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LE-1-2015

LOGISTIK express Fachzeitschrift

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TRANSPORT & LOGISTIK<br />

Divide et impera war gestern<br />

Von Shared Space zu Ship shared. Wie die Binnenschifffahrt zur Überwindung von<br />

Wettbewerbsnachteilen Logistiktrends setzen kann.<br />

Shared Space ist in der Binnenschifffahrt<br />

keine neuartige Idee der Infrastrukturplanung,<br />

sondern seit Anbeginn der<br />

Schifffahrt auf Wasserstraßen täglich<br />

gelebte Realität aller Gewässernutzer untereinander.<br />

Vergleicht man die Wasserstraßeninfrastruktur<br />

mit der Infrastruktur anderer<br />

Verkehrsträger, wie zum Beispiel Bahn, Flugverkehr<br />

oder auch Straßenverkehr, so wird<br />

ein wesentlicher Unterschied sichtbar. Die<br />

Infrastruktur der Binnenschifffahrt dient auch<br />

und zu erheblichen Teilen zahlreichen anderen<br />

Nutzern, die ihrerseits einen Rechtsanspruch<br />

auf die Wasserstraße geltend machen<br />

können. Auf der Autobahn ist es ganz selbstverständlich<br />

ausgeschlossen, dass nicht auch<br />

Fahrradverkehr stattfinden kann. Auf der<br />

Wasserstraße hingegen fährt das Paddelboot<br />

seelenruhig neben Schiffsverbänden mit<br />

10.000 Tonnen Ladung einher.<br />

Selbstverständlich darf keine Privatperson mit<br />

einer Draisine das Bahngleis des ICE für Freizeitfahrten<br />

nutzen. Die Wasserstraße hingegen,<br />

die von einem Gefahrguttransportschiff räumlich<br />

ohnehin beinahe schon völlig eingenommen<br />

wird, bietet auch dem Rudersportler<br />

noch Platz. Viel mehr noch, der Ruderer darf<br />

sogar mit dem Rücken – also blind – zum<br />

Schiffsverkehr fahren. Ein Autofahrer auf der<br />

Straße bekäme dafür eine Haftstrafe. Und niemand<br />

würde eine Erlaubnis für einen Tennisplatz<br />

am Rande eines Flugfeldes bekommen.<br />

Schwimmer hingegen, selbst Kleinkinder,<br />

können sich ungehindert in der Wasserstraße<br />

vergnügen. Shared Space auf den Wasserstraßen<br />

ist nicht immer konfliktfrei. Aber auch<br />

wenn es oft gefährliche Situationen gibt und<br />

alljährlich Todesopfer zu beklagen sind, niemand<br />

käme auf die Idee, Shared Space auf<br />

den Wasserstraßen zu verbieten. Dazu kommt<br />

noch, dass Wasserstraßen vielfach zur Energiegewinnung<br />

verwendet werden. Das hat<br />

zwar einige Vorteile für die Binnenschifffahrt,<br />

PETER BAUMGARTNER<br />

Redaktion:<br />

Peter Baumgartner<br />

BUCH-TIPP<br />

Die Befugnisse des<br />

Bundes zur Verwaltung<br />

der Wasserstraßen in<br />

Deutschland<br />

Schriften zum<br />

Öffentlichen Recht<br />

(SÖR)<br />

Sven Kreuter / 2014 /<br />

Euro 72,90<br />

Duncker & Humblot<br />

ISBN 978-3-428-14136-4<br />

bringt jedoch auch erhebliche Einschränkungen.<br />

Ganz abgesehen von den negativen<br />

klimatischen Einflüssen in Stauhaltungen (Eis,<br />

Nebel), verfolgen Wasserkraftwerke eine eigene<br />

Wasserbewirtschaftung, die mit den<br />

Interessen der Binnenschifffahrt wenig kompatibel<br />

ist. Trotzdem muss die Binnenschifffahrt<br />

ihre Infrastruktur mit der sehr mächtigen<br />

Stromlobby teilen. Ein weiterer mächtigerer<br />

Nutzer der Schiffsinfrastruktur ist die Wasserbewirtschaftung.<br />

Der Wasserstand wichtiger<br />

Wasserstraßen ist von Speicherseen oder Talsperren<br />

und deren Bewirtschaftungsplan abhängig.<br />

Diese Wasserspeicher verfolgen nicht<br />

nur touristische Interessen, sondern dienen<br />

auch der Trinkwasserversorgung großer Kommunen.<br />

Ein Ausgleich der Interessen zwischen<br />

Binnenschifffahrt und Wasserwirtschaftsplan<br />

wird spätestens dann zum Problem, wenn<br />

Wasser knapp ist oder bei Hochwasser Überschuss<br />

herrscht.<br />

Ein Sonderfall ist dabei der Rhein-Main-Donaukanal.<br />

Er verbindet die Wasserscheide des<br />

Rheingebietes mit der des Donaueinzugsgebietes<br />

und ist insbesondere für Bayern von hoher<br />

wasserwirtschaftlicher Bedeutung. Der Kanal<br />

wird nämlich zur Wasserbewirtschaftung<br />

des trockenen Maingebietes durch das nasse<br />

Donaugebiet verwendet. Kritiker behaupten,<br />

der Kanalbau war gar nie als Schiffsinfrastruktur<br />

gedacht, sondern dient vordringlich der<br />

lebensnotwendigen Wasserbewirtschaftung<br />

von europäischer Dimension. Tatsächlich<br />

muss die Binnenschifffahrt an diesem Teil des<br />

Wasserstraßennetzes Nachteile zugunsten der<br />

Wasserbewirtschaftung in Kauf nehmen. So<br />

wurde der Kanal von Anfang an für die Binnenschiffe<br />

viel zu klein dimensioniert – wohlwissend,<br />

dass er so von wichtigen Verkehrsbereichen<br />

dauerhaft ausgeschlossen bleibt. Für<br />

die Binnenschiffslogistik heißt das, dass sie<br />

die „natürlichen“ Wettbewerbsnachteile auf<br />

anderen Ebenen wettmachen muss, um am<br />

^<br />

Ein Schubleichter (auch Barge genannt) ist ein unbemannter und antriebsloser Ladungsbehälter, der im Schubverband<br />

durch ein Motorschiff befördert wird. Die Anzahl der Schubleichter in einem Verband kann auf europäischen Wasserstraßen<br />

bis zu zwölf Stück betragen, wobei ein Schubleichter etwa 2.000 Tonnen Ladung aufnehmen kann. Foto: P. Baumgartner<br />

Markt erfolgreich zu sein. Mit technischen Innovationen<br />

allein wird das in Zukunft nicht<br />

möglich sein.<br />

Divide et impera - teile und herrsche. Was vielleicht<br />

als außenpolitisches Dogma gelegentlich<br />

erfolgreich war, ist in der Logistik nutzloses<br />

Verbrennen von Energie. “Teile und herrsche”<br />

sollte hier eher im Sinne von “teilen und führen”<br />

verstanden werden und diese Strategie<br />

ist dazu geeignet, Wettbewerbsnachteile<br />

auszugleichen. Auch wenn Einigkeit schnell zu<br />

Kumpanei führen kann und vor den Wettbewerbshütern<br />

landet, letzte Ressourcen in der<br />

Binnenschifffahrt lassen sich nur durch teilen,<br />

führen und kooperieren erschließen. Wie das<br />

funktionieren kann, zeigt zum Beispiel eindrucksvoll<br />

Imperial Shipping, ein weltweit agierendes<br />

Logistikunternehmen in der Binnenschifffahrt,<br />

mit seiner Unternehmensstrategie,<br />

die da lautet: Kooperation und Kombination<br />

der Logistiksysteme.<br />

Ship sharing ist eine wirksame Möglichkeit, um<br />

eine verbesserte Auslastung der Binnenschiffe<br />

und Ladegefäße zu erreichen. Ship sharing<br />

bringt außerdem Vorteile bei der Netzauslastung<br />

und dient somit auch dazu, einen Beitrag<br />

zu den Klimaschutzzielen zu leisten. Wie<br />

Shared Space, ist auch Ship sharing zwar schon<br />

länger in der Binnenschifffahrt in Anwendung,<br />

aber es gibt hier noch viel Potential zu heben.<br />

Gemeinsame Regeln für ein Ship sharing wurden<br />

bereits geschaffen und werden derzeit<br />

aktualisiert. Noch beschränkt sich die gemeinsame<br />

Nutzung aber hauptsächlich auf den<br />

Bereich der nichtmotorisierten Ladefahrzeuge<br />

wie zum Beispiel Schubleichter. Ein Uniconsult<br />

Konzept hat bereits im Jahre 2009 den Reedern<br />

empfohlen, den wachsenden Hinterlandverkehr<br />

durch eine Investitionstrennung zwischen<br />

Schiff und Schubleichter zu stärken. Eine<br />

absolut nachvollziehbare Empfehlung, wenn<br />

man weiß, dass die Auslastung und auch die<br />

Einsatzzeit von Schubleichtern nur knapp über<br />

50 Prozent liegt.<br />

Gleichzeitig sind Staus in den Seehäfen an der<br />

Tagesordnung und die Verteilung der Waren<br />

in die Fläche droht zu scheitern. Hier liegen<br />

also noch Ressourcen brach, die der Binnenschiffslogistik<br />

und der Umwelt durch Ship sharing<br />

Auftrieb bringen könnten. Dem weltweiten<br />

Markt für gemeinsam genützte Fahrzeuge<br />

wird bis 2020 ein jährliches Wachstum von 35<br />

Prozent zugetraut. Die Binnenschifffahrt und<br />

ihre gemeinsam genutzten Fahrzeuge stehen<br />

erst am Anfang dieser Erfolgsgeschichte.<br />

Die Seeschifffahrt ist jedoch bereits ein Schritt<br />

weiter. Mit „Vessel Sharing Agreement“ haben<br />

Maersk und MSC 2014 erstmals umgesetzt,<br />

was in der Binnenschifffahrt noch zu realisieren<br />

ist. Vom Time Magazine zu den innovativsten<br />

Ideen erkoren, macht der Megatrend Nutzen<br />

statt (allein) Besitzen auch vor der Binnenschifffahrt<br />

nicht halt und wird bald auch seine<br />

motorisierte Einheiten umfassen. Die römische<br />

Strategie „divide et impera“ ist in der Binnenschiffslogistik<br />

jedenfalls ein Aus-laufmodell.<br />

Künftig wird der gemeinsame Nutzen wertvoller<br />

Ressourcen im Vordergrund stehen und ein<br />

tragbares Fundament für den wirtschaftlichen<br />

Erfolg sein. (PB)<br />

Ship shared,<br />

ich will eine<br />

Transportaufgabe<br />

lösen und kein<br />

Millionen teures<br />

Schiff besitzen.<br />

ONLINE-TIPP<br />

Verkehrsexperte:<br />

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