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LIDO3

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LIDO I LESEN<br />

Vorlesen<br />

aus dem Buch „Sagenschatz aus Österreich“ von Friedl Hofbauer<br />

Die dankbare Donaunixe<br />

Die Autorin<br />

Friedl Hofbauer<br />

Friedl Hofbauer<br />

(1924–2014)<br />

wurde in Wien geboren.<br />

Sie studierte Germanistik<br />

und zählt zu den<br />

renommiertesten österreichischen<br />

AutorInnen im<br />

Bereich der Kinder- und<br />

Erwachsenen literatur.<br />

Für ihre Publikationen<br />

erhielt sie zahlreiche Preise<br />

und Auszeichnungen –<br />

darunter auch den Österreichischen<br />

Staatspreis für<br />

Kinderlyrik, das Ehrenkreuz<br />

für Wissenschaft und Kunst<br />

und den Professorentitel.<br />

Sagenschatz aus<br />

Österreich<br />

Friedl Hofbauer<br />

Nilpferd im G&G Verlag<br />

m Strudengau, diesem Stück Donau voll von gefährlichen Strudeln und<br />

I<br />

Untiefen, zeigten sich früher viel mehr Nixen als heute. Sie saßen gern<br />

vom Wasser umrauscht auf der einen oder anderen Felsspitze mitten in<br />

der Donau, kämmten sich und winkten den Leuten, die dieses gefährliche Stück<br />

der Donau befuhren. Es gingen Geschichten um, dass die Nixen Menschen unter<br />

Wasser zögen, wenn sie ihnen zu nahe kämen. Nun, wie auch immer, einmal<br />

ruderten ein paar übermütige Burschen in ihrem Boot in der Nähe einer Nixe<br />

vorüber und zeigten ihr die lange Nase. Da fing die Nixe zu weinen an. Seht ihr<br />

nicht, dass sie sich kränkt?“, rief ein junger Fischer, der am Ufer saß, ärgerlich zu<br />

den Burschen hinüber. Die fuhren lachend weiter.<br />

Einige Jahre später war Krieg im Land und mit ihm kamen alle seine Grausamkeiten<br />

und Schrecken. Eines Abends klopfte es an die Tür der kleinen Hütte am<br />

Ufer, in der der Fischer mit seiner alten Mutter wohnte. Der Fischer öffnete die<br />

Tür und sah eine vornehme Frau mit einem kleinen Kind auf dem Arm draußen<br />

stehen. Sie flehte ihn an, er solle sie und ihr Kind in seinem Boot über die Donau<br />

rudern. Sie wäre auf der Flucht vor dem Krieg und hätte am anderen Ufer Verwandte,<br />

die ihr weiterhelfen würden.<br />

Es war schon finster und die Nacht war stürmisch. Die Donau strudelte und<br />

rauschte um die gefährlichen Klippen. Der Fischer bedachte sich einen Augenblick,<br />

dann setzte er die Frau mit ihrem Kindchen in sein Boot und brachte sie gut<br />

hinüber.<br />

Die Frau bedankte sich, sagte: „Nun finde ich schon allein weiter“, und verschwand<br />

mit ihrem Kind in der dunklen Nacht.<br />

Der Fischer wendete sein Boot, um zurück an das andere Ufer zu fahren. Aber<br />

der Sturm war noch stärker geworden und trieb das Boot unaufhaltsam auf die<br />

Klippen zu. Der Fischer gab sich schon verloren.<br />

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