Taxi Times Berlin - September 2018
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WETTBEWERB<br />
Kontrollen wurden offenbar gar nicht<br />
erwartet, denn „schon eine erste Sichtung<br />
der steuerlichen und betrieblichen<br />
Daten“ hätte „klare Anhaltspunkte für ein<br />
irreguläres Geschehen“ geliefert, so die<br />
Gutachter.<br />
Mittlerweile werden ehrliche <strong>Taxi</strong>betriebe<br />
zwischen dem fortwährenden<br />
Betrug innerhalb der eigenen Branche<br />
(50% Netto-Verdienst und „gewürfelte“<br />
Arbeitszeiten) und den illegal agierenden<br />
Mietwagen aufgerieben. Wie der Betrug<br />
im <strong>Taxi</strong>gewerbe trotz Fiskaltaxameter<br />
weitergehen kann und dass die Anzahl<br />
der <strong>Taxi</strong>s weiter zunimmt, ist nur damit<br />
zu erklären, dass die Behörden vorhandene<br />
Prüfmöglichkeiten offensichtlich nicht ausreichend<br />
nutzen. Die „Intensivtäterbetriebe“,<br />
ebenso eine<br />
Formulierung aus dem <strong>Taxi</strong>-<br />
Gutachten, sind bekannt. Wie<br />
diese relativ kleine Gruppe<br />
Krimineller in einem in dieser<br />
Fachzeitschrift auszugsweise<br />
bereits beschriebenen, von<br />
Strohmännern betriebenen Firmennetzwerk<br />
agiert, wissen die Verantwortlichen<br />
auch. Doch es geht weiter. Jetzt zusätzlich<br />
mit Mietwagen.<br />
GESETZE WERDEN MISSACHTET;<br />
BEHÖRDEN SEHEN TATENLOS ZU<br />
Anstatt Behörden auf kommunaler Ebene<br />
zu ertüchtigen, geltendes Recht durchzusetzen,<br />
beschließen die Ländervertreter<br />
Gesetzesänderungen auf Bundesebene.<br />
Das Abschaffen der Ortskundeprüfung<br />
für Mietwagenfahrer war der Anfang und<br />
garantierte der schnell wachsenden Branche<br />
sofort massenhaft Fahrpersonal. Das<br />
führt zu einer Art „Uber-Pop durch die<br />
Hintertür“. Die örtlichen Behörden schauen<br />
tatenlos zu.<br />
Es geht um weit mehr als um das Verletzen<br />
der Mietwagen-Rückkehrpflicht. Viele<br />
weitere Gesetze scheinen nicht beachtet zu<br />
werden: Wird Mindestlohn bezahlt? Wird<br />
das Arbeitszeitgesetz eingehalten? Wie<br />
werden die Fahreinnahmen erfasst und<br />
versteuert? Werden Umsatzsteuer, Gewerbesteuer,<br />
Lohn- oder Einkommensteuer<br />
korrekt berechnet? Ohne digitale Aufzeichnungen,<br />
in <strong>Berlin</strong> gar ohne Wegstreckenzähler,<br />
ist es leicht möglich, alles so<br />
darzustellen, dass es passt. Das ist nur zu<br />
verhindern, wenn Umsätze, Einzelfahrten<br />
und Arbeitszeiten der Mitarbeiter, genau<br />
Uns droht das gleiche wie den<br />
USA: immer verstopftere Straßen,<br />
leere Busse und Bahnen.<br />
wie in der <strong>Taxi</strong>branche, digital und fälschungssicher<br />
aufgezeichnet werden. Jeder<br />
gefahrene Kilometer, ob leer oder besetzt,<br />
und jede Standzeit, ob Pause oder Bereitschaft,<br />
sind digital festzuhalten. Genau<br />
wie mit einem Fiskaltaxameter müssen die<br />
gesamten Abläufe nachvollziehbar werden.<br />
Genauso muss geprüft werden, ob es sich<br />
bei den Uber-Fahrern nicht um Scheinselbständige<br />
handelt, die Sozialversicherungsbeiträge<br />
umgehen wollen. Viele Fahrzeuge,<br />
die in <strong>Berlin</strong> für Uber unterwegs<br />
sind, haben Umlandkennzeichen (LC, LN,<br />
KW oder LDS). Falls die Fahrer auf eigene<br />
Rechnung fahren, muss geprüft werden, ob<br />
ZAHL DER MIETWAGEN VON UBER UND LYFT AUF DEN<br />
STASSEN VON NEW YORK CITY<br />
Sagen wir mal, wir sind nicht zuständig.<br />
sie außer Uber noch andere Auftraggeber<br />
haben. Dieses Problem löst Uber teilweise<br />
mit Partnerfirmen vor Ort, die Fahrer<br />
anstellen und eigene Flotten betreiben. Der<br />
Beförderungsvertrag entsteht<br />
dann zwischen dem Fahrgast<br />
und diesem Mietwagenunternehmen.<br />
Darauf wird der<br />
Kunde, der über die Uber-App<br />
bestellt, ausdrücklich hingewiesen.<br />
Uber fungiert dabei<br />
nur als Vermittler, vergleichbar<br />
einer <strong>Taxi</strong>zentrale.<br />
In <strong>Berlin</strong> ist das die Firma RocVin<br />
Dienste GmbH. Im Kerngeschäft fährt Rocvin<br />
für Ministerien, betreibt parallel daneben<br />
aber noch eine zweite, kleinere Flotte,<br />
die „rund um die Uhr“ nur Uber-Aufträge<br />
fährt. In einem Interview des Tagesspiegels<br />
mit RocVin-Geschäftsführer Thomas<br />
Mohnke vergleicht dieser das Modell mit<br />
Lufthansa und Eurowings: „Wir haben<br />
neben dem Lufthansa-ähnlichen Limousinendienst<br />
noch eine Billigfluggesellschaft<br />
gegründet.“ Dabei seien die mehr als einhundert<br />
Fahrer bei einem Subunternehmen<br />
angestellt, der Safedriver Enno GmbH. Die<br />
Bezahlung liegt angeblich bei 35 Prozent<br />
des Brutto-Umsatzes, aber mindestens 10<br />
Euro pro Stunde. Auch hier sei nochmal<br />
erinnert: Die tatsächliche Arbeitszeit ist bei<br />
Mietwagen, nicht eindeutig zu überprüfen.<br />
FOTO: Axel Rühle / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong>; GRAFIK: Stanislav Statsenko / <strong>Taxi</strong> <strong>Times</strong><br />
105<br />
15.000<br />
80.000<br />
2011 2015<br />
<strong>2018</strong><br />
GESAMTES NAHVERKEHRS-<br />
SYSTEM STEHT AUF DEM SPIEL<br />
Behörden und Gerichte sind gefordert,<br />
die Einhaltung all dieser Normen zu kontrollieren<br />
und durchzusetzen, scheinen<br />
davon aber klar überfordert oder aber<br />
auch gar nicht erst daran interessiert<br />
zu sein, diese Grauzone zu durchleuchten.<br />
Die Entwicklung der letzten Monate<br />
lässt jedenfalls nicht erkennen, dass die<br />
Behörden daran arbeiten. Lediglich das<br />
<strong>Taxi</strong>gewerbe klagt gegen diese Geschäftspraktiken.<br />
Dabei geht es längst nicht mehr<br />
alleine ums Überleben der <strong>Taxi</strong>branche,<br />
das gesamte Nahverkehrssystem steht auf<br />
dem Spiel.<br />
Wenn zusätzliche, preisgünstige Mietwagen-<br />
und Ridesharing-Anbieter den ÖPNV <br />
TAXI AUGUST/SEPTEMBER/ <strong>2018</strong><br />
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