Macher Menschen + Märkte - Ausgabe 6, August 2018
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MACHER, MENSCHEN + MÄRKTE BERUF UND CHANCE SEITE 3<br />
Mit Leveln statt<br />
mit Lehrjahren?<br />
Die digitalisierte Ausbildungswelt wird größer<br />
Ein Auszubildender arbeitet in einem neuen Industrie-4.0-Labor an<br />
einem virtuellen Schweißgerät.<br />
Foto: dpa<br />
Auch die Berufsausbildung<br />
bleibt vom digitalen Wandel<br />
nicht unberührt. In diesem<br />
Jahr kann man sich erstmals<br />
zum Onlinehändler ausbilden<br />
lassen. Experten<br />
wünschen sich mehr Mut<br />
zur Veränderung.<br />
Die Digitalisierung erhält<br />
immer schneller<br />
Einzug in die Ausbildungswelt.<br />
Azubis können<br />
sich ihre Arbeitsanweisungen<br />
mittlerweile aus der<br />
Cloud ziehen, Maschinen<br />
schon lange mit Tablets bedienen<br />
und in sozialen Netzwerken<br />
lernen. Und auch die<br />
Berufsbilder bleiben vom<br />
digitalen Wandel nicht unberührt.<br />
Doch nicht allen<br />
geht die Transformation von<br />
alter zu neuer Ausbildungswelt<br />
schnell genug.<br />
Das neue Ausbildungsjahr<br />
beginnt zumindest schon<br />
ganz im Zeichen der Digitalisierung.<br />
Seit dem 1. <strong>August</strong><br />
können sich junge <strong>Menschen</strong><br />
bundesweit erstmals<br />
zum Onlinehändler ausbilden<br />
lassen. „Kaufmann/<br />
Kauffrau für E-Commerce“<br />
heißt das neue Angebot offiziell.<br />
Es soll eine Antwort auf<br />
den seit langem boomenden<br />
Onlinehandel sein. Eine<br />
Antwort, die zehn Jahre zu<br />
spät kommt, kritisieren Experten<br />
– und wünschen sich<br />
mehr Schnelligkeit in Sachen<br />
Digitalisierung. Nichts<br />
anderes als die Zukunftsfähigkeit<br />
Deutschlands stehe<br />
auf dem Spiel. „Die Ausbildung<br />
kommt nicht zehn<br />
Jahre zu spät, sondern genau<br />
rechtzeitig“, sagt dagegen<br />
der Vizechef des Bundesverbands<br />
E-Commerce und<br />
Versandhandel Deutschland,<br />
Martin Groß-Albenhausen.<br />
Weil sie Fachkräfte<br />
forme, die vielleicht das<br />
„nächste große Ding im<br />
Handel“ umsetzen würden.<br />
„Wir haben einen Beruf geschaffen,<br />
bei dem wir am ersten<br />
Tag der Ausbildung jedem<br />
Azubi sagen, dass er am<br />
Ende der drei Ausbildungsjahre<br />
vermutlich einiges, was<br />
er in den ersten Monaten<br />
lernt, nicht mehr anwenden<br />
wird.“ Der Handelsverband<br />
Deutschland geht von mehr<br />
als 1000 Onlinehandel-<br />
Azubis in diesem Jahr aus.<br />
....................................................<br />
Eine Drohne<br />
für den Blick von oben<br />
....................................................<br />
Doch nicht nur im Handel<br />
wirbelt die Digitalisierung<br />
die Ausbildung durcheinander.<br />
In der Industrie gehören<br />
– anders als vor ein paar Jahren<br />
– Programme und Roboter<br />
längst zum Arbeitsalltag.<br />
Und auch bei den Dachdeckern<br />
tut sich etwas. In<br />
der Branche kommen seit einiger<br />
Zeit immer öfter auch<br />
Drohnen zum Einsatz, um<br />
Schäden am Dach leichter zu<br />
identifizieren, hieß es<br />
vom Deutschen Dachdeckerverband.<br />
Da die unbemannten<br />
Fluggeräte immer erschwinglicher<br />
würden, könne<br />
man fast schon von einem<br />
Trend sprechen. Ein Drohnen-Pilotenschein<br />
sei in der<br />
Berufsausbildung aber noch<br />
kein Thema.<br />
Aber warum nicht? Ausund<br />
Weiterbildungsexperte<br />
Josef Buschbacher wünscht<br />
sich eine lebendigere Debatte<br />
über die Berufsausbildung<br />
in Deutschland. Nicht nur<br />
über die Inhalte, sondern<br />
auch über die Form. Viele<br />
würden sich Gedanken dazu<br />
machen, sagt der Geschäftsführer<br />
der Corporate Learning<br />
+ Change GmbH: „In<br />
den Rahmenlehrplänen<br />
müsste viel mehr das Thema<br />
,Lernen lernen’ verankert<br />
sein.“ Die Zeit, in denen man<br />
einen einmal gelernten Beruf<br />
das ganze Leben auf die<br />
gleiche Art ausführe, sei lange<br />
vorbei.<br />
Der Berufsschulunterricht<br />
müsse auf neue Medien setzen,<br />
um Wissen zu vermitteln.<br />
„Also nicht jetzt anfangen,<br />
Bücher zu drucken für<br />
Kaufleute für E-Commerce“,<br />
meint der Experte. Sondern<br />
moderne Lehr- und Lernmethoden<br />
einsetzen wie<br />
Web-Seminare oder soziale<br />
Netzwerke. „Darauf setzen<br />
auch immer mehr Unternehmen,<br />
weil sie sehen, dass die<br />
neue Ausbildungs-Generation<br />
mit solchen Dingen aufwächst.“<br />
Warum dies also nicht<br />
nutzbar machen? „Wieso<br />
nicht statt drei Ausbildungsjahren<br />
36 Level einführen,<br />
angelehnt an Computerspiele?“<br />
Schnelle Erfolgserlebnisse<br />
– das hätten Studien<br />
gezeigt – seien echte<br />
Motivations-Booster für<br />
junge <strong>Menschen</strong>. Doch<br />
schon bei Ausbildern beiße<br />
man mit solchen Vorschlägen<br />
oft auf Granit.<br />
Digital-Staatsministerin<br />
Dorothee Bär (CSU) ist seit<br />
März ein wichtiges Gesicht<br />
der deutschen Netzpolitik.<br />
„Manche Tätigkeiten innerhalb<br />
von Berufsbildern werden<br />
obsolet, andere gewinnen<br />
an Gewicht“, sagt Bär.<br />
Inhalte der Lehre müssten<br />
deshalb schneller aktualisiert<br />
werden – „und zwar<br />
nicht nur in digitalen, sondern<br />
in allen Berufsbildern“.<br />
Aleksandra Bakmaz, dpa