100 Jahre Moderne in Hessen
978-3-86859-583-3
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Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur<br />
5.4<br />
Paul Bonatz<br />
Autobahnraststätte<br />
Re<strong>in</strong>hardsha<strong>in</strong><br />
Grünberg (<strong>Hessen</strong>), 1938<br />
Die Raststätte an der Bundesautobahn A 5<br />
bei Re<strong>in</strong>hardsha<strong>in</strong> entsteht 1938 im Zuge<br />
des nationalsozialistischen ›Reichsautobahnbaus‹.<br />
Auto bahnen (also kreuzungsfreie Straßenverb<strong>in</strong>dungen<br />
mit je zwei Fahrbahnen <strong>in</strong><br />
beide Fahrtrichtungen) sollen dem Fern- und<br />
Güterverkehr dienen, s<strong>in</strong>d im Dritten Reich<br />
längerfristig aber auch von militärstrategischer<br />
Bedeutung. Dabei können sie ke<strong>in</strong>esfalls<br />
als e<strong>in</strong>e ›Erf<strong>in</strong>dung Adolf Hitlers‹ gelten,<br />
denn schon die Weimarer Republik plant Autobahnen,<br />
1932 eröffnet zwischen Köln und<br />
Bonn sogar die erste Strecke. Die Nationalsozialisten<br />
stehen solchen Projekten vor 1933<br />
eher ablehnend gegenüber, weil sie <strong>in</strong> ihnen<br />
Straßen für privilegierte Automobilbesitzer<br />
sehen.1 Mit der Machtübernahme ändert sich<br />
diese Haltung grundlegend, sche<strong>in</strong>t der Bau<br />
von Autobahnen <strong>in</strong> verschiedensten Teilen<br />
140<br />
Altdeutscher Raum<br />
des Reiches doch die Möglichkeit zu bieten,<br />
das Heer der Arbeitslosen von der Straße zu<br />
holen und wieder <strong>in</strong> Arbeit und Lohn zu br<strong>in</strong>gen.<br />
Die Autobahnbaustellen beschäftigen<br />
dann aber weit weniger zuvor arbeitslose<br />
Menschen, als von der Propaganda angegeben,<br />
da man diese zumeist nicht für qualifizierte<br />
Arbeiten am Bau e<strong>in</strong>setzen kann.2<br />
Viele Autobahnpläne der Nationalsozialis<br />
ten greifen auf bereits vorliegende, ältere<br />
Über legungen zurück. Dazu gehört unter anderem<br />
e<strong>in</strong>e Nord-Süd-Strecke, die von Hamburg<br />
über Frankfurt nach Basel führt und<br />
deshalb als ›HaFraBa‹ bezeichnet wird.3 Sie<br />
ist im Wesentlichen mit der Bundesautobahn<br />
identisch, die <strong>Hessen</strong> heute von Norden her<br />
zunächst als A 7 und ab Bad Hersfeld als A 5<br />
nach Süden durchquert. In der hessischen<br />
Mittelgebirgslandschaft stellt der Bau dieser<br />
Strecke Planer und Ingenieure vor besondere<br />
Schwierigkeiten, müssen doch längere Aufund<br />
Abstiege bewältigt und zahlreiche Flusstäler<br />
mit hohen Brückenbauwerken über wunden<br />
werden. Obwohl sie auf Planungen des<br />
›Vere<strong>in</strong>s zur Vorbereitung der Autostraße<br />
Hanse städte–Frankfurt–Basel‹ von 1926 zurückgeht,<br />
stellt Fritz Todt – der NS-General<strong>in</strong>spektor<br />
für das Deutsche Straßenwesen –<br />
diese erste große Autobahnstrecke als s<strong>in</strong>guläre<br />
Leistung Adolf Hitlers dar.4<br />
Im Unterschied zu den Vorentwürfen betont<br />
er, dass die L<strong>in</strong>ienführung der Reichsautobahnen<br />
e<strong>in</strong>en »E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die deutsche<br />
Landschaft« bedeute und diese Landschaft<br />
»nicht zerschlagen werden«5 dürfe. So sollten<br />
die Fahrbahnen beispielsweise nicht schnurgerade<br />
verlaufen, sondern im Rhythmus des<br />
Geländes schw<strong>in</strong>gen. Todt <strong>in</strong>teressiert an<br />
dieser Stelle auch der Blickw<strong>in</strong>kel der Autofahrer:<br />
Nach dem Vorbild amerikanischer<br />
Park- und Highways müssten die Trassenverläufe<br />
den ›Autowandernden‹ visuelle Erlebnisse<br />
verschaffen, die e<strong>in</strong>em durchkomponierten<br />
Spannungsbogen folgen.6 Diese