gie_05_2019
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UNTERNEHMEN & MÄRKTE<br />
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Fahrzeugbau Maschinenbau Gießerei-Industrie<br />
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Jan 16 Jan 17 Jan 18 Jan 19<br />
ernder Trend bestätigen: Die Verlagerung<br />
der Inlandsproduktion ins Ausland. Dies<br />
führt einerseits zu einer rückläufigen innerdeutschen<br />
Pkw-Produktion und andererseits<br />
zu einer Fertigungszunahme im<br />
Ausland. Entsprechend sind bei einigen<br />
deutschen Automobilherstellern Modellverlagerungen<br />
innerhalb Europas zu beobachten.<br />
Doch es treten ebenfalls Verlagerungen<br />
ins Nicht-EU-Ausland auf, die<br />
mit dem Potenzial des verlagerten Komponenteneinkaufs<br />
verbunden sind.<br />
Insgesamt dürfte der Fahrzeugbau<br />
(Pkw) in Europa das 2018er-Produktionsniveau<br />
bestenfalls halten können. Da die<br />
meisten Fahrzeugbau<strong>gie</strong>ßereien international,<br />
zumindest aber europäisch, zuliefern,<br />
dürfte das Szenario des europäischen<br />
Marktes das wichtigste sein.<br />
Darüber hinaus stehen die OEMs vor<br />
weiteren Herausforderungen: Zwar werden<br />
die WLTP-Nachwehen weiter abebben,<br />
doch am Horizont tauchen die EVAP-<br />
Problematik sowie die Verschärfung der<br />
RDE-Prüfung (Real Driving Emissions) auf.<br />
Hinter dem EVAP-Test (Evaporative Emissions)<br />
verbirgt sich eine ab 1.09.<strong>2019</strong><br />
gültige neue Prüfung von Tank und Kraftstoffleitungssystem<br />
aller Neuwagen in<br />
Europa bzgl. der Ausdünstung von Kraftstoffen.<br />
Auf dem internationalen Markt ergeben<br />
sich zudem Unwägbarkeiten durch<br />
potenzielle Zollsteigerungen beim Export<br />
in die USA, betreffend sowohl Pkw als<br />
auch Komponenten. Diese Diskussion ist<br />
unverändert in der Schwebe. Die jüngsten<br />
Signale von den chinesischen Märkten<br />
sind indes ambivalent. Im Automobilmarkt<br />
sank das Marktvolumen im Januar und<br />
Februar deutlich gegenüber den Vorjahresmonaten.<br />
Allerdings zeigen die bereits<br />
eingeführten Konjunkturmaßnahmen der<br />
chinesischen Re<strong>gie</strong>rung zur Stützung der<br />
Nachfrage und Ankurbelung der Wirtschaft<br />
schon ihre Wirkung. Schwächesignale<br />
kommen außerdem aus der Großregion<br />
Nordamerika.<br />
Maschinenbau<br />
Die zweitwichtigste Kundengruppe – der<br />
allgemeine Anlagen- und Maschinenbau<br />
– geht auf ein weiteres Wachstumsjahr<br />
mit Vorbehalten zu. Die Erstprognose für<br />
das Jahr <strong>2019</strong> lag bei plus zwei Prozent<br />
basierend auf hohen Auftragsbeständen<br />
und Durchlaufzeiten. Zum Start der Hannover<br />
Messe wurde diese Prognose bereits<br />
halbiert. Für Gießereien stellt sich<br />
hier die Frage, inwieweit das Abarbeiten<br />
von Auftragsbeständen im Maschinenbau<br />
mit „historischer“ Gussproduktion verbunden<br />
ist. Schließlich werden normalerweise<br />
am Anfang der Durchlaufzeiten die<br />
Gusskomponenten angefordert.<br />
Viele Sparten, die für die Gießerei-<br />
Industrie wichtig sind, schauen in unterschiedlicher<br />
Intensität gedämpft optimistisch<br />
in das Jahr <strong>2019</strong>. Das bedeutet nicht<br />
zwingend weitere Steigerungen! Angesichts<br />
der ausgelasteten Kapazitäten ist<br />
das Halten des Niveaus schon eine logistische<br />
Meisterleistung für viele Unternehmen.<br />
Ausnahmen gibt es, positive wie<br />
negative.<br />
Szenarien<br />
Ein Minus für die deutsche Gussproduktion<br />
ist mittlerweile durchaus absehbar.<br />
Trotz der sich abzeichnenden Konjunkturschwäche<br />
wäre jedoch ein starker Einbruch<br />
aktuell nur vorstellbar, wenn exogene<br />
Faktoren zum Tragen kommen, welche<br />
die Gesamtkonjunktur zusätzlich<br />
treffen. Das wären zum Beispiel eine starke<br />
handelspolitische Eskalation sowie ein<br />
harter Brexit bzw. andere geopolitische<br />
Ereignisse. Nachdem die Brexit-Entwicklung<br />
nun eine Verlängerung bis Oktober<br />
<strong>2019</strong> beinhaltet und dennoch komplett<br />
offen ist, sind leider alle Szenarien denkbar.<br />
Die Gießereien und ihre Zulieferer<br />
sind hier hoffentlich vorbereitet ihren Teil<br />
zur Stabilisierung der Lieferketten beizutragen.<br />
Weiterhin befinden sich alle Handelsstreitigkeiten<br />
zwischen den USA und<br />
China in der Schwebe und können sich<br />
jederzeit über Kollateraleffekte auf die EU<br />
auswirken.<br />
Nach aktueller Datenlage haben die<br />
deutschen Gießereien somit im „Best<br />
Case“ die größte Chance, in Summe das<br />
Jahr <strong>2019</strong> mit annähernd dem gleichen<br />
Produktionsniveau wie 2018 zu bewältigen.<br />
Dafür sprechen zum einen die guten<br />
Auftragsbestände bei den Maschinenbau<strong>gie</strong>ßereien,<br />
welche mehr Substanz zu haben<br />
scheinen als in der Hochphase<br />
2007/2008. Zum anderen würde zu diesem<br />
Szenario allerdings auch gehören,<br />
dass die Gießereien, welche dem Fahrzeugbau<br />
zuliefern, in der Produktion<br />
knapp das Vorjahresniveau halten können.<br />
Die Wahrscheinlichkeit, die Produktion<br />
im Jahr <strong>2019</strong> deutlich zu steigern und mit<br />
einem Plus von mehr als fünf Prozent abschließen<br />
zu können, ist gering. Dem stehen<br />
beim aktuellen Produktionsniveau die<br />
hohe Auslastung und die, zu Recht, mit<br />
Augenmaß betriebenen Erweiterungsinvestitionen<br />
gegenüber. Die gesamtkonjunkturellen<br />
Abschwächungssignale bieten<br />
zudem kaum Raum für signifikante<br />
Belebungen.<br />
Elektromobilität<br />
Die Frage nach der E-Mobilität stellt sich<br />
natürlich dauerhaft. Insbesondere gilt<br />
dies, wenn man die Ankündigungen der<br />
OEMs bzgl. neuer Stromer-Modelle registriert.<br />
Die zugehörigen Szenarien wurden<br />
bei der Großen Gießereitechnischen Tagung<br />
in Salzburg im April 2018 vorgestellt<br />
und in den GIESSEREI-Ausgaben von April<br />
und Juli letzten Jahres publiziert. Natürlich<br />
bereiten sich alle Gießereien darauf vor,<br />
wie ihr Geschäftsmodell bei zunehmender<br />
Hybridisierung bzw. Elektrifizierung der<br />
Fahrzeuge Bestand haben kann bzw. modifiziert<br />
oder womöglich vollständig umgewälzt<br />
werden muss. Dies sind allerdings<br />
unternehmensindividuelle strategische<br />
Fragestellungen vor dem Hintergrund von<br />
steigenden Gussbedarfen auf Sicht der<br />
nächsten Dekade.<br />
Dipl.-Hdl. Heiko Lickfett und<br />
Sophie Steffen, M. Sc.<br />
Bundesverband der Deutschen<br />
Gießerei-Industrie BDG, Düsseldorf<br />
70 GIESSEREI 106 <strong>05</strong>/<strong>2019</strong>