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November 2018 - coolibri Recklinghausen, Gelsenkirchen, Herne

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THEMA<br />

PassageWulfenerMarkt<br />

Menschen lebensollten,war geplant. Obwohl<br />

dieKohlenkriseEndeder 1950er-Jahre dieZeit<br />

desgroßenZechensterbenseinläutete,wurde<br />

weiterhinandem Wulfener Projektfestgehalten.<br />

Fürdiesesgewaltige Unterfangen eine gänzlich<br />

neue Stadtzuerrichten, schlossensichdie<br />

Bergwerksgesellschaft MathiasStinnes AG,der<br />

Kreis <strong>Recklinghausen</strong>,das damalige AmtHervest-Dorsten,die<br />

GemeindenWulfenund Lembeck,ein<br />

Bankinstitut sowie derSiedlungsverband<br />

Ruhrkohlenbezirk zur Entwicklungsgesellschaft<br />

Wulfen zusammen.1961schrieb diese<br />

Gesellschaftdann einenStädtebauwettbewerb<br />

aus.Verantwortlich fürdie Planungwar dieBerliner<br />

Planungsgruppe Grosche-Börner-Stumpfl.<br />

Derhohe Anspruch derStädteplaner: Dieneue<br />

StadtWulfen sollte eine Stadtder Zukunftwerden,<br />

diedas Wohnen im Jahre2000 vorwegnehmen<br />

würde.NachEröffnungder Zeche, die<br />

denwirtschaftlichenGrundsteinfür dieneue<br />

Stadtbildensollte, begann dieWohnbebauung<br />

aufder grünenWiese.1968wohnten bereits<br />

550Menscheninder „NeuenStadt Wulfen“, die<br />

über vieleJahre aber noch eine Dauerbaustelle<br />

sein sollte. Involviertinden Bauder neuenStadt<br />

warzuBeginn der70er-Jahrezudem dasBundesbauministerium,das<br />

in denJahren1971bis<br />

1973 drei Wohnungsbauwettbewerbemit speziellerZielrichtung<br />

auslobte.ImJahr 1971 stand<br />

Wohnhäuser Kampstraße<br />

derWettbewerb unterdem<br />

Thema„Flexible<br />

Wohnungsgrundrisse“.Mit<br />

Bundesgeldern<br />

gefördert<br />

wurde einBau,der<br />

dieHausnummern<br />

1-40 an derJägerstraße<br />

trägt:Das Experimentalwohnhaus<br />

„Habiflex“, dasvon<br />

den<strong>Gelsenkirchen</strong>er<br />

ArchitektenRichard<br />

Gottlob undHorst<br />

Klementmitfinanziertund<br />

gebaut wurde.Merkmal<br />

des<br />

Hauses warenseine verschiebbarenInnenwände<br />

sowie sein futuristisches Äußeres.<br />

DerBundesbauwettbewerb 1972 trug denNamen„Elementa“,<br />

er brachte<br />

Wulfen dieerst1982fertiggestellteLadenpassageWulfener<br />

Markt.Entworfen wurde sievon<br />

demTeamdes bekanntenArchitektenJosef<br />

Paul Kleinhues,<br />

demSchöpferder Hamburger<br />

Deichtorhallen.Die Passage<br />

führte5600QuadratmeterVerkaufs-und<br />

rund 10 000 Quadratmeter<br />

Wohnfläche zusammen.<br />

60 Wohnungenund 37<br />

Ladenlokaleumfasstedie Planung<br />

desGebäudekomplexes,<br />

dessen symbolischer erster<br />

Spatensticham10. Mai1979<br />

gefeiert wurde.<br />

Experimentalbau Habiflex<br />

DerBundesbauwettbewerb „Integra“1973<br />

brachte die„Metastadt“, einFertighochhaus-<br />

Bausystemdes ArchitektenRichard J. Dietrich,<br />

nachWulfen.Der 1974 fertiggestellteBau besaß<br />

102Wohnungen unddiverse Ladenlokale. Im<br />

Folgejahr entstand mitder „roten Finnstadt“ eine<br />

weitereexperimentelleWohnbebauungaus<br />

vier kreuzförmigen,<br />

terassierten,fünfgeschossigen<br />

Häusern.<br />

Die„rotenFinnstadt“<br />

istallerdingsauch<br />

dereinzige Experimentalbau<br />

Wulfens,<br />

derdie Zeit mitBravour<br />

überdauert hat.<br />

Denn bereitsinden<br />

frühen 70er-Jahren<br />

begann dasGroßprojekt<br />

„Neue StadtWulfen“<br />

aus denAngeln<br />

zu geraten. Stattder<br />

erwarteten 8000 Arbeitsplätzebrachtedie Zechenur<br />

knapp450 –und schon während des<br />

Baus derStadt wurdedas Gesamtprojekt immer<br />

weiter zusammengestrichen.<br />

Plötzlich plante mannur noch für knapp30000<br />

Menschen.Und mehrere Bauten solltendas<br />

Jahr 2000 garnicht mehr erleben. Aufgrund<br />

baulicher Mängel musstedie Metastadtbereits<br />

1987 wieder abgerissenwerden. Das Habiflex-<br />

Haus litt ebenso unterProblemen. Kurz nach<br />

dessen Fertigstellungbemerkteman diemangelhafte<br />

Isolierung derWohnungen.Die Mängel<br />

warensoeklatant, dass sogarKondenswasser<br />

ausden Steckdosenlief.Seit2008 istdas Habiflexunbewohnt,<br />

dieStadt Dorstenließseine Eingänge<br />

2010 zumauern. Auch dieEinkaufspassage<br />

am Wulfener Marktverkam. Die130 Meter<br />

lange, nach beiden Seiten offenePassage des<br />

Einkaufscenters, wurde immerweniger frequentiert.<br />

Besonderslittdie PassageanihrermangelhaftenEinbindung<br />

derbenachbartenOrtsteile.Sofunktionierte<br />

sienie alsTor undals Mittelpunkt<br />

der„NeuenStadt Wulfen“, wieein Gutachtenvon<br />

Stadtbaukultur NRW analysierte. 2008<br />

wollte dieStadt Dorstenden Bauvon derEigentümerin,dem<br />

Medico-Immobilienfond Nr.18,<br />

kaufen,aberder Eigentümerwechselscheiterte.<br />

Zwar gabesnachder Insolvenzdes Fonds einige<br />

Interessenten, aber dienahmengleichwiederAbstand<br />

vondem Vorhaben oder diegebotenenSummen<br />

reichten Banken undder Stadt<br />

Dorstenals Gläubigerin nichtaus.<br />

Seit 2017 gibt’sinder Passagekeine Geschäfte<br />

mehr unddie Immobiliewurde aus derInsolvenzmasseihrerfrüherenEigentümerin<br />

herausgenommen.ImSeptember<br />

mussten dieletzten<br />

Mieter aus demTeilder Wohnbebauungausziehen.<br />

Wulfen istheute keine„Zukunftsstadt“<br />

mehr,sondern einDorstener Stadtteil, derfür<br />

rund 12 000 Menschen eine Heimat ist.<br />

Fabian Paffendorf<br />

Diskussionsrunde „Ist das Metastadtsystem<br />

wieder zeitgemäß? ModularesBauen heute“ :<br />

7.11.,19 Uhr; Technisches Rathaus, Bochum<br />

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