gie_05_2019
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Frei nach Loriot: Ein Leben ohne Walzenguss<br />
ist möglich, aber sinnlos. Groß, dreckig<br />
und laut – das ist genau nach Anja<br />
Borns Geschmack<br />
Anja und die Walzen<br />
Beruflich konnte sich Anja Born nach ihrem Abitur vor gut 20 Jahren so manches vorstellen.<br />
Nur eines stand für die junge Frau damals fest: Ein technischer Beruf kommt<br />
definitiv nicht infrage. Über Umwege entdeckte sie jedoch ihre Begeisterung für das<br />
Gießen. Insbesondere Großgussteile haben es ihr angetan. Als Mitarbeiterin der Arbeitsvorbereitung<br />
Walzenguss bei der Walzen<strong>gie</strong>ßerei Coswig GmbH in der Nähe von<br />
Dresden steht sie seit nunmehr 13 Jahren tagtäglich ihre Frau.<br />
VON KARIN HARDTKE, NEUSS<br />
FOTOS: TEKA<br />
Die Profilwalze, die gerade aus der<br />
Grube geholt wird, wiegt circa 46<br />
Tonnen und war vorher für 24<br />
Stunden zum Erstarren in der Form. Jetzt<br />
wird sie in die Glühkammer überführt“,<br />
erklärt Anja Born. Fünfzehn Glühkammern<br />
gebe es insgesamt, fügt sie an. Die 40-Jährige<br />
nickt den Kollegen kurz zu, rückt ihren<br />
Helm zurecht und geht zügigen Schrittes<br />
in Richtung des größten der insgesamt<br />
vier Gießöfen in dieser Halle, um dort mit<br />
den Kollegen über einen bevorstehenden<br />
Abguss zu sprechen. Mehr als ein Dutzend<br />
Walzen verlassen jede Woche die Gießerei.<br />
Die schwerste Walze brachte stolze 60<br />
Tonnen auf die Waage. „Die Planung<br />
dieses Abgusses war für uns in der Arbeitsvorbereitung<br />
eine ganz schöne Herausforderung“,<br />
erinnert sich Born. Und<br />
man könne nie ganz sicher sein, dass alle<br />
Parameter innerhalb der vorgegebenen<br />
Toleranzen blieben. Dass ab und an mal<br />
etwas schiefläuft, sei halt Gießereialltag.<br />
„Dann herauszufinden, woran es gelegen<br />
hat, ist genauso spannend, wie die Vorbereitung<br />
eines Abgusses.“ Der Walzenguss<br />
sei eh etwas Besonderes und Spezielles,<br />
findet Born. „Ich möchte diese spannende<br />
Arbeit keinen Tag missen“.<br />
Die Walzen<strong>gie</strong>ßerei Coswig GmbH gibt<br />
es bereits seit 1892. Sie gehört seit 1996<br />
zum Gießereiverbund der DIHAG Holding<br />
GmbH in Essen. Das Unternehmen ist<br />
spezialisiert auf Walzenguss und Handformguss.<br />
Mit rund 260 Mitarbeitern werden<br />
in beiden Geschäftsbereichen jedes<br />
Über 15 Glühkammern verfügt die Walzen<strong>gie</strong>ßerei. Rund 850 Grad haben die Walzen<br />
nach 24 Stunden Abkühlung noch.<br />
Jahr mehr als 30 000 Tonnen Guss verarbeitet:<br />
auf der einen Seite zu Profilwalzen,<br />
Stauchwalzen oder Walzringen – auf der<br />
anderen Seite zu Rotorhohlwellen, Mahlplatten<br />
oder Getriebegehäusen. Zu den<br />
Abnehmern zählen Stahl- und Walzwerke,<br />
Hüttenwerke sowie Hersteller von Windener<strong>gie</strong>anlagen,<br />
Druckmaschinen, Mahlund<br />
Zerkleinerungsmaschinen sowie Maschinenbauer<br />
aus verschiedenen Bereichen.<br />
Wenn von den Kunden gewünscht,<br />
bietet die Gießerei einen kompletten Service<br />
aus einer Hand an – von der Entwicklung<br />
bis hin zur fachgerechten Nachkalibrierung.<br />
In den vergangenen Jahren wurde<br />
kräftig investiert – in den Aufbau einer<br />
neuen Gießerei für Handformguss, zwei<br />
neue Glühkammern, eine CNC-Karusselldrehmaschine<br />
und eine automatisierte<br />
Wasservergütungsanlage für Walzen beispielsweise.<br />
Ferienjob bei den Werkstoffprüfern<br />
im Stahlwerk<br />
Anja Born stammt aus dem südbrandenburgischen<br />
Dorf Prösen an der sächsischen<br />
Grenze zwischen Cottbus und Dresden.<br />
Gerade einmal 1,60 m groß, äußerst<br />
zierlich, blonder Pagenschnitt – auf den<br />
GIESSEREI 106 <strong>05</strong>/<strong>2019</strong> 73