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06_2019 HEINZ MAGAZIN Bochum, Herne, Witten

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Provokante<br />

Schönheit<br />

Kunst soll nicht (mehr) in erster Linie schönsein, siesollfordern, Irritationen<br />

in der Wahrnehmungerzeugen, Brüche in derWirklichkeit,Utopien<br />

aufzeigen, Dingeanders und neu denken. Deshalb ist<br />

es aucheine Provokation, wenn das Duisburger Lehmbruck-Museum<br />

seine Jubiläumsausstellung „Schönheit“nennt.<br />

Auguste Rodin: Le penseur, Musée Rodin Paris ©Christian Baraja<br />

A<br />

nlass der Schau ist der 100. Todestag des berühmten<br />

Duisburger Bildhauers Wilhelm Lehmbruck, nach dem<br />

das Museum benanntund der am 25.März1919 in Berlin gestorben<br />

ist. In der Ausstellung treffen mit Werken von Auguste Rodin und<br />

Wilhelm Lehmbruckdie Arbeitenzweier Meisterder Moderne aufeinander<br />

und lassen unterschiedliche Schönheitsideale inder Kunst<br />

und die Offenheit des Begriffs erfahren.<br />

„In den vergangenen Jahren haben wir für unsere<br />

Ausstellungen immer programmatische<br />

Titel wie ‚Kunst und Kapital‘ gewählt“, erklärt<br />

Museumsleiterin Söke Dinkla. „Für die Jubiläumsschau<br />

spannen wir den Bogen zurück in<br />

die Zeit der beidenKünstler, in die Belle Époque, die Zeit der Akademien<br />

der schönen Künste.“ Die Schau erzählt vom Paradigmenwechsel<br />

der künstlerischen Avantgarde der Moderne, deren Schönheitsideal<br />

und damit auch das Menschenbild sich im Wechsel vom<br />

19. zum 20. Jahrhundertveränderten.<br />

Mit dem beginnenden 20. Jahrhundert gilt das<br />

Schöne nichtmehrunbedingt alsdas Wahreund<br />

Gute, sondern als das Schöngemachte, Schmeichelnde<br />

und daher Unwahre. Auguste Rodin<br />

fasst die Umdeutung des Schönen so zusammen:<br />

„Hässlich in der Kunst ist das, was künstlich ist;<br />

was hübsch oder schön zusein versucht, ohne<br />

ausdrucksstark zu sein.“ Es ist verbürgt, dass der<br />

41 Jahre jüngere Wilhelm Lehmbruck 1904 eine<br />

Rodin-Ausstellung in Düsseldorfbesucht hatund<br />

es ist sehr wahrscheinlich, dass erwegen ihm<br />

nach Paris gezogen ist. Durch seine Frau Anita<br />

wissen wir, dass esauch ein Treffen der beiden<br />

Bildhauergab.DochLehmbruck eifertedem älteren,<br />

etablierten Kollegen nicht bloß nach –er<br />

rieb sich an seinem Werk. Seinen „Sitzenden<br />

Jüngling“ von 1915/16 bezeichnete Lehmbruck<br />

auch als „Der Denker“ und bezog sich damit di-<br />

„Hässlichinder Kunst ist<br />

das, waskünstlichist;was<br />

hübschoderschön zu sein<br />

versucht,ohne ausdrucksstarkzusein.“<br />

Wilhelm Lehmbruck: Emporsteigender Jüngling, 1914 ©Jürgen Diemer<br />

rekt auf die berühmte Skulptur Rodins, diezwischen1880 und1882<br />

entstand. Während Rodins Denker mit seinem muskulösen Körper<br />

auch etwas Monumentales, Repräsentatives hat, ist Lehmbrucks<br />

feingliedriger Jüngling in sich gekehrt, fast verzagt wirkend und<br />

verschlossen. Die Skulptur scheint den Betrachter auf Abstand haltenzuwollen,<br />

es ist, alsbetreteman einen innerenKreis,wennman<br />

ihrzunah kommt.<br />

Im Unterschied zuRodin entwirft Lehmbruck<br />

eine Ästhetik, die auf einem neuen Verständnis<br />

von Proportionen beruht. Seine Formenspracheist<br />

klar und beruhigt und dennoch anti-klassisch.<br />

Ihm geht esvor allem umdie Darstellung<br />

einer inneren Wirklichkeit, um das Erfassen eines Ausdrucks,<br />

dem Schaffen eines neuenkünstlerischenIdealsjenseits tradierterSchönheitsvorstellungen.<br />

„Das Sinnieren, mit dem man seine Figuren immer zusammenbringt,<br />

bezeichne ich als Meditieren“, sagt Museumsdirektorin Söke<br />

Dinkla. „Sinnieren ist ein Kunstwort, das für uns<br />

heute wenig Gehalt hat. Und das Meditieren<br />

passt auch,weilLehmbruck sich mit Anthroposophie<br />

beschäftigt, Rudolf Steiners Aufruf zu einem<br />

gesellschaftlichen Neuanfang, einem neuen Denken<br />

unterzeichnet.“ Mit mehr als hundert Werken<br />

und Leihgaben aus nationalen und internationalenMuseen<br />

wie dem MuséeRodin oder dem Centre<br />

Pompidou in Paris präsentiert die Ausstellung<br />

hochkarätige Arbeiten, die in dieser Zusammenstellung<br />

erstmals zu sehensind. Danebengibtdie<br />

Studioausstellung „Wilhelm Lehmbruch: Zur Person“<br />

Einblicke inseine private und künstlerische<br />

Biografie.<br />

MaxFlorian Kühlem<br />

❚ SCHÖNHEIT.LEHMBRUCK &RODIN –MEISTER DERMODERNE Lehmbruck-<br />

Museum,Düsseldorfer Str. 51, Duisburg; Dauer: 23.3.-18.8.; Öffnungszeiten: Di-Fr<br />

12-17 Uhr, Sa+So11-17 Uhr; Preis: 9€,ermäßigt 5€,jeden 1. Freitag im Monat „pay<br />

what youwant“<br />

<strong>06</strong>.<strong>2019</strong>| <strong>HEINZ</strong> |49

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