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KANN CHRIST-SEIN<br />

AUCH OHNE<br />

GEMEINDE<br />

FUNKTIONIEREN?<br />

„Siehe, wie fein und lieblich ist's, wenn Brüder<br />

einträchtig beieinander wohnen!“ – so sagt es<br />

der 133. Psalm. Und Dietrich Bonhoeffer, der mit<br />

diesem Psalmwort sein Buch über das<br />

„Gemeinsame Leben“ eröffnet, weist<br />

nachdrücklich darauf hin, dass es eine große<br />

Gnade ist, wenn wir als Christen in täglicher<br />

Gemeinschaft mit anderen Christen leben<br />

dürfen. Fein und lieblich ist es, wenn wir als<br />

Glaubensgeschwister einträchtig beieinander<br />

wohnen. Der Normalzustand ist es aber<br />

keineswegs! Denn eigentlich steht ein Christ als<br />

Fremdling in der Welt und muss darauf gefasst<br />

sein, ein Einzelner zu sein, so wie die Apostel<br />

am Anfang Einzelne waren in den heidnischen<br />

Ländern. Jesus selbst lebte ganz überwiegend<br />

unter Feinden – und als es drauf ankam, stand<br />

er alleine da, weil seine Jünger flohen. Wenn es<br />

aber schon Jesus so ging, können wir dann<br />

erwarten, unter Freunden zu leben? Wurden<br />

Jesu Jünger nicht ausgesandt wie Lämmer unter<br />

die Wölfe, ausgesät und ausgestreut unter<br />

Heiden und Spötter? Bis heute müssen viele<br />

Christen ihr Leben genau so verbringen – in der<br />

Vereinzelung, unter Verfolgung oder gar im<br />

Gefängnis. Sie sehnen sich nach der<br />

Gemeinschaft mit anderen Gläubigen, die<br />

mancher über Monate und Jahre hinweg nicht<br />

erleben darf. Wir hingegen, die wir täglich mit<br />

anderen Christen vertrauten Umgang haben,<br />

sollten das hoch schätzen. Denn wenn sich die<br />

Gemeinde Jesu in dieser Welt sichtbar um<br />

Gottes Wort und Sakrament versammeln darf,<br />

dann ist das schon fast eine Vorwegnahme des<br />

Himmels. Ja, Bonhoeffer meint, die leibliche<br />

Gegenwart anderer Christen müsse uns eine<br />

Quelle unvergleichlicher Freude und Stärkung<br />

sein, weil die Nähe des christlichen Bruders ein<br />

leibliches Gnadenzeichen ist für die Gegenwart<br />

des dreieinigen Gottes. Warum aber ist das so?<br />

Und warum haben wir die Gemeinschaft der<br />

Anderen so nötig?<br />

Könnten wir nicht auch alles mit uns selbst<br />

ausmachen, so dass jeder für sich alleine seinen<br />

Glauben lebte? Nein – das ginge nicht. Und in<br />

unserer hoch individualisierten Zeit kommt es<br />

besonders drauf an, dass wir verstehen, warum<br />

es nicht geht. Denn dass ein Christ des anderen<br />

so dringend bedarf, hat seinen Grund darin, dass<br />

der Einzelne sich das befreiende Wort, von dem<br />

sein Glaube lebt, nicht selber sagen kann. Ein<br />

Christ ist ein Mensch, der sein Heil, seine<br />

Rettung, seine Gerechtigkeit nicht bei sich selbst<br />

sucht und findet, sondern bei Christus. Darum<br />

lebt ein Christ überhaupt nicht aus sich selbst,<br />

nicht aus seiner eigenen Anklage und seiner<br />

eigenen Rechtfertigung, sondern lebt aus Gottes<br />

Anklage und Gottes Rechtfertigung. Des<br />

Christen Trost und Zuversicht liegen also nicht in<br />

ihm selbst beschlossen, sondern er findet beides<br />

im Wort Gottes, das von außen zu ihm kommt.<br />

Und wenn er gefragt wird, wo sein Heil ist, sein<br />

Trost und seine Gerechtigkeit, so muss er von<br />

sich weg verweisen auf das Wort Gottes, das<br />

ihm alles zuspricht und schenkt. Nach diesem<br />

Wort hungert und dürstet ein Christ! Weil Gott<br />

nun aber das befreiende Wort des Evangeliums<br />

in den Mund von Menschen gegeben hat, damit<br />

es weitergesagt werde von einem zum anderen,<br />

darum bedürfen wir so dringend der<br />

Gemeinschaft untereinander. Schließlich kann<br />

sich keiner selber taufen oder sich selbst im<br />

Glauben unterrichten. Keiner kann sich selbst<br />

das Abendmahl reichen, keiner kann sich selber<br />

segnen, keiner kann sich selbst Absolution<br />

erteilen, keiner kann sich selber mahnen und<br />

trösten – und eben darum braucht jeder Christ<br />

seine Glaubensgeschwister als Träger und<br />

Verkünder des göttlichen Heilswortes. Was wir<br />

uns selber sagen und womit wir uns selber<br />

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