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Sampler / dérive - Zeitschrift für Stadtforschung, Heft 75 (2/2019)

Der Wiener Nordwestbahnhof ziert die Titelseite der 75. Ausgabe von dérive. In einigen Jahren wird er verschwunden sein, wie andere Logistikareale vor ihm. Grund genug seine wechselvolle Geschichte zu erzählen. In aller Munde ist die Kampagne »Deutsche Wohnen & Co. enteignen«, Andrej Holm beleuchtet für dérive die Hintergründe. Ein weiterer Text über das Wohnungswesen analysiert das aus kritischer Perspektive viel zu wenig beachtete Modell der Vorsorgewohnungen. Darüberhinaus stellen wir Protestbewegungen in Wien (Donnerstagsdemos) und Budapest vor. Die reichhaltige Samplerausgabe bietet weiters Texte über die Raumpolitik in der Türkei, Krieg und artifiziellen Städtebau sowie Fahrradbotendienste im Zeitalter des Plattformkapitalismus. Das Heft kann hier https://shop.derive.at/collections/einzelpublikationen/products/sampler-heft-75-2-2019 bestellt werden.

Der Wiener Nordwestbahnhof ziert die Titelseite der 75. Ausgabe von dérive. In einigen Jahren wird er verschwunden sein, wie andere Logistikareale vor ihm. Grund genug seine wechselvolle Geschichte zu erzählen. In aller Munde ist die Kampagne »Deutsche Wohnen & Co. enteignen«, Andrej Holm beleuchtet für dérive die Hintergründe. Ein weiterer Text über das Wohnungswesen analysiert das aus kritischer Perspektive viel zu wenig beachtete Modell der Vorsorgewohnungen. Darüberhinaus stellen wir Protestbewegungen in Wien (Donnerstagsdemos) und Budapest vor. Die reichhaltige Samplerausgabe bietet weiters Texte über die Raumpolitik in der Türkei, Krieg und artifiziellen Städtebau sowie Fahrradbotendienste im Zeitalter des Plattformkapitalismus. Das Heft kann hier https://shop.derive.at/collections/einzelpublikationen/products/sampler-heft-75-2-2019 bestellt werden.

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Editorial<br />

In Österreich stieg die Zahl der zwischen Unternehmen und<br />

ihren KundInnen verschickten Pakete von 2016 auf 2017 um<br />

27,3 Prozent auf über 100 Millionen. Bei etwa 40 Prozent<br />

davon handelt es sich um Retouren. Gleichzeitig verschwinden<br />

große, traditionelle Logistikareale aus den Städten, weil sie<br />

sich, einst an den Rändern gelegen, mittlerweile auf teuren zentralen<br />

Grundstücken befinden. Der Effekt: Weniger große<br />

LKWs, die in die Zentren fahren, da<strong>für</strong> viel mehr Kleintransporter<br />

auf den Straßen. »Die Ökobilanz dieser Verlagerung fällt<br />

eindeutig negativ aus«, schreiben Michael Hieslmair und<br />

Michael Zinganel in ihrem Beitrag Der Wiener Nordwestbahnhof<br />

– Geschichte eines Logistik-Knotens. Die ereignisreiche und<br />

wechselvolle Geschichte des Nordwestbahnhofs wird demnächst<br />

zu Ende gehen, weil auf seinem Areal Wohnungen <strong>für</strong><br />

15.000 Menschen gebaut werden. Für uns Grund genug, einen<br />

Blick zurück zu werfen und seine Geschichte zu erzählen.<br />

Nicht die Vergangenheit, sondern die Gegenwart der<br />

Logistik ist eines der Themen in Benjamin Herrs Artikel<br />

Alle Macht den Rädern – Fahrradkuriere und Plattformen im<br />

urbanen Kapitalismus, in dem es auch um Prekarität im<br />

Gewerbe der Botendienste sowie Arbeitsrechte und -kämpfe<br />

im Zeitalter der Digitalisierung geht. Benjamin Herr war zum<br />

selben Thema übrigens auch Gast in der Aprilsendung von<br />

Radio <strong>dérive</strong>, die auf unserer Website – ebenso wie alle anderen<br />

Sendungen von Radio <strong>dérive</strong> – nachgehört werden kann.<br />

Neben Logistik gibt es einen zweiten kleinen Schwerpunkt<br />

in dieser <strong>Sampler</strong>-Ausgabe, der sich mit Widerstand und<br />

Protestkultur, Sichtbarkeit und Hegemonie im öffentlichen<br />

Raum beschäftigt. Schließlich finden in vielen europäischen<br />

Städten seit Monaten regelmäßig Demonstrationen und Proteste<br />

statt – von Belgrad und Sarajevo über Berlin, Wien und<br />

Budapest bis zu den Gelbwesten in Paris und anderen französischen<br />

Städten. Eine der derzeit kontinuierlichsten Protestformen<br />

in Wien und anderen österreichischen Städten bilden<br />

die sogenannten Donnerstagsdemos: Sie richten sich einerseits<br />

gegen die rechts-rechtsextreme österreichische Regierung<br />

und sollen andererseits eine Bühne und einen Vernetzungsraum<br />

<strong>für</strong> die Vielfalt an Menschen bieten, die an einer Veränderung<br />

der gesellschaftspolitischen Verhältnisse arbeiten. »Fix z’am«<br />

lautet der Slogan. Wir haben mit Gabu Heindl und Can Gülcü<br />

zwei VertreterInnen des Organisations-Teams zum Interview<br />

gebeten. Was die Proteste in Wien mit jenen in Budapest<br />

eint, ist das Streben nach einer demokratischeren Gesellschaft<br />

und die Kritik an einer autoritären, antiurbanen Regierung.<br />

In Budapest, zeigt Gabriella Csoszó in ihrem Text <strong>für</strong><br />

<strong>dérive</strong>, geht es konkret um ganz bestimmte Plätze, wie etwa den<br />

Kossuth-Platz, und um die laufenden Versuche, die Definitionshoheit<br />

über sie zu gewinnen. Dieser Kampf wird mit dem<br />

Aufstellen und Entfernen von Denkmälern, mit Präsenz, Subversion<br />

und Protest ausgetragen.<br />

Gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn gingen Anfang<br />

April in Berlin und anderen deutschen Städten Tausende auf<br />

die Straßen. Die Berliner Kampagne Deutsche Wohnen & Co.<br />

enteignen macht seit Monaten internationale Schlagzeilen und<br />

erhält bei Meinungsumfragen unerwartet großen Rückhalt aus<br />

der Bevölkerung. Gleichzeitig erfährt sie immer schrillere<br />

Kritik (»DDR-Methoden«) von den ideologischen UnterstützerInnen<br />

und ökonomischen ProfiteurInnen des herrschenden<br />

Systems, das weder in der Lage, noch gewillt zu sein scheint,<br />

Wohnraum zu leistbaren Mieten <strong>für</strong> die Berliner Bevölkerung<br />

zur Verfügung zu stellen. Andrej Holm, aktuell Partner<br />

von <strong>dérive</strong> bei einem Forschungsprojekt über Neues Soziales<br />

Wohnen an der TU Wien, hat Daten, Fakten und Argumente<br />

rund um die Kampagne und ihr Thema zusammengetragen<br />

und dazu einen Artikel <strong>für</strong> die vorliegende Ausgabe verfasst.<br />

Kritik an den Auswüchsen bzw. mittlerweile leider<br />

schon Selbstverständlichkeiten des aktuellen Immobilienmarkts<br />

formuliert auch Anita Aigner: Sie hat sich das Konzept der<br />

Vorsorgewohnungen im Detail angesehen, das Wohnen tatsächlich<br />

nur mehr als Ware und Anlageprodukt sieht und speziell<br />

auf KleininvestorInnen zugeschnitten ist.<br />

Die Brücke zum Interview mit den drei StadtforscherInnen<br />

Selin Yazıcı, Ahmet Yıldırım und Erbatur Çavuşoğlu über<br />

Raumpolitik als Herrschaftsinstrument in der Türkei gelingt<br />

noch einmal über das Thema Widerstand und Protest. Mahalleler<br />

Birliği heißt eine Plattform von Stadtteilinitiativen, die<br />

sowohl <strong>für</strong> die rechtliche Sicherheit in ihren Wohnvierteln eintreten<br />

als auch gegen Projekte der Stadterneuerung ohne Involvierung<br />

der BewohnerInnen kämpfen. Dabei geht es auch um<br />

die Zerstörung der Altstadt von Diyarbakır im Zuge einer<br />

monatelangen Militäraktion im Jahr 2015, was uns zum letzten<br />

Beitrag dieses <strong>Sampler</strong>s führt. Die Soziologin und Kriminologin<br />

Andrea Kretschmann setzt sich darin mit Urban<br />

Warfare auseinander: Sie beforscht artifizielle Städte, die weltweit<br />

von Armeen errichtet werden, um den Krieg in den<br />

Städten zu trainieren.<br />

Das Kunstinsert Transport und Transformation stammt<br />

von Sonja Gangl, die großformatige, minutiöse Zeichnungen<br />

von Abfallprodukten der Konsumgesellschaft erstellt. »Die<br />

einzigartige Akribie ihres Bleistiftstriches wird zum Stilmittel,<br />

das den Sujets – kontrastierend zum Nichtwert der Objekte –<br />

<strong>für</strong> den Betrachter einen Wert verleiht,« schreibt Paul Rajakovics<br />

im Text zum Insert.<br />

Ein Hinweis zum Abschluss: Das Frühjahrsprogramm<br />

der Reihe Stadt Streifen von Cinema <strong>dérive</strong> beschließen wir am<br />

28. April, wie immer um 13 Uhr, im Wiener Filmcasino mit<br />

einem brandneuen Dokumentarfilm über die weltweite<br />

Wohnungskrise als Preview-Vorstellung: Der bereits bei der<br />

Weltpremiere ausgezeichnete Film PUSH von Fredrik Gertten<br />

folgt der UN-Sonderberichterstatterin Leilani Farha auf den<br />

Spuren der Finanzialisierung der Immobilienmärkte rund um<br />

die Welt. Die UN-Sonderberichterstatterin <strong>für</strong> das Recht auf<br />

Wohnen trifft dabei verzweifelte BewohnerInnen und Nachbarschaftsinitiativen<br />

ebenso wie Soziologin Saskia Sassen, Ökonomie-Nobelpreisträger<br />

Josef Stiglitz, Mafia-Aufdecker Roberto<br />

Saviano oder PAH-Gründerin und Bürgermeisterin von<br />

Barcelona Ada Colau. Im Anschluss bitten wir zum Filmgespräch<br />

mit Lukas Tockner, Referent <strong>für</strong> Wohnpolitik der AK Wien.<br />

Schauen Sie sich das an!<br />

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