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ARCONDIS UPDATE No. 02|2018: GxP Compliance to the point

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Kolumne / Column<br />

Als ehemaliger stv.<br />

Direk<strong>to</strong>r der Swissmedic<br />

ist Dr. Hans-Beat Jenny<br />

Experte in Sachen <strong>GxP</strong> und<br />

verfügt über jahrzehntelange<br />

Branchenerfahrung. Der<br />

promovierte Chemiker war<br />

lange Zeit in Forschung und<br />

Qualitätssicherung eines<br />

Basler Pharmakonzerns<br />

tätig, bevor er die Leitung<br />

des Heilmittelinspek<strong>to</strong>rats<br />

der <strong>No</strong>rdwestschweiz und<br />

später den Bereich Bewilligungen<br />

in der Swissmedic<br />

übernahm. Seit seiner<br />

Pensionierung im Jahr 2016<br />

ist Jenny als Berater tätig.<br />

As a former Deputy Direc<strong>to</strong>r<br />

of Swissmedic, Dr. Hans-<br />

Beat Jenny is an expert<br />

on <strong>GxP</strong> matters and has<br />

decades of industry experience.<br />

For a long time, <strong>the</strong><br />

chemist with a doc<strong>to</strong>rate<br />

degree had been involved<br />

in <strong>the</strong> research and quality<br />

assurance of a Basel pharmaceutical<br />

company, before<br />

taking over management of<br />

<strong>the</strong> Drug Inspection Agency<br />

of <strong>No</strong>rthwestern Switzerland<br />

and later <strong>the</strong> Sec<strong>to</strong>r<br />

Licensing of Swissmedic.<br />

Jenny has been working<br />

as a consultant since his<br />

retirement in 2016.<br />

Jenny über ...<br />

Risiko des<br />

Unbekannten<br />

Jenny about...<br />

Risk of <strong>the</strong> unknown<br />

D_Die Herstellung von Medizinprodukten und<br />

Arzneimitteln ist – zumindest aus <strong>GxP</strong>-Sicht –<br />

eine geregelte Angelegenheit. Die Umsetzung<br />

von <strong>GxP</strong>-Prinzipien eben – zwar anspruchsvoll,<br />

doch machbar. Aber reicht dieses „Schönwetter-<strong>GxP</strong>“<br />

aus, um auch einen Schutz gegen bislang<br />

unbekannte Ereignisse zu schaffen? Meine<br />

Erfahrung ist: nein.<br />

In der Technik sind die meisten Systeme nach den<br />

Prinzipien des „fail-safe“ konzipiert. Bei einem<br />

auftretenden Fehler wird au<strong>to</strong>matisch ein vordefinierter<br />

Systemzustand erreicht, um den Schaden<br />

zu minimieren oder gar zu verhindern. Der sichere<br />

Zustand wird zudem au<strong>to</strong>nom erreicht, und zwar<br />

auch dann, wenn die auslösende Ursache im Vorfeld<br />

völlig unbekannt war. Klassisches Beispiel ist die<br />

von Elisha Graves Otis erfundene und bereits 1853<br />

kommerzialisierte <strong>No</strong>tbremse für Aufzüge.<br />

Was heisst das aber auf der abstrakteren Ebene von<br />

<strong>GxP</strong>? Die Mitarbeitenden aller Hierarchiestufen stellen<br />

hier ein spezifisches Risiko dar. Tritt ein bisher<br />

unbekannter Zustand ein, neigen Menschen dazu,<br />

aus den bekannten und angebotenen Optionen die<br />

am wenigsten falsch erscheinende auszuwählen.<br />

Dies kann in der Folge jedoch unbemerkt zu fehlerhaften<br />

Produkten führen, die ebenso unbemerkt auf<br />

den Markt gelangen.<br />

Kann man <strong>GxP</strong> so gestalten, dass es zum Schutz<br />

vor den Folgen solcher Ereignisse quasi „fail- safe“-<br />

Eigenschaften erhält? Ja, man kann, und zwar relativ<br />

einfach. In allen relevanten Entscheidungsbäumen<br />

muss den Mitarbeitenden mindestens eine zusätzliche<br />

Option X angeboten werden, die mit „Alle anderen<br />

Optionen treffen nicht zu“ beschrieben werden<br />

kann. Dieser Option X muss zudem eine eindeutige<br />

und immer anwendbare Handlungsanweisung fest<br />

zugewiesen sein.<br />

Tritt ein unbekanntes Ereignis dann tatsächlich ein,<br />

sind die Mitarbeitenden nicht mehr in der Versuchung,<br />

die „am wenigsten falsche Option“ zu wählen<br />

oder – noch schlimmer – anzufangen zu improvisieren.<br />

Die Firma hat nämlich mit der Festlegung<br />

von Option X die in diesem Fall perfekt passende<br />

Option bereits geschaffen und zudem gleichzeitig<br />

die Anweisung erteilt, wie gehandelt werden muss.<br />

Die grosse Kunst für die Firmen besteht darin, diese<br />

Optionen X an den richtigen Stellen zu setzen und<br />

vor allem mit den richtigen Handlungsanweisungen<br />

zu versehen. Die Anweisung muss so gestaltet<br />

sein, dass die betroffene Charge/das betroffene<br />

Produkt anschliessend nicht unbemerkt auf „normalem“<br />

Weg den Kunden oder Patienten erreichen<br />

kann. Damit erhält man mit wenig Kosten einen<br />

nachhaltig wirksamen Schutz gegen die Folgen des<br />

„Unbekannten Risikos“.<br />

English<br />

E_The production of medical devices and<br />

medicinal products follows well established<br />

procedures, at least from a <strong>GxP</strong> <strong>point</strong> of view.<br />

Implementing <strong>GxP</strong> principles is demanding, but<br />

doable. But is this “fair-wea<strong>the</strong>r <strong>GxP</strong>” enough <strong>to</strong><br />

provide protection against events unknown <strong>to</strong><br />

date? In my experience, <strong>the</strong> answer is no.<br />

When it comes <strong>to</strong> technology, most systems are designed<br />

according <strong>to</strong> “fail-safe” principles. If a failure<br />

occurs, <strong>the</strong> system au<strong>to</strong>matically enters a pre-defined<br />

state <strong>to</strong> minimize or even prevent damage.<br />

The system also enters this secure state even if <strong>the</strong><br />

cause triggering <strong>the</strong> failure is completely unknown<br />

beforehand. One classic example is <strong>the</strong> emergency<br />

brake for eleva<strong>to</strong>rs, invented by Elisha Graves Otis<br />

and commercialized as early as 1853.<br />

But what does this mean on <strong>the</strong> more abstract level<br />

of <strong>GxP</strong>? Employees of all hierarchical levels pose<br />

a specific risk. If an unknown state occurs, people<br />

tend <strong>to</strong> take <strong>the</strong> available options <strong>the</strong>y are familiar<br />

with and choose <strong>the</strong> one that seems least wrong.<br />

But this can result in faulty products that slip under<br />

<strong>the</strong> radar and may reach <strong>the</strong> market unnoticed.<br />

Is it possible <strong>to</strong> design <strong>GxP</strong> with <strong>the</strong> equivalent of<br />

“fail-safe” properties <strong>to</strong> provide protection against<br />

<strong>the</strong> consequences of such events? Yes, and it is<br />

relatively simple <strong>to</strong>o. In all relevant decision trees,<br />

employees have <strong>to</strong> be offered an additional option<br />

“X” that can be described as “none of <strong>the</strong> o<strong>the</strong>r<br />

options apply.” This option X in addition has <strong>to</strong> be<br />

linked <strong>to</strong> a unique instruction that can be followed at<br />

any time.<br />

If an unknown event really does occur, employees<br />

are no longer tempted <strong>to</strong> choose <strong>the</strong> “least wrong<br />

option” or, even worse, <strong>to</strong> start improvising. After<br />

all, by defining option X, <strong>the</strong> company has already<br />

decided on <strong>the</strong> option applicable for this case while<br />

instructing employees what <strong>to</strong> do.<br />

For companies, <strong>the</strong> challenge is <strong>to</strong> put <strong>the</strong>se options<br />

in <strong>the</strong> right positions of <strong>the</strong> process-flow and <strong>to</strong><br />

make sure <strong>the</strong>y are linked <strong>to</strong> <strong>the</strong> adequate instructions.<br />

The instruction must be designed such as <strong>to</strong><br />

prevent <strong>the</strong> affected batch/product from slipping<br />

under <strong>the</strong> radar and reaching cus<strong>to</strong>mers or patients<br />

in <strong>the</strong> “normal” way. As a result, companies can<br />

sustainably guarantee efficient, effective protection<br />

against <strong>the</strong> consequences of “unknown risks”.<br />

D_Das MDSAP oder „Medical Device<br />

Single Audit Program“ bezeichnet eine Initiative<br />

des IMDRF (International Medical<br />

Device Regula<strong>to</strong>rs Forum). Ihr Ziel ist, den<br />

Aufwand einzelner nationaler Audits des<br />

Qualitätsmanagementsystems (QMS) für<br />

Medizinproduktunternehmen innerhalb<br />

der teilnehmenden Länder auf ein einziges<br />

Audit zu reduzieren. Die Grundlage<br />

hierfür bildet die ISO-<strong>No</strong>rm 13485:2016,<br />

welche mit den individuellen regula<strong>to</strong>rischen<br />

Anforderungen der MDSAP-Mitgliedsstaaten<br />

ergänzt wird.<br />

Welche Märkte kann ich mit<br />

dem Programm erreichen?<br />

Aktuell sind die Einsatzmöglichkeiten des<br />

Programms noch begrenzt. Ganz klar nutzt<br />

ein MDSAP-Zertifikat aber jetzt schon allen<br />

Medizinproduk<strong>the</strong>rstellern, die neben<br />

Kanada auch Märkte in Australien, Brasilien,<br />

Japan oder den USA bedienen. Darüber<br />

hinaus arbeiten auch die WHO (World Health<br />

Organization) und EU am Programm mit,<br />

behalten sich die Einführung aber noch vor.<br />

Gibt es länderspezifische<br />

Unterschiede?<br />

Das MDSAP wird von den Teilnehmern des<br />

IMDRF befürwortet und getragen, aber nicht<br />

alle Länder setzen das Programm in gleicher<br />

Weise um. Mit Ausnahme von Kanada nutzen<br />

die Mitglieder das MDSAP als Ergänzung<br />

des bestehenden Systems.<br />

Länderspezifische Regelungen im Detail:<br />

In Kanada wird die Zertifizierung nach<br />

MDSAP ab Januar 2019 für alle Unternehmen,<br />

die den inländischen Markt bedienen,<br />

zwingend erforderlich. Das bestehende<br />

kanadische Programm CMDCAS<br />

wird durch MDSAP vollständig ersetzt.<br />

Während der aktuellen Übergangsphase<br />

akzeptiert Kanada beide Programme zur<br />

Anmeldung von Medizinprodukten der<br />

Klasse II, III und IV.<br />

Australien akzeptiert MDSAP-Audit-<br />

Reports zur Anmeldung oder Aufrechterhaltung<br />

des Meldestatus sowohl<br />

für Produkte und Hersteller. Mit dem<br />

MDSAP-Report kann die Routine-Inspektion<br />

ausgesetzt werden.<br />

In Brasilien gelten Resultate des Programms<br />

als wichtiger Input für Pre- and<br />

Post-Market-Bewertungsprozeduren. Im<br />

Speziellen liefern die Reports Schlüsselinformationen<br />

für technische Bewertungen,<br />

welche die ANVISA-GMP-Zertifizierung<br />

für Medizinprodukte der Klasse<br />

III und IV beschleunigen. Ebenso kann<br />

ANVISA die zweijährige GMP-Rezertifizierung<br />

mittels eines MDSAP-Audits gestatten.<br />

Wichtig ist hierbei, dass vorangegangene<br />

ANVISA-Audits ohne Auffälligkeiten<br />

ausfielen.<br />

In Japan werden MDSAP-Audit-Reports,<br />

die zur Pre- oder periodischen Post-Market-QMS-Inspektion<br />

eingereicht werden,<br />

MDSAP<br />

– ein QMS-Audit<br />

für alle Märkte?<br />

MDSAP<br />

– one QMS audit <strong>to</strong> rule <strong>the</strong>m all?<br />

als Pro<strong>to</strong>koll genutzt. Sie dienen zur<br />

Freistellung von On-site-Inspektionen<br />

und als Ersatz grundlegender Produktanmeldungsdokumentationen<br />

durch den<br />

Marketing Authorization Holder (MAH).<br />

Die USA erkennt MDSAP als Ersatz für<br />

Routine-Inspektionen an, sofern Findings<br />

in der Vorgabezeit behoben und durch die<br />

Zertifizierungsbehörde überwacht werden.<br />

Jedoch werden keinerlei Pre- und<br />

Post-Market-Approval-Inspektionen durch<br />

das MDSAP ersetzt.<br />

MDSAP – ja, aber ist es für<br />

mein Unternehmen sinnvoll?<br />

Wer den kanadischen Markt bedient, kommt<br />

um das Programm nicht herum und sollte<br />

spätestens jetzt mit den Vorbereitungen für<br />

die Zertifizierung beginnen. Zudem ermöglicht<br />

das MDSAP die Zertifizierung mit derjenigen<br />

für die ISO 13485:2016 zu kombinieren<br />

und somit Aufwand und Kosten zu minimieren.<br />

Dabei sollte jedoch genau geprüft<br />

werden, für welche Regularien das MDSAP<br />

vorteilhaft ist. Eine Anmeldung für alle<br />

verfügbaren Märkte gleichzeitig kann zwar<br />

Synergien schaffen, da ähnliche Anforderungen<br />

zusammengefasst und gemeinsam<br />

implementiert werden können. Dies ist aber<br />

nicht immer der effizienteste Weg, denn gilt<br />

es Folgendes zu bedenken:<br />

Fortsetzung<br />

Continuation<br />

7

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