Hinz&Kunzt 304 Juni 2018
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Stadtgespräch<br />
HINZ&KUNZT N°<strong>304</strong>/JUNI <strong>2018</strong><br />
ENTEIGNET SIE!<br />
Wie Eigentümer ihre Immobilien leer stehen<br />
und verkommen lassen – und die Stadt dabei zuschaut.<br />
TEXT: ULRICH JONAS, JONAS FÜLLNER<br />
FOTOS: MAURICIO BUSTAMANTE, ULRICH JONAS<br />
DAS LEHRSTÜCK<br />
Margret Stephan ist eine hartnäckige<br />
Mieterin. Seit 47 Jahren wohnt die<br />
Rentnerin in der Grindelallee 80 und<br />
sagt: „Ich will hier nicht weg!“ Viele<br />
Jahre lebte sie gut in dem Altbau nahe<br />
der Uni. Bis Immobilienhändler Sven<br />
B. vor gut fünf Jahren das Haus erwarb.<br />
Was seitdem geschah, hat die 72-Jährige<br />
in zwei Aktenordnern dokumentiert.<br />
Die Kurzfassung liefert Rechtsanwalt<br />
Rolf Bosse vom Mieterverein zu Hamburg,<br />
der noch weitere sieben Parteien<br />
im Haus vertritt: „Die Tätigkeit B.s beschränkte<br />
sich darauf, Mieter rauszuekeln<br />
und das Haus verfallen zu lassen.“<br />
Das Kalkül dahinter, so der<br />
Mieterschützer: Leer stehende Immobilien<br />
lassen sich mit deutlich mehr<br />
Gewinn verkaufen als vermietete.<br />
Merkwürdige Dinge ereignen sich<br />
in der Grindelallee 80, nachdem B. das<br />
Haus erworben hat: Übelriechende<br />
Buttersäure wird versprüht, Türschlösser<br />
werden verklebt. Täter werden nie<br />
ermittelt. Immer mehr Mieter ziehen<br />
entnervt aus. Prostituierte und Zuwanderer<br />
beziehen zwischenzeitlich die<br />
frei gewordenen Wohnungen. Margret<br />
Stephan mindert wegen der Prostitution<br />
im Haus die Miete. Bald erhält sie eine<br />
Kündigung. Es folgt eine Räumungsklage,<br />
mit der sie sich bis heute herumschlägt.<br />
Im April dreht Vattenfall den<br />
verbliebenen Bewohnern „wegen<br />
offener Forderungen“ vorübergehend<br />
Heizung und Warmwasser ab. Vermieter<br />
Sven B. soll, so der Mieterverein,<br />
knapp 23.000 Euro Vorauszahlungen in<br />
die eigene Tasche gesteckt und nicht<br />
weitergeleitet haben.