17.12.2012 Aufrufe

Daylight & Architecture | Architektur-Magazin von VELUX, Ausgabe ...

Daylight & Architecture | Architektur-Magazin von VELUX, Ausgabe ...

Daylight & Architecture | Architektur-Magazin von VELUX, Ausgabe ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

FOTO VON JAMES CARPENTER DESIGN ASSOCIATES<br />

architektur machte. Erst der Import einer weiteren, ursprünglich<br />

amerikanischen Erfi ndung, der passiven Solarfassade, und<br />

die Ölkrise der frühen 70er Jahre führten dazu, dass diese Art<br />

der <strong>Architektur</strong> endgültig der Geschichte angehörte. Die jahrzehntealte<br />

Idee, die charakteristische Strahlungstransmission<br />

<strong>von</strong> Glas zur solaren Energiegewinnung zu nutzen, hatte in den<br />

usa bereits Maria Telkes, eine Metallurgin am mit in Boston,<br />

in ihrem Peabody House <strong>von</strong> 1947 umgesetzt. Die Europäer<br />

folgten ihr mit Gebäuden wie der Wallasey School in England<br />

<strong>von</strong> a.e. Morgan (1961) und den Entwürfen <strong>von</strong> Jacques Michel<br />

und Félix Trombe Mitte der 60er Jahre in Frankreich.<br />

Bis heute hat die Curtain-Wall-Fassade unsere Großstädte<br />

fest im Griff und verschandelt sie vielfach. Dennoch brachte eine<br />

neue Architektengeneration mit anderen Prioritäten die Glasarchitektur<br />

in den 80er und 90er Jahren aufs Neue zur Blüte.<br />

Oftmals bauten die Entwerfer bewusst oder unbewusst auf den<br />

gleichen theoretischen Grundsätzen auf, die einst Wright, Mies<br />

van der Rohe und Le Corbusier formuliert hatten. Die Periode,<br />

die wir als „viertes Glaszeitalter“ bezeichnen können, führte die<br />

Entwicklungsstränge der vorangegangenen 60 Jahre zusammen.<br />

Sie nutzte die neuen Freiheiten, die die Erfi ndung des Floatglases<br />

durch Pilkington in den 50er Jahren eröff net hatte, und<br />

die zahlreichen Neuentwicklungen im Bereich der Glasveredelung<br />

und -beschichtung. Glas war nunmehr ein dominierender<br />

Bestandteil der <strong>Architektur</strong> in aller Welt; seine Verwendung<br />

reichte <strong>von</strong> Klimahüllen bis zu herausragenden Ingenieursbauten.<br />

Geklebte Glaskonstruktionen begannen sich durch die<br />

Arbeit des Briten Tim McFarlane, des Niederländers Mick Eekhout<br />

und des französischen Büros rfr zu verbreiten. In vielen<br />

ihrer Bauten halfen diese Ingenieure <strong>Architektur</strong>visionen zu<br />

realisieren, die schon seit 50 oder mehr Jahren Bestand hatten.<br />

Das Bürogebäude <strong>von</strong> Wilis Faber Dumas, das Foster and Partners<br />

Anfang der 70er Jahre in Ipswich errichteten, ließ Mies<br />

van der Rohes Idee der abgehängten Glasfassade aus den 20er<br />

Jahren Realität werden. Mit dem Lloyd’s Building in London<br />

verwirklichten Richard Rogers Partnership 10 Jahre später Le<br />

Corbusiers „mur neutralisant“ aus der „Cité de Réfuge“. Architekten<br />

begannen sich für die Entwicklungen der Bauchemie<br />

und für neuartige Glasbefestigungen zu interessieren, wie die<br />

Pyramide am Pariser Louvre <strong>von</strong> i.m. Pei (1983–1988) verdeutlicht.<br />

Hier wurde „wasserweißes“ Glas fast ohne Eisenoxid und<br />

FOTO VON JAMES CARPENTER DESIGN ASSOCIATES<br />

damit ohne den charakteristisch grünlichen Schimmer verwendet,<br />

das die Farbe der Steinfassaden des Louvre in der Durchsicht<br />

originalgetreu wiedergab. Die Silikonverklebung der Scheiben<br />

ermöglichte zudem ein komplett glattes Äußeres der Pyramide.<br />

Gunnar Birkerts Corning Museum <strong>von</strong> 1980 erhielt eine Glasfassade<br />

mit dünner Edelstahlbeschichtung, die der sonst harten<br />

und kristallinen Glasarchitektur einen weichen, seidigen<br />

Charakter verleiht. In den letzten 20 Jahren wurde Glas zum<br />

bevorzugten Medium architektonischer Versuche in Sachen<br />

Transparenz, Mehrdeutigkeit und Energie.<br />

Heute zeichnet sich ein fünftes Glaszeitalter am Horizont<br />

ab, mit neuen Materialien und neuen Nutzungsvorstellungen.<br />

„Intelligente“, elektrochrome Gläser wurden entwickelt, die<br />

ihr Aussehen auf Knopfdruck verändern. Hoch isolierende<br />

Gläser mit Füllungen aus Aerogel und U-Werten nahe bei 0<br />

sowie feuerfeste Gläser halten Einzug in die Herstellerkataloge.<br />

Dichroitische Gläser können vordefi nierte Frequenzen des Farbspektrums<br />

blockieren oder durchlassen. Flexible Lichtleiter, die<br />

auf dem Eff ekt der Totalrefl exion basieren, eröff nen neue Wege<br />

in der Beleuchtungsindustrie und neue Möglichkeiten, Tageslicht<br />

in Innenräume zu leiten oder Fassaden zu verschatten.<br />

Es fällt schwer, sich derzeit vorzustellen, welche Entwicklungen<br />

dieses fünfte Glaszeitalter in den nächsten 20 oder 50<br />

Jahren bringen wird. Viele Entwicklungen werden die Menschen<br />

bezaubern und sie magisch berühren, und wir können<br />

uns sicher sein, das Glas auf intelligente Weise genutzt und nicht<br />

dazu verwendet wird, allgemeine Gleichförmigkeit zu kreieren.<br />

Noch immer leiden wir unter der Allgegenwärtigkeit der Curtain-Wall-Fassade.<br />

Doch mit multifunktionalen, intelligenten<br />

Glasfassaden, die tages- und jahreszeitenabhängig auf die<br />

Unwägbarkeiten des Klimas und die Bedürfnisse der Bewohner<br />

reagieren, können wir auch in der <strong>Architektur</strong> die vergängliche<br />

Schönheit eines Schmetterlingsfl ügels erzeugen – und dies<br />

mit einem Material, das hart ist wie Stahl.<br />

Michael Wigginton ist Professor für <strong>Architektur</strong> und Design<br />

an der Plymouth School of <strong>Architecture</strong> in England. Sein<br />

Spezialgebiet sind intelligente Fassaden, Verglasungssysteme<br />

und energiesparendes Bauen. Michael Wigginton ist Autor<br />

mehrerer Bücher, darunter Glas in der <strong>Architektur</strong> (DVA 1998)<br />

und Intelligent Skins (Butterworth <strong>Architecture</strong>, 2002).<br />

13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!