinte. Als inspirierter Autor von zwölf<br />
Psalmen bietet er uns eine einzigartige Perspektive auf<br />
Gottes Wesen und auf eine uns nur allzu bekannte<br />
Menschlichkeit.<br />
Sein Leben und seine Theologie, wie sie uns in<br />
seinen Psalmen begegnet, konfrontieren uns mit einer<br />
Frage: Trauen wir uns, auf diese Art zu beten? Werden<br />
wir so mutig beten, wie Asaf es tat oder fallen wir auf<br />
die alte Lüge herein, dass Gott süße Plattitüden hören<br />
möchte, die sich als Gebet tarnen?<br />
Wenn du nicht bereit bist, dein Herz im Gebet<br />
schonungslos zu prüfen und aufzudecken, musst du<br />
dich nicht wundern, wenn sich dein Gebetsleben lau<br />
und leblos anfühlt. Wenn wir uns wie Asaf prüfen, ganz<br />
offen vor Gott treten und Buße über unsere sündige<br />
Einstellung tun, wird Gott unser Herz mit seiner<br />
Erkenntnis füllen, mit frischem Glauben und einem<br />
frischen Verlangen ihm zu dienen.<br />
DAS EHRLICHE GEBET STÄRKT VERTRAUEN<br />
„Doch ich bekenne: Die Gottesnähe tut mir gut!<br />
Ich fand meine Zuflucht bei Jahwe, dem Herrn“<br />
(Psalm 73,28)<br />
Asaf lernt, dass er Gott vertrauen kann. Er lernt, an<br />
seinen Zweifeln zu zweifeln. Durch seine Tränen –<br />
zuerst des Zorns, dann der Selbsterkenntnis – bleibt die<br />
Heilung nicht aus. Asaf greift die gute Nachricht – das<br />
Evangelium, dem wir Christen glauben und folgen,<br />
und hält sich daran fest. Er hört, dass er mit Gott<br />
versöhnt ist und dass Gott in seiner Vorhersehung den<br />
Weg allen Lebens kennt.<br />
Auf diesem Grund kann ein Leben stehen. Asaf<br />
wird noch immer mit den Erfahrungen seiner Umwelt<br />
Gunnar Schröder (*1987) ist zur Zeit Vikar in Norddeutschland.<br />
Nebenbei schreibt er auf seinem Blog pastorgunnar.de und auf<br />
Twitter unter @PastorGunnar.<br />
11
Wie Nehemia<br />
kämpfte & siegte!<br />
Text von Daniel Facius<br />
Mit der Eroberung Babylons durch Kyros II. begann der Aufstieg<br />
des persischen Weltreichs. Auch die in Mesopotamien und Palästina<br />
lebenden Juden wurden Teil dieses Reiches, unter ihnen: Nehemia.<br />
Als Mundschenk des Königs Artaxerxes I. spielte er eine entscheidende<br />
Rolle beim Wiederaufbau Jerusalems – und kann uns zeigen, wie<br />
man siegreich im Glauben lebt.
Die Geschichte Nehemias ist eine Abfolge<br />
von Konflikten und Widerständen. Von<br />
dem Zeitpunkt an, da Nehemia durch<br />
seinen König die Erlaubnis erhielt, nach<br />
Jerusalem reisen und die königlichen<br />
Materialien für den Bau der Stadtmauer verwenden zu<br />
dürfen, gab es Widerstand. Sanballat, der Horoniter<br />
und Statthalter von Samaria 1 , und Tobija, seinerseits<br />
wahrscheinlich Statthalter der Region östlich<br />
des Jordans 2 , waren mit den Plänen Nehemias nicht<br />
einverstanden (Nehemia 2,10; im Folgenden abgekürzt<br />
„Neh“), da sie befürchten mussten, ihren Einfluss in<br />
der Region zu verlieren. Zusammen mit dem Araber<br />
Geschem, einem Machthaber, der arabische Stämme<br />
kontrollierte, die vom Nordosten Ägyptens bis in den<br />
Süden Palästinas siedelten, begegneten sie Nehemia mit<br />
Hohn und Spott (Neh 2,19; 3,33). Als sie die Fortschritte<br />
des Baus bemerkten, „wurden sie sehr zornig<br />
und verschworen sich alle miteinander hinzuziehen,<br />
um gegen Jerusalem zu streiten“ (Neh 4,1f.). Nun<br />
musste Nehemia nicht nur gegen eine echte Bedrohung<br />
kämpfen, sondern auch gegen die Resignation und<br />
Furcht seiner eigenen Leute (Neh 4,4.8). Er musste sich<br />
mit den Beschwerden der Armen auseinandersetzen<br />
(Neh 5,1-13), zahlreichen Fallen seiner Feinde entgehen<br />
(Neh 6,1-9) und nicht zuletzt falschen Propheten<br />
begegnen, die ihn abschrecken wollten (Neh 6,10-14).<br />
Selbst nachdem der Mauerbau vollendet war, blieb eine<br />
1 In der Bibel wird Sanballat als Horoniter bezeichnet, da er wahrscheinlich<br />
aus Beth-Horon stammte, der Name zweier Schlüsselstädte<br />
an der Hauptstraße nach Jerusalem. In einem Papyrus, der<br />
auf der ägyptischen Nilinsel Elephantine gefunden wurde, wird<br />
Sanballat als Gouverneur von Samaria identifiziert.<br />
2 Die Bezeichnung „der ammonitische Knecht“ ist vermutlich ein<br />
Ehrentitel.<br />
Menge Arbeit übrig. Das Volk musste an das Gesetz<br />
Gottes erinnert (Neh 8) und immer wieder ermahnt<br />
werden, es auch zu halten (Neh 13). In all diesen Konflikten<br />
blieb Nehemia letztlich siegreich. Was war das<br />
Geheimnis seines Erfolges?<br />
KÄMPFEN FÜR DAS RICHTIGE ZIEL<br />
Nehemia besaß als Mundschenk des persischen Königs<br />
Artaxerxes I. ein Amt mit hoher Verantwortung. Er<br />
war nicht nur für die Getränkeauswahl des Königs<br />
zuständig, sondern diente auch als dessen Vorkoster.<br />
Dementsprechend wurden für ein solches Amt nur<br />
besonders vertrauenswürdige Leute ausgesucht, die dem<br />
Herrscher dann auch recht nahestanden. Wir können<br />
dem biblischen Bericht entnehmen, dass es Nehemia<br />
am persischen Hof sehr gut ging und sein Verhältnis zu<br />
Artaxerxes jedenfalls so freundlich war, wie es zwischen<br />
einem König und seinen Bediensteten möglich<br />
ist. Nehemia hatte also wenig Veranlassung, sich zu<br />
beklagen oder sich eine Veränderung seiner Situation<br />
zu wünschen. Er hätte vielmehr seine Position ausnutzen<br />
können, um seine eigene Karriere zu verfolgen (wer<br />
wissen möchte, wie an Königshöfen intrigiert wurde,<br />
der lese einmal die Berichte in den Büchern Daniel<br />
oder Esther).<br />
Doch Nehemia gab sich nicht damit zufrieden, dass<br />
es ihm persönlich gut ging. Seine Gedanken drehten<br />
sich vielmehr um das Schicksal des Volkes Gottes.<br />
„Da kam Hanani, einer meiner Brüder, mit einigen<br />
Männern aus Juda. Und ich fragte sie, wie es den Juden<br />
ginge, den Entronnenen, die aus der Gefangenschaft<br />
zurückgekehrt waren, und wie es Jerusalem ginge“<br />
(Neh 1,2). Bezeichnend: Nehemia identifiziert sich voll<br />
und ganz mit den verschleppten Juden. Hanani nennt<br />
© Foto: Austin Ban 13
er seinen Bruder, und er bekennt die Sünden, „die wir<br />
an dir getan haben“ (Neh 1,6). Dass das Volk Gottes<br />
„in großem Unglück und in Schmach“ (Neh 1,3) lebt,<br />
kann Nehemia nicht verkraften. „Als ich aber diese<br />
Worte hörte, setzte ich mich nieder und weinte und<br />
trug Leid tagelang“ (Neh 1,4).<br />
Diese Identifizierung Nehemias mit dem Volk<br />
Gottes ist vorbildhaft auch für Gläubige, die zum Leib<br />
Christi, zur Gemeinde, gehören. Die Bibel betont<br />
mehrfach die Einheit des Volkes Gottes (vgl. etwa 1.<br />
Korinther 12 oder Epheser 4) und ruft uns auf, Anteil<br />
an dem Schicksal unserer Geschwister zu nehmen.<br />
„Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den<br />
Weinenden“, fordert Paulus in Römer 12,15 und stellt<br />
fest: „Wenn ein Teil des Körpers leidet, leiden alle anderen<br />
mit, und wenn ein Teil geehrt wird, ist das auch<br />
für alle anderen ein Anlass zur Freude“ (1. Korinther<br />
12,26, NGÜ). Diese Art der Verbundenheit mit dem<br />
Schicksal des Volkes Gottes lebt uns Nehemia vor. Und<br />
er leidet nicht nur mit, er gibt seine sehr komfortable<br />
Lebenssituation auf, um den Kampf mit den Feinden<br />
Gottes aufzunehmen. Nehemia war jemand, der „für<br />
die Israeliten Gutes suchte“<br />
(Neh 2,10). So sollten wir<br />
auch zu Menschen werden, die<br />
statt für uns selbst für das Volk<br />
Gottes und Seine Gemeinde<br />
Gutes suchen. Jesus verspricht<br />
solchen Menschen, denen<br />
es zuerst um Gottes Reich<br />
und Gottes Gerechtigkeit<br />
geht, dass ihnen alles Übrige<br />
dazugegeben wird (Matthäus<br />
6,33). Nehemia würde das<br />
bestätigen.<br />
KÄMPFEN AUS DER RICHTIGEN KRAFT<br />
Petrus nennt in seinem erstem Brief (4,10f.) zwei<br />
wichtige Kriterien für den Dienst eines Christen:<br />
„Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen<br />
hat (…) aus der Kraft, die Gott gewährt“. Es<br />
gilt also zwei Gefahren zu vermeiden: an einer Stelle<br />
zu arbeiten, für die man keine Begabung besitzt und<br />
den im Grunde noch gefährlicheren, weil schwerer<br />
erkenntlichen Fehler: ohne die Kraft Gottes vor sich<br />
hin zu werkeln. Nehemia, das macht sein Bericht sehr<br />
deutlich, konzentriert sich bei dem Projekt „Aufbau<br />
Jerusalems“ auf seine Stärken. Er inspiziert die Problemstellen,<br />
entwickelt einen Plan zu deren Beseitigung,<br />
teilt Mitarbeiter ein, überwacht die Ausführung und<br />
motiviert die Menschen, die mit ihm zusammenarbeiten.<br />
Er arbeitet also „mit der Gabe, die er empfangen<br />
hat“. Noch wichtiger aber ist die Feststellung, dass Nehemia<br />
seine Kraft aus der richtigen Quelle schöpft. Was<br />
tut Nehemia, als ihm die schlimme Lage Jerusalems<br />
geschildert wird? Er weint nicht nur, sondern „fastete<br />
und betete vor dem Gott des Himmels“ (Neh 1,4).<br />
Nehemias Plan, nach Jerusalem gehen zu wollen, reift<br />
im Gebet. Und das gilt nicht nur für den Plan, sondern<br />
auch für dessen Umsetzung. Das Gespräch Nehemias<br />
mit Artaxerxes enthält dabei ein besonders schönes<br />
Nehemia hatte einen<br />
großen Vorteil: er<br />
war vertraut mit dem<br />
Wort Gottes, der<br />
Heiligen Schrift.<br />
Beispiel eines „Stoßgebets“. Nehemia berichtet uns<br />
zunächst von der großen Furcht, die er empfand, als<br />
er von dem Beherrscher des persischen Großreichs auf<br />
sein persönliches Befinden angesprochen wurde (Neh<br />
2,2). Als der König die Erklärung Nehemias aufnimmt<br />
und ihn nach seinem Wunsch fragt (Neh 2,4), notiert<br />
Nehemia: „Da betete ich zu dem Gott des Himmels“,<br />
bevor er seine Antwort formuliert. Und er weiß auch<br />
genau, wem er den positiven Ausgang des Gespräches<br />
zu verdanken hat, wird doch sein Wunsch nur erfüllt,<br />
„weil die gnädige Hand meines Gottes über mir war“<br />
(Neh 2,8).<br />
Auch im weiteren Verlauf des Berichts wird immer<br />
wieder deutlich, dass Nehemia „aus der Kraft, die Gott<br />
gewährt“, arbeitet. Der Plan, die Mauern Jerusalem<br />
aufzubauen, ist nämlich keine spontane Idee Nehemias,<br />
sondern entspricht dem, „was mir mein Gott eingegeben<br />
hatte“ (Neh 2,12). Seine Antwort auf den Spott<br />
der Gegner lautet: „Der Gott des Himmels wird es uns<br />
gelingen lassen“ (Neh 2,20). Nehemias Reaktion auf<br />
Sanballats Drohen ist – ein Gebet: „Höre, unser Gott,<br />
wie verachtet sind wir! Lass ihren Hohn auf ihren Kopf<br />
kommen“ (Neh 3,36). Der<br />
Verschwörung der Feinde begegnet<br />
Nehemia – mit Gebet:<br />
"Wir aber beteten zu unserm<br />
Gott und stellten gegen sie<br />
Tag und Nacht Wachen auf<br />
zum Schutz vor ihnen“ (Neh<br />
4,3). Als seine Mitstreiter von<br />
Furcht erfüllt werden, lautet<br />
sein Rat: „Fürchtet euch nicht<br />
vor ihnen; gedenkt an den<br />
Herrn, der groß und furchtbar<br />
ist, und streitet“ (Neh 4,8) –<br />
denn „unser Gott wird für uns<br />
streiten“ (Neh 4,14). Nehemia ist im Gebet derart mit<br />
Gott verbunden, dass er auf die List Schemajas nicht<br />
hereinfällt, „denn ich merkte, dass nicht Gott ihn gesandt<br />
hatte“ (Neh 6,12). Jesus beschreibt diesen Sachverhalt<br />
so: „Meine Schafe hören meine Stimme, und<br />
ich kenne sie, und sie folgen mir“ (Johannes 10,27).<br />
Es ließen sich noch zahlreiche weitere Beispiele<br />
anführen, die illustrieren, wie Nehemia aus der Kraft<br />
Gottes kämpft. Stattdessen sei zusammenfassend auf<br />
das wohl bekannteste Zitat Nehemias verwiesen (8,10):<br />
„Seid nicht bekümmert, denn die Freude am Herrn<br />
ist eure Stärke“ (Neh 8,10). Hier sprach Nehemia aus<br />
Erfahrung.<br />
KÄMPFEN NACH DEN RICHTIGEN REGELN<br />
Der Apostel Paulus trifft im Römerbrief eine tragische<br />
Aussage über das Volk Israel: „Ich bezeuge ihnen, dass<br />
sie Eifer für Gott haben, aber ohne Einsicht“ (Römer<br />
10,2). Es ist schon bitter, wenn man für das Richtige<br />
einstehen will, aber nicht weiß, wie. Nehemia hatte da<br />
einen großen Vorteil: er war vertraut mit dem Wort<br />
Gottes, der Heiligen Schrift. Bereits in seinem ersten<br />
Gebet (Neh 1,5-11) zeigt sich, wie gut Nehemia die<br />
Geschichte des Volkes Gottes kennt und wie genau er<br />
Gottes Verheißungen wahrgenommen hat. Deswegen<br />
14
ist Nehemia klar, dass es mit dem Aufbau der Stadt<br />
nicht getan ist, sondern dass das Kernproblem behoben<br />
werden muss, wenn Gottes Volk eine Zukunft haben<br />
soll: die gestörte Beziehung des Volkes zu seinem Gott.<br />
Es ist kein Zufall, dass der Bericht Nehemias nicht mit<br />
der Vollendung des Mauerbaus und der Sicherung der<br />
Stadt endet, sondern vielmehr die geistliche Wiederherstellung<br />
des Volkes zum Thema macht. Beachtenswert<br />
ist auch, welche Schwerpunkte Nehemia bei dieser<br />
geistlichen Wiederherstellung setzt.<br />
Er betont nicht etwa die Wiedereinführung der<br />
Opfer und anderer vorgeschriebener Zeremonien im<br />
Tempel (wobei er sich auch um den Tempeldienst<br />
kümmert, vgl. die Liste der Priester und Leviten in<br />
Neh 12,1-26, die Regelungen für die Abgaben in Neh<br />
12,44-47 und die Beseitigung der Missstände in Neh<br />
13,4-14), sondern etwas, das heute zumeist keine Rolle<br />
mehr spielt: die Beachtung des Gesetzes Gottes. Esra,<br />
der Schriftgelehrte, las aus dem Gesetz des Mose „vom<br />
lichten Morgen an bis zum Mittag vor Männern und<br />
Frauen und wer es verstehen konnte“ (Neh 8,3). Weiter<br />
heißt es: „Und die Leviten (…) unterwiesen das Volk<br />
im Gesetz, und das Volk stand auf seinem Platz. Und<br />
sie legten das Buch des Gesetzes klar und verständlich<br />
aus, so dass man verstand, was gelesen worden war“<br />
(Neh 8,7f.). Man stelle sich das vor: eine Gemeinde,<br />
die den gesamten Vormittag auf ihrem Platz steht, um<br />
das Gesetz Gottes zu hören! Heute gilt das Aufstehen<br />
für eine Lesung schon als unzumutbar, wenn mehr als<br />
wenige Verse gelesen werden – falls es dazu überhaupt<br />
noch kommt.<br />
Selbstverständlich bleibt es nicht beim Vorlesen des<br />
Gesetzes. Nach einer wiederholten, diesmal dreistündigen<br />
Lesung aus dem Gesetz, folgt nicht nur ein Bußgebet<br />
(Neh 9), sondern die Verpflichtung des Volkes, sich<br />
an dieses Gesetz zu halten: „Und (…) alle, die sich von<br />
den Völkern der Länder abgesondert haben und sich<br />
zum Gesetz Gottes halten, (…) sollen sich (…) mit<br />
einem Eid verpflichten, zu wandeln im Gesetz Gottes“<br />
(Neh 10,29f.). Und Nehemia meint das tatsächlich<br />
ernst. Alles fremde Volk wird aus Israel ausgeschieden,<br />
er setzt die Heiligung des Sabbats wieder durch und<br />
verbietet die Ehe mit ausländischen Frauen (alles Neh<br />
13). Kurz: er hält sich an Gottes Regeln. So und nur so<br />
kann Gottes Volk erfolgreich sein. Leider gibt es heute<br />
Gemeinden, die Gottes Wort nicht mehr ernst nehmen<br />
und sich ihre eigenen Erfolgsregeln basteln. Da wird<br />
plötzlich gesegnet, was Gott ein Gräuel ist, da werden<br />
Leiter berufen, die Gottes Kriterien nicht entsprechen,<br />
da werden Management-Methoden und Marketing-Tricks<br />
eingesetzt, um „Wachstum“ zu erzielen.<br />
Diese Gemeinden sind dann zwangsläufig nicht mehr<br />
von ihrer Umgebung zu unterscheiden, weil sie ja auf<br />
deren Applaus setzen statt auf die Anerkennung Gottes.<br />
Sie sind eben nicht „von den Völkern der Länder abgesondert“,<br />
sondern ihnen gleich. Dabei haben sie oft<br />
wohlmeinende Motive und Eifer für Gott – aber ohne<br />
Erkenntnis.<br />
Wer nun das Vorgehen Nehemias ebenfalls für „alttestamentlich“<br />
hält, der lese die Ermahnung des Paulus<br />
an die Gemeinde in Korinth (2. Korinther 6,16-18):<br />
„Wir aber sind der Tempel des lebendigen Gottes; wie<br />
denn Gott spricht: ‚Ich will unter ihnen wohnen und<br />
wandeln und will ihr Gott sein und sie sollen mein<br />
Volk sein.‘ Darum ‚geht aus von ihnen und sondert<br />
euch ab‘, spricht der Herr; ‚und rührt nichts Unreines<br />
an, so will ich euch annehmen und euer Vater sein und<br />
ihr sollt meine Söhne und Töchter sein‘, spricht der<br />
allmächtige Herr“. Wer der Meinung ist, Gottes Regeln<br />
seien überholt und könnten von der Gemeinde nach<br />
Gutdünken übergangen werden, der sollte hören, was<br />
Jesus sagt (Matthäus 5,19): „Wer nun eines von diesen<br />
kleinsten Geboten auflöst und lehrt die Leute so, der<br />
wird der Kleinste heißen im Himmelreich; wer es aber<br />
tut und lehrt, der wird groß heißen im Himmelreich“.<br />
KÄMPFEN MIT FREUDIGEM HERZ<br />
Kämpfen nach den richtigen Regeln, Ruf zur Absonderung,<br />
solche Aufforderungen haben oft den Ruf, etwas<br />
freudlos zu wirken. Um diesem Eindruck entgegen<br />
zu wirken, sei auf eine letzte Kampfpraxis Nehemias<br />
hingewiesen: das freudige Herz. Dass er in der Freude<br />
am Herrn seine Stärke sah, ist bereits aufgezeigt<br />
worden. Sein Bericht zeigt aber auch, wie ansteckend<br />
diese Freude wirkte. In Neh 8,12 heißt es unmittelbar<br />
im Anschluss an die Lesung des Gesetzes (!): „Und<br />
alles Volk ging hin um zu essen, zu trinken und davon<br />
auszuteilen und ein großes Freudenfest zu machen;<br />
denn sie hatten die Worte verstanden, die man ihnen<br />
kundgetan hatte“. Kurz darauf wird das Laubhüttenfest<br />
gefeiert, und Nehemia notiert: „Es war eine sehr<br />
große Freude“ (Neh 8,17). Die Einweihung der Mauer<br />
wurde „mit Freuden“ gehalten (Neh 12,27) und es<br />
heißt, gleichsam zusammenfassend für das Ergebnis<br />
des Dienstes für Gott: „Und sie waren fröhlich, denn<br />
Gott hatte ihnen eine große Freude gemacht, so dass<br />
sich auch Frauen und Kinder freuten, und man hörte<br />
die Freude Jerusalems schon von Ferne“ (Neh 12,43).<br />
Mehr Freude geht nicht. Gottes Reich an die erste<br />
Stelle zu setzen, aus der Kraft Gottes zu kämpfen und<br />
seinen Regeln zu folgen ist ein garantiertes Erfolgsrezept.<br />
Wer wie Nehemia kämpft, dessen Freude sollte<br />
man auch „von ferne“ hören können.<br />
Daniel Facius (*1981) ist Ehemann, Vater von drei Kindern und<br />
Jurist von Beruf. Er setzt sich im Ständigen Aussschuss des<br />
Bibelbundes für die Zuverlässigkeit der Schrift ein.<br />
15
Obadja: frisches<br />
Wasser in der Dürre<br />
Text von Nils Freerksema<br />
Als Verwalter am Hof des gottlosen Königs Ahab, lebt Obadja seinem<br />
Gott treu. In großer Gefahr und einer schlimmen Umgebung sehen<br />
wir einen Mann, der dafür kämpft seinem Gott zu vertrauen.
Die Sonne war vor etwa zwei Stunden aufgegangen<br />
und der Morgen noch angenehm<br />
kühl. Eine weite Ebene dehnt sich unter<br />
dem Horizont aus. Im weichen Licht<br />
dominieren bloß zwei Farben, die ganze<br />
Szene. Das leichte, staubige Braun der Erde und ein<br />
mildes, gleichmäßiges Blau, das den ganzen Himmel<br />
umspannt. Am Boden ist keine Pflanze zu sehen, kein<br />
Grashalm, kein Strauch. Am Himmel keine Wolke,<br />
nicht der Hauch eines Nebels. So ist es seit Monaten.<br />
Ja, seit bald drei Jahren hatte niemand mehr eine Wolke<br />
gesehen, keinen Tropfen Regen, nicht einmal Tau.<br />
Eine katastrophale Dürre bestimmte jedes Leben in<br />
Israel und dem Umland. Und nun war er, Obadja, hier<br />
unterwegs, um Wasser zu suchen. Irgend eine Quelle,<br />
irgendeinen Bach, der noch Leben hervorbrachte.<br />
Irgendeinen Ort, an dem noch irgendetwas wuchs,<br />
wenigstens ein bisschen Gras.<br />
Denn inzwischen gab es nicht<br />
mehr genügend Vorräte, um<br />
die Tiere des Königs am Leben<br />
zu erhalten. Und so hatte der<br />
König ihn geschickt und war<br />
auch selber losgezogen, um<br />
einen Platz zu finden, der die<br />
Pferde und Maultiere ernähren<br />
könnte.<br />
Obadja war der Verwalter<br />
des Königs, verantwortlich<br />
für all seinen Besitz. Damit<br />
hatte er eine sehr bedeutsame<br />
Stellung am Hof. Ahab, der<br />
König, brauchte in dieser<br />
Position jemanden, der treu<br />
und ehrlich war und er vertraute Obadja darin. Es ist<br />
merkwürdig, dass Ahab gerade Obadja für diese Position<br />
ausgewählt hatte. Ahab war ein gottloser und böser<br />
König, schlimmer als alle Könige Israels vor ihm (1.<br />
Könige 16,30), aber Obadja war ein Mann, der von seiner<br />
Jugend auf Gott sehr fürchtete (1. Könige 18,3.12).<br />
Er war ein guter und gerechter Mann und passte daher<br />
eigentlich nicht an den Hof eines so schlechten Königs.<br />
Doch scheinbar war sein guter Charakter selbst für<br />
Ahab so beeindruckend, dass er ihm diese wichtige<br />
Position anvertraute.<br />
In der Bibel finden wir auch andere treue, gottesfürchtige<br />
Männer, wie Joseph und Daniel, die höchst<br />
bedeutsame Positionen am Hof gottloser Könige<br />
hatten. Und wie diese war auch Obadja eifrig darin,<br />
mitten in einer gottlosen Umgebung, seinem Gott treu<br />
zu leben. Er war zwar ein Diener des Königs, lebte aber,<br />
wie sein Name es sagt, als „Diener des Herrn“.<br />
Obadja nutzte seine Möglichkeiten als Verwalter<br />
des Königs, um Gutes zu tun und schreckte auch nicht<br />
davor zurück, die Gesetze Gottes über die Gesetze<br />
des Königs zu stellen. Ahab war zwar politisch und<br />
militärisch geschickt und erfolgreich, ließ sich aber in<br />
der Religionspolitik vollständig von seiner Frau Isebel<br />
bestimmen. Sie war die Tochter eines gottlosen, heidnischen<br />
Königs und ließ mit ihrem Einfluss dafür sorgen,<br />
dass in Israel die Götzen Baal und Aschera angebetet<br />
Obadja hatte<br />
auch mit Angst<br />
und Zweifeln zu<br />
kämpfen.<br />
wurden. Sie hatte hunderte Propheten ins Land holen<br />
lassen, die, vom Staat versorgt, den Götzendienst im<br />
Land leiten und ausbreiten sollten. Dazu kamen viele<br />
Götzenbilder im ganzen Land und ein Tempel in der<br />
Hauptstadt. Die Verehrung dieser Götzen geschah<br />
durch Prostitution und Trinkgelage und sollte sie dazu<br />
bringen, Fruchtbarkeit im Land auszubreiten. Und genau<br />
an diesem Punkt hatte der Gott Israels gezeigt, wer<br />
tatsächlich ein lebendiger Gott ist. Auf das Gebet des<br />
Propheten Elia hin hatte es aufgehört zu regnen und<br />
von Fruchtbarkeit war im ganzen Land nichts mehr zu<br />
sehen.<br />
Isebel ging schließlich so weit, dass sie die Propheten<br />
dieses lebendigen Gottes ausrotten ließ. In dieser<br />
Situation hatte Obadja 100 Propheten des Herrn in<br />
Höhlen versteckt und mit dem versorgt, was sie zum<br />
Leben brauchten. Das war in Zeiten großer Hungersnot<br />
nicht nur eine schwierige<br />
Aufgabe, sondern auch sehr<br />
gefährlich für ihn selbst, denn<br />
Isebels Hass auf diese Propheten<br />
war groß und die Verfolgung<br />
wurde mit aller Gewalt<br />
durchgesetzt. Doch Obadja<br />
war nicht bloß darauf bedacht,<br />
selbst ein gottesfürchtiges<br />
Leben am Hof des gottlosen<br />
Königs zu führen, sondern er<br />
sah es auch als seine Aufgabe,<br />
diejenigen, die ebenfalls für<br />
Gott lebten, zu unterstützen.<br />
So gebrauchte Gott den Diener<br />
am Hof des Feindes dazu,<br />
seine verfolgten Propheten zu<br />
versorgen.<br />
Doch Obadja, der Gott so treu war und so mutige<br />
Aufgaben übernahm, hatte auch mit Angst und Zweifel<br />
zu kämpfen. Aus seinem Leben wird uns in der Bibel<br />
nur eine Begebenheit genauer berichtet. Dort sehen<br />
wir die Herausforderung, die ein Leben nach Gottes<br />
Willen in einer gottlosen Umgebung mit sich bringt.<br />
Es passiert, als er das dürre Land nach Wasser und<br />
Nahrung für die Tiere des Königs absucht. Obadja ist<br />
allein unterwegs auf dem trockenen Boden, unter dem<br />
wolkenlosen Himmel, als er einen Mann bemerkt, der<br />
ihm entgegen kommt. Vielleicht hat der auf seiner<br />
Reise irgendwo Wasser und Weiden gesehen und kann<br />
Obadja helfen. Doch irgendwie kommt ihm der Mann<br />
bekannt vor. Er hatte ihn schon einmal gesehen, vor<br />
längerer Zeit. Aber konnte es tatsächlich dieser Mann<br />
sein? Elia, der große Prophet Gottes? Der meist gehasste<br />
Mann am Hof des Königs. Er, den Ahab für die katastrophale<br />
Trockenheit verantwortlich machte und den<br />
er überall hatte suchen lassen. Er war es tatsächlich. Als<br />
Obadja ihn erkannte, warf er sich auf den Boden und<br />
musste ihn selbst fragen: „Bist du es, mein Herr, Elia?“<br />
Elia bestätigte: „Ja, ich bins!“ und gab ihm sogleich<br />
einen Auftrag: „Geh hin zu deinem Herrn, dem König<br />
und sag ihm: Elia ist hier!“ Obadja war schockiert von<br />
diesem Auftrag und antwortete: „Welche Sünde habe<br />
ich getan, dass du mich Ahab auslieferst, damit er mich<br />
18<br />
© Foto: Dominik Schröder
tötet? Er hat dich überall suchen lassen und ich soll<br />
jetzt zu ihm sagen: ‚Elia ist da!‘ Wenn ich hier weggehe,<br />
wird Gottes Geist dich vielleicht an einen ganz anderen<br />
Ort bringen und wenn ich Ahab von dir berichte und<br />
er dich nicht findet, wird er mich töten. Ich ehre Gott<br />
seit meiner Jugend. Weißt du nicht, was ich für die<br />
Propheten des Herrn getan habe? Dass ich sie versteckt<br />
und versorgt habe? Wieso soll ich jetzt diese Nachricht<br />
überbringen, dass Ahab mich töten wird?“ Voller<br />
Furcht sprudelt es aus Obadja heraus. Er fürchtet sich<br />
vor seinem Herrn, dem König und er empfindet Elias<br />
Auftrag als ungerecht. Er hat es doch nicht verdient, so<br />
dem König ausgeliefert zu werden. Obadja weiß, dass<br />
Elia ein Mann ist, durch den Gott redet. Er weiß, dass<br />
dieser Auftrag an ihn eigentlich ein Auftrag Gottes ist.<br />
Es ist auch sein ehrlicher Wunsch, Gott zuerst zu dienen<br />
und dann dem König. Aber in diesem Augenblick<br />
ist die Furcht vor Ahab, die<br />
Furcht vor dem Tod größer.<br />
Sofort hat Obadja einen<br />
schrecklichen Ausgang der<br />
Situation vor Augen und der<br />
ist wahrlich nicht unrealistisch.<br />
Er hatte erlebt, wie<br />
Elia während Ahabs Jagd auf<br />
ihn entkommen ist. Warum<br />
sollte das nicht wieder<br />
geschehen? Er wusste auch<br />
um den Zorn seines Königs<br />
und dass er nicht davor<br />
zurückschrecken würde, ihn<br />
zu töten. Nur das kann er in<br />
diesem Moment sehen und<br />
so ist seine Reaktion Empörung<br />
und Abwehr. Doch seine Haltung wendet sich<br />
erstaunlich schnell, als Elia noch einmal spricht: „So<br />
wahr, der Herr der Heerscharen lebt, vor dem ich stehe,<br />
ich werde mich Ahab heute zeigen!“ Diese Worte, die<br />
aus dem Mund Elias wie eine Verheißung Gottes sind,<br />
bringen Obadja dazu seine Furcht und Zweifel zu<br />
überwinden. Sogleich geht er los, um Ahab von Elia zu<br />
berichten. Er brauchte ein Wort von Gott, ein Versprechen,<br />
an dem er sich festhalten konnte. Damit war die<br />
Furcht nicht erledigt, aber es gab ihm die Stärke, sie<br />
zu überwinden. Nach dieser Begebenheit erfahren wir<br />
nichts weiter über sein Leben. Gott zeigt uns an ihm,<br />
wie ein Diener des Herrn mitten in einer bösen Welt<br />
und in seiner Arbeit gottlosen Menschen unterstellt,<br />
seinem Gott treu bleiben kann.<br />
Wir alle leben mitten in einer solchen Welt und<br />
sind auch von Gott dazu berufen. Er möchte, dass wir<br />
Licht in einer dunklen Welt sind (Matthäus 5,14), dass<br />
wir unter den Heiden ein gutes Leben führen und uns<br />
den menschlichen Ordnungen unterordnen (1. Petrus<br />
2,12-15). Ja, Jesus sagt sogar, dass er seine Nachfolger<br />
wie Schafe mitten unter die Wölfe sendet (Matthäus<br />
10,16). Jemand, der wie Obadja Gott fürchtet und<br />
ihm treu sein will, muss nicht aus der Welt heraus<br />
gehen, wie schlimm sie auch ist. Elias Berufung war,<br />
das gottlose System zu konfrontieren und er musste<br />
in der Konsequenz aus diesem System hinaus. Gott<br />
Es war sein ehrlicher<br />
Wunsch, Gott zuerst<br />
zu dienen und dann<br />
dem König.<br />
gebrauchte ihn dadurch für mächtige Zeichen und<br />
Beweise seiner Herrschaft. Obadja jedoch wurde von<br />
Gott mitten in dieses System gebracht, um dort treu<br />
zu sein und sogar die Versorgung für viele gottesfürchtige<br />
Männer sicherzustellen. Obadja konnte seinen<br />
König nicht von dem bösen Weg abbringen, auf dem<br />
er war, aber umgekehrt konnte der König auch seinen<br />
Diener nicht davon abbringen, Gott zu fürchten und<br />
seine Position zum Guten zu nutzen. Dies stellte ihn<br />
jedoch auch vor große Herausforderungen. Sicher hatte<br />
Obadja an mehreren Stellen mit der Furcht vor Ahab<br />
zu kämpfen. Ein Leben in dieser Welt bringt auch uns<br />
immer wieder in die Spannung zwischen Menschenfurcht<br />
und Gottvertrauen. Wenn ich nach dem Vorbild<br />
Jesu und Gottes Wort treu handeln möchte, kann es<br />
sein, dass die Konsequenzen unangenehm sind. Mindestens<br />
werde ich mir unangenehme Konsequenzen<br />
ausmalen können. Riskiere<br />
ich meinen Job, wenn ich<br />
bei den unehrlichen Tricks<br />
nicht mitmache? Riskiere ich<br />
diese Freundschaft, wenn ich<br />
für die Wahrheit einstehe?<br />
Riskiere ich meine Anerkennung,<br />
wenn ich Sünde<br />
bekenne? Wir dürfen von<br />
Obadja lernen, dass diese<br />
Spannungen real sind und<br />
dass sie überwunden werden<br />
können. Obadja vertraute<br />
darauf, dass Gott der wahre<br />
Herr über alle Herren dieser<br />
Welt ist und er vertraute den<br />
Verheißungen, die Gott gibt.<br />
Auch uns gibt Gott in seinem Wort die Verheißungen,<br />
die wir brauchen, um in einer bösen Welt ihm treu<br />
zu leben. Im Vertrauen darauf können wir eine kleine<br />
Quelle lebendigen Wassers mitten in der Dürre-Katastrophe<br />
sein.<br />
Nils Freerksema (*1986) ist ist derzeit als Pastor in der<br />
FEG Christus-Gemeinde Bremen tätig und lässt sich dort in<br />
Gemeindegründungsarbeit ausbilden.<br />
19
NACH CHRISTUS<br />
Die Rubrik für Biografien<br />
& Kirchengeschichte.<br />
Nicholas Ridley (links) und Hugh Latimer<br />
(in der Mitte mit Bibel) auf ihrem Gang zum<br />
Scheiterhaufen (Oxford 1555). Ridley war zu<br />
diesem Zeitpunkt ca. 55 Jahre alt, Latimer<br />
ca. 10 Jahre älter. Dieses Gemälde wurde im<br />
19. Jahrhundet (ca. 1860–1866) von Hermann<br />
Schweder angefertigt.
Hugh<br />
Latimer<br />
Text von Sergej Pauli<br />
Im deutschsprachigen Raum hört man im Rahmen der Reformationsgeschichte<br />
selten den Namen Hugh Latimer. Dabei spielt er im<br />
England der Vorreformation eine entscheidende Rolle. Sein Tod auf<br />
dem Scheiterhaufen verdeutlicht seine Liebe zum Wort Gottes und<br />
seine Treue bis zum letzten Atemzug. Sein Ende macht ihn zu einem<br />
beeindruckenden Märtyrer der wahren Gemeinde Jesu. Und so<br />
begann seine Geschichte ...<br />
DIE BEKEHRUNG<br />
„Sie hatten aber allein gehört, dass, der uns weiland<br />
verfolgte, der predigt jetzt den Glauben,<br />
welchen er weiland verstörte“ (Galater 1,23)<br />
Latimer wurde irgendwann um 1485 (genaues Datum<br />
unbekannt) in Leicestershire als Sohn einer Bauernfamilie<br />
geboren. Trotz der Armut war es ihm möglich, in<br />
Cambridge Theologie zu studieren. Er zeichnete sich<br />
durch ausgezeichnete Leistungen aus und war nach<br />
seiner Priesterweihe ein eifriger Priester, der mit vollem<br />
Einsatz gegen aufkeimende protestantische Lehren<br />
kämpfte. Gerade Cambridge war eine Keimzelle der<br />
englischen Reformation. Denn hier war Erasmus von<br />
Rotterdam tätig, der bei den Gelehrten und Studenten<br />
gleichermaßen ein Interesse an Griechisch, Hebräisch<br />
und am ursprünglichen Inhalt biblischer Texte weckte.<br />
Er hinterließ auch ein griechisches Neues Testament,<br />
welches dazu führte, dass der eifrige Student Thomas<br />
Bilney zum lebendigen Glauben fand. Bilney war ein<br />
einfacher Mann mit einem großen Herzen, der weitere<br />
Menschen zum Glauben führte. Latimer sah, dass<br />
die „lutherischen Heresien“ auch nach Deutschland<br />
übergriffen, und positionierte sich als Gegner der Reformation.<br />
Während eines Vortrags 1524 merkte Bilney<br />
die Aufrichtigkeit Latimers und entschied sich zu einer<br />
mutigen Tat. Nach dem Vortrag bat er Latimer darum,<br />
ihm persönlich sein Glaubensbekenntnis zu erzählen,<br />
was zu einem Schlüsselerlebnis in Latimers Leben<br />
werden sollte. Er erwarb sich ein Neues Testament und<br />
schon bald warf er seine ganze Hoffnung in die Hände<br />
seines Erretters Jesus Christus. Von nun an wurde Latimer<br />
Bilneys ständiger Begleiter. So wurde aus einem<br />
Gegner der Reformation ein eifriger Verfechter des<br />
Evangeliums, der treu blieb bis zum Tod.<br />
EINE DUNKLE ZEIT<br />
Wenn man das Leben der Reformatoren studiert,<br />
staunt man über manch einen Schatten, den ihr Leben<br />
wirft. So sprachen sich z.B. auch die englischen Reformatoren<br />
üblicherweise für die Todesstrafe gegenüber<br />
denen aus, die die Dreieinigkeit leugneten. Verglichen<br />
jedoch mit den Irrungen und den Gewalttaten des<br />
katholischen Mittelalters erscheint die Reformation wie<br />
gleisendes Licht. Noch 1519 wurden sieben Menschen<br />
verbrannt, weil sie ihren Kindern das Vaterunser und<br />
die zehn Gebote auf Englisch beigebracht hatten. Die<br />
Priester, die dem Volk hätten vorangehen müssen,<br />
lebten oftmals in Saus und Braus und tiefen Sünden.<br />
Es gab Kardinäle, die höchstens einmal im Jahr eine<br />
Predigt hielten. John Hooper, ein Zeitgenosse Latimers<br />
und ebenfalls ein Märtyrer, machte folgende Erfahrung<br />
in seiner Diözese: Von den 311 Klerikern konnten 168<br />
nicht die Zehn Gebote aufsagen, 31 wiederum wussten<br />
nicht, wo man sie hätte finden können. 40 von ihnen<br />
konnten nicht sagen, wo das Vaterunser steht, und 31<br />
von den 40 wussten nicht, wer der Autor des Vateruns-<br />
© Gemälde: Hermann Schweder (ca. 1860-1866) 21
ers ist. 1 Wenn es so um die Pastoren stand, wie ging<br />
es da dem Volk? Zu dieser Unwissenheit kommt eine<br />
große Ungerechtigkeit hinzu: Cardinal Wolse (1473 –<br />
1530), der wichtigste Mann der katholischen Kirche in<br />
England, erhob seinen illegalen Sohn, als dieser noch<br />
ein Junge war, zu zahlreichen Würden, die diesem ein<br />
fürstliches Einkommen bescherten. 2 In dieser dunklen<br />
Zeit brach sich das Evangelium seinen Weg. Gott<br />
erwählte sich treue Zeugen, die sein Wort im Angesicht<br />
des Todes klar predigten.<br />
Bereits 1525 wurde der Bischof von Ely auf die<br />
„Ketzereien“ Latimers aufmerksam. Unter anderem<br />
predigte Latimer über die Rechtfertigung allein aus<br />
Glauben. Er versuchte Latimer eine Falle zu stellen,<br />
indem er unangekündigt zu einer Predigt Latimers erschien.<br />
Als jedoch der Bischof die Kirche betrat, hörte<br />
Latimer auf zu reden und sprach den Bischof direkt an:<br />
„Eine neue Zuhörerschaft von solchem Rang, verlangt<br />
nach einer neuen Botschaft. Ich werde von dem ehrenhaften<br />
Stand eines Bischofs reden“. Er hielt spontan<br />
eine Predigt über das Amt eines Dieners: Diesem ist<br />
Christus ein Vorbild. Ein Diener soll nicht nach einem<br />
gemütlichen Leben Ausschau halten, sondern der Herde<br />
dienen. Es fiel den Zuhörern nicht schwer, die Diskrepanz<br />
zwischen Theorie und Praxis zu erkennen. Es<br />
sollte ein Predigtverbot folgen, welches jedoch nur Kirchen,<br />
aber nicht Klöster betraf. In dieser Zeit predigte<br />
Latimer im Augustiner Kloster in Cambrigde, dessen<br />
Abt Robert Barnes der Reformation positiv gegenüber<br />
stand. Doch schon bald wurde ein Verfahren gegen<br />
Barnes aufgerollt und schließlich auch gegen Latimer<br />
und Bilney. Latimer musste sich vor Kardinal Wolsey<br />
verantworten, der sehr überrascht von den Kenntnissen<br />
Latimers in den Schriften der Kirchenväter war, und<br />
dadurch sein Predigtverbot wieder aufhob.<br />
AM HOFE DES HERODES<br />
„Herodes aber fürchtete Johannes; denn er wusste,<br />
dass er ein frommer und heiliger Mann war;<br />
und verwahrte ihn und gehorchte ihm in vielen<br />
Sachen und hörte ihn gern“ (Markus 6,20)<br />
Die englische Reformation ist eng mit einem überaus<br />
seltsamen König, nämlich Heinrich dem VIII (1491-<br />
1547) verbunden: Ein brutaler, von seinen Trieben<br />
geleiteter König, der jedoch gleichzeitig (zumindest<br />
sporadisch) das Werk der Reformation förderte. Dabei<br />
war er gebildet und disputierte mit den Humanisten<br />
und wurde vom Papst zum Verteidiger des katholischen<br />
Glaubens ernannt, nachdem er in einer Schrift Luthers<br />
Wirken in Deutschland angriff. Doch Heinrich VIII<br />
wollte die Scheidung, die der Papst ihm verweigerte,<br />
woraufhin sich ersterer kurzerhand selbst zum Ober-<br />
1 J.C.Ryle: Fünf Märtyrer, 1 Auflage 1995, CLV Bielefeld<br />
2 Richard M. Hannula: Hugh Latimer, first published 2013, EP<br />
Books, Grand Rapids<br />
haupt der Kirche in England ernannte. Immer wieder<br />
wird Heinrich der VIII mit Herodes verglichen, der<br />
Johannes den Täufer gefangen hielt, und ihm doch<br />
gleichzeitig in vielen Sachen gehorchte. So wurde<br />
Latimer, nachdem Heinrich VIII mit Rom brach,<br />
1534 königlicher Kaplan und schließlich sogar Bischof<br />
von Worcester. Mutig bekannte er vor dem König das<br />
Evangelium und konnte nun versuchen, die Predigt zu<br />
reformieren. Immer noch gab es keine englischsprachige<br />
Bibel und immer noch waren viele Priester überaus<br />
ungelehrt im Wort Gottes. Latimer jedoch wuchs in<br />
der Erkenntnis des Herrn und entwickelte ein immer<br />
tieferes evangelikales Verständnis von der Schrift. Heinrich<br />
VIII ging es derweil nicht so sehr um die Reformation,<br />
wie um die eigene Macht. So schaffte er zwar einen<br />
Großteil der Klöster ab, wandelte diese aber nicht,<br />
wie die Reformatoren sich dies gewünscht hätten, in<br />
Schulen oder Wohnheime um, sondern in Stallungen<br />
für seine zahlreichen Pferde. Die teilweise beachtlichen<br />
Schätze der Klöster landeten dann selbstverständlich<br />
auch in der Schatzkammer des Königs. 1539 wurden<br />
die sogenannten „sechs Artikel“ vom König veröffentlicht,<br />
die manch eine Reform wieder zurücknahmen.<br />
So wurden Priesterehen wieder verboten. Die Realpräsenz<br />
Christi im Abendmahl, wie auch die Priesterbeichte<br />
wurden in diesen Artikeln wieder stark betont. Im<br />
Vergleich zu den davor erschienenen zehn Artikeln, war<br />
dies für viele Reformatoren ein Schritt zurück zum Katholizismus.<br />
Auch Latimer verwarf sich mit dem König<br />
und wurde daraufhin im Tower of London inhaftiert<br />
und von seinem Bischofsamt abgesetzt. Später bekam<br />
er ein Predigtverbot und wurde aufs Land geschickt.<br />
Es wird berichtet, dass Latimer vor Freude in die Luft<br />
sprang, als er die Bischofsrobe ablegte, denn er „fühlte<br />
seine Schultern so leicht, und von einer großen Last<br />
erleichtert zu sein“.<br />
DER PREDIGER DES EVANGELIUMS<br />
„Predige das Wort, halte an, es sei zu rechter<br />
Zeit oder zur Unzeit“ (2. <strong>Timotheus</strong> 4,2)<br />
Aufgrund der sechs Artikel flohen zahlreiche evangelikale/evangelische<br />
Christen aus England auf den<br />
Kontinent und fanden vor allem in der Schweiz eine<br />
freundliche Aufnahme, wo sie in Kontakt mit Calvin,<br />
Bucer und Melanchton kamen. Dies sollte sich Jahre<br />
später als besonders fruchtbar für die Reformation in<br />
England erweisen. Latimer jedoch blieb in England<br />
und versuchte, als Christ in einer dunklen Zeit zu<br />
leben. Immer zeichnete sich sein Leben durch Hilfsbereitschaft<br />
gegenüber seinen Mitmenschen aus. Er half,<br />
wo er konnte, opferte viel. Katholiken warnten immer<br />
davor, dass die Gnadenlehre den Menschen verderben<br />
wird, und dieser keine guten Werke mehr tun würde.<br />
Hier sollten Sie gewaltig irren. Da, wo das Evangelium<br />
wirkt, befreit Es die Menschen zu einem neuen Glaubensgehorsam.<br />
Christen sind in der Lage, aus freien<br />
22
Stücken Gott zu ehren und ihren Nächsten zu lieben.<br />
Dies durften viele Menschen an dem Wandel zahlreicher<br />
Reformatoren feststellen. Trotz seines Predigtverbots<br />
wurde Latimer von Gott dazu gebracht, Menschen<br />
in persönlichen Gesprächen zu Christus zu führen.<br />
John Olde, der später ein Bibelübersetzer werden<br />
sollte, war einer davon. Jahre später berichtete er über<br />
Latimer: „Ich bekenne aus Grund meines Herzens, dass<br />
Latimer ein echtes Werkzeug(…) Gottes war. Er hatte<br />
eine gesunde Lehre, ein gottgefälliges Leben und war<br />
ein treuer Freund, welchen Gott benutzte, um mir den<br />
echten christlichen Glauben zu öffnen“. 1537 wurde<br />
durch König Eduard VI (den Nachfolger Heinrich<br />
VIII) eine Generalamnesie ausgesprochen, die auch<br />
Latimer wieder das Predigtrecht gab. Latimer lehnte es<br />
ab, wieder Bischof zu werden und wurde stattdessen ein<br />
Prediger des Volkes. Die Herrschaft Eduards zeichnet<br />
sich als eine besondere Lichtphase in der englischen Reformation<br />
aus: Das Zölibat wurde (wieder) abgeschafft,<br />
die Heilige Messe verboten, das „Book of Common<br />
Prayer“ eingeführt. Englischsprachige Bibeln erschienen<br />
und wurden in vielen Kirchen öffentlich zum Lesen<br />
ausgelegt. Leider verstarb Eduard bereits mit fünfzehn<br />
Jahren und hinterließ keinen Nachfolger. Seine streng<br />
katholische Stiefschwester Maria I. Tudor bestieg den<br />
Thron. Dies sollte eine besonders aggressive Periode der<br />
Verfolgung der Evangelischen einleiten.<br />
DER MÄRTYRER<br />
„Sei getreu bis in den Tod, so will ich dir die<br />
Krone des Lebens geben“ (Offenbarung 2,9)<br />
Maria I. Tudor wollte um jeden Preis zurück zum<br />
Katholizismus. Ohne königliches Recht durfte niemand<br />
mehr predigen. Schon bald hatte Maria sich<br />
ein Parlament zusammengestellt, welches mit ihren<br />
Ansichten übereinstimmte. Die Englischen Bibeln<br />
verschwanden aus den Kirchen und wurden durch<br />
lateinische ersetzt. Das Zölibat wurde wieder eingeführt<br />
sowie auch die Heilige Messe. Viele Reformatoren<br />
flohen oder versteckten sich. Latimer blieb und litt<br />
für seinen Glauben. Kurz vor Marias Machtergreifung<br />
hielt er eine Predigt über treue Diener, in der er sagte:<br />
„Was ist der Lohn für ihre Berufung und ihre Arbeit?<br />
Nun, Johannes der Täufer wurde enthauptet; Christus<br />
gekreuzigt; die Apostel getötet: Das war der Lohn für<br />
ihre Arbeit. Darum sollte jeder Prediger nicht nach<br />
einem anderen Lohn Ausschau halten“. Es sollte nicht<br />
lange dauern, bis auch Latimer vor Marias Thron<br />
gerufen wurde. Doch obwohl Latimer klar war, dass<br />
er nur ein Todesurteil zu erwarten hatte, begab er sich<br />
ohne Gegenwehr an den Hof. Als er wieder im Tower<br />
of London inhaftiert wurde, traf er denselben Wächter,<br />
wie bei seinen Inhaftierungen zuvor. Diesen grüßte<br />
Latimer:“ Mein Freund, wie geht es dir? Ich bin wieder<br />
gekommen, um dein Nachbar zu sein“ In den benachbarten<br />
Zellen waren zudem weitere Bekannte Latimers<br />
inhaftiert: Thomas Cranmer und Nicholas Ridley. Es<br />
sollte eine langwierige Tortur folgen, mit zahlreichen<br />
Verhören und einer durchaus harten Inhaftierung. Am<br />
16ten Oktober 1555 war es dann soweit, dass Latimer<br />
und Ridley auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurden,<br />
weil beide die Realpräsenz Christi im Abendmahl<br />
leugneten. 3 Während das Feuer aufstieg sprach Latimer<br />
zu Ridley die berühmten Worte: „Seid guten Mutes,<br />
Master Ridley, und zeugt Euch als Mann. Wir werden<br />
heute durch Gottes Gnade ein solches Licht in England<br />
anzünden, das – darauf vertraue ich – nie ausgelöscht<br />
werden wird!“<br />
Latimer sollte recht behalten. Die Bemühungen<br />
der blutigen Maria, das Evangelium einzuschränken,<br />
sollten viel mehr das Gegenteil bewirken und es sollte<br />
bestätigen, was bereits der Kirchenvater Tertullian feststellte:<br />
„Das Blut der Märtyrer ist der Same der Kirche“<br />
ZUSAMMENFASSUNG<br />
Latimer wuchs in der Gnade, er hatte seine Erkenntnis<br />
aus der Schrift. Er stimmte in großen Stücken mit<br />
Luther und den anderen Reformatoren überein, ohne<br />
jemals die Schriften von ihm gelesen zu haben.<br />
Die Ursache, warum etwa 300 Protestanten in etwa<br />
vier Jahren der Herrschaft der blutigen Maria auf dem<br />
Scheiterhaufen verbrannt wurden, ist eine, für die der<br />
moderne Mensch kaum Verständnis aufbringen kann:<br />
Weil Sie nicht bereit waren, eine spezielle Lehre der<br />
katholischen Kirche anzunehmen, wurden sie verbrannt,<br />
nämlich die Realpräsenz des Leibes und des<br />
Blutes Christi in den Elementen des Abendmahls. War<br />
dies nur Haarspalterei? Uns muss bewusst werden, dass<br />
die katholische Lehre von der Realpräsenz eine wichtige<br />
Lehre des Evangeliums zerstört: Das einmalige Opfer<br />
Christi ist dann nicht mehr genügend, und ein erneutes<br />
Opfer Christi durch einen Priester wird notwendig.<br />
Dadurch werden sündige Menschen in die Stellung<br />
eines Mittlers zwischen Gott und den Menschen erhoben.<br />
Die Folge ist, dass man mit den Elementen Brot<br />
und Wein einen Götzendienst betreibt. Dies erkannten<br />
zahlreiche Reformatoren. Und zwar so deutlich, dass<br />
Sie bereit waren, dafür zu sterben.<br />
3 Man sollte bedenken, dass eine Verbrennung auf einem Scheiterhaufen<br />
eine überaus schreckliche Tortur war. Das Holz brannte oft<br />
schlecht und manch einer wurde stundenlang gequält. Einen Vorteil<br />
hatte, wer für seine eigene Verbrennung Schießpulver beitragen<br />
konnte, um das Feuer schneller entfachen zu können.<br />
Sergej Pauli (*1989) ist mit Elvira verheiratet und Vater zweier<br />
Kinder. Er arbeitet als Entwicklungsingenieur. Zudem schreibt er<br />
regelmäßig für den Literaturblog nimm-lies.de.<br />
23
SCHRIFTGELEHRT<br />
Die Rubrik zum<br />
Alten Testament.
Loyal bis in den Tod –<br />
Uria, der Hetiter<br />
Text von Andreas Münch<br />
2007 startete ein Kinofilm, der jedes echte Männerherz höherschlagen<br />
ließ. Er handelte von 300 Soldaten, die ihrem König bis zum<br />
letzten Atemzug loyal waren und alles gaben, um ihre Heimat vor<br />
den Feinden zu beschützen.<br />
© Foto: Lorem Ipsum
Der epische Blockbuster 300 erzählt die<br />
Geschichte der antiken Elitegruppe von<br />
300 griechischen Soldaten, den berühmten<br />
Spartanern, die gemeinsam mit ihrem<br />
König Leonidas I. gegen die persische<br />
Armee kämpften. Auch wenn die Actionszenen fernab<br />
jeglicher Realität sind, so staunt man doch über diese<br />
Krieger. Denn es sind nicht irgendwelche Soldaten,<br />
sondern die Besten der Besten. Auch wenn sie am<br />
Ende, aufgrund von Verrat, im Kampf fielen, so sind<br />
sie doch die wahren <strong>Helden</strong> dieser Geschichte. Was<br />
mich so sehr an diesen Kriegern fasziniert und wovon<br />
ich mir gerne eine große Scheibe abschneiden würde,<br />
ist nicht nur ihr perfektes Six-Pack, sondern ihre unerschütterliche<br />
Loyalität ihrem König gegenüber.<br />
Im Alten Testament lesen wir ebenfalls von einem<br />
solchen Krieger, der seinem König absolut loyal war<br />
und ihm bis zu seinem letzten Atemzug diente. Er<br />
war einer der 37 <strong>Helden</strong> Davids, von denen wir in 2.<br />
Samuel 23,8-39 und 1. Chronik 11,10-47 lesen – Uria,<br />
der Hetiter. Die Bibel stellt uns Uria als einen gewissenhaften<br />
Mann vor, auf den man sich hundertprozentig<br />
verlassen konnte. Von seinem Beispiel wollen wir<br />
lernen.<br />
EINIGE FAKTEN ZUM HELDEN<br />
Uria wird in jedem der beiden Aufzählungen der <strong>Helden</strong><br />
Davids erwähnt sowie im Geschlechtsregister Jesu,<br />
in Matthäus 1,6. Jedoch berichten uns die Kapitel 11<br />
und 12 im 2. Samuelbuch am ausführlichsten über ihn.<br />
Doch selbst in diesem Text spielt er nur eine Nebenrolle.<br />
Die Hauptrollen übernehmen König David und<br />
Urias Frau Batseba. Es ist die bekannte Geschichte<br />
von König Davids großem Fall. Uria wird oft mit dem<br />
Zusatz „der Hetiter“ genannt. Uria war demnach kein<br />
Hebräer, jedoch trug er einen hebräischen Namen,<br />
nämlich „Jahwe ist mein Licht“. Auch wenn er kein<br />
gebürtiger Hebräer war, so war er doch ein wahrer<br />
Israelit, jemand, der sich mit dem Bundesvolk Gottes<br />
identifizierte und im Dienst Jahwes stand.<br />
Wenn wir das Leben Urias betrachten, dann können<br />
wir zwei Merkmale von wahrer Loyalität entdecken<br />
(es wäre hilfreich, wenn du dir die Geschichte aus 2.<br />
Samuel 11 einmal durchliest).<br />
URIA WUSSTE, WO SEIN PLATZ WAR<br />
Als einer der <strong>Helden</strong> Davids befand sich Uria oft im<br />
Krieg und war somit getrennt von Frau und Familie.<br />
So war es auch in der uns vorliegenden Situation(vgl.<br />
2. Samuel 11,1). Unter der Führung des Heermeisters<br />
Joab war auch Uria an der Front. Während Uria im<br />
Krieg kämpfte, beging König David mit dessen Frau<br />
Batseba Ehebruch und sie wurde schwanger. Da man<br />
zu dieser Zeit noch keinen Vaterschaftstest machen<br />
konnte, dachte David sich in seiner angeblichen Klugheit,<br />
dass er Uria nur dazu bringen musste, mit seiner<br />
Frau zu schlafen, damit er selber aus der Sache fein raus<br />
ist. Wir lesen in 2. Samuel 11,6-8: Da sandte David<br />
zu Joab: Schick mir Uria, den Hetiter! Und Joab schickte<br />
Uria zu David. Und Uria kam zu ihm, und David fragte<br />
nach dem Wohlergehen Joabs und nach dem Wohlergehen<br />
des Volkes und nach der Kriegslage. Und David sagte zu<br />
Uria: Geh in dein Haus hinab und wasche deine Füße!<br />
Und als Uria aus dem Haus des Königs ging, kam ein<br />
Geschenk des Königs hinter ihm her. David holte Uria<br />
vom Schlachtfeld weg, ließ ihn die ca. 60 Km von<br />
Raba nach Jerusalem kommen und gab ihm einen Tag<br />
Urlaub. Er wähnte sich in Sicherheit, denn was würde<br />
wohl ein Mann tun, der in der letzten Zeit nur draußen<br />
geschlafen und Mord und Totschlag erlebt hatte<br />
und nun die einmalige Gelegenheit bekam, eine ruhige<br />
Nacht mit seiner hübschen Frau zu verbringen? Die<br />
männliche Antwort ist offensichtlich. Natürlich würde<br />
er diesen kostbaren Moment für die intime Zweisamkeit<br />
mit seiner Frau nutzen. Doch David rechnete nicht<br />
mit der Loyalität seines <strong>Helden</strong>. Uria ging nicht zu<br />
seiner Frau, sondern blieb bei den Truppen in Jerusalem.<br />
Als David ihn darauf ansprach, gab Uria eine<br />
Erklärung ab, die deutlich für seinen loyalen Charakter<br />
spricht: Die [Bundes-]Lade und Israel und Juda wohnen<br />
in Zelten, und mein Herr selbst, Joab, und die Knechte<br />
meines Herrn lagern auf freiem Feld, und da sollte ich in<br />
mein Haus hineingehen, um zu essen und zu trinken und<br />
bei meiner Frau zu liegen? So wahr du lebst und deine<br />
Seele lebt, wenn ich das tue! (2. Samuel 11,11) Ich kann<br />
mir gut vorstellen, wie es David in diesem Moment<br />
richtig schlecht wurde; wie er versucht, Fassung zu bewahren,<br />
um anschließend seinem <strong>Helden</strong> Lob für seine<br />
Einstellung vorzuheucheln.<br />
Uria war zwar einer der <strong>Helden</strong> Davids, doch er<br />
bildete sich nichts darauf ein. Im Gegenteil: Gerade<br />
weil er einer der wichtigsten Persönlichkeiten im Heer<br />
Israels war, sähe es nicht gut aus, wenn er sich mitten<br />
im Kampf eine Auszeit nehmen würde. Denn er wollte<br />
und musste dort sein, wo er hingehörte. Die Bundeslade,<br />
das Zeichen der Gegenwart Gottes unter dem Volk,<br />
weilte in einem Zelt, ebenso wie die gesamte Kriegsmannschaft.<br />
Für Uria war es unmöglich, mehr Komfort<br />
zu genießen als seine Mitstreiter. Uria war loyal und<br />
deshalb wusste er, wo sein Platz war. Doch Uria war<br />
nicht nur dort, wo er hingehörte, sondern er gab dort<br />
auch sein Bestes.<br />
26<br />
© Foto: Greg Shield
URIA GAB SEIN BESTES<br />
Unsere Geschichte mit Uria und David ist noch nicht<br />
zu Ende. Denn durch seine Loyalität hatte Uria Davids<br />
Plan gründlich vermasselt. Letzterer versuchte es einen<br />
Abend später erneut. Nur ließ sich Uria nicht von seiner<br />
Treue abbringen, selbst dann nicht, als er betrunken<br />
war (2. Samuel 11,12-13). Als David feststellte, dass<br />
Uria nicht auf seine List hereinfiel, änderte er die Strategie.<br />
Dieses Mal hatte er aus seinen „Fehlern“ gelernt.<br />
David übergab Uria persönlich einen Brief an Joab, in<br />
dem stand, dass man Uria an die vorderste Front stellen<br />
sollte. Die Sache war einerseits enorm riskant, schließlich<br />
hätte Uria den Brief lesen können. Doch andererseits<br />
konnte David sich auf dessen Loyalität verlassen,<br />
so dass dieser sein eigenes Todesurteil überbrachte! So<br />
kam es dann auch. Davids Plan ging auf und Uria kam<br />
um (2. Samuel 11,23-24).<br />
Uria war einer der mutigen Kämpfer, die zu verhindern<br />
versuchten, dass die Feinde aus ihrer Festung<br />
herauskamen, um Israel zu überrennen. Da die<br />
Ammoniter dem Bericht nach zahlenmäßig überlegen<br />
waren, war es vermutlich eine aussichtslose Aktion. Wir<br />
lesen, dass Uria bis zum bitteren Ende kämpfte. Er lief<br />
nicht davon, als die Feinde aus der Stadt herauskamen<br />
und widersetzte sich auch nicht dem Befehl Joabs.<br />
Auf dessen Anweisung ging er dorthin, wo der Kampf<br />
am heftigsten war. Denn er wusste genau, dass er als<br />
einer der 37 <strong>Helden</strong> Davids dort zu kämpfen hatte, wo<br />
andere den Mut verloren. Diesen Einsatz bezahlte er<br />
mit seinem Leben. Dieser Krieger starb in der Schlacht,<br />
doch sein Zeugnis hat die Jahrtausende überdauert.<br />
Uria war loyal bis in den Tod. Er wusste ganz genau,<br />
wo sein Platz war und dort gab er sein Bestes.<br />
Ich liebe solche Geschichten und lese gerne von<br />
solchen <strong>Helden</strong>. Der loyale Freund ist mein Lieblingscharakter<br />
in epischen Erzählungen und mit ihm<br />
identifiziere ich mich am liebsten. Loyalität und echte<br />
Treue ist in unserer Gesellschaft zur Mangelware verkommen.<br />
Ich möchte da anders sein. Als Christ möchte<br />
ich vor allem den Worten meines Herrn und Königs<br />
Jesus nachkommen, wenn Er zu Seiner Gemeinde<br />
spricht: Sei treu bis zum Tod! Und ich werde dir den<br />
Siegeskranz des Lebens geben (Offenbarung 2,10). Ich<br />
möchte gerne eines glorreichen Tages die Worte aus<br />
dem Mund meines Königs hören: Recht so, du guter<br />
und treuer Knecht! Über weniges warst du treu, über<br />
vieles werde ich dich setzen; geh hinein in die Freude<br />
deines Herrn (Matthäus 25,21).<br />
Sofern du Christ bist, gehe ich mal davon aus, dass<br />
dies ebenfalls dein Ziel ist. Wir möchten unserem Gott<br />
loyal sein und möchten dort unser Bestes geben, wo<br />
Er uns hingestellt hat. Das betrifft unsere Ehe, unseren<br />
Dienst in der Gemeinde, unser Zeugnis in der Welt<br />
und wozu uns Gott noch berufen sollte. Wir möchten<br />
wie Uria sein – <strong>Helden</strong>, die eher sterben würden, als<br />
sich mit Untreue zu beflecken!<br />
ICH BIN NICHT URIA<br />
Doch ich bin nicht wie Uria, sondern oftmals eher wie<br />
David in dieser Geschichte – das ist die harte Wahrheit.<br />
Ich möchte zwar loyal sein, doch so oft bin ich<br />
es nicht. Ich versage als Ehemann, Vater, Pastor und<br />
Freund. Das Beispiel von Uria kann auch entmutigend<br />
sein, weil ich weiß, dass meine Lebenswirklichkeit ganz<br />
anders aussieht. Und doch gibt es Hoffnung für uns<br />
Möchtegern-Urias. Und es ist schon ironisch, dass diese<br />
Hoffnung ausgerechnet von unserem König ausgeht,<br />
dem wir die Treue geschworen haben – Jesus Christus.<br />
Uria wird zwar nicht bei den Glaubenshelden in<br />
Hebräer 11 aufgelistet, aber dennoch dient er als Schatten,<br />
als Hinweiser auf Christus hin.<br />
Jesus war unserem himmlischen Vater gegenüber<br />
absolut loyal. Er gehorchte Gott in allem, tat keine einzige<br />
Sünde und sagte und tat nur das, was Er den Vater<br />
sagen hörte und tun sah. Jesus hatte ein klares Ziel vor<br />
Augen, wusste wo Sein Platz war und Er gab nicht nur<br />
Sein Bestes, sondern Er gab alles – Sein eigenes Leben!<br />
Das, was wir gerne sein wollen (loyal Gott gegenüber)<br />
und nicht können, tat Christus für uns. Paulus bringt<br />
es in Römer 8,3-4 auf den Punkt: Das Gesetz des Mose<br />
war dazu nicht imstande; es scheiterte am Widerstand der<br />
menschlichen Natur. Deshalb hat Gott als Antwort auf<br />
die Sünde seinen eigenen Sohn gesandt. Dieser war der<br />
sündigen Menschheit insofern gleich, als er ein Mensch von<br />
Fleisch und Blut war, und indem Gott an ihm das Urteil<br />
über die Sünde vollzog, vollzog er es an der menschlichen<br />
Natur. So kann sich nun in unserem Leben die Gerechtigkeit<br />
verwirklichen, die das Gesetz fordert, und zwar<br />
dadurch, dass wir uns vom Geist Gottes bestimmen lassen<br />
und nicht mehr von unserer eigenen Natur (NGÜ).<br />
Deshalb geben wir nicht resigniert auf! Denn Christus<br />
hat bereits alles für uns getan und wir dürfen nun aus<br />
Seiner Kraft leben. Seine Loyalität Gott gegenüber<br />
kommt uns zu Gute. Aus eigener Kraft werden wir niemals<br />
treue Ehepartner, vorbildliche Gemeindemitarbeiter<br />
und Zeugen in der Welt sein. Doch wenn Christus<br />
uns die Kraft gibt, dann können wir treue Ehepartner,<br />
vorbildliche Gemeindemitarbeiter und mutige Zeugen<br />
in der Welt sein. Wende dich also im Gebet an Jesus<br />
und bitte Ihn, dass Er dir die Kraft schenkt, in den<br />
Bereichen deines Lebens treu zu sein, in denen du<br />
bisher auf deine eigene Stärke vertrautest. Der König<br />
selbst bewirkt in Seinen Untertanen die Treue. Das ist<br />
Hoffnung. Das ist das Evangelium.<br />
Andreas Münch (*1982) ist Ehemann, Vater eines Sohnes,<br />
Pastor der MBG Lage und Autor des vielbeachteten Buches Der<br />
wahre Gott der Bibel. Auf Twitter unter @AndreasMuench.<br />
27
JOSIA<br />
Die Rubrik für<br />
junge Leute.<br />
Dieser Artikel ist ein<br />
Beitrag von JOSIA —<br />
Truth for Youth. Einem<br />
reformatorischen Netzwerk<br />
für junge Christen.<br />
Mehr Informationen<br />
zu Ressourcen und<br />
Konferenzen gibt es hier:<br />
www.josiablog.de<br />
Jesaja, der erste<br />
Evangelist!<br />
Text von Jochen Klautke
„Und ich hörte die Stimme<br />
des Herrn fragen: Wen soll<br />
ich senden und wer wird für<br />
uns gehen? Da sprach ich:<br />
‚Hier bin ich, sende mich!‘“<br />
Der Mann, der so mutig und<br />
schnell auf diese herausfordernde<br />
Frage Gottes reagierte, hat<br />
uns eines der längsten Bücher<br />
der Bibel hinterlassen. Und doch<br />
wissen wir vergleichsweise wenig<br />
über sein Leben. Wer war Jesaja,<br />
wie lebte er und vor allem: Was<br />
hat er uns heute noch zu sagen?<br />
Wir befinden uns in der Mitte des<br />
8. Jahrhunderts vor Christus, als<br />
Jesaja geboren wurde. Die Bibel<br />
verrät uns nicht das Wo, nicht das<br />
Wie und auch nicht das Wann.<br />
Wir erfahren gerade einmal den Namen seines Vaters<br />
Amoz (Jesaja 1,1).<br />
Politisch gesehen waren es vergleichsweise ruhige<br />
Zeiten für Gottes Volk. Die mächtigen Assyrer standen<br />
zwar an der Grenze der beiden Königreiche in Israel,<br />
aber sie hatten so viele Probleme in ihrer Heimat, dass<br />
sie die Erweiterung ihres Reiches erst einmal auf Eis<br />
gelegt hatten.<br />
Während soweit also alles in Ordnung schien, war<br />
die geistliche Lage des Volkes alles andere als in Ordnung.<br />
Äußerlich feierten die Juden zwar noch Gottesdienst,<br />
aber mit ihren Herzen waren sie ganz weit weg<br />
von Gott. Gleich zu Beginn des Buches spricht Gott<br />
sie deswegen nicht gerade schmeichelhaft mit Volk von<br />
Sodom und Gomorra an (Jesaja 1,10).<br />
© Foto: Giovanni Corte
DER ÜBERBRINGER DER BOTSCHAFT:<br />
DIE BERUFUNG<br />
Irgendwann im Jahr 740 v. Chr. wurde Jesaja von Gott<br />
zum Propheten berufen (Jesaja 6). An diesem Tag lernte<br />
Jesaja Gott als den Heiligen Israels kennen. „Wehe mir,<br />
ich vergehe, denn ich bin ein Mann von unreinen Lippen<br />
und wohne unter einem Volk, das unreine Lippen hat,<br />
denn meine Augen haben den König, den Herrn der Heerscharen<br />
gesehen.“ Todesangst war Jesajas Reaktion, als<br />
Gott ihm in einer beeindruckenden Vision im Tempel<br />
erschien.<br />
Wir sehen daran, dass Jesaja genau begriffen<br />
hatte, wer Gott ist, wer er selbst war und wie groß der<br />
Abstand zwischen dem heiligen Gott und sündigen<br />
Menschen ist. Sündenvergebung war nötig und genau<br />
die bekam Jesaja dann auch im Anschluss. Aber damit<br />
war Gott noch nicht fertig. Gleich hinterher schickte er<br />
die eingangs zitierte Frage: „Wen soll ich senden?“ Und<br />
wie schon erwähnt antwortete Jesaja: „Hier bin ich.<br />
Sende mich.“ Kein Zögern, kein Nachfragen – sondern<br />
kurz und bündig: Ja.<br />
Gut möglich, dass Jesaja nicht so schnell zugestimmt<br />
hätte, wenn er den Inhalt der Botschaft<br />
gekannt hätte: „Geh hin und sprich zu diesem Volk:<br />
„Hört immerzu und versteht nicht, seht immerzu und<br />
erkennt nicht…“. Mit diesen trostlosen Zusatzinformationen<br />
fragte Jesaja dann doch noch einmal nach:<br />
„Wie lange soll ich das denn predigen“? Und Gottes<br />
Antwort machte die Aufgabe kein Stück attraktiver:<br />
„Bis die Städte verwüstet liegen, so dass niemand mehr<br />
darin wohnt, denn der Herr wird die Menschen weit<br />
wegführen.“<br />
DIE DUNKLE SEITE DER BOTSCHAFT:<br />
GERICHT<br />
Jesajas Auftrag war, das Wort Gottes zu predigen. Der<br />
Inhalt seiner Botschaften war Gericht. Und die Reaktion<br />
(besser gesagt: die Nicht-Reaktion) des Volkes war<br />
ernüchternd.<br />
Aber mit dieser Botschaft wirkte Jesaja trotz allen<br />
Unglaubens, bis er über 70 Jahre alt war. Ohne Rücksicht<br />
auf sein eigenes Ansehen tat und predigte er das,<br />
was Gott ihm auftrug. Gleich vier Könige sah er vor<br />
seinem Tod kommen und gehen. Einige waren genauso<br />
gottlos wie das Volk (Ahas), andere fürchteten Gott<br />
und bemühten sich um Reformen (Hiskia). Aber trotz<br />
seiner unpopulären Botschaft lebte Jesaja nicht zurückgezogen.<br />
Er heiratete und hatte mit seiner Frau mindestens<br />
zwei Söhne. Doch selbst vor denen machte seine<br />
Berufung nicht halt. Gott befahl ihm, den Söhnen<br />
Namen zu geben, die eher wie die Titel seiner Predigten<br />
klangen. Der Name des Erstgeborenen, Schear-Jaschub<br />
1 , dürfte noch halbwegs alltäglich gewesen sein.<br />
Dessen kleinen Bruder, Maher-Schalal-Hasch-Bas, 2 traf<br />
es deutlich härter. Er kann sich aber zumindest damit<br />
trösten, dass er unangefochtener Spitzenreiter der Liste<br />
der längsten biblischen Namen ist.<br />
Wie muss es sein, zum Verkündiger einer schlech-<br />
ten Nachricht zu werden und dabei zu wissen, dass<br />
einem ohnehin nicht wirklich zugehört wird? Bereits<br />
bei seiner Berufung hatte Jesaja von der Härte des Gerichts<br />
erfahren: Gott würde ein anderes Volk schicken,<br />
das Israel zerstören und das Volk Gottes weit wegführen<br />
wird. Und auch wenn Jesaja selbst die endgültige<br />
Erfüllung des Gerichts nicht mitbekam, erlebte er<br />
sein ganzes Leben, wie sich die Schlinge um Jerusalem<br />
immer enger zuzog. In seiner Jugendzeit war die Lage<br />
entspannt. Aber mit den Jahren kamen die Assyrer zurück,<br />
besiegten das Nordreich Israels und führten zehn<br />
der zwölf Stämme Israels in die Gefangenschaft. Jesaja<br />
bekam hautnah mit, wie eine befestigte Stadt nach der<br />
anderen verloren ging. Irgendwann bestand das einst so<br />
mächtige Königreich Davids und Salomos nur noch aus<br />
der Stadt Jerusalem und dem unmittelbaren Umland.<br />
Deswegen vergleicht Jesaja Jerusalem einmal mit einer<br />
windschiefen Hütte im Weinberg (Jesaja 1,8). Und<br />
selbst Jerusalem ging es an den Kragen. Der langen Belagerung<br />
durch die Assyrer entkam die Stadt nur, weil<br />
Gott selbst durch seinen Engel das Heer der Assyrer<br />
auslöschte. Jesaja selbst war bei all dem mittendrin (2.<br />
Könige 18-19).<br />
DIE HELLE SEITE DER BOTSCHAFT:<br />
KNECHT UND KÖNIG<br />
Die politische Lage wurde immer düsterer und die Botschaften<br />
Jesajas zum Teil auch. Aber eben nur zu einem<br />
Teil. Neben dem Gericht kündigte Jesaja nämlich auch<br />
Hoffnung an. Hoffnung durch eine Person, die Gott<br />
selbst zur Rettung seines Volkes schicken würde.<br />
Wenn man durch die langen 66 Kapitel des Buches<br />
Jesaja liest, dann begegnet einem diese Person immer<br />
wieder. Dabei bekommt man schnell den Eindruck,<br />
dass es sich dabei eigentlich nicht um eine einzige Person<br />
handeln kann. Zu Beginn des Buches wird sie uns<br />
als der vorgestellt, durch den Gott zu den Menschen<br />
kommt. 3 Später ist diese Person dann der leidende<br />
Knecht Gottes, der für die Sünden seines Volkes<br />
bezahlt (Jesaja 53). Und noch ein paar Kapitel später<br />
wird sie uns als der mächtige Eroberer vorgestellt (Jesaja<br />
59,15b-21). So viele Charaktereigenschaften – kann<br />
das wirklich ein und dieselbe Person sein?<br />
Heute wissen wir, dass diese Person Jesus Christus<br />
ist. In ihm wurde Gott einer von uns und wohnte unter<br />
uns (Johannes 1,14). Dabei war er gleichzeitig Knecht<br />
und König, Lamm und Löwe. Er war ein König geboren<br />
nicht im Palast in Jerusalem, schon gar nicht am<br />
Hof des Kaisers in Rom, sondern in einem ärmlichen<br />
Stall in einem unbedeutenden Provinzstädtchen.<br />
Als erwachsener Mann veranstaltete er einen<br />
königlichen Triumphzug, aber statt hoch zu Ross ritt<br />
er auf einem kleinen Esel. Eine Woche später sah man<br />
ihn in einem königlichen Mantel mit einer Krone auf<br />
dem Kopf. Aber der Mantel diente dem Spott, und die<br />
Krone war aus Dornen und ritzte ihm die Stirn blutig.<br />
Der Richter der Welt wurde von der Welt gerichtet.<br />
Er, der alle Atome dieser Welt zusammenhält, starb an<br />
1 bedeutet: Ein Überrest wird umkehren (Jesaja 7,3).<br />
2 bedeutet: Der Raub eilt, die Beute hastet (Jesaja 8,3).<br />
3 Diese Person wird Immanuel genannt, was Gott mit uns bedeutet<br />
(Jesaja 7,14).<br />
30
einem Kreuz, das ohne ihn jeden Moment auseinanderfallen<br />
würde (Kolosser 1,17). Und doch stand er aus<br />
den Toten auf und wird in einer Macht wiederkommen,<br />
die alle Naturkatastrophen und Kriege in den<br />
Schatten stellt. In Jesus erkennen wir, wie es sein kann,<br />
dass jemand gleichzeitig der leidende Knecht und der<br />
erobernde König ist.<br />
Als Jesaja bei seiner Berufung im Tempel Gott<br />
begegnete, da bekannte er seine eigene Unwürdigkeit.<br />
Gott sagte damals nicht einfach: „Jesaja, ist schon<br />
okay.“ Stattdessen nahm ein Engel eine glühende Kohle<br />
vom Opferaltar und berührte Jesajas Lippen mit den<br />
Worten: „Deine Schuld ist von dir genommen und deine<br />
Sünden sind gesühnt.“ (Jesaja 6,7) Natürlich können die<br />
heißesten Kohlen vom besten Opferaltar der Welt keine<br />
Sünden wegnehmen. Aber sie wiesen schon damals hin<br />
auf das wahre Opfer, das unsere Sünden sühnt: Jesus.<br />
Als Knecht nahm er unsere Schuld auf sich, als König<br />
besiegte er den Tod.<br />
DIE REAKTION AUF DIE BOTSCHAFT:<br />
LICHT WERDEN…<br />
„Finsternis bedeckt die Erde“, so beschreibt Jesaja den<br />
Zustand der Welt, in der er lebte und in der wir auch<br />
heute noch leben. Aber im gleichen Atemzug ermutigt<br />
er alle, deren Schuld gesühnt ist, Licht zu werden,<br />
denn: Unser Licht kommt. Weil mit Jesus das Licht der<br />
Welt gekommen ist und wiederkommen wird, sollen<br />
die Erlösten im Licht wandeln (1. Johannes 1,5-7) und<br />
damit selbst Licht werden (Jesaja 60,1-2).<br />
Jesaja war der erste Mensch der Weltgeschichte, der<br />
ausführlich erklärte, wer Jesus ist. Im gesamten Alten<br />
Testament gibt es sehr Vieles, was auf Jesus hinweist<br />
und viele Propheten sprachen von ihm. Und doch gab<br />
uns keiner ein so deutliches Bild von dem, wer Jesus ist<br />
und was er getan hat wie Jesaja. Der bekannte englische<br />
Prediger C.H. Spurgeon sagte einmal über das Buch<br />
Jesaja: „Man könnte es sehr gut auch das Jesaja-Evangelium<br />
nennen, weil es voll von Wahrheiten des Evangeliums<br />
ist.“ Das erklärt auch, warum kein anderes<br />
biblisches Buch im Neuen Testament öfters zitiert wird.<br />
Wir wissen nicht, wie viel Jesaja im Einzelnen<br />
darüber wusste, wie der Knecht und König in diese<br />
Welt kommen würde. Und dennoch ist Jesajas Leben<br />
ein Beispiel für das, was es bedeutet, Licht zu werden.<br />
Er gehorchte Gott, auch wenn er fast ausschließlich<br />
auf Unglauben traf. Anders als Jesaja kennen wir Jesus<br />
aus dem Neuen Testament und sind so in einer viel<br />
besseren Lage. Wie viel mehr ist es dann nicht auch<br />
unsere Aufgabe, heute Licht zu sein, so wie Jesaja es in<br />
seiner Zeit war!<br />
Wie kann das aussehen? Zum Beispiel, indem wir<br />
das Evangelium in unserem direkten Umfeld weitersagen<br />
und so das im Kleinen tun, was Jesaja im Großen<br />
getan hat. Oder dadurch, dass wir unser Licht vor<br />
anderen Menschen leuchten lassen, indem wir einfach<br />
anders leben (Matthäus 5,16). „Kommt, lasst uns<br />
wandeln im Licht des Herrn!“ So ruft Jesaja auch uns<br />
dazu auf, Gott mit dem gesamten Leben nachzufolgen<br />
(Jesaja 2,5).<br />
…WEIL WIR FÜR EINE ANDERE WELT<br />
GESCHAFFEN SIND<br />
Der Heilige Geist hat es nicht für nötig gehalten uns zu<br />
sagen, wie Jesaja geboren wurde und er sagt uns auch<br />
nicht, wie der Prophet starb. Vieles spricht dafür, dass<br />
er als alter Mann von Hiskias gottlosem Sohn Manasse<br />
zersägt wurde. 4 Ein Leben gegen den Strom, eine Berufung<br />
ohne Nachfolger und zum Schluss ein grausamer<br />
Tod. War es das wert?<br />
Für Jesaja war all das nebensächlich, denn er lebte<br />
nicht für diese Welt, sondern für eine andere. Seine eigene<br />
ging ja ohnehin gerade unter. Über Menschen wie<br />
ihn heißt es im Hebräerbrief, dass sie sich martern ließen,<br />
Spott ertrugen, im Gefängnis landeten, gesteinigt,<br />
zersägt und auf viele andere grausame Weisen verfolgt<br />
und umgebracht wurden. Sie waren bereit, „das alles zu<br />
erdulden, um durch die Auferstehung ein besseres Leben zu<br />
erhalten.“ Die Ewigkeit war ihnen so wichtig, dass die<br />
gegenwärtige Welt „es nicht wert war, sie in ihrer Mitte<br />
zu haben“ (Hebräer 11,35-38). Vermutlich bekam Jesaja<br />
dann gegen Ende seines Lebens von Gott sogar noch<br />
einen Einblick in diese andere Welt, für die er lebte:<br />
Siehe ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue<br />
Erde, so dass man an die früheren nicht mehr gedenkt und<br />
sie nicht mehr in den Sinn kommen werden; sondern ihr<br />
sollt euch allezeit freuen und frohlocken, über das, was<br />
ich erschaffen werde. Und ich selbst werde mich freuen<br />
über mein Volk, und es soll kein Klagelaut und kein<br />
Wehgeschrei mehr darin vernommen werden (aus Jesaja<br />
65,17-19).<br />
Das ist die Welt, für die Jesaja sein Licht leuchten<br />
ließ.<br />
Für welche Welt scheint dein Licht?<br />
MISSION STATEMENT<br />
Josia existiert, um das Evangelium der Gnade Gottes<br />
unter jungen Menschen in Deutschland zu verbreiten und<br />
Jugendliche zu motivieren, ihr Leben voll und ganz in den<br />
Dienst unseres Herrn Jesus Christus zu stellen.<br />
4 Jesaja ist die einzige Person, über die die außerbiblischen jüdischen<br />
Schriften berichten, dass er zersägt wurde. Die biblische Erwähnung<br />
eines alttestamentlichen Heiligen, der zersägt wurde (Hebräer<br />
11,37), legt den Schluss nahe, dass Jesaja tatsächlich auf diese<br />
grausame Weise umkam.<br />
Jochen Klautke (*1988) arbeitet als Gymnasiallehrer in Gießen<br />
und studiert nebenbei Theologie an der ART in Hannover.<br />
Darüber hinaus engagiert er sich in der Jugendarbeit seiner<br />
Gemeinde und bloggt auf josiablog.de.<br />
31
KIRCHE IN DER SCHWEIZ<br />
Das Interview über<br />
bibeltreue Gemeinden.
WINTERTHUR<br />
Thomas<br />
Reiner<br />
Interview von Peter Voth<br />
Thomas Wer? Pfarrer Thomas Reiner ist in der Tat kein bekannter<br />
Name im evangelikalen Deutschland. Doch genau deswegen ist er<br />
so interessant für uns. Sind es nicht die Nachfolger Jesu, die ruhig,<br />
demütig und treu ihren Dienst im Reich Gottes tun, auf deren Worte<br />
wir vielleicht am meisten hören sollten?<br />
© Fotos: Thomas Reiner & Miriam Reiner<br />
33
Hallo Thomas, könntest du dich kurz unseren<br />
Lesern vorstellen? In welchem Alter bist du, wie ist<br />
dein Familienstand und welchem Beruf gehst du<br />
nach?<br />
Ich bin 45 Jahre alt, verheiratet und Vater von vier Kindern,<br />
von denen zwei schon erwachsen sind. Vor etwas<br />
mehr als zehn Jahren wurde ich als Pfarrer in die Evangelisch-reformierte<br />
Kirche Westminster Bekenntnisses<br />
(ERKWB) in Winterthur, in der Schweiz, berufen.<br />
Dann bist du also schon sehr jung Vater geworden?<br />
Ja, so ist es.<br />
Kommen wir zu deiner Gemeinde. Die ERKWB<br />
(Evangelisch-reformierte Kirche Westminster<br />
Bekenntnisses) Winterthur feierte dieses Jahr ihr<br />
10-jähriges Jubiläum. Wie ist die Gemeinde entstanden?<br />
Pfarrer Reinhard Mayer aus Rankweil in Österreich<br />
rief mich an, um zu fragen, ob ich zusammen mit zwei<br />
Familien in Winterthur eine Gemeinde der ERKWB<br />
gründen möchte. Ich hatte die Homepage der Kirche<br />
bereits einige Jahre zuvor im Internet entdeckt. Es begeisterte<br />
mich, von einer Kirche zu lesen, die sich in ihrer<br />
Lehre und Ordnung an der reformierten Theologie<br />
orientiert. So etwas gab es leider in der Schweiz nicht.<br />
Darum sagte ich spontan zu. Nach einigen Gesprächen<br />
wurde ich von der Kirche für den Dienst in Winterthur<br />
berufen.<br />
Die Gottesdienste feierten wir zu Beginn in einem<br />
Privathaus. Nach etwa einem halben Jahr sind wir in<br />
den Büroraum gezogen, wo wir uns heute noch treffen.<br />
Wie oft trefft ihr euch und wie sieht so ein Sonntagmorgen<br />
Gottesdienst bei euch typischerweise aus?<br />
Wir treffen uns am Sonntagmorgen zum Gottesdienst<br />
und am Abend zum Gebet.<br />
Den Gottesdienst feiern wir anhand einer Liturgie.<br />
Wir lesen einen Psalm im Wechsel, prüfen uns an<br />
Gottes Gesetz und bekommen die Vergebung aus dem<br />
Evangelium zugesprochen. In jedem Gottesdienst gibt<br />
es eine Gemeindeschulung, wo ein Abschnitt aus dem<br />
Heidelberger Katechismus gelehrt wird. Den größten<br />
Platz nimmt die Predigt ein, in der normalerweise<br />
ein biblisches Buch fortlaufend ausgelegt wird. Den<br />
Gottesdienst beschließen wir mit gemeinsamem Gebet<br />
und einem Segen. Zu jedem Teil der Liturgie gehört ein<br />
Lied, das wir ebenfalls als Gebet verstehen.<br />
Warum ist euch ausgerechnet das Westminster<br />
Bekenntnis so wichtig? So wichtig, dass ihr das Bekenntnis<br />
sogar in euren Namen aufgenommen habt?<br />
Der Grund liegt in der Entstehung der Kirche. Sie<br />
wurde von einem Pfarrer in Österreich gegründet. Dort<br />
ist es üblich, dass das Bekenntnis im Namen angegeben<br />
wird. Es gab dort bereits zwei reformierte Kirchen.<br />
Eine trug das Augsburger Bekenntnis und die andere<br />
das Helvetische Bekenntnis in ihrem Namen. Weil<br />
diese Landeskirchen liberal geworden sind, gründete<br />
jener Pfarrer die ERKWB. Das Westminster Bekenntnis<br />
wurde ausgewählt, weil es die letzte umfassende<br />
reformierte Bekenntnisschrift ist. Daneben haben wir<br />
auch den Heidelberger Katechismus als verpflichtende<br />
Lehrschrift. Er ist im deutschsprachigen Raum (und<br />
darüber hinaus) der bekannteste Katechismus. Darum<br />
schulen wir die Gemeinde nicht nach den Westminster<br />
Katechismen.<br />
Sehr interessant. Für mich ist diese Fixierung auf<br />
bestimmte Bekenntnisse etwas befremdlich, aber<br />
nur weil ich anders aufgewachsen bin. Warum sind<br />
Bekenntnisse wichtig?<br />
Das Bekenntnis fasst (relativ) kurz zusammen, was wir<br />
glauben und wie wir die Bibel verstehen. Wir Pfarrer<br />
werden verpflichtet, die Gemeinden gemäß diesem Bekenntnis<br />
zu lehren. Wir wissen, dass die Auslegung der<br />
Schrift nicht mit uns und unserer Erkenntnis beginnt.<br />
Die Gottesmänner der Reformation rangen darum, die<br />
Wahrheit zu erkennen. Weil auch sie die wahre Lehre<br />
suchten und bis heute oft unübertroffen klar formulierten,<br />
bekennen wir sie mit ihnen. Das Bekenntnis ist<br />
damit ein guter Schutz gegen viele Arten von Irrlehren.<br />
Es dient der Einheit der Kirche, die nur in der Wahrheit<br />
zu finden ist.<br />
Ja, die massive Selbstzentriertheit und der Mangel<br />
an feststehenden Glaubenslehren sind sicherlich<br />
auch für den miserablen geistlichen Zustand vieler<br />
evangelikaler Gemeinden verantwortlich. Wie bewertest<br />
du den neuen „reformatorischen Geist“ im<br />
deutschsprachigen Raum? Vor allem junge Christen<br />
aus den verschiedensten Denominationen (Baptisten,<br />
Brüdergemeinden, Pfingstler, Landeskirche<br />
etc.) wenden sich immer öfter den reformatorischen<br />
Lehren zu.<br />
Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Ich wünschte mir,<br />
dass diese Gruppen noch besser verknüpft wären und<br />
regelmäßig Kontakt miteinander pflegten.<br />
Ja, das wünschen wir uns als <strong>Magazin</strong> auch. Im<br />
„neuen“ Calvinismus findet man jedoch selten die<br />
ausgeprägte „klassische“ reformierte Ausrichtung,<br />
wie sie bei euch konsequent mit den Bekenntnissen<br />
praktiziert wird. Meiner Meinung nach sehen leider<br />
viele Reformierte die „Neuen Reformatorischen“ zu<br />
kritisch. Wie siehst du das?<br />
Obwohl ich mich selbst zur klassischen reformierten<br />
Richtung zähle, möchte ich dazu Folgendes sagen: Ich<br />
hoffe, dass „Calvinismus“ nicht zu einem hohen Ross<br />
verkommt, von dem man auf andere herabschaut. Die<br />
richtige Auslegung der Schrift – etwas, wofür Calvin<br />
vorrangig arbeitete – darf nicht bloß eine intellektuelle<br />
Auseinandersetzung sein. Die reformierte Lehre ist für<br />
die Seelsorge absolut notwendig. Wenn die Schrift inkorrekt<br />
ausgelegt wird, werden Menschen gezwungen,<br />
etwas zu tun, was sie nicht erreichen können. Ehrlich<br />
gesagt bedauere ich Christen, die sich mit irrenden<br />
theologischen Prinzipien abkämpfen. Gottes Barmherzigkeit<br />
gebietet, dass wir einander nicht verachten,<br />
sondern einander aufhelfen. Wer sich auf das hohe<br />
Ross seiner vermeintlichen Erkenntnis gesetzt hat, kann<br />
diesen nötigen Liebesdienst nicht leisten.<br />
34
„Wir wissen, dass<br />
die Auslegung der<br />
Schrift nicht mit<br />
uns und unserer<br />
Erkenntnis beginnt.“
Zurück zu dir. Wie bist du zum Glauben gekommen?<br />
Und ab wann spielte die reformierte Glaubensrichtung<br />
eine entscheidende Rolle in deinem Leben?<br />
Ich bin in einem landeskirchlichen Elternhaus aufgewachsen<br />
und wurde zur Sonntagsschule geschickt. Von<br />
Anfang an liebte ich die biblischen Geschichten so,<br />
dass ich sie nicht mehr vergaß. Später besuchte ich die<br />
Jungschar (eine Jugendarbeit in der Schweiz, die mit<br />
christlichen Pfadfindern verglichen werden kann) einer<br />
Freikirche. Während einer evangelistischen Andacht,<br />
ich war erst elf Jahre alt, fiel es mir wie Schuppen von<br />
den Augen. Es wurde uns erzählt, dass Jesus am Kreuz<br />
für die Sünden der Menschen starb. Ich erinnere mich,<br />
als wäre es erst gestern passiert, wie ich dachte: Aha,<br />
darum drehen sich all die biblischen Geschichten, die<br />
ich so liebe.<br />
Nach meiner Konfirmation in der Landeskirche<br />
besuchte ich diese evangelikale Freikirche. An einem<br />
Sonntag gestalteten Studenten des Theologischen<br />
Seminars den Gottesdienst. Ich war begeistert von dem,<br />
was sie erzählten und wünschte mir, selbst Prediger zu<br />
werden. Dieser Wunsch, der zwischenzeitlich auch von<br />
anderen Dingen überdeckt wurde, wuchs schließlich<br />
so, dass ich mich, als ich bereits verheiratet war und<br />
zwei Kinder hatte, an jenem Theologischen Seminar<br />
anmeldete.<br />
Erst dort wurde ich herausgefordert, genauer über<br />
den Glauben nachzudenken. Die schnellen Antworten,<br />
die in der Gemeinde zu Fragen wie Erwählung gegeben<br />
wurden, hielten dem, was ich in der Bibel las, nicht<br />
mehr Stand. Schon im ersten Jahr meines Studiums<br />
kaufte ich mir die Institutio von Calvin. Sie ist das<br />
Hauptwerk des Reformators, in dem er die christliche<br />
Religion lehrt. Als ich darin las, war ich freudig<br />
erstaunt, wie schlicht und biblisch seine Ausführungen<br />
waren. Darauf habe ich mich im Lauf des Studiums<br />
immer mehr der reformierten Theologie zugewandt.<br />
Wie alt warst du zu diesem Zeitpunkt?<br />
Das Theologische Seminar besuchte ich, als ich zwischen<br />
26 und 30 Jahren alt war.<br />
Vielen Dank für diese interessanten Einblicke. Zum<br />
Abschluss unsere 10 „heißen“ Fragen. Welcher biblischen<br />
Person würdest du gerne welche Frage stellen?<br />
Ich würde gerne <strong>Timotheus</strong> fragen, wie er es schaffte,<br />
Älteste in den Gemeinden einzusetzen, die den Vorgaben<br />
entsprachen, die ihm Paulus gab.<br />
Schwierigste Bibelstelle?<br />
Ich weiß nicht, ob das wirklich die schwierigste Stelle<br />
ist. Ich habe lange über 1. Johannes 5,16 nachgedacht.<br />
Johannes schreibt von einer Sünde zum Tode und<br />
davon, dass man nicht für jemand bitten soll, der sie<br />
begeht. Obwohl ich die Stelle auslegen kann, bin ich<br />
mir immer noch nicht ganz sicher, ob ich sie richtig<br />
verstanden habe. Ich hoffe, meine Tochter, die das <strong>Magazin</strong><br />
liest, der ich erst vor kurzem diese Stelle erklärt<br />
habe, ist nun nicht allzu sehr enttäuscht.<br />
Bevorzugte Bibelübersetzung?<br />
Für das persönliche Bibelstudium verwende ich die<br />
Schlachter 2000 und in der Gemeinde Luther 1984.<br />
Allfällige Schwächen der Übersetzungen können<br />
leicht behoben werden, wenn der Abschnitt jeweils im<br />
Grundtext studiert wird. Das ist der Vorteil, wenn man<br />
in seinem Leben Zeit bekam, Griechisch und Hebräisch<br />
zu studieren.<br />
Mit welcher Person der Bibel kannst du dich am<br />
ehesten identifizieren?<br />
Mit dem Vater des besessenen Knaben, der zu Jesus<br />
schrie: „Ich glaube; hilf meinem Unglauben!“ – Markus<br />
9,24<br />
Welche Person der Kirchengeschichte würdest du<br />
gerne einmal treffen?<br />
Um nicht die üblichen reformierten <strong>Helden</strong> zu nennen,<br />
sage ich Polykarp von Smyrna. Er wurde vor seiner<br />
Hinrichtung in der Arena vom römischen Konsul aufgefordert,<br />
seinen Glauben an Christus zu verleugnen.<br />
Statt das zu tun, hat der Kirchenvater ihm angeboten,<br />
ihm den Glauben an seinen Herrn genauer zu erklären,<br />
wenn er ihm die Möglichkeit dazu gäbe. Ich würde<br />
gerne den Mann kennenlernen, der nicht trotzig an<br />
36
„Ich hoffe, dass<br />
‚Calvinismus‘ nicht<br />
zu einem hohen<br />
Ross verkommt, von<br />
dem man auf andere<br />
herabschaut. Die<br />
richtige Auslegung<br />
der Schrift – etwas,<br />
wofür Calvin<br />
vorrangig arbeitete<br />
– darf nicht bloß<br />
eine intellektuelle<br />
Auseinandersetzung<br />
sein. Die reformierte<br />
Lehre ist für die<br />
Seelsorge absolut<br />
notwendig.“<br />
seinem Glauben festhielt, sondern sich selbst vor dem<br />
Tod um eine verlorene Seele sorgte.<br />
Was war das letzte Buch, das du gelesen hast?<br />
Dangerous Calling von Paul Tripp.<br />
Welches Buch wolltest du schon immer einmal<br />
lesen?<br />
Das klingt jetzt vielleicht seltsam. Ich würde gerne die<br />
Institutio von Calvin im Zusammenhang lesen. Bisher<br />
habe ich bloß einzelne Abschnitte, aber noch nie das<br />
ganze Werk gelesen.<br />
Was bedeutet für dich „Reformation“?<br />
Die Reformation ist zuerst der Zeitabschnitt in der Kirchengeschichte,<br />
in dem die Kirche reformiert wurde.<br />
Die Reformatoren wollten eine Kirche, die sich an der<br />
Bibel orientierte. Heute ist diese Arbeit nicht abgeschlossen.<br />
Kirchen und Gemeinden müssen sich immer<br />
neu auf die Schrift zurückbesinnen, statt gedankenlos<br />
Traditionen zu pflegen.<br />
Reformiert hat für mich auch eine persönliche Ebene.<br />
Ich selbst will meinen Glauben und mein Leben so<br />
erneuern lassen, dass sie mehr und mehr dem entsprechen,<br />
was ich in der Schrift erkenne.<br />
Bestes Zitat?<br />
Ich habe kein Zitat, das ich anderen bevorzuge. Als<br />
Prediger erinnere ich immer wieder gerne an Worte von<br />
John Wesley. Er soll ungefähr Folgendes geschrieben<br />
haben: „Ich habe heute zweimal gepredigt. Die zweite<br />
Predigt war gesegneter. Sie war ein größeres Ärgernis.“<br />
Was bedeutet Jesus für dich?<br />
Jesus ist mein Herr und Erlöser. Er ist mir von meinem<br />
himmlischen Vater gegeben worden, damit ich alles in<br />
ihm finde, was ich zum Heil und Leben nötig habe:<br />
die vollständige Vergebung all meiner Sünden, die<br />
vollkommene Gerechtigkeit und die Hoffnung auf die<br />
ungetrübte Herrlichkeit.<br />
Vielen Dank für die Einblicke und deine Zeit!<br />
Gern geschehen.<br />
37
IM STUDIERZIMMER<br />
Das Interview über<br />
christliche Literatur.
MÜNCHEN<br />
Matthias<br />
Lohmann<br />
Interview von Peter Voth<br />
Das Evangelium Jesu Christi ist das Thema von Pastor Matthias<br />
Lohmann aus München. Was erstmal wie eine Plattitüde klingt,<br />
zeigt er allerdings in Wort und Tat. Vor allem durch das Netzwerk<br />
Evangelium21, das er mitgründete, wird seine Begeisterung für das<br />
Evangelium deutlich. Doch wie fing seine „Reise“ mit Gott an? Das<br />
und vieles mehr hat er uns im Interview erzählt.<br />
© Foto: Simon Arnold<br />
39
Viele unserer Leser werden dich bereits kennen,<br />
könntest du uns trotzdem verraten, wie alt du bist,<br />
wie dein Familienstand und was deine derzeitige<br />
Tätigkeit ist?<br />
Ich bin 44 Jahre alt, verheiratet mit Sarah und habe<br />
zwei Töchter. Seit 2008 bin ich Pastor der FEG München-Mitte.<br />
Nebenbei mache ich noch einige andere<br />
Dinge, so z.B. die Leitung von Evangelium21. Ich bin<br />
zudem einer der Leiter und Dozenten am MBS München<br />
und so weiter.<br />
Sehr schön, vielen Dank. In welchem Alter wurdest<br />
du Christ und wie sah dein Leben vor deiner Bekehrung<br />
aus?<br />
Ich war bereits 26 Jahre alt, als ich durch Gottes große<br />
Gnade bekehrt wurde. Davor war ich ein typischer<br />
junger Mann in der Welt. Ich habe sehr viel Sport<br />
gemacht (v.a. Fußball & Tennis), war bei jeder Party<br />
dabei, mit allem was dazu gehört (Trinken, Mädels).<br />
Ich war schon immer sehr ambitioniert. Das zeigte sich<br />
im Sport, wie auch im Studium (Politikwissenschaften,<br />
VWL und Neuere Geschichte) und überhaupt in fast<br />
allen Lebensbereichen.<br />
Haben sich diese „Ambitionen“ sofort auch in der<br />
Nachfolge bemerkbar gemacht? Oder anders gefragt,<br />
was ist der größte Unterschied zwischen „weltlicher“<br />
und „christlicher“ Ambition?<br />
Ja – mein Umfeld hätte mich vorher sicher als extrem<br />
und gleichzeitig einen netten Kerl beschrieben. Ich<br />
hoffe, dass beides auch heute noch zutrifft. Aber meine<br />
Freunde haben alle sofort eine ziemlich radikale Veränderung<br />
erlebt, auch wenn manche Dinge sich natürlich<br />
nicht über Nacht verändert haben. Ich habe einfach<br />
seit meiner Bekehrung (mal mehr und mal weniger) ein<br />
großes Verlangen, den Rest meines Lebens für Christus<br />
zu leben. Philipper 1,21 ist mir da ein Leitvers.<br />
Du giltst als ein ausgesprochener Verfechter der<br />
Gnadenlehren. Wie bist du zu einem reformatorischen<br />
Verständnis des Glaubens gekommen?<br />
Einfach durch das Lesen der Bibel, durch gute Predigten<br />
et cetera. Ich wusste lange gar nicht, dass dies nicht<br />
das ist, was alle Christen glauben. Ich wurde als junger<br />
Christ mal gefragt, ob ich reformiert wäre und habe<br />
die Frage gar nicht verstanden. Später kamen dann<br />
Prediger und Bücher hinzu, die mich da weiter zugerüstet<br />
haben. Das war dann schon auch eine bewusste<br />
Entscheidung, mich in der Erkenntnis zu stärken, die<br />
ich bereits hatte.<br />
Für viele sind diese „Labels“ ein Dorn im Auge.<br />
Ich kann verstehen warum. Wie können wir diese<br />
biblischen Lehren Menschen nahe bringen, die z.B.<br />
nicht von der vollkommenen Souveränität Gottes<br />
überzeugt sind?<br />
Ich denke, was wir wollen, ist, dass Leute in Ihrer Liebe<br />
zu Gott, zu den Geschwistern und zu den Verlorenen<br />
wachsen. Von daher sollten wir liebevoll auftreten und<br />
die Bibel lehren. Labels sind da oft eher hinderlich, da<br />
sie unnötig trennend wirken können, ohne dass die<br />
Inhalte überhaupt verstanden werden. Da, wo Gottes<br />
Wort klar verkündigt wird und Gottes Geist wirkt,<br />
wachsen wir in der Erkenntnis und Liebe. Ein Nebenprodukt<br />
ist es dann auch, dass unsere Theologie immer<br />
biblischer wird. Aber natürlich sollten wir auch bereit<br />
sein, unbiblische Theologie zu hinterfragen oder wenn<br />
nötig auch direkt zu kritisieren. Menschen-zentriertes<br />
Denken ist sehr weit verbreitet und oftmals sind Leute<br />
so geprägt und dann überrascht, wenn wir eine andere<br />
Theologie vertreten. Da gilt es, sehr geduldig, liebevoll<br />
und von der Bibel her zu argumentieren und gegebenenfalls<br />
auch mal zu akzeptieren, dass es Christen gibt,<br />
die an dieser Stelle im Moment nicht nachdenken oder<br />
daran arbeiten wollen. Wir sollten niemandem eine<br />
Diskussion aufdrängen oder sie verurteilen, weil sie<br />
Dinge anders oder noch gar nicht verstehen. Letztendlich<br />
sollten gerade die Vertreter der Gnadenlehren gnädig,<br />
demütig und geduldig sein und anerkennen, dass<br />
unsere Erkenntnis nicht unser Verdienst ist – denn alle<br />
Erkenntnis kommt von Gott – und auch nur Stückwerk<br />
ist. Da können wir sicher noch viel lernen und in<br />
der Liebe wachsen. Ich glaube, dass, wenn wir so auf<br />
Leute zugehen, sie uns auch mehr zuhören. Außerdem<br />
sollten wir nicht nur theologische Phrasen und Schriftbelege<br />
kennen, sondern wirklich gute Kenner der Bibel<br />
sein. Meine Empfehlung wäre da, eher mit jemandem<br />
die Bibel zu lesen, als ein theologisches Buch.<br />
Gleiches gilt für Predigten – keine theologischen<br />
Exkurse über Tulip (Anm. d. Red.: Englische Abkürzung<br />
für die fünf Punkte des Calvinismus), sondern<br />
einfach treu das vertreten, was der Text sagt. Wenn die<br />
Gnadenlehren biblisch sind – wovon ich zutiefst überzeugt<br />
bin - sollten wir sie allein durch das sorgfältige<br />
Studium der Schrift erkennen können. In allem sollten<br />
wir aber immer zuerst darauf bedacht sein, dass wir<br />
Menschen für Christus und für konsequente Nachfolge<br />
gewinnen und nicht primär für ein theologisches<br />
System.<br />
Vielen Dank für diesen Appell. Treue Schriftauslegung<br />
und ein wahrhaftiger Wandel sind hier gefragt.<br />
Seit einigen Jahren setzt du dich mit deiner Tätigkeit<br />
für Evangelium21 auch für das Evangelium deutschlandweit<br />
ein. Was ist Evangelium21 und was willst<br />
du mit dieser Initiative erreichen?<br />
E21 ist im Kern ein Netzwerk ähnlich gesinnter<br />
Theologen und Pastoren. Wir sind Freunde, die sich<br />
dafür einsetzen, dass das Evangelium immer mehr<br />
Raum in Gemeinden einnimmt. Wir wollen junge<br />
Leute für das Wort Gottes begeistern und sie zurüsten,<br />
damit wir wieder mehr starke, lebendige Gemeinden<br />
sehen können. Im Detail ist das auf unserer Webseite<br />
evangelium21.net beschrieben. Von 1998-2008 war<br />
ich mit einigen Unterbrechungen in Washington DC<br />
und durfte dort das Entstehen von 9Marks Ministries,<br />
der Pastorenkonferenz Together for the Gospel aber auch<br />
der Gospel Coalition miterleben. Das hat mich geprägt<br />
und in mir die Sehnsucht nach etwas Ähnlichem in<br />
Deutschland wachsen lassen. Wir wollen Gemeinden<br />
keine Konkurrenz machen, sondern diesen letztendlich<br />
dienen, indem wir Impulse setzen. Und wir beten<br />
40
dafür, dass Gott eine neue Generation von Predigern<br />
erweckt und beruft, die mutig und klar sein Wort verkünden,<br />
so dass viele Menschen zum Glauben kommen<br />
und die Heiligen im Glauben wachsen können.<br />
Warum ist es so wichtig, das Evangelium in das Zentrum<br />
eines jeden Gottesdienstes zu stellen?<br />
Weil das die Gute Nachricht ist, die Leben gibt und<br />
Leben verändert. Ohne Evangelium führt uns jeder<br />
Aufruf der Schrift in die Verzweiflung, weil wir ohne<br />
Gnade den Ansprüchen des Heiligen Gottes niemals<br />
gewachsen sind.<br />
Warum ist es dann für so viele Christen und noch<br />
schlimmer für viele Pastoren so uninteressant geworden?<br />
Das würde ich keinem Christen unterstellen wollen.<br />
Ich denke, dass oftmals das Evangelium einfach als<br />
bekannt vorausgesetzt wird und natürlich hat Satan ein<br />
Interesse daran, dass das Evangelium nicht gepredigt<br />
wird. So versucht er uns. Es entsteht Scheu, das „alte“<br />
Evangelium zu predigen oder wir verlieren es einfach<br />
aus dem Blick.<br />
Ein anderes Thema. Das deutsche Christentum ist<br />
zersplittert wie nie. Wie siehst du den Zustand und<br />
die Zukunft des Christentums in Deutschlands?<br />
Historisch kann ich das nicht beurteilen. Ich sehe<br />
das auch gar nicht so. Mir kommt es eher so vor, als<br />
sortieren sich manche Dinge neu. Ich denke, dass manche<br />
ältere Strömungen und Allianzen eventuell bald<br />
zerbrechen werden, da es eigentlich immer ein Gesetz<br />
zunehmender Fragmentierung in „Bünden“ gibt. Dann<br />
bilden sich halt neue Allianzen. E21 ist da eine solche<br />
Gruppe und ich bin ermutigt über gute Kooperation<br />
mit anderen Gruppen, wie dem EBTC, dem Bibelbund<br />
und so weiter. Ich kann die nähere Zukunft letztendlich<br />
nicht vorhersagen, aber die langfristige Prognose ist<br />
überragend (siehe Offenbarung).<br />
Das ist natürlich richtig (lacht). Vielleicht bin ich<br />
da zu pessimistisch. Wie siehst du den Zustand des<br />
Christentums, wenn du den Blick mal weg vom<br />
Evangelikalismus und hin zum „christlichen Mainstream“<br />
in Deutschland richtest?<br />
Das klingt jetzt sicher sehr provokant, aber „Mainstream“<br />
und „christlich“ schließt sich meines Erachtens<br />
aus. Ich sehe viele unbiblische Tendenzen, die leider<br />
auch teilweise die Freikirchen erreichen. Hier wird sich<br />
die Spreu vom Weizen trennen. Da mag es dann eben<br />
auch Zerbruch von alten Bünden geben. Das wird<br />
schmerzhaft werden, wird aber letztendlich helfen,<br />
denn dann werden sich Menschen klar entscheiden<br />
müssen, ob sie in allen Dingen Christus nachfolgen<br />
oder letztendlich weltlich mit „christlichem“ Anstrich<br />
leben wollen. Möge Gott es schenken, dass viele den<br />
schmalen Weg wählen, der zum ewigen Leben führt.<br />
Auch unter Christen wird diese Frage teilweise kontrovers<br />
besprochen. Welche Stellung sollten wir als<br />
Nachfolger Jesu hier einnehmen?<br />
Wir sollten selbstlos lieben und tun, was wir können!<br />
Vielen Dank. Welcher biblischen Person würdest du<br />
gerne welche Frage stellen?<br />
Ich bin Realist, von daher passt die Frage nicht so gut<br />
für mich (lacht).<br />
Schwierigste Bibelstelle?<br />
Hebräer 6,4-6 und Offenbarung 20.<br />
Bevorzugte Bibelübersetzung?<br />
Ich habe keinen echten Favorit. Ich predige aus<br />
Luther1984, lese auch gern Schlachter 2000 und viel in<br />
englischen Übersetzungen wie NIV 1984 und ESV.<br />
Mit welcher Person der Bibel kannst du dich am<br />
ehesten identifizieren?<br />
Hoffentlich immer mehr mit Jesus. Paulus ist ein<br />
Vorbild. Doch oft identifiziere ich mich auch mit dem<br />
Schwachen der Bibel.<br />
Welche Person der Kirchengeschichte würdest du<br />
gerne einmal treffen?<br />
Martin Luther.<br />
Was war das letzte Buch, das du gelesen hast?<br />
Ich bin gerade im Sabbatical und lese ganz viel. Offenbarung<br />
in der Bibel und dazu „More Than Conquerors:<br />
An Interpretation of the Book of Revelation“ von<br />
William Hendriksen, David Helms Buch zu textauslegendem<br />
Predigen, das wir (E21) in Kooperation mit<br />
dem 3L Verlag kürzlich auf Deutsch herausgebracht<br />
haben, Francis Chans „Crazy Love“, „The Pastor &<br />
Counseling“ Deepak Reju und Ed Welchs neues Buch<br />
„Side By Side“.<br />
Welches Buch wolltest du schon immer einmal<br />
lesen?<br />
Weiß ich nicht. So manches dicke Buch, für das ich<br />
dann keine Zeit fand, vor allem Biographien.<br />
Was bedeutet für dich „Reformation“?<br />
Sich von Gottes Wort und seinem Geist immer neu<br />
verändern zu lassen im Sinne von Römer 12,1-2 – persönlich<br />
und als Gemeinde.<br />
Was bedeutet Jesus für dich?<br />
Jesus ist mein Retter, mein Herr, mein großer Bruder,<br />
mein Ziel.<br />
Vielen Dank für das Gespräch. Möge Gott dir viel<br />
Gnade und Kraft als Ehemann, Familienvater und in<br />
deinen Tätigkeiten im Reich Gottes schenken.<br />
Danke, Peter!<br />
Die letzte Frage, bevor wir zu unseren abschließenden<br />
10 „heißen“ Fragen kommen. Aktuell wird die<br />
Frage der Flüchtlinge in den Medien diskutiert.<br />
41
NEUHEITEN & SONDERANGEBOTE JETZT ONLINE BESTELLEN<br />
CBUCH.DE<br />
Der<br />
vergessene<br />
Auftrag<br />
THOMAS LANGE<br />
EIN WECKRUF ZUR<br />
ERFÜLLUNG DES<br />
MISSIONSBEFEHLS<br />
Genau zwei Dinge<br />
können wir im Himmel<br />
nicht mehr tun:<br />
Erstens gegen Gottes<br />
Maßstäbe verstoßen<br />
und zweitens die Erlösungstat<br />
von Jesus<br />
Christus verbreiten.<br />
Zu Letzterem hat<br />
uns Gott definitiv berufen. Es ist der große Auftrag.<br />
Doch wie sieht die Realität aus? Ein Großteil der<br />
Gläubigen befindet sich in einem Dornröschenschlaf,<br />
nimmt den Missionsbefehl nicht mehr ernst und verkümmert<br />
diesbezüglich in Lethargie und Beliebigkeit.<br />
Es gilt die Devise „Reden ist Silber und Schweigen ist<br />
Gold“. Lähmung und Stagnation ist das traurige Ergebnis.<br />
Dieses Buch ist ein Plädoyer für die Verbreitung<br />
der Guten Nachricht und ein leidenschaftlicher Aufruf<br />
an alle Nachfolger Jesu, aufzuwachen und den großen<br />
Auftrag auszuführen.<br />
253179 – PAPERBACK, 104 SEITEN – € 6,50<br />
Katharina<br />
ELEONORE<br />
DEHNERDT<br />
DIE STARKE FRAU AN<br />
LUTHERS SEITE<br />
Mit 24 Jahren flieht<br />
Katharina zusammen<br />
mit mehreren anderen<br />
Nonnen aus dem<br />
Kloster. Sie will mit<br />
dem neuen Gottesbild<br />
der Reformation in<br />
das Leben aufbrechen.<br />
Katharina lernt das<br />
Kinderhüten, Schweinezüchten und Bierbrauen, erlebt<br />
die erste Liebe und meistert alles mit bewundernswerter<br />
Eigenständigkeit. Schließlich will sie den Reformator<br />
Martin Luther selbst heiraten. Zunächst lacht dieser darüber,<br />
doch schon bald wird sie sein „Morgenstern“ …<br />
114274 – TASCHENBUCH, 208 SEITEN – € 12,99<br />
Gute Nacht,<br />
gute Nacht,<br />
Gott gebe<br />
Gnade!<br />
HRSG. GEORG<br />
WALTER<br />
DIE FROHE<br />
GLAUBENS-<br />
ZUVERSICHT DER<br />
MÄRTYRER DER<br />
TÄUFERBEWEGUNG.<br />
Zeugnisse aus dem<br />
Märtyrerspiegel von<br />
Thielemann Jantz van<br />
Braght – zusammengetragen<br />
von Georg<br />
Walter. Der Holländer Thielemann Jantz van Braght<br />
(1625-1664) ist Autor des Märtyrerspiegels, einer detaillierten<br />
Geschichte der christlichen Märtyrer von der<br />
Zeit der Urchristen bis ins 16. Jahrhundert. Besonderen<br />
Schwerpunkt legt der Märtyrerspiegel auf die Geschichte<br />
der Wiedertäufer.<br />
336161 – PAPERBACK, 183 SEITEN – € 8,90<br />
Die Kraft der<br />
Evangeliumsbotschaft<br />
PAUL WASHER<br />
Die Vorrangstellung<br />
des Evangeliums<br />
kann unmöglich<br />
überbetont oder<br />
überbewertet werden.<br />
Dementsprechend<br />
ist es also die eine<br />
Botschaft, an der<br />
wir beharrlich<br />
festhalten müssen.<br />
Wenn schon die geringfügigste Abweichung von<br />
der biblischen Wahrheit gefährlich ist, können wir<br />
dennoch viele Dinge falsch verstehen, ohne dabei<br />
unser ewiges Schicksal aufs Spiel zu setzen. Dem<br />
Evangelium keinen Vorrang zu geben, bedeutet es<br />
im Ganzen falsch zu verstehen. Wir haben aus dem<br />
Evangelium eine vereinfachte und leicht verständliche<br />
Darlegung des Glaubens gemacht, die viel von der<br />
ursprünglichen Schönheit des Evangeliums wegnimmt<br />
und wenig Herrlichkeit zurücklässt, die bewundert<br />
oder weitgehend erforscht werden kann.<br />
863932 – PAPERBACK, 408 SEITEN – € 14,50<br />
ERSCHEINT IM OKTOBER 2015!<br />
42
TEL 05237-899090 EMAIL INFO@BETANIEN.DE<br />
ONLINE CBUCH.DE VERLAGSINFO BETANIEN.DE<br />
Streitfall Millenium<br />
KIM RIDDLEBARGER<br />
WIRD ES GOTTES REICH AUF ERDEN GEBEN?<br />
Was ist mit den „tausend Jahren“ aus Offenbarung 20<br />
gemeint? Für eine Antwort müssen die ganze Bibel und<br />
das Thema Prophetie systematisch untersucht werden.<br />
Viel Einleuchtendes über Israel, Drangsal, Entrückung<br />
und Endzeitzeichen wird dabei deutlich. Der Autor<br />
erklärt diese und andere Themenbereiche biblisch-systematisch<br />
und verteidigt dabei die klassische reformierte<br />
Position, den Amillennialismus. Besonders in der<br />
heutigen Zeit, wo Missverständnisse über das Reich<br />
Gottes oft zu einem fragwürdigen Christentum führen,<br />
ist diese tief gegründete biblische Lehre heilsam und<br />
wohltuend, damit Christen mit den richtigen Einstellungen<br />
und Erwartungen Gott treu dienen.<br />
Anmerkung: Du hast eine andere Auffassung über das<br />
Tausendjährige Reich? Das ist völlig ok – dieses Buch<br />
ist keine Kampfansage, sondern eine Einladung, die<br />
Argumente dieser Sichtweise kennenzulernen. Der<br />
Herausgeber schätzt Gläubige mit anderen Endzeit-Ansichten<br />
uneingeschränkt als Geschwister und hofft, dass<br />
das auch umgekehrt gilt.<br />
176310 – PAPERBACK, 347 SEITEN – € 15,90<br />
Himmel, Hölle,<br />
Engel und<br />
Dämonen<br />
R.C. SPROUL<br />
DIE UNSICHTBARE<br />
WELT<br />
Die meisten Christen<br />
akzeptieren das<br />
biblische Bekenntnis,<br />
dass es einen Gott<br />
gibt, der im Himmel<br />
und auf Erden regiert.<br />
Dennoch sind wir<br />
uns bezüglich anderer<br />
geistlicher Wahrheiten nicht so sicher. Dazu gehören:<br />
Himmel und Hölle, Engel und Dämonen und der<br />
Satan. Diese werden in der Schrift genauso als Realität<br />
beschrieben wie Gott selbst. Im Zentrum des christlichen<br />
Weltbildes steht das Übernatürliche und wir<br />
dürfen nicht zulassen, dass der weltliche Skeptizismus<br />
unsere Glaubensgrundlagen beeinflusst. Die kurze Tour<br />
durch die biblischen Lehren in diesem Buch bezüglich<br />
der unsichtbaren Welt wird Ihren Glauben an die Lehren<br />
des Übernatürlichen, stärken.<br />
863959 – PAPERBACK, 144 SEITEN – € 11,50<br />
Taufe – Impuls<br />
PETER GÜTHLER<br />
WIE IRRTÜMER<br />
ÜBER DEN HEILIGEN<br />
GEIST DEN GLAUBEN<br />
BEDROHEN<br />
Hast du dich<br />
schon einmal mit<br />
dem Thema Taufe<br />
beschäftigt? Möchtest<br />
du wissen, was die<br />
Bibel dazu sagt?<br />
Denkst du vielleicht<br />
sogar darüber nach,<br />
dich taufen zu lassen?<br />
Dann solltest du unbedingt diesen Kurs machen. In<br />
drei Lektionen erarbeitest du die Bedeutung der Taufe<br />
im Neuen Testament, ihre Veränderung im Laufe<br />
der Kirchengeschichte und ihre Herausforderung<br />
für dich persönlich. Du kannst diesen Kurs allein, in<br />
einer Gruppe oder zusammen mit einem erfahrenen<br />
Gläubigen studieren. Finde heraus, was Gott von dir<br />
möchte, und tu es! Das ist der erste Band in der neuen<br />
Impuls-Reihe von rigatio. Diese Reihe bringt Themen<br />
kurz und klar auf den Punkt.<br />
682019 – BROSCHIERT, 64 SEITEN – € 7,95<br />
43
„Wir sollten in allen Bibelteilen<br />
nach Christus Ausschau halten.“<br />
William MacDonald