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KULTUR | BÜHNE<br />

D – Konstanz | Theater oder Zirkus? Bühne oder Manege?<br />

Schauspieler oder Clown? Fragen über Fragen, auf die das<br />

Theater Konstanz in diesem Sommer eine besondere Antwort<br />

hat: Das Zirkuszelt auf Klein Venedig. Der Spielort verspricht<br />

außergewöhnliche Theatererlebnisse.<br />

Wenn Theater und Zirkus aufeinandertreffen, darf einer nicht<br />

fehlen: Olli Hauenstein. Der Schweizer Clown, Komiker und<br />

Schauspieler zählt in Europa zu den renommiertesten seines<br />

Fachs. Er liebt seinen Beruf, obwohl der Zirkus und das Varieté<br />

seiner Erfahrung nach im Vergleich zum Theater noch immer zu<br />

den gesellschaftlich weniger anerkannten Künsten zählen. „Es<br />

gibt nur wenige Stadttheater, die ihre Türen für einen Clown<br />

öffnen“, so Hauenstein. Umso mehr schätzt er Christoph Nix,<br />

seit Beginn der Spielzeit 2006/2007 Intendant am Theater Konstanz,<br />

der den Clowns schon mehrfach eine Bühne gegeben hat.<br />

Nix trat selbst bereits als Clown im Europa Circus Bügler auf. Er<br />

hat das Genre gelernt. „Clown ist die hohe Kunst“, zitiert Olli<br />

Hauenstein den Intendanten anerkennend.<br />

Eines der Stücke im Zirkuszelt auf Klein Venedig wird „Foottit<br />

und Chocolat“ sein. Ein Zirkusspiel von Christoph Nix nach einer<br />

wahren Geschichte – und eine Hommage an die Menschlichkeit<br />

im Angesicht der Clownerie. Der Intendant kam auf Olli Hauenstein<br />

zu, „wofür ich ihm sehr dankbar bin“, so der Künstler, der<br />

die Figur des Foottit verkörpern und zudem die Clownsnummern<br />

in dem Stück inszenieren wird. Mark Zurmühle, Schauspieldirektor<br />

am Theater Konstanz, zeichnet daneben für den Theaterteil<br />

des Dramas verantwortlich. Für Hauenstein ein nicht unwichtiger<br />

Punkt: „Es ist gut, dass mich jemand von außen führt,<br />

da ich neben der Inszenierung auch eine Hauptrolle spiele.“<br />

Bei Clownsnummern lasse sich nur wenig vorab<br />

am Schreibtisch planen, viel müsse auf der Bühne<br />

erarbeitet werden. Auch Christoph Nix selbst wird<br />

mit Zurmühle und Hauenstein das Stück in Szene<br />

setzen. Ob der Intendant allerdings selbst auf der<br />

Bühne stehen wird, bleibt wohl bis zur Premiere<br />

offen. „Ich würde mich sehr freuen, wenn Nix<br />

als Clown zu sehen wäre. Denn er hat eben den<br />

Mut gehabt, Clowns auf die Theaterbühne zu<br />

holen“, so Olli Hauenstein.<br />

Eine wahre Geschichte<br />

Für Olli Hauenstein ist das Stück eine große<br />

Herausforderung, aber vor allem eine tolle<br />

Chance, „mit einem fantastischen Ensemble<br />

zusammenzuarbeiten und meine Ideen<br />

zu verwirklichen“. Die Geschichte über<br />

Aufstieg und Fall des Rafael Padilla, des<br />

ersten schwarzen Clowns, war lange<br />

vergessen – und ist heute noch immer<br />

aktuell. Clown George Foottit war bereits<br />

als Solist erfolgreich. „Er verkörperte<br />

die Pierot-Figur, aus der später der englische<br />

Harlekin hervorging“, weiß Hauenstein, der die<br />

historisch belegten Clownsnummern für das Theater<br />

Konstanz neu geschrieben hat. Auf der Suche nach<br />

einem neuen Manegenpartner entdeckte Foottit dann<br />

den aus der kubanischen Sklaverei entflohenen Rafael<br />

Padilla. Aus ihm wird Chocolat. Gemeinsam treten sie als autoritärer<br />

Weißclown, der weiß, wo es lang geht und die Regeln vorgibt,<br />

und schwarzer Dummer August auf. Sie feiern damit Anfang<br />

des 20. Jahrhunderts große Erfolge. „Es ist erschreckend“, so<br />

Hauenstein. „Foottit hat Chocolat geschlagen und diskriminiert<br />

– doch genau das kam beim Pariser Publikum gut an.“ Dennoch<br />

entwickelt sich eine Freundschaft zwischen den beiden. „Doch im<br />

Laufe der Zeit war diese infrage gestellt. Was ist Freundschaft,<br />

was geschäftliche Abhängigkeit?“ Hauenstein erklärt weiter das<br />

Phänomen dahinter, welches auch heute in vielen Geschäftsbeziehungen<br />

sicher ein Thema ist: „Chocolat war auch schlechter<br />

bezahlt als Foottit. Er war sein Angestellter. Man kann empört<br />

sein, andererseits hatte Foottit auch die Kreativität reingebracht<br />

und zeichnete für den Erfolg verantwortlich, er hatte unternehmerisches<br />

Risiko.“ Chocolat wird neben Foottit zur Berühmtheit,<br />

möchte sich aber nicht weiter diskriminieren lassen und befreit<br />

sich von seinem weißen Partner. Der Start als ernsthafter Schauspieler<br />

in Shakespears Othello misslingt jedoch. „Das Publikum<br />

wollte keinen Schwarzen auf der Bühne sehen“, erklärt Hauenstein.<br />

Chocolat verliert die Arbeit und stürzt ab.<br />

Lachen, nachdenken, spüren<br />

„Diese Geschichte zeigt, wie eine Gesellschaft Menschen in eine<br />

bestimmte Rolle zwängt“, so Olli Hauenstein nachdenklich.<br />

„Diese Situation erleben heute noch viele Menschen. Manche<br />

hautnah, wenn sie um gerechtere Löhne kämpfen, manche durch<br />

das Fernsehen, wenn Berichte von Sklaverei mitten in Europa in<br />

heutiger Zeit zu sehen sind.“ Dieser gesellschaftliche Konflikt soll<br />

auch auf der Konstanzer Zirkusbühne das Publikum berühren.<br />

„Das Publikum soll nachdenken, aber auch einfach lachen und<br />

Spaß haben bei diesem Stück. Und es soll spüren. Denn Zirkus<br />

spürt man einfach hautnah.“<br />

Hereinspaziert!<br />

Neben „Foottit und Chocolat“ werden im Zelt der Familie Bügler,<br />

die ihren Circus Salto Mortale bereits in der achten Generation<br />

führt, noch weitere Stücke gezeigt sowie Konzerte und Workshops,<br />

Zirkusshows zum Staunen mit Clowns und Akrobaten<br />

und ein großes kulinarisches Angebot.<br />

ab 15.06.<br />

Zirkusschauspiel „Foottit und Chocolat“,<br />

Beginn jeweils 20 Uhr<br />

ab 26.06.<br />

Junges Theater Konstanz mit „Sagt der Walfisch zum<br />

Thunfisch“, Beginn jeweils 10 Uhr<br />

ab 29.06.<br />

Seiltänzerstück „Katharina Knie“,<br />

Beginn jeweils 21 Uhr, Freilichtbühne<br />

Zirkuszelt auf Klein Venedig | D-78462 Konstanz<br />

alle Stücke, Termine und Workshops auf<br />

www.theaterkonstanz.de,<br />

Tickethotline +49 (0)7531 900 150<br />

TEXT: TANJA HORLACHER<br />

FOTO: THEATER KONSTANZ/ILJA MESS<br />

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