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Stadtmagazin CLP Ausgabe 29

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eportage<br />

Rungholt<br />

eine Legende<br />

der Nordsee<br />

öffnet sich<br />

Schreie gellen über das Meer, Menschen klammern<br />

sich verzweifelt an jedes Stück Holz, das sie erreichen<br />

können, doch vergeblich – die Sturmflut entreißt<br />

ihnen jeden Halt und verschlingt alles. Das Grauen<br />

währt mehrere Tage, doch nachdem dem der Orkan<br />

wieder abgeflaut ist, sind nicht nur unzählige Menschen<br />

ertrunken, sondern ganze Dörfer und Küstengebiete<br />

verschwunden.<br />

Die gewaltige Sturmflut ging als „Grote Mandränke“<br />

(großes Menschenertrinken) in die Legenden der<br />

Nordsee („Mordsee“!), denn die Gewalt und die Folgen<br />

der Naturkatastrophe waren so gewaltig, dass sie noch<br />

heute in das kollektive Gedächtnis der Menschen eingebrannt<br />

sind und seit Jahrhunderten Stoff für Legenden<br />

bieten – wie die von Rungholt. So heißt es in der Ballade<br />

„Trutz, Blanke Hans“ von Detlev von Liliencron aus dem<br />

Jahr 1882:<br />

„Heut bin ich über Rungholt gefahren,<br />

Die Stadt ging unter vor sechshundert Jahren.<br />

Noch schlagen die Wellen da wild und empört,<br />

wie damals, als sie die Marschen zerstört.“,<br />

Weiter schreibt er:<br />

„Rungholt ist reich und wird immer reicher,<br />

Kein Korn mehr faßt der größeste Speicher.<br />

Wie zur Blütezeit im alten Rom,<br />

Staut hier täglich der Menschenstrom.<br />

Die Sänften tragen Syrer und Mohren,<br />

Mit Goldblech und Flitter in Nasen und Ohren.<br />

Trutz, Blanke Hans.“<br />

Der Stoff, aus dem diese Sage gewoben wurde, ähnelt<br />

der Geschichte vom untergegangenen Atlantis und daher<br />

wird Rungholt auch als das „Atlantis der Nordsee“<br />

bezeichnet. Der Überlieferung nach waren die Hafenstadt<br />

Rungholt und seine Bewohner sagenhaft reich.<br />

Mit dem Reichtum aber kam auch die Überheblichkeit<br />

der Menschen. So sollen zwei Bauern ein Schwein betrunken<br />

gemacht und in ein Bett gelegt haben. Dann<br />

riefen sie den Pfarrer der Insel, damit dieser dem Tier die<br />

letzte Ölung geben sollte. Als er das heilige Sakrament<br />

empört verweigerte, schütteten die Bauern Bier über<br />

seine Hostien und beleidigten Gott. Daraufhin eilte der<br />

Geistliche in die Kirche und betete darum, die Bewohner<br />

Rungholts für ihr gotteslästerliches Verhalten zu bestrafen.<br />

Daraufhin verließ er die Insel, während sich hinter<br />

ihm eine gewaltige Sturmflut erhob, die alle Rungholter<br />

und das gesamte Dorf bis zum Tag des Jüngsten Gerichts<br />

in den Fluten der eiskalten Nordsee versinken ließ.<br />

Noch heute – so die Legende weiter – taucht Rungholt<br />

manchmal wieder aus den Fluten auf. Und wenn das<br />

Meer ganz still ist, kann man leise noch die Glocke der<br />

Kirche läuten hören.<br />

Rungholt aber ist mehr als nur eine Geschichte, die<br />

über Generationen abends am Herdfeuer erzählt wurde,<br />

um den Menschen Angst vor den Naturgewalten und<br />

der Macht Gottes einzuflößen. Das, was mit Rungholt<br />

geschah ist eine wahre Begebenheit und sie warnt unmissverständlich<br />

vor dem gedankenlosen Raubbau an<br />

der Natur. Denn dass die Flut sich derart verheerend<br />

auswirken konnte, lag nicht zuletzt daran, dass die Be-

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