Erkrankungen - PrOgiParK
Erkrankungen - PrOgiParK
Erkrankungen - PrOgiParK
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
am puls coverstory<br />
Recall-System gefordert<br />
Spricht man von Gesundheitsvorsorge<br />
bei Kindern und Jugendlichen, so darf<br />
das eigentlich zuständige Fach nicht<br />
vergessen werden: „Die Pädiatrie ist eine<br />
Domäne der Präventivmedizin“, bekräftigt<br />
Rudolf Schmitzberger, Obmann<br />
für Fachgruppe Kinder- und Jugendheilkunde<br />
der Ärztekammer für Wien,<br />
und bekennt: „In Sachen Prävention<br />
kann man nie genug tun.“ Impfungen,<br />
die Untersuchungen im Rahmen des<br />
Mutter-Kind-Passes, Interventionen<br />
betreffend die Ernährung sowie Aufklärung<br />
über Unfallverhütung sind die<br />
wichtigsten Präventionsmaßnahmen<br />
bei Säuglingen und Kleinkindern.<br />
Unzufrieden ist Schmitzberger mit der<br />
Akzeptanz des Mutter-Kind-Passes.<br />
Denn bis zum ersten Lebensjahr liege<br />
die Untersuchungsfrequenz aufgrund<br />
der Koppelung an das Kinderbetreuungsgeld<br />
bei 100 Prozent. Bei den<br />
Zweijährigen sinke die Frequenz jedoch<br />
auf in etwa drei Viertel, bei den Fünfjährigen<br />
betrage sie nur noch ungefähr<br />
30 Prozent, beklagt Schmitzberger.<br />
„Gerade bei den Fünfjährigen kann<br />
man präventiv noch so viel tun“, betont<br />
der Kinderarzt: „Die Überprüfung der<br />
Sprachentwicklung und der Feinmotorik<br />
gehört zu den wichtigsten Präventionsmaßnahmen.“<br />
Denn in jungen<br />
Jahren könne etwaigen Entwicklungsverzögerungen<br />
noch vergleichsweise<br />
gut entgegengesteuert werden.<br />
Schmitzberger wünscht sich daher ein<br />
Recall-System wie in Salzburg oder in<br />
der Steiermark. Dort erhalten die Eltern<br />
ein Schreiben, in dem sie an die im<br />
Mutter-Kind-Pass festgeschriebenen<br />
Vorsorgeuntersuchungen erinnert werden.<br />
Das Land Oberösterreich zahlt<br />
sogar all jenen Eltern eine Prämie, die<br />
ihrem Kind alle vorgeschriebenen Untersuchungen<br />
und alle kostenlos angebotenen<br />
Impfungen angedeihen lassen.<br />
Ein weiteres Problem ist laut Schmitzberger<br />
die grassierende Impfmüdigkeit.<br />
„Gerade hatten wir in Wien ein<br />
gehäuftes Auftreten von Masernfällen“,<br />
sagt der Pädiater, der auch als Impfreferent<br />
der Ärztekammer für Wien<br />
fungiert. Entgegen aller Verharmlosungsversuche<br />
seitens sogenannter<br />
Impfgegner sind die Masern eine gefährliche<br />
Erkrankung, an der ungefähr<br />
einer von Tausend Infizierten stirbt.<br />
„Die Impfgegner sind eine ganz kleine<br />
Gruppe, die jedoch einen großen Wind<br />
22 doktor in wien 10_2011<br />
41 Prozent<br />
der männlichen<br />
und<br />
36 Prozent<br />
der weiblichenJugendlichen<br />
über 15 Jahre<br />
trinken<br />
regelmäßig<br />
Alkohol<br />
(OECD-<br />
Schnitt: 33<br />
beziehungsweise<br />
29<br />
Prozent).<br />
Schmitzberger:<br />
„Die Impfgegner in<br />
Österreich sind eine<br />
ganz kleine Gruppe,<br />
die jedoch einen<br />
großen Wind macht<br />
mit ihren Ablehnungen“<br />
mit ihren Ablehnungen macht“, beklagt<br />
Schmitzberger. Mit ihnen sei eine rationale<br />
Diskussion nicht möglich, da es<br />
sich bei ihrer Haltung um eine „Glaubensfrage“<br />
handle.<br />
Defizite sieht Schmitzberger auch bei<br />
der Versorgung männlicher Jugendlicher.<br />
Mädchen gingen zumeist zum<br />
Gynäkologen, der dann gewissermaßen<br />
eine Art Hausarztfunktion übernimmt.<br />
Burschen hingegen hätten überhaupt<br />
keinen Ansprechpartner. „Ich habe<br />
schon von jungen Männern gehört,<br />
die sich zu Gynäkologen verirren“, berichtet<br />
Schmitzberger. Hier seien neue<br />
Konzepte gefragt.<br />
Malta hängt Österreich ab<br />
Prävention freilich endet nicht mit dem<br />
Eintritt ins Erwachsenenalter. Und<br />
auch um den Gesundheitszustand der<br />
Erwachsenen sieht es schlecht aus in<br />
Österreich. Die erwachsene Bevölkerung<br />
konsumiert laut WIFO-Studie<br />
in stärkerem Ausmaß Alkohol, raucht<br />
mehr, ist dickleibiger als der Rest Europas.<br />
Zwar liegt die Lebenserwartung<br />
in Österreich leicht über dem europäischen<br />
Durchschnitt, allerdings sind<br />
die Aussichten auf gesunde, beschwerdefreie<br />
Lebensjahre unterdurchschnittlich.<br />
Die „Gesundheitserwartung“ liegt<br />
in Österreich bei 58,8 Lebensjahren, also<br />
fast drei Jahre unter dem EU-Schnitt<br />
(61,5 Jahre), und nur an 20. Stelle unter<br />
den 27 EU-Staaten. Österreich wird<br />
somit von 13 Ländern überholt, die eine<br />
niedrigere Lebenserwartung haben,<br />
aber ein größere Zahl gesunder Jahre<br />
erwarten können. In Malta, Schweden<br />
und Großbritannien liegt die gesunde<br />
Lebenserwartung bei 68 Jahren, also<br />
zehn Jahre mehr als in Österreich.<br />
Umgekehrt liegt Österreich bezüglich<br />
der Jahre, in denen die Lebensqualität<br />
durch Krankheiten und Behinderungen<br />
reduziert ist, mit 22 Jahren an dritter<br />
Stelle der EU-27. Im EU-Schnitt liegen<br />
die „kranken Jahre“ bei 18 Jahren, in<br />
Schweden sind es nur zwölf Jahre.<br />
Mit mehr Prävention ließen sich diese<br />
alarmierenden Zahlen verbessern, ist<br />
Rudolf Hainz, stellvertretender Obmann<br />
der Kurie niedergelassene Ärzte<br />
der Ärztekammer für Wien, überzeugt.<br />
Das eine Feld, auf dem Prävention für<br />
Erwachsene stattfindet, ist die Arbeitsmedizin.<br />
„Ob Schutzausrüstungen<br />
oder Eignungsuntersuchungen – so<br />
ziemlich alles, was Arbeitsmediziner<br />
machen, ist Prävention und Vorsorge“,<br />
erklärt Hainz. Der Leiter des Referats<br />
für Betriebsärzte und Arbeitsmedizin<br />
der Ärztekammer für Wien hat als Betriebsärztevertreter<br />
eine interessante<br />
Beobachtung gemacht: Während in<br />
früheren Jahren chemisch-toxische<br />
Belastungen im Vordergrund standen,<br />
sind es heute psychosoziale Belastungen<br />
wie Stress, Burn-out oder<br />
Überbelastung.<br />
Die zweite Schiene ärztlicher Gesundheitsvorsorge<br />
für Erwachsene ist natürlich<br />
die Allgemeinmedizin. „Der<br />
Hausarzt betreut seine Patienten von<br />
der Wiege bis zur Bahre“, weiß der<br />
stellvertretende Kurienobmann und<br />
Allgemeinmediziner im 22. Bezirk:<br />
„Prävention schwingt dabei immer<br />
mit.“ Übergewichtige zum Abnehmen<br />
anregen, zur Vorsorgeuntersuchung raten,<br />
einen Check nach Melanomen anregen<br />
oder Männern ab 45 Jahren eine