Meinviertel September 2018
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Der Stadtläufer<br />
Was viele bewusst meiden, macht ihm gerade Spaß: Der passionierte Ausdauersportler Ludwig<br />
Reicherstorfer läuft gerne mitten durch Berlin und macht regelmäßig seinen Arbeitsweg zur<br />
Trainingseinheit.<br />
Henry Steinhau<br />
Morgens, 6:30 Uhr, mitten in Pankow. Der Ortsteil<br />
brummelt schon geschäftig, wenn auch noch nicht ganz<br />
auf Großstadtbetriebstemperatur. Ludwig Reicherstorfer<br />
kommt aus der Tür seines heimischen Wohnblocks<br />
und rennt los. Wie fast jeden Tag, jede Woche, jeden<br />
Monat, rund ums Jahr. Der Ausdauersportler trainiert<br />
viel und zielstrebig – und er liebt es, dabei mitten durch<br />
die Großstadt zu laufen.<br />
Morgens läuft er in der Regel im Park oder im nördlicheren<br />
Teil von Pankow. Abends läuft er gerne auf belebten<br />
Bürgersteigen, neben pedalierenden, motorisierten und<br />
elektrisierten Verkehrsteilnehmern, voll durch das Gewimmel,<br />
mal Hauptstrecke, mal Schleichweg, mal zickzack,<br />
mal schnurstracks. Und nicht selten von seinem<br />
Arbeitsplatz nahe des Alex‘ zurück nach Hause, quer<br />
durch ein bisschen Friedrichshain etwas mehr Prenzlberg,<br />
rein ins Verkehrsstakkato der Großstadt und das<br />
alles im Lauftempo – für Ludwig das reine Vergnügen.<br />
Der Stadtläufer, Jahrgang 1980, geborener Münchener<br />
und seit fünf Jahren Wahlberliner, ist ein Kind der<br />
Großstadt, sie ist für ihn das angestammte Biotop. Er<br />
schöpft Kraft aus der Bewegungsenergie Berlins und<br />
genießt kommunikative Momente mit seinen Bewohner/<br />
innen.<br />
Verrückt, oder?<br />
Interview: Henry Steinhau<br />
Wie bist Du denn zum Laufen gekommen?<br />
Ludwig Reicherstorfer: Ich war in der Schule wahnsinnig<br />
schlecht in Sport, und bei einem Klassenfoto sah ich<br />
mich und dachte: Das geht so nicht. Ich war total unfit.<br />
Als Kind der 80er machte ich mir keine Gedanken über<br />
Ernährung und kaum Sport. Ein bisschen interessierte<br />
ich mich für Fußball, ab und zu spielte ich Tennis, mehr<br />
nicht. Das heißt, als ich aufs Gymnasium kam, war ich<br />
ein dickes Kind und hatte eine schlechte Sportnote; das<br />
war 1991.<br />
Daraufhin tat ich mich mit meinem Cousin zusammen<br />
und wir trainierten für den Münchener Mini-Marathon.<br />
Wir begannen zu laufen und ich merkte relativ<br />
schnell, dass das auch was bringt. Ich war fitter geworden<br />
und meine Sportnote verbesserte sich. Leider<br />
hielt ich es damals nicht durch. Auch während meines<br />
Studiums – Linguistik und englische Literaturwissenschaft<br />
– machte ich viel zu wenig Sport, das ging bis zu<br />
meinem Einstieg ins Berufsleben so. Da hat sich das<br />
mit dem Foto von mir wiederholt, aber diesmal war es<br />
ein Trigger-Moment. Ich fing erneut mit dem Laufen<br />
an. Aber ich musste mir auch wieder einen Wettbewerb<br />
aussuchen, damit ich eine Motivation hatte, tatsächlich<br />
dranzubleiben. So meldete ich mich für den Münchener<br />
Stadtlauf 2004 an, da war ich 23.<br />
Bei den Vorbereitungen dafür fand ich richtig Spaß daran,<br />
und ich wurde von mal zu mal besser und fitter.<br />
Wobei man wohl auch ein bisschen der Typ dafür sein<br />
muss, und das bin ich offenbar. Im Lauf kam ich gut<br />
durch, und so machte ich weiter, meldete mich jährlich<br />
für den Stadtlauf in München an – 2004, 2005, 2006<br />
und so weiter – das war mein Saisonhöhepunkt und Ziel,<br />
auf das ich hintrainierte.<br />
Nun bist Du schon lange ein Lauf-Enthusiast.<br />
Kommt man da automatisch dahin,<br />
Streckenlängen zu steigern?<br />
Bei mir war es so. Ich bin relativ häufig die Halbmarathons<br />
gelaufen und mir wurde klar, dass ich ein gutes<br />
Niveau erreicht hatte – und dass etwas Neues kommen<br />
musste. Also absolvierte ich 2012 meinen ersten Marathon,<br />
auch in München. Weil ich aber alles, was ich<br />
mache, auch richtig machen will, musste ich dafür noch<br />
gezielter trainieren, wenn auch komplett in Eigenregie:<br />
Ich bin einfach mehr und länger gelaufen; Trainingslehre<br />
war für mich ein Fremdwort. Der Marathon lief dennoch<br />
ziemlich gut, hat mir Spaß gemacht. Folgerichtig<br />
war das nächste Ziel klar, nämlich den Marathon erneut,<br />
aber schneller zu laufen.<br />
Warum war das klar?<br />
(Lacht) So schön es ist, einfach so und meditativ zu<br />
laufen, ich brauch einfach etwas, worauf ich hinarbeiten<br />
kann. Du verbesserst Dich selbst, Du hast sozusagen<br />
eine Entwicklung; ich brauche diesen Leistungsgedanken.<br />
Und zwar gar nicht so sehr im Wettbewerb mit<br />
anderen, sondern auf mich selbst bezogen.<br />
Momentan bin ich dabei, auf die Ultradistanz zu wechseln.<br />
Noch länger als Marathon. Im Grunde, weil ich<br />
mein/4<br />
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