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AKTUELLES<br />
zum zentralen Heiligtum der Juden<br />
wurde. Heute ist die Stadt allen drei<br />
monotheistischen Weltreligionen heilig:<br />
den Juden ebenso wie den Christen<br />
und den Muslimen, die – außer ihrer<br />
„Haddsch“ genannten Wallfahrt nach<br />
Mekka und Medina – bevorzugt den Felsendom<br />
in Jerusalem besuchen. Aber<br />
das Phänomen der Pilgerschaft gibt es<br />
in allen Kulturen und Glaubenssystemen.<br />
„Was das Herz berührt,<br />
setzt Füße in Bewegung“<br />
Woran liegt Ihrer Meinung nach das<br />
derzeit hohe Interesse am Pilgern?<br />
Kriener: Heute ist die Überflutung der<br />
medialen Angebote unendlich. Jeder<br />
Computer, jedes Handy bekommt<br />
Speichererweiterungen – doch was<br />
bekommt unser Körper, unser Gehirn?<br />
Wir schaffen es fast nicht mehr, im täglichen<br />
Leben uns auf das Wesentliche<br />
zu reduzieren. Zu viel wirkt auf uns von<br />
außen ein. Reduktion, das Einfache,<br />
sich selbst entscheiden lassen und sich<br />
spüren, sich finden – das sind Sehnsüchte,<br />
die Menschen haben und die<br />
sich auf einem Pilgerweg erfüllen können.<br />
Und Orte aufsuchen, die Ruhe und<br />
Kraft bieten. Dabei sind Stifte und Klöster<br />
wesentlich, die ihre Räume für Pilger<br />
öffnen und so diese Kraftorte des<br />
Glaubens zugänglich machen. Hier hat<br />
auch ein Umdenken stattgefunden, das<br />
den Pilgeraufschwung unterstützt.<br />
Ist das nur ein europäischer Trend?<br />
Kriener: Nein, allein die Pilgerzahlen<br />
vom Jakobsweg in Spanien sind schon<br />
fast erschreckend: 1970 waren es 68 Pilger,<br />
1990 waren es 4918, 2006 waren es<br />
100.377 und letztes Jahr bereits 327.378.<br />
Diese Pilger kamen aus der ganzen<br />
Welt, also ist dies nicht ein europäisches<br />
Bedürfnis, es ist ein rein menschliches<br />
Bedürfnis ohne kulturelle Einschränkungen.<br />
Und die Angebote werden<br />
mehr, denn auch hier breitet sich<br />
ein Pilgermarkt mit allen seinen Möglichkeiten<br />
aus: von all inclusive bis zu<br />
5-Sterne-Pilger-Herbergen wird schon<br />
alles angeboten.<br />
Droht unter dem Massenansturm das<br />
eigentliche Ziel zu verschwinden?<br />
Kriener: Ich bin der Meinung, dass sich<br />
das „normale, einfache“ Pilgern mit<br />
zusätzlichen spannenden und lebensbejahenden<br />
Wegangeboten weiterentwickeln<br />
wird. Das Pilgerangebot ist sehr<br />
groß und jeder wird, wenn er bereit<br />
dazu ist, seinen Weg zu gehen finden.<br />
Was das Herz berührt, setzt Füße in<br />
Bewegung ist ein Sprichwort aus Ruanda<br />
und dies trifft auf ehrliche Pilger zu.<br />
„Pilgerwege haben eine Geschichte,<br />
die es wert ist, sie zu begehen“<br />
Welche Pilgerwege führen denn durch<br />
unsere Region?<br />
Kriener: Da sind die grenzüberschreitenden<br />
Pilgerwege Via Nova, Via Maria<br />
und Wolfgangweg, der Granatzweg entlang<br />
der alten Grenze zwischen Österreich<br />
und dem damals bayerischen<br />
Innviertel, der Marien-Wanderweg und<br />
verschiedene Jakobswege, der Jerusalemweg,<br />
der von Santiago de Compostela<br />
über unsere Region bis nach Jerusalem<br />
führt und der Weg des Buches,<br />
auf dem Protestanten während der<br />
Gegenreformation Bibeln von Ortenburg<br />
nach Österreich schmuggelten.<br />
Details findet man unter pilgerwege.at<br />
und im neuen Folder Pilgern in Oberösterreich.<br />
Warum ist es denn überhaupt nötig<br />
oder sinnvoll, ausgewiesenen Pilgerwegen<br />
zu folgen?<br />
Kriener: Diese Wege sind ausgeschildert,<br />
man kann sich informieren, es<br />
gibt Wegepläne, es gibt Apps dazu.<br />
Noch dazu ist auch bei den Wegen<br />
die Infrastruktur bereits organisiert,<br />
wie Übernachtungsmöglichkeiten, Busbzw.<br />
Taxi-Fahrmöglichkeiten für alle<br />
Fälle. Und man bekommt Hinweise zu<br />
Sehenswürdigkeiten. Und all diese Pilgerwege<br />
haben eine Geschichte, die es<br />
wert ist, sie zu begehen. Natürlich kann<br />
man auch seinen eigenen Pilgerweg finden<br />
und gehen, dies ist eine persönliche<br />
Erfahrung ohne Vorkenntnisse.<br />
Auf der Via Nova könnte ich von Bad<br />
Füssing-Aigen über Mühlheim und<br />
Mining, Ering und Kößlarn, Rotthalmünster<br />
und Kirchham ständig im<br />
Kreis gehen –Wann bin ich dann am<br />
Ziel angekommen?<br />
Kriener: Das ist die Frage, die jeder selber<br />
beantworten muss. Wann bin ich<br />
wirklich an meinem Ziel angekommen.<br />
Einer wird die ganze Runde gehen und<br />
kein Ziel erreichen, der andere geht<br />
eine Etappe und findet seine Ziele, seine<br />
Bestimmung. Denn der Weg wird<br />
was mit dem Pilger machen. Er alleine<br />
wird dies beantworten und feststellen.<br />
Der Weg dient nur als Unterlage für<br />
jeden Schritt für seine Bestimmung, für<br />
sein zu sich finden.<br />
Martin Semmler<br />
@Info zu regionalen Pilgerwegen:<br />
Granatzweg:<br />
granatz.com<br />
Jakobswege:<br />
www.jakobswege-a.eu/<br />
Jerusalemweg:<br />
www.jerusalemway.org<br />
Marien-Wanderweg:<br />
seelentium.at/index.php?id=378<br />
Via Nova:<br />
www.pilgerweg-vianova.eu<br />
Wolfgangweg:<br />
tinyurl.com/TLM-WolfgangWeg<br />
Weg des Buches:<br />
www.wegdesbuches.at<br />
Friedrich Kriener (*1960) ist nach eigener<br />
Aussage nach führenden Marketingpostionen<br />
bei der Plansee AG,<br />
Media Markt Österreich, VATECH Linz<br />
und einer Erkrankung jetzt auf dem<br />
Weg, „auf meinem Weg“. „Ich finde<br />
mich täglich neu und bin offen für<br />
Erkenntnisse, die ich wahrnehmen<br />
darf“, sagt der zweifache Familienvater.<br />
„Dies ist sehr spannend und<br />
erfüllend.“ Kriener engagiert sich als<br />
Pfarrgemeinderat und Pfarrkirchenrat<br />
in der Pfarre St. Marien, Amstetten-<br />
Allersdorf. die er auch als persönlichen<br />
Kraftplatz empfindet, wie viele<br />
Plätze in der Natur. Zur Zeit absolviert<br />
er eine Ausbildung zum Pilgerbegleiter.<br />
10 www.thermenland-magazin.de