Meinviertel September 2018
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METROPOLITAN OPERA<br />
Jördis Triebel<br />
Außerdem dachte ich, dass ich in den verbleibenden<br />
drei Monaten verrückt werden würde, und hab’ angefangen,<br />
mich vorzubereiten. Ich hab’ meinen Führerschein<br />
gemacht, um im Film Moped zu fahren, und<br />
ein Praktikum auf einem Biobauernhof, um den Umgang<br />
mit Schweinen zu lernen. Das war eine wahnsinnige<br />
körperliche Anstrengung. Langsam wurde mir<br />
klar, wie sehr ich belohnt wurde für diese schwere<br />
Entscheidung, mein Engagement in Bremen zu kündigen.<br />
Auf einmal war es richtig, was vorher noch<br />
so falsch schien. Ich hab’ mir dann vorgenommen,<br />
mir dieses Gefühl fürs ganze Leben zu merken und<br />
selbst wenn ich an allem zweifle, daran zu glauben,<br />
dass es richtig ist, nicht zu viele Entscheidungen zugunsten<br />
von Sicherheiten zu treffen und sich nicht<br />
zu verkaufen.<br />
Ich halte mich eigentlich für einen sehr ängstlichen<br />
Menschen und habe mir seltsamerweise einen Beruf<br />
gesucht, in dem ich mich ständig meinen Ängsten<br />
stellen muss. Aber ich habe mit der Arbeit gelernt,<br />
dass es sich lohnt, manchmal Dinge zu tun, vor denen<br />
ich Angst habe.<br />
Dass irgendwann jemand kommt und zu mir sagt:<br />
„Du, Jördis, jetzt hab’ ich’s aber gemerkt. In Wirklichkeit<br />
kannst du’s gar nicht.“ Darauf warte ich bis heute.<br />
Manchmal steh’ ich hinter der Bühne und denke: Bin<br />
ich bescheuert, jetzt hier raus zu gehen? Ich kann das<br />
doch überhaupt nicht!<br />
Aber dann gibt es immer wieder Momente, in denen<br />
ich merke, ich bin das Material und alles, was ich erlebe,<br />
trägt mich zu dem, was ich auf der Bühne oder<br />
vor der Kamera wieder hergebe. Die Angst vor dem<br />
Auftritt, die Angst davor, eigentlich nicht zu können,<br />
was ich tue, hab’ ich immer noch. Aber jetzt hab’ ich<br />
verstanden, dass im Chaos, im Nichtwissen der wahre<br />
Zauber liegt. Der Zauber, etwas zu lernen, der Zauber,<br />
über seine Grenzen hinweg zu kommen, einfach<br />
der Zauber, aus dem Kunst entstehen kann. Dieser<br />
kreative Prozess hat was Göttliches. Das hat was von<br />
Kindheit: sich einfach wachsen zu lassen. Jetzt stehe<br />
ich hinter der Bühne und denke, ich kann’s nicht, aber<br />
ich versuch’s einfach trotzdem. Und wenn das Publikum<br />
mich blöd findet, egal. Ich mach’s, weil ich was<br />
rausfinden will.<br />
Zu lernen, so frei zu werden, hat damals mit der Kündigung<br />
angefangen.<br />
Ich bin dem Theater Bremen dankbar für die drei<br />
wichtigen Jahre, aus denen ich mich so schwer befreien<br />
musste. Wenn ich damals schon Kinder gehabt<br />
hätte, dann hätte ich sicher nicht so entschieden. Mit<br />
Kindern muss man andere Kompromisse machen.<br />
Aber meinen Zettel habe ich immer noch – und es<br />
sind neue Zettel dazu gekommen. <br />
■<br />
DIE NEUE SAISON <strong>2018</strong>/19<br />
06.10. VERDI – AIDA<br />
20.10. SAINT-SAËNS – SAMSON ET DALILA<br />
27.10. PUCCINI – LA FANCIULLA DEL WEST<br />
10.11. MUHLY – MARNIE<br />
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