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syndicom magazin Nr. 10

Seit langer Zeit schon setzen wir uns für die Arbeitsrechte im Bereich Logistik, ICT und Medien ein. Gute Arbeitsbedingungen sind und waren dabei stets das Ergebnis von gemeinsamen Erfolgen. Sei Teil unserer Bewegung und gestalte mit uns deine Zukunft!

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<strong>syndicom</strong><br />

<strong>Nr</strong>. <strong>10</strong> März–April 2019<br />

<strong>magazin</strong><br />

Gebt<br />

uns die<br />

Kaufkraft<br />

zurück!


Anzeige<br />

Gestaltung: Agnes Weber<br />

FRAUEN*STREIK<br />

14. Juni 2019<br />

LOHN.<br />

ZEIT.<br />

RESPEKT.<br />

/


Inhalt<br />

4 Unsere Besten<br />

5 Kurz und bündig<br />

6 Die andere Seite<br />

7 Gastautor Hugo Fasel<br />

8 Dossier: Mehr Lohn<br />

16 Arbeitswelt<br />

20 Ein Kodex für Mila<br />

23 Die ILO und die Schweiz<br />

25 Recht so!<br />

26 Freizeit<br />

27 <strong>10</strong>00 Worte<br />

28 Bisch im Bild<br />

30 Aus dem Leben von ...<br />

31 Kreuzworträtsel<br />

32 Inter-aktiv<br />

Löhne rauf – jetzt!<br />

Was sind «gerechte Löhne»? Diese Frage gehört<br />

auch heute zu den zentralen Problemen der<br />

Wirtschafts- und Sozialpolitik. Nach scharfen<br />

sozialen Auseinandersetzungen und Streiks<br />

wurde die Frage nach 1945 in einem impliziten<br />

Gesellschaftsvertrag geregelt: Die Arbeitenden<br />

sollten ihren Teil an der steigenden Produktivität<br />

bekommen, in Form von regelmässig wachsenden<br />

Löhnen. An der Verkleinerung der Kluft<br />

zwischen Arm und Reich hängt der soziale<br />

Frieden.<br />

Heute aber hinken die Löhne wieder stark hinter<br />

der wachsenden Arbeitsproduktivität her –<br />

und die Einkommens- und Vermögensunterschiede<br />

sind enorm. Das ist das Resultat<br />

neoliberaler Politik und der Umverteilung nach<br />

oben. Wenn wir nun Lohnerhöhungen um 1 Prozent<br />

herum durchgesetzt haben, holt das nur<br />

einen kleinen Teil der Rückstände ein.<br />

Die Vorstellung der Neoliberalen, der Markt<br />

sorge für «gerechte» Löhne, ist heute als Irrtum<br />

erkannt und – zumindest in der Theorie – überwunden.<br />

Die Frage nach einer gerechten Einkommensverteilung<br />

muss deshalb heute von<br />

der Wirtschafts- und Sozialpolitik neu gestellt<br />

werden und sie bedarf dringend einer Beantwortung,<br />

wenn es gelingen soll, eine dem Menschen<br />

würdige Wirtschafts- und Sozialordnung<br />

zu errichten. Generelle und gute Lohnabschlüsse<br />

tragen einen entscheidenden Teil dazu bei.<br />

4<br />

8<br />

23<br />

Daniel Münger,<br />

<strong>syndicom</strong>-Präsident


4<br />

Werbung für die<br />

Gewerkschaft<br />

Das sind unsere Top 3 bei <strong>syndicom</strong><br />

Michelle Crapella-Papet (38)<br />

Stammt aus Ennetbürgen (NW) und ist<br />

als gelernte kaufmännische Angestellte<br />

seit 2006 bei Swisscom im KMU-<br />

Bereich tätig. Aktuell arbeitet sie als<br />

Expertin im technischen Support. Seit<br />

20<strong>10</strong> Mitglied von <strong>syndicom</strong>. Sie ist im<br />

Zentralvorstand und Sektorvorstand<br />

ICT aktiv.<br />

Patrick Roth (45)<br />

Wohnt in Obdorf (SZ), ist gelernter<br />

Informatiker. Er arbeitet seit 1996<br />

bei Swisscom. Zurzeit amtet er als<br />

Projekt leiter Infrastruktur und Scrum<br />

Master. Erneut Mitglied von <strong>syndicom</strong><br />

seit 2012. Er gehört der GAV-Strategiegruppe<br />

Swisscom an und wurde<br />

im Januar in die Personalvertretung<br />

gewählt.<br />

Beat Saxer (44)<br />

Wohnt in Winkel (ZH) und arbeitet als<br />

gelernter uniformierter Postbeamter<br />

seit 1991 bei der Post. Seit 2008 ist er<br />

Postautofahrer in Winkel. Bei <strong>syndicom</strong><br />

seit 1991. Er ist Obmann der regionalen<br />

Personalkommission PostAuto ZH und<br />

Delegierter des <strong>syndicom</strong>-Firmenvorstands<br />

PostAuto.<br />

Text: Sébastien Bourquin<br />

Bild: Alexander Egger<br />

«Mitglieder werben<br />

braucht Zeit. Wir<br />

nehmen sie uns gern.»<br />

Mit Werben haben wir begonnen,<br />

seit wir aktiv in verschiedensten Gewerkschaftsgremien<br />

mitmachen.<br />

Am Puls des Geschehens versteht<br />

man besser, wie wichtig die Anzahl<br />

der Mitglieder für die Verbesserung<br />

der Arbeitsbedingungen ist. Bei Gesamtarbeitsverträgen,<br />

Lohnsystemen<br />

und vielem mehr haben wir viel mehr<br />

Erfolg, wenn die Gewerkschaft von<br />

vielen Mitarbeitenden getragen wird.<br />

Wir haben alle drei unsere eigenen<br />

Werbestrategien. Einige von uns<br />

nutzen die Gelegenheiten, die sich<br />

in Pausengesprächen unter Arbeitskollegen<br />

über die Arbeitssituation<br />

ergeben. Wir klinken uns dann ins<br />

Gespräch ein und zeigen auf, was die<br />

Gewerkschaft im konkreten Fall tun<br />

kann. Und wie sie erfolgreich ist,<br />

wenn möglichst viele Arbeitnehmende<br />

sich organisieren und ihr Schicksal<br />

in die Hand nehmen.<br />

Denn es ist wie bei den demokratischen<br />

Rechten: Es macht keinen<br />

Sinn, die Politik zu kritisieren, wenn<br />

man selbst nicht abstimmen oder<br />

wählen geht. So ist es auch bei der<br />

Arbeit. Nur wer einer Gewerkschaft<br />

angehört, kann in der Arbeitswelt<br />

mitbestimmen.<br />

Andere unter uns erstellen eigene<br />

Flyer, mit denen wir die Arbeitskollegen<br />

über <strong>syndicom</strong> informieren. Wir<br />

merken alle, wie wenig die meisten<br />

über die Gewerkschaften und die Sozialpartnerschaft<br />

Bescheid wissen.<br />

Unsere Hauptaufgabe besteht auch<br />

vorwiegend in der Information unserer<br />

KollegInnen. Oft braucht es mehrere<br />

Gespräche, bis dann jemand aus<br />

unserem Umfeld konkret wissen will,<br />

wie er oder sie Mitglied werden kann.<br />

In dem Stadium ist es dann meist<br />

nur eine Formsache, bis das Beitrittsformular<br />

ausgefüllt ist. Doch der<br />

Weg dahin braucht viel Ausdauer.<br />

Wir freuen uns, dass letztes Jahr<br />

wieder mehr Mitglieder selber geworben<br />

haben. Wir sind überzeugt,<br />

dass <strong>syndicom</strong> noch viel mehr Erfolg<br />

haben wird, wenn wir noch mehr<br />

Mitglieder zum Werben aktivieren<br />

können. Deshalb teilen wir unsere<br />

persönlichen Erfahrungen gerne an<br />

den regionalen Anlässen. Auch diesen<br />

Frühling gibt es sie wieder für<br />

Mitglieder, die letztes Jahr mindestens<br />

zweimal geworben haben. Wir<br />

selber werden auf jeden Fall weiterhin<br />

werben.


Kurz und<br />

bündig<br />

<strong>syndicom</strong> wird Fusion Sunrise-UPC begleiten \ Zürich verlangt<br />

den Stopp des Poststellenabbaus \ Erschöpfte ZustellerInnen<br />

wollen Veränderungen \ Umfrage für den GAV Post 2021 \<br />

5G und Service public \ Korrigenda<br />

5<br />

<strong>syndicom</strong> bleibt nach Fusion<br />

Sozialpartnerin von Sunrise<br />

Sunrise wird den Telekommunikationsund<br />

Medienkonzern UPC Schweiz von<br />

dessen Mutterkonzern Liberty Global<br />

übernehmen – Schätzpreis: 6,3 Mrd. Fr.<br />

<strong>syndicom</strong> pflegt mit Sunrise wie mit UPC<br />

eine langjährige Sozialpartnerschaft mit<br />

zwei praktisch gleichwertigen GAV. Die<br />

Arbeitsbedingungen sind demnach auch<br />

nach der Fusion gesichert. Gleichwohl<br />

gibt es Befürchtungen über Arbeitsplatzabbau.<br />

<strong>syndicom</strong> wird den Prozess<br />

eng begleiten und sich gemeinsam mit<br />

den Personalvertretungen für sichere<br />

Arbeitsplätze und weiterhin gute Arbeit<br />

im fusionierten Unternehmen einsetzen.<br />

Zürcher Initiative<br />

gegen Poststellenabbau<br />

Der Kanton Zürich will mit einer<br />

Standes initiative einen Stopp der<br />

Schliessung von Poststellen fordern.<br />

Anfang März hat das Parlament eine<br />

parlamentarische Initiative vorerst<br />

überwiesen, die das verlangt. Der Bundesrat<br />

soll die Post-Leitung anweisen,<br />

so lange keine Poststellen mehr zu<br />

schliessen, bis eine nationale Poststellenplanung<br />

vom Eidgenössischen Departement<br />

für Umwelt, Verkehr, Energie und<br />

Kommunikation (Uvek) genehmigt wird.<br />

Zustellerinnen und Zusteller<br />

«ausgepresst wie Zitronen»<br />

Am 14. Februar hat <strong>syndicom</strong> bei der<br />

Generaldirektion von PostMail in Neuenburg<br />

ein Mandat mit über 300 Unterschriften<br />

eingereicht. Es verlangt die<br />

sofortige Aufnahme von Verhandlungen<br />

über die Arbeitsbedingungen der ZustellerInnen<br />

im Jurabogen. Diese sind mittlerweile<br />

unzumutbar: Um die Leistungsanforderungen<br />

zu erfüllen, müssen die<br />

Zustellerinnen und Zusteller übermässig<br />

Überstunden leisten und unter Bedingungen<br />

arbeiten, die ihre Gesundheit<br />

und Sicherheit gefährden. Grund dafür<br />

ist personelle Unterbesetzung.<br />

Manche berichten von elfstündigen Arbeitstagen,<br />

andere arbeiten bis zu 15<br />

Samstage hintereinander, wobei die Arbeitswochen<br />

die im Arbeitsgesetz festgelegten<br />

50 Stunden überschreiten<br />

können, auch bei Lernenden. Dies betrifft<br />

die ganze Schweiz. Eine Umfrage<br />

von <strong>syndicom</strong> bei <strong>10</strong>00 Zustellerinnen<br />

und Zustellern hat gezeigt, dass 94 %<br />

der Teilnehmenden Ende 2017 einen<br />

Überstundensaldo auswiesen – bis zu<br />

168 Stunden.<br />

GAV Post 2021, die Umfrage<br />

Im Sommer beginnen die Verhandlungen<br />

für den neuen GAV Post. Mit einer<br />

Umfrage will <strong>syndicom</strong> die Anliegen und<br />

Bedürfnisse der Post-Angestellten an<br />

den neuen Gesamtarbeitsvertrag erfassen.<br />

Wie willst du deine Arbeitsbedingungen<br />

verbessern? Mach mit:<br />

<strong>syndicom</strong>.ch/gavpost.<br />

5G kommt – <strong>syndicom</strong> will den<br />

digitalen Service public<br />

Sunrise will ab März die ersten 150<br />

Städte/Orte in der Schweiz mit der<br />

neuesten Mobilfunkgeneration 5G versorgen.<br />

Rund <strong>10</strong>0 ausgewählte Privatund<br />

Geschäftskunden werden dieses<br />

Angebot nutzen können. Für <strong>syndicom</strong><br />

stellen sich hier grundlegende Fragen<br />

nach dem Zugang, den Anwendungen,<br />

die entwickelt werden, und der Kontrolle<br />

über diese Anwendungen. Die Politik<br />

muss hier Rahmenbedingungen für einen<br />

digitalen Service public setzen.<br />

Korrigenda<br />

1: In der von Travail Suisse übernommenen<br />

Grafik in unserer letzten Ausgabe<br />

hatte sich ein Fehler eingeschlichen.<br />

Die Schwyzer Kantonalbank<br />

bietet seit 2015 ihren Mitarbeitenden<br />

nicht fünf, sondern <strong>10</strong> Tage Vaterschaftsurlaub<br />

an.<br />

2: Ebenfalls in der letzten Ausgabe war<br />

als Autorin des Porträts von Franco<br />

Panzeri irrtümlich Sylvie Fischer angeführt.<br />

Der wahre Autor war Giovanni<br />

Valerio. Wir bitten um Entschuldigung.<br />

Agenda<br />

März/April<br />

30.<br />

SGB-Migrationskonferenz<br />

2019<br />

Das Thema der Migrationskonferenz<br />

lautet «Migrationspolitik und Personenfreizügigkeit<br />

– gewerkschaftliche<br />

Visionen?» Beleuchtet werden der<br />

internationale Zusammenhang (Migrationspakt<br />

der UNO, Rahmenabkommen<br />

mit der EU) sowie innenpolitische Probleme<br />

wie die SVP-Begrenzungsinitiative.<br />

Anmeldung:<br />

bit.ly/2SOrwA8<br />

23. bis 3. April<br />

Jubiläums-Ausstellung<br />

Foto macht Schule<br />

Die Wanderausstellung zum <strong>10</strong>. Geburtstag<br />

des Projekts «Fotografieren<br />

macht Schule» macht halt im Alten<br />

Zeughaus Herisau, Poststr. 9. Es werden<br />

153 Fotografien und 34 Buchzitate<br />

von 52 Mitwirkenden gezeigt.<br />

Mai<br />

11.<br />

Stadtrundgang «Winterthur<br />

und der Kolonialhandel»<br />

Das Team Kehrseite Winterthur lädt zu<br />

dem Stadtrundgang um 14 Uhr, um<br />

Schauplätze und Überreste eines vergessenen<br />

Kapitels unserer Geschichte<br />

zu entdecken. Die Verstrickungen der<br />

Eulachstadt in den weltweiten Sklavenund<br />

Kolonialhandel sind vielfältig. Auch<br />

am 6. Juli, 14 Uhr. 25 Franken/Person.<br />

Juni<br />

22.<br />

Delegiertenversammlung in<br />

Bern, Stade de Suisse<br />

Die Vorbereitungen für die Delegiertenversammlung<br />

2019 sind angelaufen.<br />

Bist du aktives Mitglied und möchtest<br />

als Delegierte oder Delegierter mitbestimmen?<br />

Dann melde deine Kandidatur!<br />

Alle Infos: <strong>syndicom</strong>.ch/dv19.<br />

<strong>syndicom</strong>.ch/agenda


6 Die andere<br />

Tristan Pasquier<br />

Seite<br />

hat im April 2013 das Unternehmen Vélocité Riviera Sàrl in<br />

Vevey eröffnet. Er beschäftigt 9 Teilzeitmitarbeitende und ist<br />

selbst zu 30 % als Velokurier im Einsatz. Schon im Studium<br />

(Nachhaltige Stadtentwicklung) arbeitete er als Kurier.<br />

1<br />

Weshalb war es für Sie wichtig, den<br />

neuen GAV Velokuriere und urbane<br />

Kurierdienstleistungen zu unterzeichnen?<br />

Der GAV soll die Arbeitsbedingungen<br />

der Arbeitnehmenden sichern. Für einen<br />

Arbeitgeber geht es aber darum,<br />

dass die Branche erhalten und als<br />

eigener Berufsstand anerkannt wird.<br />

Wir sind Liefer-Profis und haben einen<br />

bestimmten Qualitätsanspruch.<br />

2<br />

Gehören niedrige Löhne zu Velokurierdiensten?<br />

Als Dienstleistungserbringer sind wir<br />

abhängig vom Auftragsvolumen. Man<br />

vergisst manchmal die Kosten der<br />

Lieferung: Löhne natürlich, aber<br />

auch das Fahrmaterial, die Logistik,<br />

die Buchführung und die Kundenbeziehungen<br />

… Es ist deshalb schwierig,<br />

ein ausgewogenes Verhältnis zu finden.<br />

3<br />

Fürchten Sie die Konkurrenz von<br />

Uber Eats, der seit kurzem in Genf<br />

tätig ist und seine KurierInnen als<br />

Selbständige behandelt?<br />

Diese Firmen unterbieten die Preise<br />

und können sich das erlau ben, da sie<br />

ihre Verantwortung gegenüber den<br />

Kurieren nicht wahrnehmen (Arbeitsvertrag,<br />

Mindeststundenlohn, Sozialabgaben,<br />

Versicherungen …). Zwei<br />

Drittel unserer Aufträge stammen<br />

aber aus dem Bereich medizinische<br />

Notfälle, und dafür braucht es zwingend<br />

eine gewisse Garantie für Zuverlässigkeit<br />

und Professionalität.<br />

4<br />

Denken Sie, dass im Zuge der Weiterentwicklung<br />

des GAV die Allgemeinverbindlichkeit<br />

möglich wird?<br />

Ich bin nicht nur davon überzeugt,<br />

sondern halte es für unbedingt notwendig.<br />

Alle Velokurierdienste müssen<br />

mitmachen und an einem Strick<br />

ziehen. Ich bin ganz einfach der Meinung,<br />

dass die Verbreitung der oben<br />

erwähnten Firmen in der Schweiz,<br />

zumindest in der aktuellen Form,<br />

verhin dert werden muss.<br />

Text: Sylvie Fischer<br />

Bild: Yves Leresche<br />

5<br />

Wenige Frauen arbeiten als Velokurierinnen.<br />

Meinen Sie, dank dem GAV<br />

können mehr Frauen als Fahrerinnen<br />

gewonnen werden?<br />

Das ist möglich, aber meiner Meinung<br />

nach ist der GAV nicht der entscheidende<br />

Faktor. Ich glaube, der<br />

Grund ist eher eine Fehleinschätzung<br />

des Berufs. Wir ermutigen Frauen<br />

aber mitzumachen. Es gibt keinerlei<br />

Grund, dass es unter den Velokurieren<br />

mehr Männer als Frauen hat.<br />

6<br />

Was halten Sie vom Mindeststundenlohn<br />

von 18.27 Franken in der Logistik,<br />

den die Postregulierungsbehörde<br />

der Eidgenössischen Postkommission<br />

(PostCom) festgelegt hat?<br />

Ich denke, dass dieser Lohn zu tief<br />

angesetzt ist. Er müsste zunächst bei<br />

22 Franken pro Stunde und in naher<br />

Zukunft bei 25 Franken liegen. Wer<br />

in der Schweiz kann mit einem solch<br />

tiefen Stundenlohn (18.27 Fr.) leben?<br />

Bei Vélocité Riviera setzen wir alles<br />

daran, den Mindestlohn zu garantieren,<br />

das ist oberste Priorität.


Gastautor<br />

Die Wirtschaft läuft, in der Schweiz<br />

geht es allen gut – könnte man meinen.<br />

Die Realität sieht jedoch anders aus: Gemäss<br />

Bundesamt für Statistik zählt die Schweiz<br />

650 000 Menschen, die in Armut leben, und<br />

mehr als eine Million sind armutsgefährdet. Diese<br />

bittere Wahrheit wird von der Politschweiz<br />

aktiv verdrängt. So hat Bundesrat Berset das<br />

Armutsprogramm des Bundes im letzten Jahr<br />

auf weniger als 1 (!) Mio. Franken jährlich gekürzt,<br />

und er hat die Armutspolitik weitestgehend<br />

an die Kantone delegiert.<br />

Die Gründe für Armut sind vielfältig: Jedes<br />

Jahr werden 40000 Personen ausgesteuert<br />

und die Arbeitslosenstatistik um diese Zahl<br />

geschönt. Vielen Ausgesteuerten bleibt nur die<br />

Sozial hilfe. In Armut geraten aber auch viele<br />

Arbeitneh mende, die keinen existenzsichernden<br />

Lohn erhalten. Working Poor sind nicht nur in<br />

den klassischen Tieflohn branchen zu finden.<br />

Immer öfter sind es «renommierte» Unternehmen,<br />

die miserable Löhne zahlen. Dazu gehören<br />

die Fluggesellschaften.<br />

In der letzten Zeit kommt eine neue Armutsursache<br />

dazu: Immer mehr Menschen können<br />

ihre Krankenkassenprämien nicht mehr bezahlen.<br />

Die Löhne steigen kaum, aber die Prämien<br />

werden signifikant erhöht. Nach Gesetz müsste<br />

diese Lücke durch die Prämienverbilligung gelöst<br />

werden. Doch weit gefehlt! Die Mehrheit der<br />

Kantone hat in den letzten Jahren ihren Anteil<br />

an der Prämienverbilligung gekürzt. Die Steuern<br />

wurden für die hohen Einkommen gesenkt und<br />

die verlorenen Einnahmen bei der Prämienverbilligung<br />

kompensiert. Die Situation ist dramatisch,<br />

sie führt zum «Ausfransen» des unteren<br />

Mittelstandes und treibt Familien in die Armut.<br />

Vonseiten Caritas haben wir eine klare Forderung<br />

an die Politik gestellt: Ein Monatslohn muss<br />

genügen, um die Krankenkassenprämien zu bezahlen.<br />

Was darüber liegt, muss durch die Prämienverbilligung<br />

gedeckt werden!<br />

Mit einem Monatslohn<br />

muss es machbar sein!<br />

Hugo Fasel, der dieses Jahr 64 wird, ist<br />

seit September 2008 Direktor der Caritas<br />

Schweiz. 2004 bis 2008 war er Präsident<br />

von Travail Suisse, 1998 bis 2002<br />

Co-Präsident der Gewerkschaft Syna.<br />

Zuvor war er Zentralsekretär und Präsident<br />

des Christlichnationalen Gewerkschaftsbundes<br />

der Schweiz (CNG).<br />

Hugo Fasel gründete mehrere Unternehmen:<br />

sie bieten Lehrstellen an für<br />

Jugendliche mit Lernschwierigkeiten<br />

(fribap) oder führen Integrationsprogramme<br />

durch für ausgesteuerte Personen<br />

und SozialhilfeempfängerInnen<br />

(Ritec) oder bieten aktive Arbeitsmarktmassnahmen<br />

für arbeitslose Personen<br />

(VAM).<br />

7


Die Wirtschaft floriert, die Löhne stagnieren. Das muss sich ändern.<br />

Lohnverhandlungen: Das hat <strong>syndicom</strong> erreicht.<br />

Arbeit ist kein Kostenfaktor. Arbeit schafft den Wert.<br />

Investitionen sinken und Dividenden explodieren.<br />

Dossier 9<br />

Mehr Rente,<br />

mehr Lohn:<br />

Unsere Kämpfe<br />

und Erfolge


<strong>10</strong> Dossier<br />

Schluss mit dem Abbau von Löhnen und<br />

Renten: Unsere Fortschritte<br />

Etwas stimmt doch nicht: Wie kommt es, dass<br />

die Schweizer Beschäftigten punkto Kaufkraft<br />

(laut GFK) europa weit auf Platz 2 stehen,<br />

man aber das Gefühl hat, am Monatsende<br />

immer weniger im Portemonnaie zu haben –<br />

wenn nicht eh schon alles ausgegeben ist?<br />

Text: Sylvie Fischer<br />

Bilder: François Graf<br />

Solche Klassierungen geben eben ein falsches Bild, denn<br />

sie berücksichtigen nicht die verschiedenen Ausgaben für<br />

Krankenkasse und Gesundheitskosten oder Pensionskasse<br />

und indirekte Steuern. So wie der Schweizer Medianlohn<br />

2016 von 6502 Franken brutto (die Hälfte der Beschäftigten<br />

verdient mehr, die andere Hälfte weniger) die<br />

niedrige Entlöhnung der typischen Frauenberufe nicht<br />

darstellt. 60 % der Stellen mit einem Lohnniveau tiefer als<br />

4500 Franken brutto sind von Frauen besetzt. Und die<br />

<strong>10</strong> Prozent am schlechtesten bezahlten Lohnempfänger­<br />

Innen verdienen weniger als 4313 Franken brutto. Sinnvoller<br />

wäre ein Vergleich der Nettolöhne, machen die<br />

Sozial abgaben für Dreissigjährige doch etwa zwischen 13<br />

und 17 Prozent des Bruttolohns aus.<br />

Steigende Lasten und schwächelnde Löhne<br />

Die Ausgaben der Arbeitenden in der Schweiz, die bereits<br />

1,5- bis 2-mal höher sind als in den Nachbarländern (siehe<br />

S. 15), werden immer noch höher. Früher war die Kehrichtabfuhr<br />

durch die Steuern gedeckt. Heute kommen eine<br />

Kopfgebühr und gebührenpflichtige Säcke hinzu. Zur Sanierung<br />

der IV wurde zwischen 2011 und 2017 die Mehrwertsteuer<br />

um 0,4 Prozentpunkte erhöht. Trotz der historisch<br />

tiefen Hypothekenzinsen sind die durchschnittlichen<br />

Mieten laut dem Mieterverband Asloca seit 2000 um über<br />

50 Prozent angestiegen, in einigen Regionen noch stärker.<br />

Innerhalb von zwanzig Jahren haben sich die Krankenkassenprämien<br />

der Grundversicherung beinahe verdreifacht.<br />

2006 betrugen die reglementarischen Beiträge<br />

in die Pensionskasse rund 17,7 %. Seither sind sie jährlich<br />

weiter gewachsen und werden sich dieses Jahr laut Prognose<br />

des Gewerkschaftsbunds auf 19,5 % des versicherten<br />

Lohns belaufen. Zugleich haben sich die Rentenperspektiven<br />

mit der Senkung der Umwandlungssätze von durchschnittlich<br />

6,4 % im Jahr 2013 auf 5,6 % im Jahr 2019 (ebenfalls<br />

gemäss SGB) weiter verschlechtert. Nicht nur haben<br />

die künftigen Rentnerinnen und Rentner viel mehr einbezahlt<br />

als frühere Generationen, sie werden auch deutlich<br />

tiefere Renten dafür erhalten.<br />

Und schliesslich sind im letzten Jahr die Preise aufgrund<br />

der teureren Mieten und Erdölprodukte offiziell<br />

um 0,5 % angestiegen.<br />

Gleichzeitig wachsen die Löhne kaum. Seit 20<strong>10</strong> sind<br />

die Nominallöhne in der Schweiz um weniger als 1 % pro<br />

Jahr gestiegen. 2017 betrug die Zunahme nur 0,4 %, und<br />

die Reallöhne sanken aufgrund der Teuerung sogar: um<br />

0,1 Prozent. 2017 und 2018 gab es trotz Aufschwung nicht<br />

mehr Reallohn. Für 2019 zeichnet sich keine wesentliche<br />

Verbesserung ab. Sogar in Deutschland mit seiner Lohnzurückhaltung<br />

ist das Lohnwachstum höher.<br />

Am stärksten betroffen sind langjährige Mitarbeitende:<br />

Gemäss der Lohnstrukturerhebung stiegen die Löhne<br />

der Angestellten mit zwanzig oder mehr Dienstjahren zwischen<br />

20<strong>10</strong> und 2016 nur um 3,1 %. Bei den neu angestellten<br />

Personen betrug die Zunahme hingegen 7,1 %.<br />

Folglich haben viele Arbeitnehmende Mühe, mit ihrem<br />

Lohn über die Runden zu kommen. Fast 40 Prozent<br />

der Schweizerinnen und Schweizer geben an, dass sie ihren<br />

Lohn komplett ausgeben. Beunruhigender noch: Eine<br />

von fünf Personen in der Schweiz verfügt nicht über die<br />

Mittel, um innerhalb eines Monats eine unerwartete Ausgabe<br />

von 2500 Franken zu bewältigen.<br />

Es ist Zeit, dass die LohnempfängerInnen<br />

vom Wirtschaftswachstum profitieren<br />

Aber der Wirtschaft geht es gut. 2018 ist das Bruttoinlandprodukt<br />

um 2,5 % gewachsen. Und obwohl sich das Wachstum<br />

verlangsamt hat, dürfte sich das BIP dieses Jahr um<br />

weitere 1,5 % erhöhen. 2017 war bereits ein gutes Jahr für<br />

die kotierten Schweizer Unternehmen, die 2018 mindestens<br />

50 Milliarden an Dividenden ausschütten dürften. Es<br />

ist Zeit, dass die Lohnempfängerinnen und Lohnempfänger<br />

von den Früchten des Aufschwungs profitieren.<br />

Anfang Jahr konnten bei den Lohnverhandlungen mit<br />

<strong>syndicom</strong> bereits mehrere gute Fortschritte erzielt werden.<br />

Bei der Post CH AG führten die Verhandlungen mit<br />

<strong>syndicom</strong> und Transfair zu einer Lohnerhöhung von 1,4 %<br />

(0,91 % generell, 0,49 % individuell). Zusätzlich werden die<br />

Lohnbänder nach der Umsetzung der Lohnmassnahmen<br />

um 1 % angehoben. Diese Massnahmen betreffen die rund<br />

26 000 Mitarbeitenden im Gesamtarbeitsvertrag Post CH<br />

AG. Bei der Zuteilung der individuellen Lohnmassnahmen<br />

hat sich die 2018 eingeführte Systematik bewährt,<br />

die einen Pflichtanteil enthält. Dieser ist ein geeignetes<br />

Mittel für faire Lohnmassnahmen. Vor allem Mitarbeitende<br />

mit Löhnen in tieferen Lagen des Lohnbands der jeweiligen<br />

Funktion erhalten damit bei guter Leistung die<br />

Chance, in der Lohnentwicklung überdurchschnittlich<br />

aufzuholen (siehe Artikel auf S. 18).<br />

Bei PostAuto konnten <strong>syndicom</strong> und Transfair einen<br />

Lohnanstieg von insgesamt 1,2 % erzielen. Die Umsetzung<br />

der Lohnmassnahmen erfolgt mit dem Aprillohn. Danach<br />

werden die Lohnbänder um 1 % angehoben. Die beschlos­<br />

Der Wirtschaft<br />

geht es prima.<br />

Die Löhne<br />

müssen folgen.


senen Lohnmassnahmen betreffen die 2200 Mitarbeitenden<br />

von PostAuto im GAV und die rund 1700 Mitarbeitenden<br />

der PostAuto­Unternehmen mit Personalreglement<br />

(PU­P). Auch hier gewährleistet der Verteilmechanismus<br />

bei der Zuteilung der individuellen Lohnmassnahmen,<br />

dass Mitarbeitende mit Löhnen in tieferen Lagen des<br />

Lohnbandes bei guter Leistung stärker profitieren.<br />

Gehälter erhalten eine Einmalzahlung von 500 Franken.<br />

Für IMS Clean (Unterhaltsreinigung) haben sich die Sozialpartner<br />

auf eine Erhöhung um 0,4 % der Lohnsumme für<br />

alle Mitarbeitenden über dem Medianlohn und um 0,8 %<br />

für alle unter dem Medianlohn geeinigt. Die Lohnsumme<br />

steigt so um 0,6 %. Ausbezahlt werden die höheren Löhne<br />

erstmals im April.<br />

Bis zu 2 Prozent höhere Mindestlöhne<br />

Bei PostFinance hat <strong>syndicom</strong> für die Mitarbeitenden<br />

eine Lohnerhöhung von 1,6 % ausgehandelt. Die 2500<br />

dem GAV unterstellten Mitarbeitenden werden diese mit<br />

dem Aprillohn ausbezahlt erhalten. Da es wünschenswert<br />

ist, dass Personen mit tieferen Löhnen höhere Lohnerhöhungen<br />

erfahren als besser bezahlte Angestellte, werden<br />

0,8 % der Lohnsumme den Vorgesetzten mit einem nach<br />

Lohnhöhe und Lage im Band errechneten Verteilmechanismus<br />

als Orientierung vorgeschlagen. In einer Zeit, wo<br />

rein individuelle Lohnerhöhungen ohne Orientierungspunkte<br />

in allen Branchen zunehmen, was zu höherer Intransparenz<br />

und oft zu Lohnungleichheit führt, kann mit<br />

dieser Lösung Gegensteuer gegeben werden.<br />

In der Contact­ und Callcenter­Branche einigten sich<br />

<strong>syndicom</strong> und die Arbeitgeberverbände CallNet.ch und<br />

contactswiss auf eine Lohnerhöhung um 2 % auf den Mindestlöhnen.<br />

Es waren die ersten Lohnverhandlungen, seit<br />

der GAV vom Bundesrat per 1. Juli 2018 allgemeinverbindlich<br />

erklärt wurde. Die Erhöhung bedeutet konkret zwischen<br />

70 und <strong>10</strong>2 Franken mehr pro Monat auf den Mindestlöhnen.<br />

Die neuen Löhne gelten ab dem 1. Januar<br />

2020 für die Jahre 2020 und 2021. Die Sozialpartner beantragen<br />

die Allgemeinverbindlicherklärung auch für die<br />

neu festgelegten Löhne.<br />

Die Lohnverhandlungen mit der Post Immobilien Management<br />

und Services AG haben eine Lohnerhöhung von<br />

1,2 % der Gesamtlohnsumme für die 1200 Angestellten ergeben.<br />

60 % davon werden über einen vereinbarten Verteilmechanismus<br />

ausbezahlt. Je tiefer jemand eingestuft<br />

ist, desto höher wird die Lohnerhöhung ausfallen. Die<br />

restlichen 40 % werden individuell verteilt. Die höchsten<br />

Swisscom: Löhne wachsen um 1,4 Prozent<br />

Swisscom, <strong>syndicom</strong> und Transfair haben sich auf Lohnmassnahmen<br />

von 1,4 % ab dem 1. April 2019 für rund<br />

14 000 Mitarbeitende von Swisscom, die dem GAV unterstehen,<br />

geeinigt. Die Mitarbeitenden erhalten eine generelle<br />

Lohnerhöhung von mindestens 0,9 %, der Rest wird<br />

individuell verteilt. Auch bei Sunrise (1,5 %) und UPC<br />

(1,2 %, davon 0,9 % generell) steigen die Löhne (siehe Seite<br />

17).<br />

Höhere Löhne gibt es auch in der Buchbranche. Im<br />

Deutschschweizer Buchhandel wurde eine Anhebung der<br />

Mindestlöhne um 1 % vereinbart, während die Mitarbeitenden<br />

von Payot generell 1 % mehr erhalten.<br />

Bei Cablex wird eine Lohnerhöhung von insgesamt<br />

1,2 %, davon 0,9 % als generelle Massnahme gewährt. Damit<br />

diese Erhöhung wirksam werden kann, wird noch das<br />

Ja der Entscheidgremien benötigt. Bei Localsearch wird<br />

eine allgemeine Erhöhung für alle Angestellten nach GAV<br />

von 0,8 % erwartet sowie individuelle Erhöhungen (nach<br />

Redaktionsschluss). Schliesslich beträgt die Erhöhung<br />

der Lohnsumme bei Naxoo per 1. Januar 1,2 %.<br />

Unterstützung für die Rentnerinnen und Rentner<br />

Aber nicht nur bei den Löhnen muss gehandelt werden.<br />

2017 zeigte ein Bericht der OECD, dass die Schweizer Arbeitnehmenden,<br />

die derzeit in den Arbeitsmarkt eintreten,<br />

eine Rente von 45 % ihres letzten Lohnes erhalten werden.<br />

Im OECD­Durchschnitt sind es 63 %. Die Armut unter<br />

den RentnerInnen ist in der Schweiz deutlich weiter verbreitet<br />

als in den übrigen OECD­Ländern. Bei der Alters­


12<br />

Dossier<br />

Die Krankenkasse darf nicht mehr als <strong>10</strong> %<br />

des Haushaltseinkommens kosten.<br />

armut liegt die Schweiz sogar an dritter Stelle, hinter Estland<br />

und Lettland. Und dies obwohl die öffentlichen<br />

Leistungen für Renten in der Schweiz höher sind (11 % des<br />

BIP gegenüber 9 % in der OECD).<br />

Für eine 13. AHV-Rente<br />

Die Erhaltung des<br />

Lebensstandards<br />

mit der Rente<br />

ist heute illusorisch.<br />

Seit 2005 sind die durchschnittlichen Renten der zweiten<br />

Säule um 9 % gesunken, und der Trend geht weiter (siehe<br />

S. 15). Der Verfassungsauftrag, wonach Pensionskassen<br />

und AHV zusammen die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung<br />

ermöglichen sollen, gerät zur Farce.<br />

Für den SGB braucht es eine Stärkung der AHV, um den<br />

künftigen RentnerInnen ein anständiges Rentenniveau<br />

zu sichern. Er erarbeitet dazu eine Initiative für eine<br />

13. AHV­Rente. Denn die AHV bietet für alle mit tiefen<br />

und mittleren Löhnen das beste Preis­Leistungs­Verhältnis<br />

in der Schweizer Altersvorsorge.<br />

In der 2. Säule dürfen keine Gewinne auf Kosten der<br />

Versicherten gemacht werden. Dazu braucht es Gewinnein<br />

schrän kungen für Lebensversicherer, transparente<br />

Verwaltungskosten und einheitliche, verständliche Vorsorgeausweise.<br />

Die Umlagekomponente im BVG sollte gestärkt<br />

werden. Denkbar wäre auch, dass die Einnahmen<br />

der Nationalbank aus den Negativzinsen an die 2. Säule<br />

ausgeschüttet werden.<br />

Zusammen mit der Verbesserung der Lohnsituation<br />

der Frauen – für die auch die im neuen Gleichstellungsgesetz<br />

vorgeschriebenen Lohnkontrollen durchgeführt werden<br />

müssen – gehört die Entlastung bei der Krankenkasse<br />

zu den aktuellen Prioritäten. Es braucht mehr Prämienverbilligung<br />

für Haushalte mit unteren und mittleren Einkommen.<br />

Der SGB unterstützt die Volksinitiative, die fordert,<br />

dass niemand mehr als <strong>10</strong> Prozent des verfügbaren<br />

Haushaltseinkommens für die Krankenkasse ausgeben<br />

muss (siehe Link).<br />

Es muss also an mehreren Fronten gehandelt werden.<br />

Angemessene Löhne können nur gesichert werden, wenn<br />

die flankierenden Massnahmen im Rahmenabkommen<br />

mit der EU erhalten werden – und damit der Schutz der<br />

tiefen und mittleren Löhne bestehen bleibt. Ohne diese<br />

flankierenden Massnahmen könnten sämtliche bilateralen<br />

Abkommen auf der Strecke bleiben, da die Bürgerinnen<br />

und Bürger darin keinen Vorteil mehr sähen.<br />

Prämien­Entlastungs­Initiative:<br />

bit.ly/2GTxUV9


Dossier<br />

Wie ist das genau mit der Arbeit, dem<br />

Lohn und der menschlichen Würde?<br />

13<br />

Der Wert, den die Arbeitenden herstellen,<br />

wird immer ungerechter verteilt. Und mit der<br />

Digitalisierung hat die grosse Ausmarchung<br />

zwischen Kapital und Arbeit begonnen. Darum<br />

müssen wir besser denken, wenn wir über<br />

Lohn sprechen.<br />

Text: Oliver Fahrni<br />

Bilder: François Graf<br />

Nur lebendige Arbeit schafft Wert.<br />

Dass wir diese simple Grundtatsache der Ökonomie hier<br />

wieder in Erinnerung rufen müssen, das liegt daran, dass<br />

die Besitzenden und ihre Ökonomen uns täglich das Gegenteil<br />

in die Köpfe hämmern. Sie sind damit so erfolgreich,<br />

dass viele Arbeitende glauben, ihre Arbeit und der<br />

Lohn, den sie dafür erhalten, seien ein «Kostenfaktor».<br />

Falsch. Der Zins für das Kapital ist ein Kostenfaktor. Miete,<br />

Hypothekenrate, Strom, Öl etc. sind Kostenfaktoren.<br />

Der Preis für das Material ist ein Kostenfaktor. Arbeit aber<br />

formt dies alles zu einem Produkt von höherem Wert um.<br />

Arbeit allein schafft den Ertrag und schafft den Gewinn.<br />

Arbeit ist ein Gewinnfaktor. Ganz abgesehen davon, dass<br />

Arbeit mit sozialer Sicherheit, also menschlicher Würde<br />

und Entfaltung zu tun hat.<br />

Geld arbeitet? Tut es nicht!<br />

Dennoch haben die meisten Menschen das Ammenmärchen<br />

der Aktionäre verinnerlicht, Geld arbeite. Kürzlich<br />

warb eine Bank mit dem Spruch: «Hier arbeitet Ihr Geld<br />

für Sie.» Tut es nicht. Schon mal eine Hunderternote gesehen,<br />

die auf der Baustelle die Schaufel schwingt? Geld<br />

kann im besten Fall, wenn es denn investiert und dadurch<br />

zu Kapital wird, die Umwandlungsprozesse der Arbeit<br />

schmieren und beschleunigen. Geld kann aber auch ein<br />

Hindernis der Arbeit sein, oder sogar Wert zerstören,<br />

wenn es, statt in Investitionen, in spekulative Anlagen<br />

oder Monsterboni gesteckt wird.<br />

Gut, sagt da jemand, aber Maschinen arbeiten doch<br />

auch und schaffen Wert, nicht nur Menschen? Manche<br />

Produkte, etwa die Swatch, werden fast vollautomatisch<br />

hergestellt. Das stimmt. Doch was ist eine Maschine, in<br />

diesem Fall eine Werkzeugmaschine, ein Roboter oder sogar<br />

eine ganze Fertigungsstrasse? Sie ist ein Konzentrat<br />

menschlicher Arbeit. Nicht nur, weil die Maschine ebenfalls<br />

gebaut werden musste. In einer Maschine arbeiten<br />

das akkumulierte Wissen, die Handfertigkeit und das<br />

Können von Generationen von Arbeitenden.<br />

Die Maschine ist ein Konzentrat menschlicher Arbeit.<br />

Das ist nicht so leicht zu erkennen, wird aber immer dann<br />

sichtbar, wenn eine Maschine nicht genau das tut, wofür<br />

sie gebaut ist.<br />

Bei einem Zuger Roboterbauer wollte das Management<br />

die Arbeit nach Fernost auslagern. Problem: Obschon<br />

die Roboter aufs My genau hochtechnisch gleich<br />

gefertigt wurden, funktionierten manche nur mit viel Ausschuss.<br />

Ein Rätsel. Noch rätselhafter war: Besonders erfahrene<br />

Arbeitende wussten schon vor Ende der Fertigstellung,<br />

welche Roboter besser liefen ...<br />

Warum reden wir über diese Geschichten? Weil es hier<br />

darum geht, das Verhältnis zwischen Arbeit, Wert und<br />

Lohn zu verstehen.


14<br />

Dossier<br />

Arbeit, Lohn und menschliche Würde<br />

Wirtschaft scheint komplex. Doch in Wahrheit geht es<br />

immer nur um das Problem, wie sich eine Gesellschaft organisiert,<br />

um die Dinge herzustellen, die uns von Not befreien<br />

und unsere Bedürfnisse befriedigen. Und wie man<br />

die Dinge und den Wert unter den Mitgliedern der Gesellschaft<br />

verteilt. Der Rest ist Sand, den die Aktionäre und<br />

ihre Ökonomen uns in die Augen streuen, damit wir dieses<br />

grundsätzliche Problem nicht mehr erkennen.<br />

Im Kapitalismus braucht es ziemlich viel Sand und im<br />

modernen Finanzkapitalismus enorme Haufen Propaganda,<br />

um uns blind zu halten. Denn eins ist unbestreitbar:<br />

Wir arbeiten, bekommen aber nur einen Teil des Netto­Werts,<br />

den wir herstellen. Den anderen Teil, den<br />

Mehrwert, nimmt sich das Kapital. Etwas davon wird investiert.<br />

Aber die Investitionen sind in den letzten Jahrzehnten<br />

massiv zurückgegangen, und die Dividenden<br />

sind explodiert. Zukunft, Nachhaltigkeit interessiert die<br />

meisten Anleger kaum noch, die Finanzspekulanten und<br />

Banken noch weniger. Sie wollen kurzfristig maximalen<br />

Profit, und die fortschreitende Kapitalkonzentration ist<br />

ein zwingender innerer Mechanismus des Kapitalismus.<br />

Dies ist übrigens einer der Gründe, warum er die ökologische<br />

Krise, die er produziert hat, nicht lösen kann.<br />

Die «Lohnquote», unser Anteil am von uns<br />

hergestellten Wert, sinkt und sinkt. Wieso?<br />

Hier geht es um Lohn, also um den Anteil, den die Arbeitenden<br />

aus der Wirtschaft ziehen können. Ökonomen<br />

messen dies mit der «Lohnquote». In den USA, in Japan<br />

und in den meisten Ländern Europas sinkt sie stark. In<br />

Italien von 67 Prozent 1990 auf 53 Prozent 2008. In der<br />

Schweiz bleibe sie konstant, behaupteten Ökonomen<br />

2014. Tatsächlich ist sie im selben Zeitraum auch um fast<br />

18 Prozent gesunken, wenn man das oberste Lohn­ und<br />

Boniprozent rausrechnet. Einfacher gesagt: 99 Prozent<br />

der Arbeitenden bekommen nur etwas über die Hälfte von<br />

dem Wert, den sie produzieren. 45 Prozent schnappen<br />

sich die Banken und Aktionäre. Das erklärt die 40 Milliarden<br />

Franken oft steuerfreier Dividenden für 2017.<br />

Dieser massive Rückgang, zu dem noch Dinge wie ungerechte<br />

Steuerverteilung, höhere Lebenskosten der unteren<br />

Einkommen etc. kommen (siehe Seiten 8 bis 12), ist<br />

sozial explosiv, aber das Resultat einer gezielten Strategie.<br />

Die neoliberale Revolution ab 1980 diente dem mächtigsten<br />

1 Prozent genau dazu, einen höheren Anteil am produzierten<br />

Wert zu konfiszieren.<br />

Also dem Projekt, eine Umverteilung von unten nach<br />

oben durchzuführen. Seit der Krise von 2008 hat sich das<br />

beschleunigt. Fast alle Produktivitätsfortschritte der letzten<br />

zehn Jahre nahm sich das Kapital: ein Bruch des ungeschriebenen<br />

Gesellschaftsvertrags, der vorsieht, die wachsende<br />

Produktivität für sozialen Fortschritt zu nützen.<br />

Nicht immer in Form von höheren Löhnen. Auch kürzere<br />

Arbeitszeiten sind denkbar oder mehr Ferien. Doch<br />

heute sinken nicht nur die realen Löhne in vielen Bereichen,<br />

auch die realen Arbeitszeiten nehmen wieder zu.<br />

Hier entscheidet sich die Zukunft der Gesellschaftsform.<br />

Mit den Mitteln der digitalen Revolution suchen die Besitzenden,<br />

diese Wende nun erst richtig in Fahrt zu bringen.<br />

Deshalb die Angriffe auf die gesetzliche Arbeitszeit.<br />

Deshalb die rasche Zunahme von «untypischen Arbeitsformen»<br />

(Zeitarbeit, Abruf, Heimarbeit, Stück arbeit im Auftragsverhältnis).<br />

Plattform arbeit, so planen die Aktionäre,<br />

soll die normalen Arbeitsverträge (auch die GAV) und das<br />

schützende Arbeitsrecht nun ganz schleifen.<br />

Auf diesem Terrain wird nicht nur der Kampf um die<br />

Zukunft der geregelten Arbeit, des Lohnes und der Arbeitszeit<br />

ausgetragen. Hier entscheidet sich auch die Zukunft<br />

der Gesellschaftsform. Das ist die entscheidende<br />

Front, auch für eine Gewerkschaft, die heute mehrheitlich<br />

Arbeitende organisiert, die den Schutz eines GAV geniessen.<br />

Es darf keine Arbeit ohne geschützten Vertrag geben.<br />

Die Löhne müssen rauf, die Arbeitszeiten scharf verkürzt<br />

werden. Nur wenn wir erkämpfen, dass die Produktivitätsgewinne<br />

an die Arbeit gehen, können wir die notwendige<br />

Rückverteilung in Gang setzen. Und die soziale Sicherheit<br />

garantieren.<br />

Der Kapitalismus stösst an die eigene Grenze. Und jetzt?<br />

Es könnte der letzte Kampf des Wirtschaftssystems Kapitalismus<br />

werden. Im Januar grassierte unter den Weltenlenkern<br />

am WEF in Davos nicht nur die Angst vor Volksbewegungen<br />

wie den Gelbwesten in Frankreich, es war auch<br />

zu hören, man sei an einer inneren Systemgrenze angelangt:<br />

Der Kapitalismus in seiner aktuellen Form produziere<br />

schlicht nicht mehr genügend Massenkaufkraft, um<br />

seine eigene Expansion zu sichern ...<br />

Sind wir gerüstet für dieses grosse Kräftemessen zwischen<br />

Kapital und Arbeit?<br />

Fotostrecke<br />

Der Waadtländer Fotograf François Graf hat in Lausanne die<br />

Bilder für dieses Dossier aufgenommen (Fotos auf der<br />

Doppelseite 8–9 sowie auf den Seiten 11 bis 14). Von ihm<br />

stammen auch das Titelbild und das kleine Foto auf Seite 3.<br />

François Graf, * 15. September 1973 in Cali, Kolumbien, lebt in<br />

Lausanne. Nach der Ausbildung Anfang der 90er-Jahre zum<br />

Lithografen in der grafischen Industrie besuchte er 1997 die<br />

Ecole de photographie in Vevey. Er ist Mitglied des Lausanner<br />

Fotografenkollektivs Strates Photographies.<br />

François Graf macht vor allem Reportagen und Porträts.<br />

www.francoisgraf.ch


15<br />

Veränderung des Nominal- und des Reallohnindexes<br />

Veränderung in Prozent im Vergleich zum Vorjahr<br />

Entwicklung der Reallöhne<br />

Index: 2007 = <strong>10</strong>0 (2018 erste 3 Quartale)<br />

1,4 %<br />

1,2 %<br />

1,0 %<br />

0,8%<br />

0,6%<br />

0,4%<br />

0,2%<br />

0,0%<br />

–0,2%<br />

Seit 20<strong>10</strong> steigen die<br />

Nominallöhne in der<br />

112<br />

1<strong>10</strong><br />

Schweiz mit einer<br />

<strong>10</strong>8<br />

Zunahme von weniger<br />

Schweiz<br />

<strong>10</strong>6<br />

als 1% pro Jahr kaum.<br />

2017 wuchsen sie um <strong>10</strong>4 Deutschland<br />

nur 0,4 %, während die<br />

Reallöhne in diesem<br />

Jahr aufgrund der<br />

Teuerung gar um<br />

<strong>10</strong>2<br />

<strong>10</strong>0<br />

98<br />

2012 2013 2014 2015 2016 2017 0,1% schrumpften.<br />

2007 2008 2009 20<strong>10</strong> 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018<br />

Quelle: BFS 2018 – Schweizerischer Lohnindex (SLI)<br />

Quelle: BFS, Destatis Berechnungen SGB (CH: Lohnindex, DE: Index der Bruttostundenverdienste)<br />

Wie in den USA bilden die Gesundheitsausgaben<br />

auch in der Schweiz eine erdrückende Last für die<br />

Bürgerinnen und Bürger<br />

Gesundheitsausgaben pro Kopf (in US-Dollar) 2017 Index: 1996 = <strong>10</strong>0<br />

<strong>10</strong>000<br />

8000<br />

6000<br />

4000<br />

2000<br />

0<br />

Quelle: OECD-Gesundheitsstatistik 2018<br />

Die Pensionskassenbeiträge steigen<br />

seit 2006 stetig an …<br />

Reglementarische Beiträge, in Prozent der versicherten Löhne<br />

19,0 %<br />

18,5%<br />

18,0%<br />

17,5%<br />

17,0%<br />

16,5%<br />

USA<br />

Schweiz<br />

Deutschland<br />

Österreich<br />

Frankreich<br />

Grossbritannien<br />

OECD<br />

Italien<br />

Griechenland<br />

Chile<br />

Kolumbien<br />

Die Krankenkassenprämien der<br />

Grundversicherung haben sich in zwanzig<br />

Jahren fast verdreifacht<br />

2004 2006 2008 20<strong>10</strong> 2012 2014 2016 2018<br />

2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019<br />

250<br />

200<br />

150<br />

<strong>10</strong>0<br />

Quelle: BAG<br />

… die zu erwartende Rente hingegen<br />

wird immer kleiner<br />

Umwandlungssätze der Schweizer Pensionskassen<br />

6,4%<br />

6,4%<br />

1997<br />

1999<br />

2001<br />

2003<br />

2005<br />

2007<br />

2009<br />

6,3% 6,3%<br />

2011<br />

2013<br />

2015<br />

2017<br />

5,9%<br />

Entwicklung der<br />

Standardprämie:<br />

Franchise<br />

300 Franken<br />

mit Unfall<br />

Erwachsene ab<br />

26 Jahren<br />

5,8%<br />

5,6%<br />

Quelle: BFS-Pensionskassenstatistik, Berechnungen/Prognose SGB (2018/19: Schätzung bzw. Prognose)<br />

Quelle: Untersuchung SGB (Mittelwert, gewichtet mit der Anzahl der aktiven Versicherten)<br />

Derselbe Waren- und Dienstleistungskorb ist in der Schweiz<br />

1,5- bis über 2-mal teurer als in den Nachbarländern<br />

Stand 2017 (EU-Durchschnitt = <strong>10</strong>0)<br />

Schweiz<br />

Deutschland Frankreich<br />

Italien Österreich<br />

Bruttoinlandprodukt<br />

152<br />

<strong>10</strong>7<br />

1<strong>10</strong><br />

99<br />

111<br />

Tatsächlicher Individualverbrauch<br />

167<br />

<strong>10</strong>4<br />

<strong>10</strong>7<br />

<strong>10</strong>2<br />

113<br />

Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke<br />

169<br />

<strong>10</strong>1<br />

114<br />

111<br />

125<br />

Alkoholische Getränke und Tabakwaren<br />

128<br />

95<br />

<strong>10</strong>9<br />

95<br />

94<br />

Bekleidung und Schuhe<br />

Wohnungswesen, Energie<br />

Innenausstattung, Haushalt<br />

Gesundheitspflege<br />

Verkehr<br />

Nachrichtenübermittlung<br />

Freitzeit und Kultur<br />

Erziehung und Unterricht<br />

Gaststätten und Hotels<br />

Sonstige Waren und Dienstleistungen<br />

Tatsächlicher Kollektivverbrauch<br />

Maschinen und Geräte<br />

Baugewerbe<br />

Software<br />

Konsumausgaben der privaten Haushalte<br />

147<br />

180<br />

124<br />

208<br />

120<br />

123<br />

158<br />

232<br />

162<br />

168<br />

180<br />

112<br />

175<br />

97<br />

160<br />

<strong>10</strong>5<br />

111<br />

<strong>10</strong>2<br />

<strong>10</strong>2<br />

<strong>10</strong>6<br />

<strong>10</strong>1<br />

<strong>10</strong>4<br />

115<br />

1<strong>10</strong><br />

99<br />

123<br />

98<br />

139<br />

98<br />

<strong>10</strong>4<br />

<strong>10</strong>4<br />

114<br />

<strong>10</strong>6<br />

99<br />

<strong>10</strong>6<br />

97<br />

<strong>10</strong>9<br />

<strong>10</strong>1<br />

118<br />

<strong>10</strong>4<br />

128<br />

<strong>10</strong>6<br />

119<br />

<strong>10</strong>2<br />

1<strong>10</strong><br />

<strong>10</strong>4<br />

91<br />

<strong>10</strong>5<br />

122<br />

<strong>10</strong>1<br />

<strong>10</strong>9<br />

<strong>10</strong>2<br />

96<br />

<strong>10</strong>5<br />

<strong>10</strong>0<br />

1<strong>10</strong><br />

97<br />

77<br />

<strong>10</strong>2<br />

<strong>10</strong>1<br />

<strong>10</strong>5<br />

<strong>10</strong>1<br />

<strong>10</strong>8<br />

123<br />

<strong>10</strong>7<br />

84<br />

115<br />

166<br />

<strong>10</strong>6<br />

1<strong>10</strong><br />

117<br />

<strong>10</strong>8<br />

111<br />

98<br />

<strong>10</strong>9<br />

Quellen: Eurostat, BFS 2018<br />

0 <strong>10</strong>0 200 0 <strong>10</strong>0 200 0 <strong>10</strong>0 200 0 <strong>10</strong>0 200 0 <strong>10</strong>0 200


16<br />

Eine bessere<br />

Arbeitswelt<br />

Mehr Lohn, Zeit,<br />

Respekt!<br />

Am Freitag, dem 14. Juni 2019, kommt<br />

der zweite Frauenstreik der Schweiz.<br />

Die Gewerkschaften werden Lohn,<br />

Zeit und Respekt auf die Transparente<br />

bringen.<br />

Apropos Lohn. Anfang Jahr erschien<br />

die vom Bundesamt für Statistik<br />

durchgeführte Analyse der Lohnstrukturerhebung<br />

für 2016: Nach zwei<br />

Jahren stieg der Lohnunterschied zwischen<br />

Frauen und Männern wieder an<br />

und liegt nun im privaten Sektor bei<br />

knapp 20 Prozent. Die Medianlöhne<br />

zeigen über den privaten und öffentlichen<br />

Sektor gerechnet einen Unterschied<br />

von 12 Prozent. Fast die Hälfte<br />

dieser Lohnunterschiede ist unerklärt.<br />

Im öffentlichen Sektor sank die Lohndiskriminierung<br />

leicht – von 42 auf<br />

35 Prozent. Fast zwei Drittel aller Vollzeitstellen<br />

mit Bruttolöhnen unter 4000<br />

Franken waren von Frauen besetzt.<br />

Auch darum geht <strong>syndicom</strong> an den<br />

Frauenstreik – mit dir! Wir führen diverse<br />

Aktionen durch. Melde dich bei<br />

uns, wenn du den Frauenstreik am<br />

Arbeitsplatz zum Thema machen, an<br />

einer Veranstaltung teilnehmen oder<br />

Material bestellen möchtest!<br />

Patrizia Mordini<br />

Melde dich bei <strong>syndicom</strong>, wenn du auch beim Frauenstreik mitmachen willst! (© Annette Boutellier)<br />

<strong>syndicom</strong>.ch/frauenstreik<br />

Verbindliche<br />

Lohnerhöhungen,<br />

im GAV garantiert<br />

Kollektive Lohnverhandlungen basieren<br />

auf einem Gesamtarbeitsvertrag<br />

(GAV). Fehlt in einem GAV die Pflicht zu<br />

kollektiven Lohnverhandlungen, fehlt<br />

ihm das Kern element. Denn die jährlichen<br />

Lohn verhandlungen garantieren<br />

die anteilsmässige Partizipation der<br />

Beschäf tigten am Produktivitätsfortschritt.<br />

Die Lohnverhandlungen sind ein<br />

zentraler Bestandteil des gewerkschaftlichen<br />

Handelns. Kollektive<br />

Lohnverhandlungen sind Ausdruck<br />

kollektiver Emanzipation der Angestellten<br />

und Teil der demokratischen<br />

Mitbestimmung in einem Unternehmen<br />

oder in einer Branche. Über kollektive<br />

Lohnverhandlungen erfolgt<br />

jährlich eine direkte Umverteilung der<br />

erwirtschafteten Betriebsgewinne an<br />

die Beschäftigten.<br />

Auch in diesem Jahr konnte <strong>syndicom</strong><br />

dank einer Vielzahl von GAV dazu<br />

beitragen, dass Zehntausende in den<br />

Genuss von Lohnerhöhungen kommen.<br />

Jährliche Lohnerhöhungen stärken<br />

die Binnenwirtschaft und damit<br />

die Volkswirtschaft. Sie steigern die<br />

Konsumnachfrage, schaffen Arbeitsplätze<br />

und sorgen für Investitionen.<br />

Giorgio Pardini, Leiter Sektor ICT und<br />

Mitglied der Geschäftsleitung


«Nicht nur Arbeitende freuen sich über Lohnerhöhungen,<br />

sondern auch Bund, Kantone und Gemeinden.» Franz Schori<br />

17<br />

Erhöhung der Kaufkraft<br />

dient allen<br />

Im Sektor ICT konnte <strong>syndicom</strong> für dieses Jahr Lohnsummenerhöhungen<br />

zwischen 1,2 und 2,3 Prozent verhandeln. Damit<br />

liegen die Lohnabschlüsse deutlich über der UBS­Prognose von<br />

1,0 Prozent, gleichen die Teuerung aus und erhöhen die Kaufkraft.<br />

Firmenkonferenz Swisscom Group von <strong>syndicom</strong> am 8. Februar: Gegen <strong>10</strong>0 Swisscom­Mitarbeitende<br />

stimmen dem Lohnabschluss grossmehrheitlich zu. (© Jens Friedrich)<br />

Ein zentraler Bestandteil der Gesamtarbeitsverträge<br />

ist die Verpflichtung<br />

der Arbeitgeber, jedes Jahr mit der Gewerkschaft<br />

Lohnverhandlungen zu<br />

führen. Bei <strong>syndicom</strong> lässt der Sektor<br />

ICT dazu jedes Jahr eine Studie zur<br />

Entwicklung der Produktivität in der<br />

ICT­Branche erarbeiten. So bietet sich<br />

ein grösserer Argumentationsspielraum<br />

als nur die Teuerung – besonders<br />

in teuerungsarmen Jahren. Zusätzliche<br />

Einflussgrössen sind die<br />

Unternehmens­ und Wirtschaftsentwicklung<br />

und die Situation auf dem<br />

Arbeitsmarkt.<br />

Die Grossbank UBS veröffentlicht<br />

jährlich eine Prognose zur Lohnentwicklung,<br />

die auf einer Umfrage bei<br />

Unternehmen beruht. So schätzte die<br />

UBS im Oktober 2018 für die ICT­Branche<br />

die durchschnittliche Lohnerhöhung<br />

im 2019 auf 1,0 Prozent, was<br />

etwa der Jahresteuerung im 2018 von<br />

0,9 Prozent entspricht. <strong>syndicom</strong> gelang<br />

es bei den Lohnverhandlungen,<br />

rundum bessere Abschlüsse zu erzielen<br />

und die Teuerung grundsätzlich<br />

auszugleichen:<br />

– Swisscom: Lohnsumme plus 1,4 %,<br />

für die Lohnrunden­Berechtigten<br />

innerhalb der GAV­Population 1,7 %,<br />

davon 0,9 % generell. Mitarbeitende<br />

im Top­Bereich mit guter Leistung<br />

erhalten einmalig 900 Franken.<br />

– Sunrise: Lohnsumme plus 1,5 %, individuelle<br />

Verteilung.<br />

– UPC: Lohnsumme plus 1,2 %, davon<br />

0,9 % generell, 0,3 % individuell.<br />

– Nicht zur ICT gehört der Zentralschweizer<br />

Netzbauer Network 41.<br />

Trotzdem ist der Lohnabschluss erwähnenswert;<br />

denn mit einem Plus<br />

von 2,3 % handelt es sich um den vermutlich<br />

höchsten Lohnabschluss<br />

dieses Jahres in der Schweiz.<br />

Auch der Staat rechnet mit<br />

Lohnerhöhungen<br />

Nicht nur Arbeitnehmende freuen<br />

sich über Lohnerhöhungen, auch die<br />

öffentliche Hand. Bei den Budgetierungsprozessen<br />

werden die Prognosen<br />

von Banken und anderen spezialisierten<br />

Instituten zu Rate gezogen.<br />

Denn für einen millionenschweren<br />

öffentlichen Haushalt haben Lohnerhöhungen<br />

höhere Steuereinnahmen<br />

zur Folge. Diese wiederum fliessen in<br />

Infra strukturen, den Service public,<br />

die Bildung, das Sozialwesen und andere<br />

wichtige öffentliche Aufgaben.<br />

Franz Schori<br />

Zum Verhandlungsergebnis:<br />

bit.ly/2Ugsdnn<br />

Die PosthalterInnen<br />

sollen verschwinden<br />

Mitte Februar informierte die Post,<br />

dass sie eine neue Teamorganisation<br />

und Führungsstruktur im Poststel lennetz<br />

einführen will. PostNetz streicht<br />

die ganze Führungslinie der klassischen<br />

Poststellenleitung. Die Öffentlichkeit<br />

war ob der Neuigkeiten überrascht<br />

– die grossen Tageszeitungen<br />

berichteten über die Schicksale einzelner<br />

Poststellen­Leitender. Führt<br />

die Post das Konzept in der präsentierten<br />

Form ein, werden die klassischen<br />

Posthalterinnen und Posthalter von<br />

der Bildfläche verschwinden.<br />

Die Mitarbeitenden sind stark verunsichert.<br />

Schon im Vorfeld hatte <strong>syndicom</strong><br />

wiederholt auf Schwierigkeiten<br />

bei der Umsetzung hingewiesen; die<br />

Post nahm die Bedenken teilweise auf.<br />

Allerdings gibt es bei solchen Reorganisations­Vorhaben<br />

keine durch den<br />

GAV abgesicherte Mitsprache. So hat<br />

<strong>syndicom</strong> dem Projekt nie zugestimmt,<br />

hat aber auch keine Mittel, es<br />

zu verhindern.<br />

<strong>syndicom</strong> kritisierte PostNetz öffentlich:<br />

PostNetz vermengt die Poststellen,<br />

die einen vollen Service anbieten,<br />

mit ganz anderen Diensten wie<br />

den My­Post­24­Automaten. Beide Angebote<br />

nennt die Post «Zugangspunkte»<br />

und täuscht damit eine Gleichwertigkeit<br />

vor, die in keiner Art und Weise<br />

gegeben ist. Für <strong>syndicom</strong> stellt sich<br />

also die Frage, ob dieses Projekt auch<br />

dazu dient, einen weiteren Poststellen­Abbau<br />

besser zu verschleiern.<br />

Zentralsekretär David Roth dazu:<br />

«Grundsätzlich muss ich betonen,<br />

dass PostNetz – im Gegensatz zu anderen<br />

Bereichen des Konzerns – an einem<br />

Austausch immer interessiert gewesen<br />

ist. <strong>syndicom</strong> wird die Post aber<br />

an den Resultaten messen.» Die Milizgremien<br />

von <strong>syndicom</strong> fordern von<br />

den Verantwortlichen wirksame Massnahmen,<br />

um die vielen Härtefälle abzufedern.<br />

Dazu soll der seit 2012 geltende<br />

Lohndeckel verhandelt und<br />

gestrichen werden. Matthias Loosli<br />

<strong>syndicom</strong>.ch/aktuell/post


18 Arbeitswelt<br />

«Nichts ist motivierender, als gemeinsam zu kämpfen,<br />

sich durch gemeinsame Ziele verbunden zu fühlen.»<br />

Teilnehmerin am neuen Kurs für Aktivisten im Tessin<br />

Lohnrunde 2019<br />

bei der Post<br />

Winterzeit ist Verhandlungszeit –<br />

1,2 %, 1,4 % und 1,6 %, das sind die<br />

Lohnerhöhungen in den drei Konzernbereichen<br />

der Post. Die Ergebnisse<br />

spiegeln die wirtschaftliche Situation<br />

der Konzernbereiche. So konnte<br />

bei PostFinance das beste Resultat erzielt<br />

werden. Die 1,2 Prozent bei Post­<br />

Auto sind gar einer der höchsten Abschlüsse<br />

im Transportwesen in der<br />

Schweiz in diesem Jahr.<br />

Gute Wirkung der Lohnmatrix<br />

Dank der Lohnmatrix verkleinern wir<br />

die grossen Unterschiede zwischen<br />

tiefen und hohen Löhnen. Der<br />

Pflichtanteil ist mit 0,91 % bei Post CH<br />

am höchsten (0,84 % bei PostAuto).<br />

Auch bei PostFinance, die keinen<br />

Lohnabschlüsse 2019 bei der Schweizerischen Post<br />

Konzernbereich Total Für individuelle<br />

Massnahmen<br />

Für generelle<br />

Massnahmen<br />

PostAuto AG 1,20 % 0,36 % 0,84 %<br />

Post CH AG 1,40 % 0,49 % 0,91 %<br />

PostFinance AG 1,60 % 0,80 % 0,80 % (Vorschlagswert)<br />

Quelle: <strong>syndicom</strong><br />

Pflichtanteil kennt, konnte ein Erfolg<br />

verbucht werden: Neu wird für jede<br />

Person ein Vorschlagswert errechnet.<br />

Dieser dient den Vorgesetzten als<br />

Richtwert für einen Teil der Lohnerhöhung,<br />

Abweichungen müssen begründet<br />

werden.<br />

Matteo Antonini, Leiter Sektor Logistik,<br />

ist zufrieden: «Mit der diesjährigen<br />

Lohnrunde konnten wir wieder<br />

einen Schritt in Richtung Transparenz<br />

machen. Das gilt gerade für Post­<br />

Finance mit den neuen Vorschlagswerten.<br />

Die Lohnerhöhungen können<br />

die steigenden Lebenshaltungskosten<br />

für die Mehrheit der Post­Angestellten<br />

kompensieren, das ist erfreulich.»<br />

Matthias Loosli<br />

Berechne deine Lohnerhöhung:<br />

<strong>syndicom</strong>.ch/lohn19<br />

Die Gewerkschaft sind wir<br />

Die neuen Schulungen für AktivistInnen der Sektion Tessin vermitteln<br />

Instrumente für die gewerkschaftliche Organisation in<br />

den Unternehmen. Und holen das Solidaritätsgefühl zurück.<br />

«Ich bin hier, weil ich an die Gemeinschaft<br />

glaube.» – «Ich möchte meine<br />

Streittechnik verfeinern und lernen,<br />

Gewerkschaftsarbeit gibt positive Energie, das sieht man den Teilnehmenden an. (© Sandro Mahler)<br />

wie ich mir Respekt verschaffen kann.»<br />

Oder auch: «Ich möchte wissen, wie<br />

man Konflikte besser bewältigt.» Das<br />

sagen Teilnehmende an der neuen<br />

Schulung für Aktivistinnen und Aktivisten,<br />

die im Februar bei <strong>syndicom</strong><br />

Tessin und Moesano stattfand.<br />

Rund fünfzehn Mitglieder sind da:<br />

Postboten, Chauffeure, Swisscom­<br />

Leute, Drucker, Logistik personal und<br />

eine Korrektorin. Es gibt einen Workshop<br />

zur Rolle der Personalkommission,<br />

Rekrutierungsübungen, eine<br />

(spannende) Lektion über die «Geschichte<br />

und Errungenschaften der<br />

Gewerkschaftsbewegung», ein Referat<br />

über Privatisierung. Abends wird ein<br />

Dokumentar film über die Arbeitsbedingungen<br />

in Schweden gezeigt, das<br />

bei Wohlstand und Gewerkschaft einen<br />

weltweiten Spitzenplatz belegt ...<br />

Instrumente und Ideen<br />

Es liegt positive Energie in der Luft.<br />

Am Tisch vergleichen die KollegInnen<br />

ihre Erfahrungen. Auch das ist gewerkschaftliche<br />

Organisation: sich als<br />

Teil von etwas Grösserem zu fühlen,<br />

die verloren geglaubte Zusammengehörigkeit<br />

wieder zu spüren, zu einer<br />

Denkfabrik zu werden.<br />

«Das ist unser dritter Kurs für Aktivistinnen<br />

und Aktivisten», erzählt Regionalsekretär<br />

Marco Forte. «Es war<br />

schon lange nötig, unseren Vertreter­<br />

Innen in den Betrieben rechtliche und<br />

technische Instrumente an die Hand<br />

zu geben. Wir vertiefen gesetzliche<br />

und vertragliche Aspekte, damit sie<br />

gewerkschaftliche Arbeit leisten können.<br />

Und wir geben ihnen die Mittel,<br />

um mit guten Argumenten neue Mitglieder<br />

zu gewinnen, wir vermitteln<br />

Techniken zum öffentlichen Sprechen.<br />

Wir haben immer sehr positive<br />

Feedbacks bekommen.»<br />

Pflege der Solidarität<br />

Bislang haben etwa 50 Aktivistinnen<br />

und Aktivisten an den Kursen teilgenommen.<br />

Eine Teilnehmerin kommentiert:<br />

«Es gibt nichts Motivierenderes,<br />

als gemeinsam zu kämpfen,<br />

sich durch gemeinsame Ziele verbunden<br />

zu fühlen – und auch das Solidaritäts­<br />

und Schutzgefühl.» Angestrebt<br />

wird eine partizipative und gemeinsam<br />

getragene Gewerkschaft. «Die<br />

Motivation bringt oft neue Mitglieder.<br />

Jedes neue Mitglied ist ein kleiner<br />

Beitrag zur Verbesserung der Gesellschaft»,<br />

sagt Forte zufrieden. Ein solcher<br />

Kurs könnte bald auch in der<br />

Westschweiz organisiert werden.<br />

Giovanni Valerio<br />

Mehr über die Kurse (in Italienisch):<br />

bit.ly/2StfBHu


«Positiv daran ist, dass der Firmenvertrag auf der Basis des<br />

GAV steht, aber für alle gilt.» Angelo Zanetti<br />

19<br />

GAV für alle: Firmenvertrag für die<br />

Mitarbeitenden der Stämpfli AG<br />

Die Geschäftsleitung der Stämpfli AG hat mit der Verhandlungsdelegation<br />

von <strong>syndicom</strong> und der Arbeitnehmervertretung den<br />

ersten Firmen­Gesamtarbeitsvertrag der Branche Grafische<br />

Industrie unterzeichnet.<br />

Die Mitarbeitenden haben den neuen Firmenvertrag mit grosser Mehrheit angenommen. (© Stämpfli AG)<br />

Errungenschaften für die<br />

ganze Firma<br />

Am 1. April tritt der soeben verhandelte<br />

Firmen­GAV bei der Stämpfli AG in<br />

Kraft. 83 % der Beschäftigten haben<br />

sich in einer Urabstimmung für den<br />

neuen GAV ausgesprochen, bei 53 %<br />

Stimmbeteiligung. Der auf dem Gesamtarbeitsvertrag<br />

der grafischen Industrie<br />

basierende Firmenvertrag weitet<br />

den bestehenden Geltungsbereich<br />

auf alle Mitarbeitenden der Stämpfli<br />

AG aus und gilt so neu für rund 330 Beschäftigte.<br />

So gelten die Bedingungen<br />

des Branchen­GAV, wie etwa eine 6.<br />

Ferienwoche ab 50 oder der 4­wöchige<br />

Vaterschaftsurlaub, neu für die ganze<br />

Stämpfli AG. Einige der Errungenschaften<br />

konnten sogar noch verbessert<br />

werden. So gilt der Vaterschaftsurlaub<br />

etwa auch bei Adoption, und die<br />

verlängerten Kündigungsfristen für<br />

ältere Arbeitnehmende gelten bereits<br />

ab dem 55. und nicht erst ab dem 60.<br />

vollendeten Lebensjahr. Im Gegenzug<br />

musste die Erhöhung der Arbeitszeit<br />

auf eine 42­Stunden­Woche akzeptiert<br />

werden. Der Firmen­GAV hat eine<br />

Laufdauer von 2 Jahren.<br />

Der Branchen-GAV als Basis für<br />

den Firmen-GAV<br />

Nötig geworden war die Verhandlung<br />

auf Betriebsebene bei der Stämpfli<br />

AG, als nach dem Scheitern des Antrages<br />

auf die Allgemeinverbindlicherklärung<br />

des Gesamtarbeitsvertrags der<br />

grafischen Industrie Viscom die eigene<br />

Organisation durch die Gründung<br />

von «Print and Communication» (P+C)<br />

mit einem Schwester­Arbeitgeberverband<br />

erweitert hatte, analog der Struktur<br />

von Swissmem. Entsprechend dem<br />

Modell Swissmem sieht der Teilverband<br />

P+C keine institutionalisierte<br />

Sozialpartnerschaft vor, was übersetzt<br />

bedeutet: keinen GAV für seine Mitglieder.<br />

Es gab zwar keinen Massenexodus,<br />

aber bedeutende Unternehmen wie<br />

Orell Füssli, Swissprinters, Haller &<br />

Jenzer und St. Paul wechselten von<br />

Viscom zu P+C oder schieden, wie die<br />

Stämpfli AG, ganz aus dem Arbeitgeberverband<br />

aus. <strong>syndicom</strong> versuchte<br />

zusammen mit den betroffenen Belegschaften,<br />

wo immer diese das wollten,<br />

einen Verbleib im GAV zu erkämpfen.<br />

Ausser bei Stämpfli bisher aber leider<br />

ohne Erfolg.<br />

Mit dem sich weiterhin zur Sozialpartnerschaft<br />

bekennenden Teilverband<br />

Viscom haben die Gewerkschaften<br />

<strong>syndicom</strong> und Syna letztes Jahr<br />

erfolgreich einen neuen GAV abgeschlossen,<br />

der, wie bereits berichtet,<br />

etwa mit dem neu eingeführten Vaterschaftsurlaub<br />

zum ersten Mal seit langem<br />

wieder ausgebaut werden konnte.<br />

Er ist im Januar für eine Dauer von<br />

drei Jahren in Kraft getreten.<br />

Klar ist für die Gremien von <strong>syndicom</strong>,<br />

dass auch für eventuelle weitere<br />

Firmenverträge der Branchen­GAV jeweils<br />

die Basis sein muss. Analog dem<br />

Beispiel von Stämpfli könnte wiederum<br />

die Ausweitung des Geltungsbereiches<br />

auf alle Beschäftigten zu einem<br />

der grossen Ziele für den Branchen­GAV<br />

in den nächsten Verhandlungen<br />

werden.<br />

Angelo Zanetti<br />

Zentralsekretär Grafische Industrie<br />

und Verpackungsdruck<br />

Medienpolitik für die<br />

ganze Branche<br />

Die tiefen Einstiegslöhne und Honorare<br />

werden im Journalismus zum<br />

Problem. Tageseinkommen von 150<br />

Franken sind für Freischaffende bei<br />

Zeitungen keine Seltenheit. Auch<br />

beim Berufseinstieg mit zweijährigem,<br />

berufsbegleitendem Stage werden<br />

viele junge Medienschaffende<br />

nach dem Studium mit kaum 3000<br />

Franken abgespeist. Tieflohnpolitik<br />

rächt sich, wenn der Beruf immer weniger<br />

attraktiv und durch Abwanderung<br />

der regelmässigen Freien entprofessionalisiert<br />

wird.<br />

Viele Verlage reagierten bisher nur<br />

mit Stellenabbau, Fusionen, Zentralisierung,<br />

Ausdünnen und Dumping<br />

auf die Medienkrise. Um aus dieser<br />

verheerenden Spirale auszubrechen,<br />

muss sich die gesamte Branche zusammenraufen:<br />

Indem sie einsteht<br />

für einen angemessenen GAV, der die<br />

Arbeitsbedingungen, die Löhne und<br />

Honorare vor Erosion schützt. Und indem<br />

sie sich in Politik und Öffentlichkeit<br />

einsetzt für eine sinnvolle, zielgerichtete<br />

Journalismus­Förderung,<br />

indirekt und neu auch direkt, finanziert<br />

aus einem Mix von öffentlichen<br />

Geldern (nicht nur die Haushaltsabgabe)<br />

und unter reguliertem Beizug von<br />

Google, Facebook, Amazon, den<br />

mächtigen Treibern und Abschöpfern<br />

des digitalen Medienwandels.<br />

So wird es den Sozialpartnern gelingen,<br />

im Interesse aller für eine gesunde<br />

Medienbranche zu sorgen.<br />

Stephanie Vonarburg leitet die Branche Presse<br />

und elektronische Medien und ist Mitglied der GL.


20 Arbeitswelt<br />

«Damit in der flexiblen digitalen Arbeitswelt nicht die<br />

soziale Absicherung vergessen geht.» Lena Allenspach<br />

Vorwärts mit der Regulierung von<br />

Crowdwork­Plattformen<br />

Erste Schritte mit dem neu unterzeichneten Code of Conduct<br />

zwischen der Crowdwork­Plattform Mila und <strong>syndicom</strong>.<br />

Irgendwas stimmt da nicht. Meine<br />

Swisscom­TV­Box hängt sich immer<br />

wieder auf. Den Anfang der «Tagesschau»<br />

habe ich jetzt sicher fünfmal<br />

gesehen. Ein Problem am Gerät kann<br />

ich nicht erkennen. Ich brauche technische<br />

Unterstützung. Sofort. Ich<br />

schaue mich online nach Hilfe um<br />

und sehe zwei Möglichkeiten: Ich melde<br />

mich direkt bei Swisscom, oder ich<br />

buche jemanden über Mila.<br />

Mila ist eine Crowdwork­Plattform,<br />

auf der einfache technische Arbeiten<br />

an Crowdworker vergeben und<br />

von ihnen vor Ort erledigt werden können.<br />

Die Plattform verspricht schnelle<br />

und zeitlich flexible Ausführung kleiner<br />

Aufträge durch eine Person aus<br />

der Umgebung bzw. ein lokales Unternehmen.<br />

Swisscom hat unterdessen<br />

<strong>10</strong>0 % der Anteile am Startup Mila<br />

übernommen und steigt mit dieser Investition<br />

in die Plattform­Ökonomie<br />

ein.<br />

Mehr Schein als Sein<br />

Klingt gut? Ist aber leider mehr Schein<br />

als Sein. Denn obschon die neue<br />

Arbeits form Crowdwork sich längst in<br />

der Schweiz etabliert hat, fehlt es nach<br />

wie vor an spezifischen kollektiven<br />

Absiche rungen, Regulierung und<br />

Sozial versiche rungs ansprüchen für<br />

Crowdworker. Sozial abgesichert sind<br />

vor allem Arbeitnehmende, die in einem<br />

Betrieb mit Gesamtarbeitsvertrag<br />

beschäftigt sind. Es ist also unabdingbar,<br />

dass die Gewerkschaft<br />

<strong>syndicom</strong> versucht, solche Plattformen<br />

zu regulieren und einen verbindlichen<br />

Rahmen für gute Arbeitsbedingungen<br />

zu schaffen.<br />

Genau dies ist das Ziel des kürzlich<br />

unterzeichneten Code of Conduct<br />

(Verhaltenskodex) mit der Plattform<br />

Mit der Vereinbarung sind die Plattform­Arbeitenden<br />

besser geschützt. (© Tom Kawara)<br />

Mila. Unterzeichnet von Mila und <strong>syndicom</strong>,<br />

ist er der erste seiner Art und<br />

ermöglicht die Regelung einer digitalen<br />

Plattform für ihre Tätigkeiten in<br />

der Schweiz. Der Kodex enthält die<br />

Verpflichtung der Plattform, die Aufträge<br />

auf ihre Gesetzeskonformität zu<br />

prüfen, und die Verpflichtung, die<br />

Crowdworker über die Gesetzeslage<br />

aufzuklären. So kann Mila u. a. von<br />

den Crowdworkern den Nachweis<br />

über die Anmeldung und korrekte Abrechnung<br />

bei den Sozialversicherungsbehörden<br />

verlangen.<br />

Die Plattform verpflichtet sich, die<br />

(inter)nationale Rechtsordnung und<br />

das Recht auf kollektive Vertretung<br />

der Crowdworker zu achten sowie klare<br />

Aufgaben und einen angemessenen<br />

Zeitraum zu ihrer Erfüllung zu definieren.<br />

Weiter enthalten sind Regelungen<br />

zum Datenschutz und Schutz<br />

der Privatsphäre.<br />

<strong>syndicom</strong> hat den Grundstein gelegt<br />

<strong>syndicom</strong> nimmt mit diesem Code of<br />

Conduct eine Vorreiterrolle bei der<br />

Regulierung von digitalen Plattformen<br />

ein. Die starke Sozialpartnerschaft<br />

mit Swisscom und der vorbildliche<br />

Gesamtarbeitsvertrag bilden<br />

eine gute Grundlage, um den Code of<br />

Conduct weiterzuentwickeln. Der Abschluss<br />

ermöglicht ein Monitoring<br />

der Arbeitsbedingungen bei Mila und<br />

bei Bedarf auch Interventionen. Damit<br />

in der Arbeitswelt von morgen der<br />

Wunsch nach Flexibili tät nicht auf<br />

Kosten der Arbeitsbedingungen und<br />

der sozialen Absicherung realisiert<br />

wird!<br />

Lena Allenspach<br />

Aktuelle Infos zum Crowdworking:<br />

bit.ly/2GOC3JI<br />

Praktika – Lohndruck<br />

durch die Hintertür<br />

Eins vorneweg: Natürlich gibt es Praktika,<br />

deren AbsolventInnen gleich<br />

eine Festanstellung bekommen. Und<br />

insbesondere für StudentInnen sind<br />

Praktika wichtig, um berufliche Erfahrungen<br />

zu sammeln.<br />

Doch die Situation ist nicht rosig.<br />

Denn es gibt schweizweit keine Regeln,<br />

wie ein Praktikum zu gestalten<br />

ist. Eigentlich sollte es darum gehen,<br />

im Betrieb neue Fähigkeiten zu lernen<br />

und anzuwenden. Aber viel zu oft ist<br />

dies nicht der Fall. Es gibt keine Regeln,<br />

wie im Praktikum diese Ausbildung<br />

zu erfolgen hat. Es gibt auch keine<br />

Regeln, wie lange ein Praktikum<br />

dauern darf. Oder wann jemand vor<br />

und nach Lehre oder Studium noch<br />

ein Praktikum machen soll.<br />

Im gewerkschaftlichen Alltag stossen<br />

wir immer wieder auf Fälle, in denen<br />

PraktikantInnen nichts Neues<br />

lernen – sondern ab dem ersten Tag<br />

als produktive Arbeitskräfte eingesetzt<br />

werden. Bezahlt wird nur ein<br />

Hungerlohn. Oder wir sehen junge<br />

Leute, die ein Praktikum nach dem<br />

anderen absolvieren. Und das immer<br />

öfter nicht nur nach der Hochschule,<br />

sondern auch nach der Lehre.<br />

Uns, die bereits fest im Berufsleben<br />

stehen, darf dies nicht egal sein.<br />

Im schlimmsten Fall stellen Arbeitgeber<br />

billige PraktikantInnen an und ersetzen<br />

damit reguläre Angestellte –<br />

das spart massiv Lohnkosten. Was in<br />

anderen Ländern bereits Tatsache ist,<br />

kommt auch in der Schweiz immer<br />

mehr vor. Bestes Beispiel: Kinderkrippen,<br />

die von jungen Menschen verlangen,<br />

für kaum Geld bereits vor der Lehre<br />

ein Praktikum zu absolvieren.<br />

Als Gewerkschaften müssen wir<br />

hier ansetzen. Praktika gehören reguliert<br />

– zum Schutz der jungen Menschen<br />

und zum Schutz der regulär<br />

Angestellten. Der SGB­Kongress hat<br />

deshalb im Winter auf Antrag der Gewerkschaftsjugend<br />

in einer Resolution<br />

gefordert, dass Praktika strenger reguliert<br />

werden müssen. Dafür müssen<br />

wir uns jetzt einsetzen.<br />

Dominik Fitze<br />

Junge im SGB:<br />

Gewerkschaftsjugend.ch


«Es ist unsere kumulierte Kaufkraft, die unsere Lebensräume<br />

verändert – momentan gerade drastisch.» Michael Moser<br />

21<br />

Die Prämienverbilligung<br />

wird jetzt breiter gestreut<br />

Luzern hat das Recht auf Zuschüsse zur Krankenversicherung<br />

zu sehr eingeschränkt, so das Bundesgericht. <strong>syndicom</strong> hält<br />

ihre Mitglieder und potenziellen Begünstigten – auch in andern<br />

Kantonen – auf dem Laufenden.<br />

Über 8000 Luzerner<br />

Familien erhalten jetzt<br />

Prämienverbilligung –<br />

auch rückwirkend. Es<br />

freuen sich David Roth<br />

(Präsident SP Luzern)<br />

mit Nationalrätin Nadine<br />

Masshardt und<br />

SP­Vizepräsidentin<br />

Barbara Gysi.<br />

(© Keystone)<br />

Die Stärkung der Kaufkraft unserer<br />

Mitglieder – das ist unser Ziel bei<br />

Lohn verhandlungen. Nicht selten<br />

wird aber die Lohnerhöhung durch<br />

steigende Krankenkassenprämien bereits<br />

aufgefressen. Besonders gravierend<br />

ist das für Familien mit Kindern<br />

und Jugendlichen.<br />

Ein wegweisendes Urteil des Bundesgerichts<br />

dürfte vielen <strong>syndicom</strong>­<br />

Mitgliedern mit Familien ebenfalls<br />

zugutekommen: Familien, die ein<br />

Haushaltseinkommen unter dem Median<br />

haben, müssen künftig Prämienverbilligung<br />

erhalten.<br />

Die SP Kanton Luzern hat Einsprache<br />

gegen die Luzerner Verordnung<br />

zur Prämienverbilligung gemacht.<br />

Hintergrund war, dass der Kanton die<br />

Einkommensschwelle für den Erhalt<br />

von Prämienverbilligung für Familien<br />

mit Kindern und Jugendlichen unter<br />

25 Jahren auf 63 000 Franken abgesenkt<br />

hatte. Um Recht zu erhalten,<br />

musste die SP bis vor Bundesgericht.<br />

Dieses hat nun unzweideutig festgehalten:<br />

Die Luzerner Regelung widerspricht<br />

Bundesgesetz. Dort steht<br />

nämlich, dass Familien mit «tiefen<br />

und mittleren Einkommen» entlastet<br />

werden sollen. Der Median des mittleren<br />

Einkommens liegt in Luzern aber<br />

bei 87 000 Franken. Entsprechend<br />

musste der Kanton Luzern rückwirkend<br />

auf 2017 die Verordnung anpassen,<br />

und mehr als 8000 Familien erhalten<br />

rückwirkend und in Zukunft<br />

mehr Prämienverbilligung.<br />

<strong>syndicom</strong> wird die Mitglieder im<br />

Kanton Luzern über dieses Urteil informieren,<br />

damit sie ihren rechtmässigen<br />

Anspruch auf Prämienverbilligung<br />

geltend machen. Denn bereits<br />

heute beantragen 25 Prozent der Berechtigten<br />

keine Prämienverbilligung.<br />

Dabei kann das schnell mehrere<br />

tausend Franken ausmachen. Die Entwicklung<br />

in allen anderen Kantonen<br />

wird <strong>syndicom</strong> im Auge behalten, um<br />

auch dort zeitnah zu informieren.<br />

David Roth<br />

Im Lichte dieses Urteils legen auch<br />

die Kantone Aargau, Bern, Glarus,<br />

beide Appenzell, Wallis und Neuenburg<br />

fragwürdige Einkommensschwellen<br />

für den Bezug von Prämienverbilligung<br />

fest. Laut SDA<br />

fordert die SP eine Überprüfung<br />

und wird rechtliche Schritte einleiten,<br />

sollte es keine Anpassungen<br />

geben.<br />

Das Urteil im Volltext:<br />

bit.ly/2GAlTUe<br />

Wie unsere Kauf­Kraft<br />

die Welt gestaltet<br />

Kaufkraft bedeutet nicht nur, wie viel<br />

Geld wir zur Verfügung haben und was<br />

wir uns alles leisten können, sondern<br />

Kauf­Kraft bezeichnet auch unseren<br />

Einfluss auf die Welt, in der wir leben.<br />

Wie unser Kaufverhalten sich auswirkt,<br />

wurde kürzlich wieder sichtbar,<br />

als das traditionsreiche Warenhaus<br />

Loeb in Bern bekannt gab, den bestehenden<br />

Mietvertrag mit der Buchhandlung<br />

Orell Füssli Thalia nicht zu<br />

erneuern, sondern ab 2022 lieber den<br />

Lebensmittel­Discounter Lidl zu beherbergen.<br />

Dieser Vorgang mag mich als <strong>syndicom</strong>­Zentralsekretär<br />

der Branche<br />

Buch und Medienhandel und langjähriger<br />

Kunde dieser Buchhandlung persönlich<br />

stärker betreffen als andere,<br />

aber in allen Lebensräumen der Leser­<br />

Innen dieser Zeilen finden momentan<br />

gleichartige Prozesse statt. Sei es die<br />

Poststelle, das Dorflädeli, die Kleiderboutique<br />

oder die Buchhandlung: das<br />

Erscheinungsbild unserer Lebensräume<br />

verändert sich gerade drastisch.<br />

Diese Veränderungen passieren nicht<br />

als Naturgesetz, und es ist auch nicht<br />

einfach die Digitalisierung, sondern es<br />

ist unser kumuliertes Kaufverhalten –<br />

eben unsere Kauf­Kraft –, die diese<br />

Prozesse auslöst, formt und momentan<br />

gerade beschleunigt.<br />

Ob ich meine Bücher also online<br />

bestelle, mein Logo auf 99Designs kreieren<br />

lasse und mein Essen bei Uber<br />

Eats bestelle, statt den Buchladen<br />

meines Vertrauens, den Grafiker mit<br />

dem schönen Büro oder das charmante<br />

Gartenrestaurant zu unterstützen,<br />

spielt eine Rolle. Wir haben mit unserem<br />

Kaufverhalten mehr Macht und<br />

Kraft, als uns manchmal lieb ist.<br />

Michael Moser<br />

Zentralsekretär Buch/Visuelle Kommunikation


22 Politik<br />

Unseren Lohnschutz<br />

rührt keiner an!<br />

Die Schweiz liegt mitten in<br />

Europa – und in der EU. Klar<br />

brauchen wir darum exzellente<br />

Beziehungen zur EU.<br />

Und eine starke Europapolitik.<br />

Dazu gehört: Personen<br />

sollen sich frei bewegen können.<br />

Das ist eine grosse Errungenschaft<br />

für die Menschen<br />

und für die Schweiz.<br />

Ohne Personenfreizügigkeit,<br />

das müssen die Briten gerade<br />

lernen, ist auch alles andere<br />

nicht zu haben, auf dem<br />

unser Wohlstand baut.<br />

Nur gibt es ein Problem:<br />

Schweizer Löhne sind die<br />

höchsten in Europa.<br />

Text: Corrado Pardini,<br />

Nationalrat SP und Gewerkschafter<br />

Bild: zVg<br />

Das ist gut für uns. Darum haben<br />

wir die Flankierenden Massnahmen<br />

(FlaM) erkämpft. Sie verhindern,<br />

dass profitgierige Unternehmer ausländische<br />

Kolleginnen und Kollegen<br />

in der Schweiz zu Dumpinglöhnen<br />

arbeiten lassen. Dass sie uns also<br />

gegeneinander ausspielen. Wir kontrollieren<br />

das.<br />

In jeder fünften Kontrolle stossen<br />

wir auf Missbräuche und greifen<br />

ein. Darum sind die FlaM ein Erfolgsmodell.<br />

Lohndumping wird<br />

meist verhindert. Und dank der<br />

FlaM gibt es bessere Gesamtarbeitsverträge,<br />

mehr Normalarbeitsverträge<br />

und Mindestlöhne.<br />

Das genau stört einige Konzerne,<br />

neoliberale Ideologen von SVP,<br />

FDP, GLP, die Banken und ihre verblendeten<br />

Marktanbeter-Freunde in<br />

Brüssel. Sie möchten unseren Lohnschutz<br />

und die Kontrollen schon lange<br />

kippen. Wir haben das verhindert.<br />

Ohne Lohnschutz<br />

kein Wohlstand<br />

und kein<br />

sozialer Frieden.<br />

Doch nun glauben die Lohnschutzfeinde,<br />

einen Trick gefunden zu<br />

haben. Sie wollen den Lohnschutz<br />

auf dem Umweg über den Rahmenvertrag<br />

mit der EU aushebeln.<br />

Ein Rahmenvertrag ist nützlich,<br />

weil wir dann unsere Beziehungen<br />

leichter den Entwicklungen<br />

anpassen können. Manche Dinge<br />

aber gehören nicht in den Rahmenvertrag,<br />

weil sie allein uns in der<br />

Schweiz etwas angehen. Zum Beispiel<br />

die FlaM. Das hat nichts mit<br />

gewerkschaftlicher Sturheit oder<br />

mit Privilegien zu tun. Es ist ganz<br />

einfach: Wir haben nicht nur die<br />

höchsten Löhne, sondern auch die<br />

höchsten Preise, Mieten und Krankenkassenprämien.<br />

Fällt der Lohnschutz,<br />

entsteht ein riesiger Druck<br />

auf die Löhne. Wer bezahlt dann<br />

die Mieten? Den Arzt? Ohne Lohnschutz<br />

gibt es keinen Wohlstand<br />

und keinen sozialen Frieden. Das ist<br />

elementare Innenpolitik.<br />

Also hatte der Bundesrat eine<br />

rote Linie gezogen: Über die FlaM<br />

diskutieren wir nicht. Weil er weiss,<br />

dass der Rahmenvertrag sonst vor<br />

dem Volk durchfällt. Das wäre wirklich<br />

schlimm für unsere Beziehungen.<br />

Warum sollten wir dieses Risiko<br />

eingehen?<br />

Doch dann signalisierte FDP-<br />

Aussenminister Cassis der EU, die<br />

FlaM stünden doch zur Disposition.<br />

Zweimal liess sich die EU nicht bitten.<br />

Jetzt sollen wir einen Vertrag<br />

akzeptieren, der verlangt, dass wir<br />

uns an die EU-Entsenderichtlinien<br />

anpassen. Dabei geht es keineswegs<br />

nur um «Details» (etwa die 8-Tage-<br />

Regel), wie Economiesuisse und ihr<br />

Sprachrohr Libero uns einreden<br />

wollen. Würden wir zustimmen, hätte<br />

künftig der Europäische Gerichtshof<br />

das letzte Wort, wenn es Streit<br />

um Lohn- oder Sozialdumping in<br />

der Schweiz gibt. No deal. Unser Modell<br />

geht anders: Bei uns werden die<br />

Löhne und Arbeitsbedingungen sozialpartnerschaftlich<br />

ausgehandelt.<br />

Wer diesen schlechten Rahmenvertrag<br />

durchstiert, macht das Volk<br />

zu Feinden guter Beziehungen mit<br />

der EU. Der Bundesrat hat nicht unterschrieben.<br />

Vernünftig. Jetzt<br />

braucht es einen kühlen Kopf und<br />

tragfähige Mehrheiten für gute Lösungen.<br />

Jetzt braucht es verstärkte<br />

FlaM, zum Beispiel ein Verbot von<br />

Subunternehmerketten, wie es unsere<br />

Initiative im Kanton Bern vorsieht.<br />

Wir wollen einen Rahmenvertrag.<br />

Wir wollen Personenfreizügigkeit.<br />

Wir akzeptieren ein Schiedsgericht.<br />

Aber über unsere Löhne<br />

entscheiden wir allein. Früher oder<br />

später wird die EU das verstehen.<br />

Auch in der EU wogt der Streit zwischen<br />

neoliberalen Interessenvertretern<br />

und Vernünftigen. Wir sind<br />

für ein Europa, das die Menschen<br />

und nicht nur den Profit in den Mittelpunkt<br />

stellt. Wir kämpfen gemeinsam<br />

mit unseren europäischen<br />

Gewerkschaftskolleginnen und<br />

- kollegen für ein soziales Europa!<br />

Die FlaM, das sagen unsere europäischen<br />

Freunde, könnten sogar ein<br />

Modell für Europa sein.


Darum ist die ILO so<br />

wichtig für die Schweiz<br />

23<br />

1919 wurde die Internationale<br />

Arbeitsorganisation (ILO)<br />

gegründet, vor <strong>10</strong>0 Jahren.<br />

Dieses Jubiläum soll zum<br />

Anlass genommen werden,<br />

die Bedeutung dieser für die<br />

Arbeitnehmenden einzigartigen<br />

UN-Organisation<br />

herauszustellen. So wirken<br />

die von der ILO geschaffenen<br />

und ständig weiterentwickelten<br />

Normen: in der Schweiz,<br />

in der Auslegung der Europäischen<br />

Menschenrechtskonvention,<br />

in der UNO-Agenda<br />

2030 für nachhaltige Entwicklung.<br />

Text: Luca Cirigliano,<br />

Zentralsekretär SGB<br />

Bild: ILO<br />

Das ILO-Dossier des SGB:<br />

bit.ly/2VnhreZ<br />

ILO-Völkerrecht und die Schweiz<br />

In der Schweiz entspricht das aktuelle<br />

Kündigungsrecht nicht den<br />

ILO-Konventionen (wie nach einer<br />

Beschwerde des SGB festgestellt<br />

wurde). Gerade hier soll das <strong>10</strong>0-<br />

Jahr-Jubiläum der ILO dazu dienen,<br />

gesetzliche Verbesserungen für den<br />

Schutz von gewerkschaftlich und<br />

betrieb lich engagierten Arbeitnehmenden<br />

einzuführen: für Vertrauensleute<br />

in den Betrieben, für Mitglie<br />

der von Personalkommissionen<br />

und für Stiftungsräte von Pensionskassen.<br />

Es darf nicht sein, dass das<br />

ILO-Gastgeberland sich um verbindliches<br />

Völkerrecht foutiert. Hier hat<br />

das Bundesgericht im Dezember<br />

2018 mit dem Leitentscheid 144 I 50<br />

über die direkte Anwendbarkeit<br />

von ILO-Standards den Weg geebnet<br />

für eine längst fällige grundrechtskonforme<br />

Auslegung des Schweizer<br />

Kündigungsrechts, sollten Bundesrat<br />

und Gesetzgeber weiterhin passiv<br />

bleiben.<br />

Freihandelsverträge und ILO<br />

Das Gastgeberland<br />

der ILO muss sich<br />

ans Völkerrecht<br />

halten.<br />

In Zeiten der Globalisierung, der<br />

Digitali sierung und der Herausforderungen<br />

durch reaktionäre Politik<br />

gewinnt eines der Leitprinzipien der<br />

ILO immer mehr an Aktualität:<br />

Arbeit ist und bleibt keine Ware.<br />

Dies wurde erstmals 1944 von der<br />

ILO in der wegweisenden Deklaration<br />

von Philadelphia festgehalten –<br />

sie ist eines der ersten Menschenrechtswerke<br />

der UN-Familie.<br />

Um dieses fundamentale Prinzip<br />

gerade im Warenverkehr zwischen<br />

Staaten sicherzustellen, muss<br />

jedes neue Freihandelsabkommen,<br />

welches die Schweiz abschliesst,<br />

Mindestbestimmungen in Hinsicht<br />

auf Menschen- und Arbeitsrechte<br />

enthalten. Dafür sind die entsprechenden<br />

ILO-Standards einzubauen.<br />

Denn es gibt keine nachhaltige,<br />

breit abgestützte Globalisierung<br />

ohne soziale Gerechtigkeit. Dies gilt<br />

besonders für eine offene, vernetzte<br />

Wirtschaft wie die der Schweiz.<br />

ILO in der UNO-Agenda für<br />

nachhaltige Entwicklung<br />

Die UNO hat sich zum Ziel gesetzt,<br />

menschenwürdige und gute Arbeit<br />

für alle zu erreichen. Dafür sind die<br />

17 Ziele für nachhaltige Entwicklung<br />

mit ihren 169 Unterzielen in<br />

der «Agenda 2030» festgelegt worden.<br />

Sie tragen der wirtschaftlichen,<br />

sozialen und ökologischen Dimension<br />

der nachhaltigen Entwicklung<br />

in ausgewogener Weise Rechnung<br />

und führen zum ersten Mal Armutsbekämpfung<br />

und nachhaltige Entwicklung<br />

in einer Agenda zusammen.<br />

Im Kapitel 8 geht es um die<br />

Umsetzung unter anderem der<br />

ILO-Standards in allen Mitgliedsländern.<br />

Hier bleibt immer noch viel zu<br />

tun für die Schweiz: denn auch in<br />

der Schweiz geniessen längst nicht<br />

alle Arbeitnehmenden die von der<br />

ILO garantierten Rechte. So zum<br />

Beispiel fehlt der oben erwähnte<br />

effektive Schutz gegen missbräuchliche,<br />

antigewerkschaftliche Kündigungen.


24<br />

Schweizer Multis<br />

unter Schweizer Recht!<br />

Ex-Ständerat Dick Marty ist<br />

Kopräsident der Konzernverantwortungs-Initiative:<br />

Konzerne<br />

mit Sitz in der Schweiz<br />

sollen in den Ländern, in denen<br />

sie tätig sind, Menschenrechte<br />

und Umweltstandards<br />

beachten – und dafür in der<br />

Schweiz juristisch verantwortlich<br />

sein. Und nun verlangt<br />

die ständerätliche<br />

Kommission für Rechtsfragen,<br />

dass Geschädigte vor<br />

einem Schweizer Gericht<br />

beweisen, dass ein seriöses<br />

Verfahren in ihrem Heimatland<br />

unmöglich ist. Dick<br />

Marty: «Regeln gegen Menschenrechtsverletzungen<br />

geben nur Sinn, wenn ihre<br />

Missachtung Konsequenzen<br />

hat. Sollte der Ständerat dies<br />

nicht korrigieren, braucht es<br />

eine Volksabstimmung.»<br />

Gespräch: Giovanni Valerio mit<br />

Alliance Sud<br />

Bild: Alliance Sud<br />

In seinem kürzlich erschienen Buch<br />

Une certaine idée de la justice (Eine<br />

bestimmte Idee von Gerechtigkeit)<br />

spricht Dick Marty von der Notwendigkeit,<br />

weiter für eine gerechtere<br />

Welt zu kämpfen, und nennt als Beispiel:<br />

«Unsere Mobiltelefone funktionieren<br />

nur dank seltener Erze<br />

wie Coltan und Kobalt, die in Afrika,<br />

insbesondere in Kongo, vorkommen.<br />

Ich war vor Ort: Die lokale Bevölkerung<br />

hat keinen Vorteil aus<br />

diesem immensen Reichtum. Ihr<br />

bleiben nur die ökologischen und<br />

sozialen Katastrophen, während die<br />

enormen Gewinne von den westlichen<br />

Konzernen eingestrichen werden.»<br />

Im Gespräch erzählt er mehr<br />

über die Konsequenzen, die wir ziehen<br />

müssen.<br />

Was ist der Hintergrund der<br />

Konzernverantwortungs-Initiative?<br />

Multinationale Unternehmen sind<br />

oft in armen und fragilen Ländern<br />

tätig. Diese Konzerne werden nicht<br />

von ethischen Prinzipien geleitet.<br />

Der Druck der Aktionäre sowie das<br />

Manager-Vergütungssystem, das sie<br />

zur Gewinnmaximierung antreibt,<br />

führen zu einer extremen Ausbeutung<br />

dieser Länder und halten sie so<br />

dauerhaft in einem Zustand der<br />

Schwäche. Es ist paradox und vor allem<br />

skandalös, dass die Länder, die<br />

am meisten Rohstoffe besitzen, oft<br />

die ärmsten sind. Der lokalen Bevölkerung<br />

bleiben nur die Umweltschäden<br />

und die aus Frustration entstehende<br />

Gewalt.<br />

Was kann unser Land tun?<br />

Die Schweiz ist stark betroffen von<br />

dem, was in diesen Ländern geschieht.<br />

Unser Land beherbergt<br />

einige der wichtigsten Akteure im<br />

internationalen Rohstoffhandel.<br />

Deshalb erscheint es mir ganz natürlich,<br />

dass diese Unternehmen –<br />

wie in einem Rechtsstaat selbstverständlich<br />

– für ihr Handeln weltweit<br />

verantwortlich sind und zu dieser<br />

Verantwortung auch verpflichtet<br />

sind. Mein Engagement gilt aber<br />

nicht nur den Menschen, die weit<br />

entfernt von uns leben, sondern<br />

auch der Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit<br />

unserer Wirtschaft und<br />

dem Image der Schweiz in der Welt.<br />

Warum braucht es eine solche<br />

Initiative jetzt?<br />

Wir alle stellen fest, dass die Globalisierung<br />

das wirtschaftliche Gleichgewicht<br />

im internationalen Handel<br />

und die Regeln, auch für die KonsumentInnen,<br />

grundlegend verändert<br />

hat. Es sind Wirtschaftskonzerne<br />

entstanden, die über eine noch nie<br />

da gewesene Macht verfügen. Wir<br />

haben eine zunehmend international<br />

organisierte, grenzüberschreitende<br />

Wirtschaft, während die<br />

Gesetz gebung in wesentlichen<br />

Punkten in engen nationalen Korsetts<br />

gefangen bleibt.<br />

Viele Konzerne haben – abgesehen<br />

von juristischen und logistischen<br />

Aspekten – keine wirklichen<br />

Verbindungen mehr zu dem Land,<br />

in dem sich ihr Hauptsitz befindet.<br />

Gleichzeitig können sie jedoch<br />

durch ihre weltumspannenden Aktivitäten<br />

in vielen Ländern von erheblichen<br />

Gesetzeslücken profitieren.<br />

Dem müssen wir jetzt abhelfen.<br />

Dick Marty: «Das Nichtrespektieren von Regeln muss Konsequenzen haben.»<br />

Hintergrund und Argumente:<br />

konzern-initiative.ch


Recht so!<br />

25<br />

Hallo!<br />

Ich bin 55 und arbeite seit 20 Jahren beim gleichen Arbeitgeber.<br />

Ich habe in dieser Zeit mehrere Löhnerhöhungen erhalten<br />

und war anfänglich mit meinem Lohn auch zufrieden.<br />

Nun sind meine beiden Kinder in der Ausbildung und mein<br />

Einkommen reicht zwischenzeitlich kaum mehr, um die<br />

monatlichen Kosten zu decken. Neben den Krankenkassenprämien<br />

sind auch die Lebenshaltungskosten immer stärker<br />

angestiegen. Mein Lohn ist aber nicht entsprechend erhöht<br />

worden. Von einem Kollegen habe ich erfahren, dass er jedes<br />

Jahr einen Teuerungsausgleich erhält. Kann ich einen<br />

solchen von meinem Arbeitgeber verlangen?<br />

Vor zwei Jahren habe ich die letzte Lohnerhöhung erhalten.<br />

Diese fiel jedoch eher gering aus. Gibt es keine gesetzliche<br />

Regelung, dass die Lohnerhöhung zumindest der Teuerung<br />

entsprechen sollte? Oder auf was stützt sich der Arbeitgeber<br />

bei der Festlegung der Lohnerhöhung?<br />

Mir ist zudem aufgefallen, dass ich trotz meiner letzten<br />

Lohnerhöhung seit dem letzten Jahr netto weniger Lohn<br />

ausbezahlt erhalte als noch im Vorjahr. Also bringt mir auch<br />

ein Teuerungsausgleich nicht unbedingt mehr Lohn. Wie ist<br />

dies möglich?<br />

Antwort des <strong>syndicom</strong>-Rechtsdienstes<br />

Nein, denn der Teuerungsausgleich<br />

ist gesetzlich nicht vorgeschrieben.<br />

Dagegen kann er in einem Einzelarbeitsvertrag<br />

oder in einem Gesamtarbeitsvertrag<br />

(GAV) geregelt werden.<br />

GAV sehen vielfach Lohnverhandlungen<br />

oder individuelle Lohnmassnahmen<br />

vor. Bist du einem solchen GAV<br />

unterstellt, verhandeln die Sozialpartner<br />

(Gewerkschaft, Arbeitnehmervertretung<br />

und Arbeitgeber) die<br />

Lohnerhöhung jedes Jahr. Gewährt<br />

ein Arbeitgeber jedes Jahr einen<br />

Teuerungsausgleich, dann hast du<br />

auch ohne Regelung in einem Einzeloder<br />

Gesamtarbeitsvertrag zukünftig<br />

Anspruch darauf.<br />

Auch dafür gibt es keine Regelung im<br />

Gesetz. Bei den jährlichen GAV-Lohnverhandlungen<br />

orientieren sich die<br />

Sozialpartner am Landesindex der<br />

Konsumentenpreise. Auch der Arbeitgeber<br />

stützt sich bei der Festlegung<br />

eines Teuerungsausgleichs darauf ab.<br />

Dabei wird jedoch nicht der Jahresdurchschnitt<br />

genommen, da der Arbeitgeber<br />

die Löhne vor Jahresende<br />

festlegt. Oft wird daher auf den<br />

November index abgestellt. Wichtig<br />

ist, dass der Arbeitgeber immer den<br />

gleichen Index verwendet.<br />

Mit 55 Jahren werden die gesetzlich<br />

festgelegten Sparbeiträge für die Pensionskasse<br />

von 15 % auf 18 % erhöht.<br />

Bis zur Pensionierung mit 65 Jahren<br />

bleibt es dann bei den 18 % (im<br />

BVG-Obligatorium, im Überobligatorium<br />

kann es mehr sein). Da diese<br />

Beiträge mindestens hälftig von dir<br />

bezahlt werden, wird dir 1,5 % mehr<br />

vom Lohn abgezogen. D. h. ab 55 hast<br />

du bei gleichem Lohn weniger Geld<br />

zur Verfügung. Deswegen ist es so<br />

wichtig, dass möglichst viele Gesamtarbeitsverträge<br />

ausgehandelt und<br />

abgeschlossen werden, die jährliche<br />

Lohnverhandlungen vorsehen. Dann<br />

kann der stetige Kaufkraftverlust<br />

zumindest teilweise ausgeglichen<br />

werden.<br />

<strong>syndicom</strong>.ch/recht


26 Freizeit<br />

Tipps<br />

Drei Kurse für die<br />

Gewerkschaftsarbeit<br />

Es ist nicht immer einfach, gewerkschaftliche<br />

Arbeit im Betrieb zu leisten.<br />

Man braucht Mut, um sich zu<br />

exponieren und die einem zustehenden<br />

Rechte einzufordern. Der Kurs<br />

«Zivilcourage im Gewerk schafts alltag»<br />

mit dem Soziologen Andi Geu<br />

und der Erwachsenenbildnerin<br />

Katalin Suter findet an zwei Tagen<br />

(14. 5. und 11. 6.) im Berner Vatter<br />

Business Center statt. Die Teilnehmenden<br />

werden nach einer Einführung<br />

ins Thema Zivilcourage an<br />

praktischen Beispielen lernen, wie<br />

man mit schwierigen Situationen<br />

im Betrieb umgehen kann. Sie werden<br />

in Zukunft besser reagieren,<br />

Eskala tion und Deeskalation beherrschen<br />

und im Umgang mit Vorgesetzten,<br />

HR, KollegInnen wirksamer<br />

werden (kostenlos für<br />

Mitglieder, sonst 920 Fr. inkl. Essen).<br />

Gewerkschaftsarbeit ist effizienter,<br />

wenn sich Gruppen im Betrieb<br />

organisieren und nicht eine Person<br />

ganz allein für ihre Rechte kämpfen<br />

muss. Das Seminar «Mitglieder werben,<br />

Gewerkschaft im Betrieb stärken»<br />

(Männedorf ZH, Hotel Boldern,<br />

27. 5./28. 5.) unterstützt die Teilnehmenden<br />

in ihrer gewerkschaftlichen<br />

Arbeit am Arbeitsplatz: Sie entwickeln<br />

neue Ideen, um Neumitglieder<br />

zu werben, und üben in Gesprächen<br />

mit einer Schauspielerin und<br />

Erwachsenenbildnerin, wie sie noch<br />

nicht organisierte Mitarbeitende<br />

überzeugen können, der Gewerkschaft<br />

beizutreten.<br />

Vergesst auch nicht die Tagung<br />

von SGB und Movendo «<strong>10</strong>0 Jahre<br />

Erfolgsgeschichte für Arbeitnehmende:<br />

die International Labour Organisation»,<br />

wo die Teilnehmenden<br />

die Rolle der ILO in den aktuellen<br />

Debatten und der Entwicklung von<br />

Gewerkschaftsrechten kennen und<br />

schätzen lernen (am 25. 6. in Bern,<br />

Hotel Kreuz).<br />

Alle Kurse und Anmeldung:<br />

movendo.ch<br />

© Haffmanns<br />

Gleichheit ist Glück<br />

Wann zerbricht der Kapitalismus?<br />

Das war die Frage, die im Januar<br />

am Weltwirtschaftsforum WEF die<br />

Salongespräche befeuerte. Denn die<br />

Konzernherren und Weltenlenker,<br />

die sich in Davos zur grossen Wir-regieren-die-Welt-Party<br />

trafen, wissen,<br />

was sie tun: Sie zerstören Klima und<br />

Erde. Und das Leben der Menschen.<br />

Sie haben so viel Ungleichheit geschaffen,<br />

dass sie sich wundern,<br />

warum die Völker sie nicht längst<br />

weggefegt haben. 26 Milliardäre besitzen<br />

inzwischen mehr als die Hälfte<br />

der Menschheit (Oxfam-Studie:<br />

bit.ly/2tHB8lV). Ihr Reichtum ist das<br />

Elend der Welt.<br />

Ungleichheit ist mörderisch. In<br />

den sehr ungleichen USA ist die Lebenserwartung<br />

neun Jahre geringer<br />

als im egalitären Japan. Menschen<br />

mit tiefen Einkommen sterben in<br />

Grossbritannien im Schnitt 11 Jahre<br />

früher als die oberen zehn Prozent.<br />

Das gilt für alle Länder, wie Richard<br />

Wilkinson und Kate Pickett nach<br />

jahrzehntlanger Forschung in ihrer<br />

Studie «Gleichheit» zeigen. Ungleiche<br />

Gesellschaften sind kränker,<br />

krimineller, psychotischer. Und sie<br />

sind ökonomisch weniger kreativ<br />

und weniger dynamisch als Gesellschaften,<br />

die sich um Ausgleich und<br />

Chancengleichheit bemühen.<br />

Gerechtigkeit lässt die Menschen<br />

glücklicher leben. Eigentlich<br />

wissen das viele. Doch nun entlarven<br />

Millionen ausgewerteter Daten<br />

die neoliberale Ideologie der Weltenlenker<br />

auch wissenschaftlich als<br />

nackte Rechtfertigung von Raub<br />

und Mord.<br />

Die Studie:<br />

Richard Wilkinson, Kate Pickett:<br />

Gleichheit. Warum gerechte Gesellschaften<br />

für alle besser sind.<br />

Haffmanns, 2016. 376 S., Fr. 19.90.<br />

© Museum für Kommunikation/digitalemassarbeit<br />

So tönt Stille im Museum für<br />

Kommunikation<br />

Das Museum für Kommunikation in<br />

Bern wurde gerade vom Kulturausschuss<br />

der Parlamentarischen Versammlung<br />

des Europarats (PACE)<br />

mit dem Museumspreis 2019 ausgezeichnet<br />

– unter anderem, weil es<br />

sich um ein sehr interaktives, alle<br />

Sinne ansprechendes Museum<br />

handle. Das beweist das Museum<br />

einmal mehr mit seiner jüngsten<br />

Ausstellung, «Sounds of Silence».<br />

Den Kopfhörer auf dem Kopf,<br />

der je nach Position im Raum verschiedene<br />

Klanglandschaften hörbar<br />

macht, begeben sich die Besucherinnen<br />

und Besucher auf ihren<br />

Rundgang durch die Ausstellung –<br />

grafische Muster in Schwarz und<br />

Weiss, eine Schneelandschaft, ein<br />

Zimmer in New York mit Blick auf<br />

die nächtliche Skyline – und entdecken,<br />

dass selbst in der Stille viel<br />

zu hören ist. Erstmals in der Schweiz<br />

eingesetzt, ermöglicht diese Technologie<br />

ein dreidimensionales Hörerlebnis.<br />

Schritte im Schnee, Vogelstimmen,<br />

Staubsauger oder Automotoren<br />

sind zu hören, und auch eine<br />

Aufnahme von John Cages «4’33’’»,<br />

einem lautlosen Stück, das 4 Minuten<br />

und 33 Sekunden dauert. Und<br />

das aus den Umgebungsgeräuschen<br />

besteht, welche die ZuhörerInnen<br />

während der Spieldauer hören oder<br />

selbst erzeugen.<br />

In einer zunehmend lauteren<br />

und geschwätzigeren Welt lädt diese<br />

Ausstellung zum Nachdenken darüber<br />

ein, welchen Platz die Stille in<br />

unserem eigenen Leben einnimmt.<br />

Bis zum 7. Juli 2019.<br />

Webseite des Museums mit allen Infos:<br />

mfk.ch


<strong>10</strong>00 Worte<br />

Ruedi Widmer<br />

27


28 Bisch im Bild Im Februar und März 2019 stand <strong>syndicom</strong> an der Seite ...<br />

... der FahrerInnen, die Europas ersten GAV für Velokuriere ratifiziert haben<br />

... der ZustellerInnen vom Jurabogen, die bessere Arbeitsbedingungen brauchen<br />

... der Fahrerdelegation von Winkel-Embrach für ein besseres Arbeitsklima<br />

1<br />

2<br />

3<br />

4


1. Luzerner Fahrradkuriere zufrieden mit ihrem neuen Gesamtarbeitsvertrag.<br />

2. Dasselbe in Zürich …<br />

3. … in Basel …<br />

4. … in Genf …<br />

5. … und in Lausanne.<br />

6. Die Unterzeichnenden des GAV (von links): Christian Schutter (Veloblitz Zürich), Matteo Antonini, Leiter Sektor Logistik <strong>syndicom</strong>,<br />

Hans Ulrich Köhli, Präsident swissmessengerlogistics, und David Roth, Zentralsekretär <strong>syndicom</strong>.<br />

7, 8 Auf Initiative von Regionalsekretär Jean-François Donzé reichte <strong>syndicom</strong> bei der PostMail-Direktion in Neuenburg ein Mandat mit<br />

über 300 Unterschriften ein. Es verlangt sofortige Neuverhandlung der Arbeitsbedingungen der ZustellerInnen im Jurabogen.<br />

9. Die Verhandlungsdelegation Winkel-Embrach setzt sich für ein gutes Arbeitsklima ihrer FahrerInnen ein. (© Marcel Luethy)<br />

29<br />

5<br />

6<br />

8<br />

7<br />

9


30<br />

Aus dem<br />

Leben von ...<br />

Barbara Saladin:<br />

Je mehr Fantasie, desto weniger Geld<br />

Barbara Saladin ist 1976 geboren und<br />

wohnt mit ihrem Partner im Oberbaselbiet.<br />

Nach der Handelsschule arbeitete<br />

sie als kaufmännische Angestellte.<br />

In der Zeit begann Barbara Saladin<br />

litera risch zu schreiben und stieg<br />

später quer in die Redaktion einer Lokalzeitung<br />

ein. Dort arbeitete sie während<br />

sieben Jahren zwischen 60 und<br />

80 Prozent – bevor ihre Stelle definitiv<br />

gestrichen wurde. Seit einem Krimi-<br />

Stipendium auf der ostfriesischen Insel<br />

Juist ist sie – literarisch gesehen – sowohl<br />

im Baselbieter Jura als auch auf<br />

den Nordseeinseln zu Hause. 2017 wurde<br />

Barbara Saladin mit dem Kulturpreis<br />

der Basellandschaftlichen Kantonalbank<br />

ausgezeichnet. Sie ist Mitglied<br />

der Kommission der freien Medienschaffenden<br />

von <strong>syndicom</strong>.<br />

Text: Mireille Guggenbühler<br />

Bild: Markus Forte<br />

«Die meisten Zeitungen<br />

bezahlen Freie längst<br />

nicht mehr fair.»<br />

«Mein Büro ist bei mir zu Hause.<br />

Ich wohne in einem kleinen Dorf,<br />

und in die Stadt ist es ein langer<br />

Weg. Deshalb arbeite ich lieber daheim<br />

als in einem Coworking-Space.<br />

Auch wenn ich den fachlichen Austausch<br />

mit Kolleginnen und Kollegen<br />

in einer Bürogemeinschaft sehr<br />

schätzen würde. Dieser fehlt mir<br />

manchmal schon etwas. Wobei ich ja<br />

längstens nicht immer nur zu Hause<br />

bin. Es gibt Wochen, in denen ich<br />

viel unterwegs bin und solche, in denen<br />

ich vorwiegend von zuhause aus<br />

arbeite. An meiner Arbeit gefällt mir<br />

genau diese Abwechslung – die örtliche<br />

und die inhaltliche. Mein Geld<br />

verdiene ich mit einem Mix aus Journalismus,<br />

literarischem Schreiben,<br />

dem Ver fassen von Sachbüchern und<br />

lokalhistorischen Texten, aber auch<br />

klassischen PR-Texten. Zudem mache<br />

ich Pressearbeit für kulturelle<br />

Ver eine, halte Lesungen und biete<br />

mit einer Freundin Themenwanderungen<br />

an. Und ich arbeite zeitweise<br />

in einem Kino.<br />

Dies habe ich mir zu Beginn meiner<br />

Selbständigkeit vor viereinhalb<br />

Jahren nicht so zurechtgelegt.<br />

Eigent lich bin ich ein Mensch, der<br />

Pläne nicht so mag. Ich hatte zwar<br />

Ideen, denen ich als Selbständigerwerbende<br />

nachgehen wollte. Alles<br />

Weitere hat sich dann aber ergeben.<br />

Bis 2014 arbeitete ich bei einer<br />

kleinen Lokalzeitung und wurde<br />

dann aus Spargründen wegrationalisiert.<br />

Ich stand nun vor der Frage, ob<br />

ich zurück in meinen ursprünglich<br />

erlernten kaufmännischen Beruf<br />

gehe oder mir wieder eine Stelle auf<br />

einer Redaktion suchen will. Ersteres<br />

kam nicht in Frage und auch beim<br />

zweiten Punkt war relativ schnell<br />

klar: Ich habe genug von diesem<br />

Stress und grundsätzlich wenig Lust<br />

auf Tagesjournalismus. Ich ziehe<br />

Texte mit längerer Halbwertszeit vor.<br />

Dass ich heute als Selbständige<br />

von meinem Einkommen leben<br />

kann, führe ich auf meinen Schreibmix<br />

zurück. Ich bin dadurch relativ<br />

breit abgestützt. Generell habe ich<br />

festgestellt: Je mehr Kreativität und<br />

Fantasie ich beim Schreiben einbringe,<br />

desto schlechter werde ich bezahlt.<br />

Oder anders ausgedrückt:<br />

Beim Krimischreiben verdiene ich,<br />

gemessen am Aufwand, im Normalfall<br />

verschwindend wenig, für einen<br />

PR-Text kann ich über <strong>10</strong>0 Franken<br />

pro Stunde verlangen. Für Zeitungen<br />

schreibe ich nicht mehr oft. Einzelne<br />

Redaktionen entlöhnen Freie noch<br />

fair, die meisten aber längst nicht<br />

mehr. Würde ich von der journalistischen<br />

Arbeit alleine leben wollen,<br />

bräuchte ich so viele Aufträge, dass<br />

ich das Pensum gar nicht bewältigen<br />

könnte.<br />

Zurzeit möchte ich mich nicht<br />

fest anstellen lassen, ich bin zufrieden<br />

mit meinem ‹Sammelsurium›.<br />

Ich schliesse dies nicht generell aus.<br />

Das Stellenprofil müsste aber schon<br />

sensationell sein, quasi die Jahrhundertgelegenheit,<br />

dass ich dafür meine<br />

Selbständigkeit aufgeben würde.»<br />

barbarasaladin.ch


Impressum<br />

Redaktion: Sylvie Fischer, Giovanni Valerio,<br />

Marc Rezzonico, Marie Chevalley<br />

Tel. 058 817 18 18, redaktion@<strong>syndicom</strong>.ch<br />

Mitarbeit: Rieke Krüger<br />

Porträts, Zeichnungen: Katja Leudolph<br />

Fotos ohne ©Copyright-Vermerk: zVg<br />

Druck, Layout und Korrektorat: Stämpfli AG, Bern<br />

Adressänderungen: <strong>syndicom</strong>, Adressverwaltung,<br />

Monbijoustrasse 33, Postfach, 3001 Bern<br />

Tel. 058 817 18 18, Fax 058 817 18 17<br />

Inserate: priska.zuercher@<strong>syndicom</strong>.ch<br />

Abobestellung: info@<strong>syndicom</strong>.ch<br />

Abopreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen. Für<br />

Nichtmitglieder: Fr. 50.– (Inland), Fr. 70.– (Ausland)<br />

Verlegerin: <strong>syndicom</strong> – Gewerkschaft<br />

Medien und Kommunikation, Monbijoustr. 33,<br />

Postfach, 3001 Bern<br />

Das <strong>syndicom</strong>-Magazin erscheint sechsmal im Jahr.<br />

Ausgabe <strong>Nr</strong>. 11 erscheint am 29. Mai 2019,<br />

Redaktionsschluss: 15. April 2019.<br />

31<br />

Das <strong>syndicom</strong>-Kreuzworträtsel<br />

Zu gewinnen gibt es diesmal eine<br />

ferientaugliche Hotelcard. Das Lösungswort<br />

wird in der nächsten Ausgabe zusammen<br />

mit dem Namen der Gewinnerin<br />

oder des Gewinners veröffentlicht.<br />

Lösungswort und Absender auf einer<br />

A6-Postkarte senden an: <strong>syndicom</strong>-<br />

Magazin, Monbijoustrasse 33, Postfach,<br />

3001 Bern. Einsendeschluss: 15. 4. 19.<br />

Der Gewinner<br />

Die Lösung des Kreuzwort rätsels aus<br />

dem <strong>syndicom</strong>-Magazin <strong>Nr</strong>. 9 lautet:<br />

INTEGRATION.<br />

Gewonnen hat Anton Rohrer aus Münchenbuchsee.<br />

Die Reka-Checks sind<br />

unterwegs. Wir gratulieren herzlich!<br />

Anzeige<br />

Spezialofferte<br />

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RABATT: - 4,5 Rp/Lt. Treibstoff (Bleifrei und Diesel)<br />

Jahresgebühr CHF <strong>10</strong>.- offeriert<br />

Montliche Rechnungsgebühr CHF 2.50 offeriert<br />

Verlangen Sie Ihren Kartenantrag beim Zentralsekretariat<br />

+41 (0)58 817 18 18 - mail@<strong>syndicom</strong>.ch


32 Inter-aktiv<br />

<strong>syndicom</strong> social<br />

Gesamtarbeitsvertrag<br />

für Velokuriere 4.2.2019<br />

<strong>syndicom</strong> und Swissmessengerlogistic<br />

haben im Februar in Bern Europas ersten<br />

GAV für Velokuriere abgeschlossen! Der<br />

Vertrag ist ein Instrument gegen Dumping-Plattformen<br />

und prekäre Arbeitsbedingungen.<br />

<strong>syndicom</strong> fordert, dass<br />

auch NoTime – dessen Mehrheitsaktionärin<br />

die Post ist – den GAV unterzeichnet.<br />

ComCom hat die Frequenzen<br />

für 5G versteigert 8.2.2019<br />

Die 5G-Frequenzen wurden an<br />

Swisscom, Salt und Sunrise<br />

vergeben. Für <strong>syndicom</strong> wird<br />

der gleiche Zugang zu digitalen<br />

Techniken für die gesamte Bevölkerung<br />

und die gesamte Wirtschaft<br />

nur durch die Stärkung<br />

des Service public und der Netzneutralität<br />

möglich.<br />

Cybermobbing, Sexismus, Homophobie Februar 2019<br />

Ein Skandal erschüttert Frankreich: die «Ligue du LOL»,<br />

eine Facebook-Gruppe von Medienschaffenden, hat offenbar<br />

jahrelang auf sozialen Netzen vor allem Journalistinnen<br />

und feministische Aktivistinnen herabgewürdigt.<br />

<strong>syndicom</strong> begrüsst Revision<br />

des Urheberrechts 12.2.2019<br />

Die Kulturkommission des Ständerats sagt<br />

Ja zur Entschädigung von JournalistInnen<br />

und Verlagen durch Google & Co. Starke Antwort<br />

auf die Krise der Informationsmedien.<br />

Verbrechen gegen Medienschaffende 7.2.2019<br />

Die Internationale Föderation der JournalistInnen (IFJ)<br />

hat ihren 29. Bericht über die 2018 bei Ausübung ihrer<br />

Arbeit getöteten Journalisten und Medienschaffenden<br />

publiziert.<br />

Den kompletten Bericht (in englischer Sprache) findet<br />

ihr hier: bit.ly/2Bpnc49<br />

Frauenstreik2019.ch 14.6.2019<br />

Hier könnt ihr das Manifest einsehen, das die 19 (!)<br />

Gründe für diesen Streik darlegt. Weitere Dokumente,<br />

darunter ein Appell in 11 Sprachen, sind in Kürze verfügbar.<br />

Der 2. Frauenstreik ist inspiriert von dem<br />

vom 14. Juni 1991, aber auch von der Erneuerung des<br />

Feminismus in der ganzen Welt.<br />

LOL-Liga droht auch in der Schweiz 16.2.2019<br />

Wie Le Temps schreibt, hatten auch in der Schweiz<br />

«mindestens zwischen 20<strong>10</strong> und 2012 mehrere einflussreiche<br />

Westschweizer Journalisten eine Facebook-Gruppe,<br />

über die sie sich systematisch über die<br />

Artikel von Kolleginnen und Kollegen lustig machten».<br />

212 Tage des Wartens für die<br />

41 du Matin 19.2.2019<br />

Schon 212 Tage warten die 41 entlassenen<br />

Mitarbeitenden des Matin auf einen<br />

Sozialplan von Tamedia – und es geht<br />

weiter. Abonniert ihre Twitter-Nachrichten<br />

(@41dumatin) oder folgt dem Hashtag<br />

#les41dumatin. Unterstützt sie!!<br />

ICT-Ausbildung: We have a problem 31.12.2018<br />

Ende 2017 zählte das Bundesamt für Statistik<br />

fast 25 000 ICT-Lernende und -Studierende.<br />

1990 hatte diese Zahl noch unter 2000 gelegen.<br />

Dieses Wachstum scheint logisch, dahinter<br />

verbirgt sich aber ein ernsthaftes Problem: Seit<br />

2003 ist der Anteil der Frauen bei 12 % abgeschlossenen<br />

Ausbildungen stehen geblieben. In<br />

Bezug auf die Integration und das nicht genutzte<br />

Rekrutierungspotenzial ist dies alarmierend.<br />

Hackt das schweizerische<br />

E-Voting-System! 14.2.2019<br />

Die Post lässt ihr System für die elektronische<br />

Stimmabgabe von Hackern auf Schwachstellen<br />

prüfen. Das soll die Systemsicherheit verbessern.<br />

Für gefundene Sicherheitslücken winken Preissummen<br />

zwischen <strong>10</strong>0 und 50 000 Franken. Fragt<br />

sich nur, ob festgestellte Lücken wirklich gemeldet<br />

werden … Die Aktion läuft noch bis 24. März.<br />

Wer hat Angst vor dem Roboter? 15.2.2019<br />

Anlässlich ihres <strong>10</strong>0-Jahr-Jubiläums hat die Gewerkschaft<br />

Angestellte Schweiz den Roboter Pepper als Mitglied aufgenommen.<br />

Der Verband will so herausfinden, wie es um die Akzeptanz<br />

der Roboter bei der Bevölkerung und am Arbeitsplatz bestellt ist.<br />

Ein neuer Schritt nach der Monopolisierung des Internets, den<br />

Online-Arbeitsplattformen und der Gig-Economy.

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