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Daylight & Architecture | Architektur-Magazin von VELUX, Ausgabe ...

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Geradezu programmatisch für Eliassons Werk sind die Titel<br />

der beiden Installationen „Seeing yourself sensing“ und „Seeing<br />

yourself seeing” <strong>von</strong> 2001. Auf einer Glasscheibe sind Spiegelstreifen<br />

in regelmäßigen Abständen angebracht; die dazwischen<br />

liegenden, gleich breiten Glasstreifen bleiben frei. Der Betrachter<br />

sieht also gleichzeitig sich selbst „beim Sehen“, und er sieht<br />

die Außenwelt. Zwei Personen, die sich zu beiden Seiten der<br />

Installation gegenüberstehen, können gleichzeitig mit ihrem<br />

Spiegelbild und ihrem Gegenüber kommunizieren.<br />

Obgleich die Installationen <strong>von</strong> Eliasson minutiös geplant<br />

sind, hängt ihr Erlebnis doch stets <strong>von</strong> der Wachsamkeit und<br />

Gemütsverfassung des Betrachters ab. Von wissenschaftlichobjektiver<br />

„Wahrheit“ kann daher keine Rede sein. Gitte Ørskou<br />

erklärt diese Auff assung im Ausstellungskatalog „Minding<br />

the World“: „Das ,Ding an sich’, die Bezeichnung des Philosophen<br />

Immanuel Kant für die utopische Vorstellung, dass<br />

die Dinge in der Welt unabhängig vom einzelnen Menschen<br />

– also unabhängig vom Subjekt – bestünden, wird in Eliassons<br />

Händen durch das , Ding für Uns’ ersetzt, also durch die<br />

Vorstellung, dass die Dinge in der Welt nur durch unsere Wahrnehmung<br />

existieren.”<br />

Nicht umsonst taucht das Wort „Your“ im Titel vieler Arbeiten<br />

Eliassons auf. In einem Interview zur Installation „Your<br />

denudation inverted“ (1999), einem künstlichen Geysir im<br />

Innenhof des Carnegie Museum of Art in Pittsburgh, sagte er:<br />

„Ich habe den Titel gewählt, weil er zeigt, dass Ihr Erlebnis wichtiger<br />

ist als meine Vorstellungen <strong>von</strong> dieser Arbeit.“<br />

Auch diese Strategie gehört zu Eliassons Werk: Die Dinge<br />

geschehen lassen und zusehen, wie die Betrachter damit umgehen.<br />

In Pittsburgh zum Beispiel verwandelte der Wintereinbruch<br />

die vom Geysir „eingenebelten“ Bäume in bizarre Eisskulpturen.<br />

Sie waren ebenfalls Teil der Arbeit, so Eliasson, und es wird verständlich,<br />

wenn er sagt: „Ich habe die Installation speziell für<br />

den Hof de Carnegie entworfen. Sie woanders zu installieren,<br />

ist möglich, aber dann ist das für mich eine andere Arbeit.“<br />

Unterschwellig greift Eliasson in vielen Arbeiten die Frage<br />

auf: Wie vermitteln Museen die Rezeption <strong>von</strong> Kunst? Bei der<br />

Vorbereitung zum „Weather Project“ beschäftigte sich Eliasson<br />

nach eigener Aussage intensiv mit der Struktur der Institution<br />

Tate. „Das Haus ist an Publikumszahlen orientiert und bringt<br />

unter anderem vor einer teils supermarktähnlichen Ästhetik<br />

Oben links Ice pavillion, 1998:<br />

Pavillons und andere Kleinst-<br />

<strong>Architektur</strong>en kehren in Eliassons<br />

Arbeiten beständig wieder.<br />

Hier verwendet er Wasser als<br />

Baumaterial und die Natur selbst<br />

als „Bauarbeiter”. Und doch:<br />

Die Planung ist Menschenwerk.<br />

Oben Olafur Eliasson.<br />

30 D&A HERBST 2005 AUSGABE 01<br />

Menschen ins Museum, die noch nie zuvor in einem Museum<br />

waren. Damit habe ich meine Probleme, weil das Ganze zu<br />

fl ießbandartig ist“, verriet er der Zeitschrift „Kunstforum International“.<br />

Und, an anderer Stelle: „Die Museen, insbesondere<br />

die großen Museen, vermarkten das Kunsterlebnis und die<br />

Gefühle der Besucher. Das sehe ich als extrem problematisch.“<br />

Das „Weather Project“ ist deswegen noch kein Frontalangriff<br />

auf das moderne Kunstmarketing. Vielmehr wollte Eliasson<br />

die Zusammenhänge im Hintergrund der Ausstellung „transparent<br />

machen“ – ein Begriff , den er gern benutzt, wenn es um<br />

das Off enlegen seiner Mittel geht.<br />

eine schule des sehens<br />

In vielfacher Weise lehrt Olafur Eliasson uns wieder sehen –<br />

und verstehen, wie wir sehen. Unsere direkte Wahrnehmung,<br />

im Alltag oft durch Reizüberfl utung abgestumpft, wird bei<br />

ihm permanent hinterfragt. Der Blick in den Spiegel, sonst<br />

Routine, gewinnt bei ihm wieder neue Bedeutung. Naturphänomene<br />

und kulturelle Institutionen erschließt er uns in einem<br />

neuen Licht, indem er sie rekonstruiert und zugleich als Rekonstruktion<br />

off enlegt. Denn, so Eliasson: „Ohne unsere Erinnerung<br />

gäbe es kein Wiedererkennen – keine Wertesysteme – kein<br />

Zeitgefühl – und letztlich auch keine Erwartungen. So etwas<br />

wie ursprüngliche Sinneserfahrung gibt es nicht, nur Kultur.“

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