Im Blick Nr128

Ein Engel mit Sonnenuhr
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Andacht von Pfarrer Thomas Hartmann
Vieles in unserem Alltag geschieht in einer geregelten Abfolge. Dies vermittelt uns ein
Gefühl von Zeit. Jeder Mensch besitzt einen solchen Rhythmus, die sogenannte innere
Uhr. Früher hat sich der Lebensrhythmus vor allem nach dem Stand der Sonne gerichtet.
Erst die Erfindung des künstlichen Lichtes ermöglichte es den Menschen, auch
nachts aktiv zu werden.
Arbeiten bis spät in die Nacht, Reizüberflutung,
ständiger Stress, das Überspringen
von Zeitzonen und chronischer
Schlafmangel: Der menschliche Rhythmus
gerät immer häufiger aus dem Takt.
Ein biblischer Gegenentwurf findet sich
im Buch des Predigers. ʺAlles, was auf
der Erde geschieht, hat seine von Gott
bestimmte Zeit: geboren werden und
sterben, einpflanzen und ausreißen, weinen
und lachen, finden und verlieren,
schweigen und reden.ʺ
Aber hat heute wirklich alles seine Zeit?
Oder hat die Zeit uns im Griff? Empfinden
wir das noch, dass das Leben unterschiedliche
Zeiten kennt von unterschiedlicher
Dichte, Hochzeiten und Tiefzeiten,
erfüllte und leere Zeiten, helle Zeiten und
dunkle Zeiten, Zeiten des Unfriedens
und des Friedens, Zeiten des Schweigens
und Zeiten des Redens? Dem Prediger
geht es nicht um ein „Entweder-Oder“.
Es geht ihm vielmehr um ein „Sowohl-
Als-auch“. Aber eben eins nach dem anderen,
nicht alles auf einmal! „Gott hat
den Menschen die Ewigkeit in ihr Herz
gelegtʺ! Mir kommt hierzu die Figur eines
Engels an der Kathedrale zu Chartres
in den Sinn. Der Engel (siehe Titelseite)
blickt über einen Platz im Süden, wo Tische
eines Restaurants zum Verweilen
einladen. Von hier aus kann man gut
beobachten, wie sich das Leben mit seinen
unterschiedlichen Facetten im
Schatten der Kathedrale abspielt. Die
Figur des Engels hält den Menschen in
ihrem Tun und Lassen eine Sonnenuhr
entgegen, deren fortschreitender Schatten
die Zeit abbildet: die Folge der Minuten
und Stunden, der Tage und Nächte. Der
Engel erinnert eindrücklich daran, dass
alle Zeit in Gottes Händen steht. Das Wissen
darum hält tief in uns die Sehnsucht
wach, aus Zeitnot, Unstetigkeit und
Kurzfristigkeit erlöst zu werden, so dass
alles seine eigene Zeit und jede Zeit ihren
Wert in sich hat.
Ihr Pfarrer Thomas Hartmann
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