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DEUTSCHLAND<br />
AUG./SEPT. <strong>2019</strong>, € 2,50<br />
ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN<br />
„VERSUCH DAS UNMÖGLICHE.<br />
UND GENIESSE DEINE REISE.“<br />
BRAD PITT UND LEONARDO DiCAPRIO IM DOPPEL-INTERVIEW<br />
ÜBER DEMUT ALS ERFOLGSREZEPT UND TEAMWORK À LA TARANTINO<br />
BRAD PITT: „ARBEITE MIT LEUTEN,<br />
DIE SCHLAUER SIND ALS DU.“<br />
Für Abonnenten der<br />
LEONARDO DiCAPRIO: „SEI UNVERBLÜMT<br />
OFFEN. SAG, WAS DICH STÖRT.“
Foto: R. Schedl<br />
Gezeigte Fahrszenen bitte nicht nachahmen, Schutzkleidung tragen und die anwendbaren Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung beachten!<br />
Die abgebildeten Fahrzeuge können in einzelnen Details vom Serienmodell abweichen und zeigen teilweise Sonderausstattung gegen Mehrpreis.<br />
VERGISS<br />
KONVENTIONEN<br />
Manche Regeln sind dazu gemacht, gebrochen zu werden. Versteh uns<br />
richtig, wir wollen nicht, dass du das Gesetz brichst – aber wir sehen<br />
....0669.0.. 6.<br />
ihre eigenen Standards und stellt dabei so manche Konvention in Frage.<br />
Erlebe jetzt den brandneuen, bahnbrechenden, Big Bore Supermoto<br />
Outlaw und definiere deine eigenen Spielregeln.
EDITORIAL<br />
WILLKOMMEN<br />
LEGENDEN<br />
UNTER SICH<br />
IM RENNEN<br />
RED BULL ILLUME<br />
Der weltweit größte<br />
Wett bewerb für Actionund<br />
Abenteuer-Sportfotografie<br />
(zuletzt über<br />
34.000 Einsendungen)<br />
läuft wieder. Im Herbst<br />
kürt die Jury 55 Finalisten<br />
und einen Gesamtsieger.<br />
Ab Seite 6 siehst du drei<br />
Highlights unter den bisher<br />
eingereichten Bilder.<br />
Wer Großes erreichen will, muss das Kleine<br />
ehren – was wie ein Kalenderspruch klingt,<br />
ist vielmehr das sehr ernst gemeinte Erfolgsrezept<br />
von Brad Pitt und Leonardo DiCaprio. Im<br />
Doppel- Interview ab Seite 36 sprechen die zwei<br />
Hollywood-Superstars über ihre detailbesessene<br />
Vorbereitung, ihre Demut vor dem Können der<br />
Regisseure und ihre Erlebnisse mit Filmmacher<br />
Quentin Tarantino, für dessen neues Werk<br />
„Once Upon a Time in Hollywood“ sie nun erstmals<br />
gemeinsam vor der Kamera standen.<br />
Um entscheidende Details für den Erfolg geht<br />
es auch in unserem Feature über die E-Sport-<br />
Profis von Team BIG (ab S. 56), die wir einen Tag<br />
lang in ihrem Trainingsalltag begleiten durften.<br />
Vor dem Bildschirm – und im Fitnessstudio.<br />
SATZ DES MONATS<br />
„ Steh für deine<br />
Prinzipien ein<br />
und bleib gütig,<br />
dann bist du<br />
unzerstörbar.“<br />
Schauspielerin Lily James über<br />
ihren Umgang mit schwierigen<br />
Zeiten. Ab Seite 34<br />
SAMIR HUSSEIN/WIREIMAGE/GETTY IMAGES (COVER), PHILIPP HORAK BRIAN SATUFFER UND HELLO VON<br />
IM GAMING-HAUS<br />
CHRISTOPH VOY<br />
Für den Fotografen (u. a.<br />
„Vice“, „ZEITmagazin“)<br />
öffneten die E-Sportler<br />
von Team BIG die Tür zu<br />
ihrem Berliner Gaming<br />
House, in dem sie jeden<br />
Tag bis in die Nacht trainieren<br />
– unterbrochen<br />
von einem Besuch im Fitnessstudio<br />
gegen 23 Uhr.<br />
„Das sind absolute Vollprofis“,<br />
resümierte Voy.<br />
Seite 56<br />
Viel Spaß mit der neuen Ausgabe<br />
von <strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>!<br />
Die <strong>Red</strong>aktion<br />
IM SURVIVAL-MODUS<br />
WALTRAUD HABLE<br />
Wie überlebt man auf einer einsamen<br />
Insel? Unsere Autorin<br />
verbrachte sechs Tage und fünf<br />
Nächte auf einem Eiland mitten im<br />
Indischen Ozean. Der <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong>-<br />
Selbstversuch ab Seite 66.<br />
IN AKTION<br />
LUKAS KLOSTERMANN<br />
Was essen Spitzen sportler weltweit?<br />
Darum dreht sich alles<br />
in unserem Feature ab Seite 44.<br />
Darin schildert u. a. der Fußball-<br />
Nationalspieler das Ernährungssystem<br />
seines Vereins RB Leipzig.<br />
THE RED BULLETIN 3
INHALT<br />
<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />
<strong>August</strong>/September <strong>2019</strong><br />
COVERSTORY<br />
36 IKONEN IM INTERVIEW<br />
Brad Pitt und Leonardo DiCaprio<br />
präg(t)en Holly wood. Hier schildern<br />
die Oscar-Preisträger, wie<br />
sie an der Spitze bleiben.<br />
FESTIVAL<br />
18 STADT DER WUNDER<br />
Beim Boomtown Fair werden<br />
die Besucher zu Helden ihrer<br />
eigenen Märchenwelt.<br />
FITNESS<br />
44 ESSEN WIE<br />
EIN CHAMPION<br />
Acht Spitzenathleten aus aller<br />
Welt sprechen darüber, welche<br />
Ernährung sie stark macht.<br />
E-SPORT<br />
56 HIER LEBT TEAM BIG<br />
Zu Besuch im Berliner Gaming<br />
House der deutschen Shootingstars<br />
im Spiel „Counter-Strike“.<br />
18<br />
AUF DER BÜHNE<br />
Beim Boomtown Fair<br />
entstehen mitten in<br />
England gigantische<br />
Fantasiewelten.<br />
TATTOOS<br />
30 DAS GEHT UNTER<br />
DIE HAUT<br />
Warum namhafte Sportler<br />
dem Wiener Tätowierer Helmut<br />
„Slimheli“ Zeiner vertrauen.<br />
HOLLYWOOD<br />
34 DIE IMMENSE KRAFT<br />
DER LILY JAMES<br />
Die Schauspielerin erzählt, wie<br />
sie mit Druck umgeht – und was<br />
ihre Brüder damit zu tun haben.<br />
6 GALLERY<br />
12 ZAHLEN, BITTE!<br />
14 KOLUMNE<br />
15 FUNDSTÜCK<br />
16 LIFE HACKS<br />
42 INNOVATOR<br />
5-MINUTEN-COACH<br />
64 WIE DEINE IDEEN<br />
FLIEGEN LERNEN<br />
Freestyle-Motocross-Star<br />
Luc Ackermann verrät seine<br />
Tipps für kreatives Denken.<br />
ABENTEUER<br />
66 FRAU IM<br />
SURVIVAL-MODUS<br />
Wie unsere Autorin eine Woche<br />
auf einer einsamen Insel überlebte<br />
(und was sie dabei lernte).<br />
96 IMPRESSUM<br />
98 PERFEKTER ABGANG<br />
66<br />
AUF DER INSEL Unsere Autorin verabschiedete<br />
sich für eine Woche von der Zivilisation.<br />
MIKE MASSARO/BOOMTOWN, PHILIPP HORAK,<br />
ERIK TANNER/CONTOUR BY GETTY IMAGES, CHRISTOPH VOY<br />
4 THE RED BULLETIN
„ Manche Dinge<br />
kann man<br />
nicht erfinden.<br />
Sie erfinden<br />
sich selbst.“<br />
LUC ACKERMANN, virtuoser<br />
Freestyle-Motocrosser,<br />
über Kreativität: Seite 64<br />
34<br />
AUF ERFOLGSKURS Aktrice Lily James<br />
über ihre Strategie, mit Druck umzugehen<br />
56<br />
AUF SENDUNG Zu Besuch im Berliner Gaming<br />
House der E-Sport-Profis von Team BIG<br />
guide<br />
DEIN PROGRAMM<br />
80 REISEN<br />
Löwen und Geparden<br />
hautnah: auf Profi-<br />
Fotosafari in Kenia<br />
84 EVENTS<br />
Von den NitrOlympX<br />
bis zur Gamescom:<br />
die Events des Monats<br />
86 GAMING<br />
Dieses Spiel wird das<br />
neue „Pokémon Go“.<br />
87 ENTERTAINMENT<br />
<strong>Red</strong> Bull TV-Highlights<br />
– live und on demand<br />
THE RED BULLETIN 5
GALLERY<br />
Teahupoo, Tahiti<br />
TIEFENSCHÄRFE<br />
Teahupoo an Tahitis Südwestküste ist<br />
berühmt für seine hohl brechenden Wellen.<br />
Fotograf Ben Thouard, der auf der Insel lebt,<br />
kennt den Schauplatz aus allen Perspektiven:<br />
„Mein Ziel war es, Surfer aus einem neuen<br />
Blickwinkel abzulichten.“ Also tauchte der<br />
Franzose ab und drückte ab – wir erahnen<br />
die Kraft des Pazifik. benthouard.com<br />
6 THE RED BULLETIN
BEN THOUARD/RED BULL ILLUME<br />
THE RED BULLETIN 7
GALLERY<br />
Ölüdeniz, Türkei<br />
LUFTTAXI<br />
Ready for Take-off: In wenigen Sekunden<br />
wird sich Base-Jumper Guillaume Galvani<br />
von Ferdi Toys Schirm lösen und über der<br />
Bucht von Ölüdeniz in die Tiefe springen.<br />
Fotograf Tristan Shu: „Wir haben uns durch<br />
die Wolken gekämpft, um Guillaume im<br />
Licht der untergehenden Sonne zu zeigen –<br />
es war einfach perfekt.“ tristanshu.com<br />
8 THE RED BULLETIN
TRISTAN SHU/RED BULL ILLUME<br />
THE RED BULLETIN 9
GALLERY<br />
Engelberg, Schweiz<br />
PULVERTAUCHER<br />
Der Mann, der hier bis zum Hals im Pulverschnee<br />
steckt, ist das US-Ski-Ass Marcus Caston. Ein<br />
Bild, das wir allen widmen, denen die Sommerhitze<br />
zu schaffen macht. Entstanden ist es in<br />
Engelberg im Kanton Obwalden, Heimatort von<br />
Fotograf Oskar Enander: „Ein herrlicher Tag mit<br />
30 Zentimeter Neuschnee.“ oskarenander.com<br />
OSKAR ENANDER/RED BULL ILLUME<br />
10 THE RED BULLETIN
THE RED BULLETIN 11
Z A H L E N , B I T T E !<br />
<strong>Red</strong> Bull 400<br />
KRALL DIR DEN SIEG!<br />
Am Ende geht es nur auf allen vieren weiter – 1800 Sportler erklimmen<br />
am 20. Juli beim härtesten 400-Meter-Lauf der Welt die Skischanze in<br />
Titisee-Neustadt (Anmeldung auf redbull.com). Einige Fakten zur Vorbereitung:<br />
6<br />
Teilnehmer waren seit<br />
der Premiere im Jahr 2015<br />
200<br />
jedes Mal dabei.<br />
Pulsschläge – natürlich pro<br />
Minute – liefern aufgrund der<br />
Anstrengung auf den 400 Metern<br />
den richtigen Rhythmus.<br />
140<br />
Höhenmeter sind<br />
zu absolvieren.<br />
14<br />
Vorläufe münden (wenn alle<br />
Startplätze vergeben werden)<br />
in vier Semifinale und<br />
schließlich in das Finale.<br />
7200<br />
Dosen <strong>Red</strong> Bull und 3000 Liter Gerolsteiner<br />
Wasser wurden im Vorjahr getrunken.<br />
1500<br />
Müsliriegel, 1300 Donuts,<br />
130 Kilo Nudeln und<br />
55 Kilo Bananen wurden<br />
2018 verzehrt.<br />
35<br />
Grad beträgt die Steigung<br />
der Hochfirstschanze in Titisee-<br />
Neustadt. Den Schanzenrekord<br />
hält der slowenische Skispringer<br />
Domen Prevc: Am 11. März 2016<br />
schaffte er 148 Meter.<br />
12.960<br />
Kilometer legt Suzy Walsham dieses Mal zurück,<br />
um am <strong>Red</strong> Bull 400 in Titisee-Neustadt teilzunehmen.<br />
Sie reist dafür eigens aus Singapur an.<br />
4.000.000<br />
Euro wurden im Jahr 2000 investiert,<br />
um die Schanze Weltcup-tauglich<br />
zu machen. Größtes Problem:<br />
Immer wieder mangelt es an Schnee.<br />
1<br />
Heiratsantrag hat 2017<br />
beim Lauf für Tränen<br />
gesorgt. Ein Schweizer Teilnehmer<br />
ging nach den<br />
Männervor läufen vor seiner<br />
Angebeteten in die Knie –<br />
eine äußerst emotionale<br />
Angelegenheit.<br />
GETTY IMAGES (3), FLO HAGENA/RED BULL CONTENT POOL CLAUDIA MEITERT<br />
12 THE RED BULLETIN
Die App, die Impfungen<br />
auf dem Schirm hat.<br />
Mit TK-Safe Gesundheitsdaten<br />
..<br />
<br />
Fortschritt leben. Die Techniker<br />
dietechniker.de
KOLUMNE<br />
Thilo Mischke<br />
BEGEGNUNGEN<br />
ABSEITS DES ALLTÄGLICHEN<br />
Er ist 200 Tage im Jahr unterwegs,<br />
Jetlag ist bei Korrespondent und Reisereporter<br />
Thilo Mischke (TV-Dokureihe<br />
„Uncovered“) ein Dauerzustand. Auf seinen<br />
Expedi tionen trifft der 38-jährige Berliner<br />
immer wieder Menschen, die ihn faszi nieren.<br />
Dieses Mal: Mr. Toh, der die Full Moon<br />
Party in Thailand ausrichtet und über<br />
die Jugend lernt.<br />
Der berühmte Haad-Rin-Strand ist leer, kaum<br />
Menschen. Ich höre das Meer rauschen, höre<br />
den Wind, der den weißen Sand umherwirbelt.<br />
Hier und da halten Menschen ihre Füße ins Wasser, trinken<br />
erschöpft von der Hitze aus einer frischen Kokosnuss.<br />
Dieser Strand ist nicht zum Baden gemacht, er ist<br />
der Austragungsort der größten Party Südostasiens.<br />
Eine Sehenswürdigkeit,<br />
ohne dass sich die Besucher<br />
dafür interessieren, wie dieser<br />
Strand aussieht – am Tage. Sie<br />
kommen nachts, sie kommen<br />
für den Techno, für die Plastikbecher,<br />
gefüllt mit Softdrinks<br />
und Rum. Sie kommen für gemalte<br />
neonfarbene Muster auf<br />
ihrer hellen Haut. Muster, die<br />
unter UV-Lampen zu leuchten<br />
beginnen. Sie kommen, um zu<br />
feiern und so lange zu trinken,<br />
bis sie nur noch auf dem Rücken<br />
im Sand liegen können,<br />
die Musik nicht mehr hören<br />
und vom Leben besoffen über<br />
die Freiheit nachdenken. Auch<br />
ich habe das gemacht, 2003.<br />
Mit meinem besten Freund Robert, auch ich lag hier im<br />
Sand und hörte Rummeltechno, bis die Ohren pfiffen.<br />
Mr. Toh ist müde, 41 Jahre alt, er ist hier an diesem<br />
Strand groß geworden. Seit 41 Jahren einmal im Monat<br />
Full Moon Party. Das hinterlässt Spuren, nicht nur in der<br />
Natur der Insel, sondern auch bei ihren Bewohnern. Als<br />
Elfjähriger hat er Schnäpse ausgeschenkt, jetzt, dreißig<br />
Jahre später, betreibt er mit der Drop-in Bar eine Legende,<br />
er betreibt den Motor dieser Party. Die größte Bar am<br />
Haad Rin.<br />
Von ihm habe ich nichts über das Leben gelernt, so<br />
ehrlich muss ich sein. Man lernt auf Partys nichts über<br />
das Leben. Vielmehr konnte ich durch ihn einen Blick auf<br />
verschiedene Jugendgenerationen aus der ganzen Welt<br />
und ihre Bedürfnisse werfen, über den Zeitraum eines<br />
halben Lebens. Mr. Toh spricht wenig über sich. „Nicht<br />
„Nach 30 Jahren Full Moon Party<br />
habe ich die Schnauze voll.<br />
Ich will jetzt in Rentner investieren.“<br />
Mr. Toh betreibt die größte Bar am legendären<br />
thailändischen Partystrand Haad Rin.<br />
mal mein Name Mr. Toh stimmt“, sagt er. Die Touristen<br />
könnten sich seinen thailändischen Namen nicht merken,<br />
deswegen hat er sich diesen Spitznamen gegeben. Mr. Toh<br />
spricht am liebsten über die Besucher der Party, von den<br />
Gesichtern, die einmal im Monat vom Vollmondlicht erleuchtet<br />
werden, und was er darin sieht.<br />
„Die Gäste werden immer jünger“, sagt er. „Früher, da<br />
waren alle um die dreißig, jetzt sind alle um die zwanzig.“<br />
Mr. Toh stört das nicht, es verblüfft ihn nur. Gestern war<br />
eine Party, und es läuft immer gleich ab. Morgens Aufbau,<br />
nachts kommen aus ganz Thailand bis zu 40.000<br />
Menschen auf die Insel Ko Pha-ngan. Mr. Toh sorgt für<br />
Spaß. DJs aus Europa, Getränke wie in Europa, das beste<br />
Kater-Essen, auch wie in Europa: Pizza statt Pad Thai.<br />
„Viele denken ja, die Full Moon Party sei ein buddhistisches<br />
Fest“, sagt er und fügt hinzu: „Ist es aber nicht,<br />
das wurde vor über dreißig<br />
Jahren hier am Strand einfach<br />
erfunden. Der Vollmond als<br />
Grund zum Feiern.“<br />
Die Generationen kommen<br />
und gehen, Generation X, danach<br />
Y, dann die Millennials,<br />
sie alle setzen sich von ihrer<br />
Vorgängergeneration ab.<br />
Wollen anders sein, wollen<br />
neu sein. Das ist auch wichtig,<br />
das ist schließlich die Aufgabe<br />
der Jugend.<br />
„Wenn sie feiern, sind sie alle<br />
gleich“, sagt Toh. Egal wie alt.<br />
„Mischgetränke und Charts-<br />
Musik verbinden Generationen.“<br />
Die Welt würde immer<br />
ernster werden, sagt Toh, die Kriege immer lauter, die<br />
Natur verkocht vor Hitze. Auch hier in Thailand spürt<br />
man den Klimawandel. „Eigentlich ist jetzt Monsun.“ Er<br />
zeigt in den blauen Himmel. Kein Regen. Die Welt verändert<br />
sich, die Jugend bleibt gleich. Nur das Bedürfnis,<br />
der Realität zu entfliehen, setzt heute früher ein. Eskapismus<br />
als einträgliches Geschäftsmodell; je beschissener<br />
die Welt, desto mehr wollen die Leute feiern.<br />
Mr. Toh ist aber erschöpft. „Nach dreißig Jahren Full<br />
Moon Party habe ich die Schnauze voll“, sagt er. Wischt<br />
sich den Schweiß mit einem Handtuch aus dem Nacken.<br />
„Ich will jetzt in Rentner investieren“, sagt er. „Die, die<br />
früher hier gefeiert haben, werden jetzt alt und wollen<br />
betreut werden. Sie wollen am Haad Rin alt werden.“<br />
„Rentner und Feierwillige, sie haben die gleichen Bedürfnisse?“,<br />
frage ich Toh. Und er lacht, nickt. „Sie wollen<br />
vergessen, wie die Wirklichkeit aussieht.“<br />
MARTIN GASCH BLAGOVESTA BAKARDJIEVA THILO MISCHKE<br />
14 THE RED BULLETIN
FB U NL DL ES VT AÜ RC DK<br />
Bob Dylans<br />
Mundharmonika<br />
ZEITENWENDE<br />
Die Zeit hat ihre Spuren hinterlassen auf dieser<br />
Mundharmonika. Sie hat so viel Rost angesetzt,<br />
dass das N und das D in „Marine Band“ schon fast<br />
verschwunden sind. Wir sehen eine Blues harp<br />
in A-Dur, Seriennummer A449, und sie gehörte<br />
Bob Dylan, dem Mann, der der Folkmusik, ja der<br />
Musik überhaupt, in den 1960er-Jahren neues<br />
Leben einhauchte. Damals war er ein eigenwilliger<br />
Charakter mit wildem Lockenkopf, der sich die<br />
Seele aus dem Leib blies und mit „<strong>The</strong> Times <strong>The</strong>y<br />
Are A-Changin’“ zur „Stimme einer Generation“<br />
wurde – eine Rolle, der er sich stets verweigerte.<br />
HENRY LEUTWYLER, GETTY IMAGES<br />
Bob Dylan (hier 1961 in New York): fast 60 Jahre<br />
erfolgreich, 2016 mit dem Nobelpreis geehrt<br />
THE RED BULLETIN 15
L I F E H A C K S<br />
Science-Bastler<br />
SO AKTIVIERST DU<br />
DEINEN GRÜNEN DAUMEN<br />
Schlaue Lösungen für konkrete Probleme, Volume 11: Was haben Windeln, Eierschalen, Flaschen<br />
und Toilettenpapierrollen gemeinsam? Sie machen deine Pflanzen glücklich. Hier erfährst du, wie.<br />
ANZUCHT<br />
Pflanzen mit der<br />
Flasche aufziehen<br />
Wirf leere Flaschen nicht weg, sondern bastle einen selbstbewässernden<br />
Pflanztopf: Über die Kordel steigt das Wasser<br />
kontinuierlich auf und befeuchtet die Blumenerde.<br />
SCHUTZ<br />
Schalen gegen Schädlinge<br />
Chemiekeule? Nein, danke! Eierschalen schützen<br />
Pflanzen als natürliche Barriere vor Schnecken.<br />
Streue Schalen<br />
rund um Triebe<br />
herum, um Schädlinge<br />
fernzuhalten.<br />
1<br />
Schneide die Plastikflasche<br />
in der Mitte auseinander und<br />
fülle den unteren Teil mit<br />
Wasser, bohre ein Loch in den<br />
Flaschendeckel und fädle<br />
einen nassen Wollfaden durch.<br />
WACHSTUM<br />
Windel als Wasserspeicher<br />
Windelgranulat saugt Flüssigkeit auf und speichert<br />
sie – und eignet sich somit perfekt als Düngemittel.<br />
ba bywindel<br />
#1<br />
Schneide die<br />
Windel auf und<br />
mische den Inhalt<br />
1:1 mit Blumenerde.<br />
ENTFALTUNG<br />
Töpfe aus Toilettenpapierrollen<br />
Umweltfreundliche Aussaatgefäße für lau: Klopapierrollen<br />
mit Erde bzw. Samen füllen – und fertig!<br />
2<br />
Setze den oberen Teil der Flasche<br />
verkehrt herum in den<br />
unteren und fülle ihn mit Erde.<br />
Drück die Samen hinein, der<br />
Keimling ist etwa eine Woche<br />
mit Feuchtigkeit versorgt.<br />
Rolle falten,<br />
an den Seiten einschneiden,<br />
Laschen<br />
nach innen knicken.<br />
SASCHA BIERL FLORIAN OBKIRCHER<br />
16 THE RED BULLETIN
NATÜRLICH ERFRISCHEND – KEINE ENERGY DRINKS
Ein Musikfestival als gigantisches Rollenspiel. Wenn in Südengland<br />
die Boomtown ihre Tore für 60.000 Besucher öffnet, hat die Realität<br />
vier Tage lang Pause. Wir tauchten in die Party ein – und trafen<br />
Blumenkinder, Disco-Cowboys und Piraten. Text LOU BOYD<br />
WILLKOMMEN<br />
IM WUNDERLAND<br />
MICHELLE ROBERTS/ALAMY STOCK PHOTO
DIESES RADIO<br />
IST EINE BÜHNE<br />
Boomtown gleicht eher einem<br />
Filmset als einem Festivalgelände:<br />
Hier finden Konzerte<br />
mitunter auch auf Bäumen,<br />
in Kernkraftwerken oder Postämtern<br />
statt. Und manchmal verschwindet<br />
die Bühne, wie hier,<br />
in einem Riesen-Ghettoblaster.<br />
19
DRAMA-QUEENS<br />
UND PARTYTIGER<br />
Eine völlig alltägliche Szene<br />
aus Boomtown: Hunderte kostümierte<br />
Schauspieler, so wie<br />
dieses Pärchen, verwandeln<br />
das Festivalgelände in ein<br />
begeh bares Freilufttheater. Wie<br />
weit die Besucher mitspielen,<br />
entscheiden sie selbst.<br />
GEORGE HARRISON<br />
20
JANE STOCKDALE
IM ZENTRUM<br />
DER EKSTASE<br />
Im Herzen von Boomtown steht<br />
ein gewaltiger Tempel, der<br />
„Lion’s Den“: Mit Pyrotechnik,<br />
Lasereffekten und Wasserfällen<br />
dominiert er die Skyline der<br />
Stadt und bringt die Menge<br />
mit Reggae-, Dancehall- und<br />
Dub-Sounds zum Kochen.<br />
23
WÄHLE DEINE<br />
WUNDERWELT<br />
Boomtown besteht aus zwölf<br />
Be zirken wie der Oldtown (li. o.),<br />
den luxuriösen Paradise<br />
Heights (re. o.) oder Copper<br />
County im Wildweststil (re. u.).<br />
Für Be sucher gilt: „Choose your<br />
vibe, choose your tribe.“<br />
JODY HARTLEY, GARRY JONES
25
LEORA BERMEISTER, MIKE MASSARO, BOOMTOWN IMAGE
Im Oldtown District von Boomtown: Man weiß nie, welche Überraschungen hinter<br />
den Türen der Festival-Gebäude lauern. In diesem Fall eine verwegene Piratin.<br />
Eine Riesenparty von Menschen für Menschen: Die Eröffnungsfeier wird von den<br />
Organisatoren und der gesamten Boomtown-Community gestaltet.<br />
WER REGIERT<br />
DIE STADT?<br />
Dunkle Gestalten greifen nach<br />
der Macht. Auch politische<br />
Intrigen und geheime Revolutionen<br />
gehören zum Repertoire<br />
der Gesamtinszenierung von<br />
Boomtown.<br />
Esist ein im wahrsten Sinne des Wortes fantastisches<br />
Spektakel, das sich jedes Jahr in Südengland<br />
vor den Toren des beschaulichen Städtchens Winchester abspielt:<br />
Auf einem freien Feld erhebt sich hier im <strong>August</strong> eine gigantische<br />
Festival-Stadt, die ihren Besuchern an vier Tagen weit mehr bietet als<br />
zahlreiche hochkarätige Bühnen-Acts. Denn wiewohl im Line-up schon<br />
Kracher wie Gorillaz, M.I.A., <strong>The</strong> Specials oder Sublime gelistet waren,<br />
ist die wahre Attraktion des Festivals – das mit 60.000 Besuchern mittlerweile<br />
zu den größten Musik-Events Großbritanniens zählt – das Festival-<br />
Gelände selbst: Boomtown.<br />
In einer Art Mega-Rollenspiel samt märchenhaften Kulissen werden<br />
die Festival-Besucher Teil einer gewaltigen Inszenierung. In Boomtown<br />
wimmelt es nur so von Piraten, Cowboys und Cyborgs. Wenn du durch<br />
eine Wildweststadt flanierst, dich im Oldtown District den Freibeutern<br />
anschließt oder dich in die postapokalyptischen Ruinen von Downtown<br />
wagst, weißt du nie, was dich hinter der nächsten Ecke erwartet.<br />
Aber eines weißt du: Es ist nicht das, was du erwartest …<br />
27
Der Bürgermeister: Veranstalter Martin Coat ist das ganze Jahr über mit<br />
der Vorbereitung dieses Mega-Events beschäftigt.<br />
„Wir waren schon immer<br />
die heftigsten Partymacher.“<br />
Martin Coat ist Boomtown-Intendant und für die Entwicklung<br />
der Storyline und der Figuren in der Stadt verantwortlich.<br />
Hier erzählt er, wie man 60.000 Menschen in einer<br />
Riesen-Fantasiewelt unterhält.<br />
bin von Anfang an davon ausgegangen,<br />
dass die Leute, die nach<br />
„Ich<br />
Boomtown kommen, extrem spielbegeistert<br />
sind und immer tiefer in ein<br />
Wunderland eintauchen wollen. Unter<br />
Großbritanniens Sommer-Festivals war<br />
dies schon immer die heftigste aller Partys,<br />
geprägt von unbändiger Vergnügungssucht<br />
– man könnte auch sagen, einem<br />
ausgeprägten Wunsch nach Realitätsflucht.<br />
In den letzten Jahren jedoch ist<br />
der spielerische Aspekt, also das <strong>The</strong>ater,<br />
stärker in den Vordergrund gerückt.<br />
Heute ist Boomtown ein riesiges Set.<br />
Es gibt insgesamt 27 Bühnen und 12 bis<br />
ins kleinste Detail theatralisch inszenierte<br />
Districts. Insgesamt entstehen so etwa<br />
80 Venues und zahlreiche versteckte<br />
Geheimräume, die es für die Besucher<br />
zu entdecken gibt – diesbezüglich haben<br />
wir dieses Jahr übrigens ein paar richtig<br />
gute Überraschungen. Und: Nichts bleibt,<br />
wie es einmal war. Wenn man im Jahr<br />
davor durch eine bestimmte Tür in eine<br />
Geheimkammer gelangt ist, ist sie im<br />
nächsten Jahr garantiert nicht mehr da!<br />
Bei aller Fantasie spiegelt die Storyline<br />
des Festivals aber auch stets die Realität.<br />
Wir versuchen, die gröbsten Fehler der<br />
prinzipientreu-neoliberalen Regierung<br />
übertrieben darzustellen, und prangern<br />
Korruption und Gier an. In den ersten<br />
Jahren waren Revolutionen unser bevorzugtes<br />
<strong>The</strong>ma. Die Spieler bekamen die<br />
Aufgabe, die Regierung von Boomtown<br />
durch einen Rebellenaufstand zu stürzen.<br />
Dazu musste man aber erst mal hinter die<br />
Kulissen blicken und das Gesamtbild erfassen:<br />
Wer hat hier wirklich das Sagen?<br />
Nachdem die Regierung gestürzt war,<br />
erkannten die Spieler plötzlich, dass die<br />
Politik nur die Spitze des Eisbergs war –<br />
tatsächlich hatten Konzerne und Banken<br />
in Boomtown die Fäden in der Hand.<br />
Apropos Fäden in der Hand: Ich habe<br />
hier den absoluten Traumjob, der an<br />
Krea tivität und Originalität kaum zu<br />
überbieten ist. Ich bin mit Festivals groß<br />
geworden und war vom <strong>The</strong>ater schon<br />
immer fasziniert. Die Kombination aus<br />
beidem ist für mich daher der ultimative<br />
Glücksgriff. An diesem Festival waren<br />
schon immer wahnsinnig viele Künstler<br />
beteiligt, ob sie nun die Kulissen gestalten<br />
oder Performances darbieten, auf der<br />
Bühne oder in der Besuchermenge – was<br />
zählt, ist die Community.<br />
Früher konnte man diesen Geist auch<br />
auf vielen anderen Festivals spüren, vor<br />
allem den kostenlosen wie etwa Stonehenge,<br />
Elephant Fayre oder Glastonbury<br />
in seinen Anfängen. Man traf sich dort,<br />
kam als eine Gemeinschaft zusammen.<br />
Natürlich wurde wild gefeiert, und man<br />
schottete sich ein paar Tage von der<br />
Außenwelt ab, aber letztendlich war der<br />
Grundgedanke: ‚Schaut her, wir wissen<br />
es besser, wir geben aufeinander und auf<br />
unsere Umwelt acht.‘ Darum geht es allerdings<br />
bei vielen Festivals längst nicht<br />
mehr. Es gibt jeden Sommer tausende<br />
Events, auf denen man die Sau rauslassen<br />
kann – der Spirit ist aber, wenn es denn<br />
je einen gab, auf der Strecke geblieben.<br />
Einige meinen, mit dem Eintrittsgeld<br />
hätten sie schon ihren Beitrag geleistet.<br />
In Boomtown ist der Trend genau<br />
gegenläufig: Das Festival zieht zwar von<br />
Jahr zu Jahr mehr Menschen an, aber<br />
gleichzeitig wächst auch der Community-<br />
Gedanke mit. Die Leute lieben das, was<br />
wir machen, und wissen, was es bedeutet,<br />
ein Teil von Boomtown zu sein.“<br />
boomtownfair.co.uk<br />
JANE STOCKDALE, MIKE MASSARO<br />
28 THE RED BULLETIN
PANORAMABLICK<br />
INS TRAUMLAND<br />
2008 kamen 1000 Besucher<br />
nach Winchester, <strong>2019</strong> werden<br />
60.000 Menschen erwartet.<br />
Alles begann mit nur einer<br />
Bühne – mittlerweile spielt<br />
sich das Festival auf 27 Bühnen<br />
und in 12 filmreif inszenierten<br />
Districts ab.<br />
SPONTANE<br />
PERFORMANCE<br />
Ein Festival wie ein Karneval:<br />
Auch abseits der großen Musikbühnen<br />
wird in Boomtown an<br />
jeder Straßenecke gefeiert:<br />
Insgesamt sorgen 80 Mini-<br />
Venues für Party ohne Ende.
HEROES<br />
Slimheli<br />
DAS GEHT<br />
UNTER DIE HAUT<br />
Helmut „Slimheli“ Zeiner tätowiert Sportstars<br />
von Marko Arnautović bis Rafael Rotter. Im Service<br />
inkludiert: ein offenes Ohr und offene Worte. Seine<br />
Profession ist das Ende seines Wegs von Rückschlag<br />
zu Rücksicht, von Verbrechen zu Vertrauen.<br />
Zuletzt stach er Torwart<br />
Christopher Knett, dann<br />
folgte die halbe Mannschaft<br />
des österreichischen<br />
Fußballklubs FC Wacker Innsbruck.<br />
Marko Arnautović bezeichnet<br />
er als sein „viertes<br />
Kind“, und David Alaba kommt<br />
gerne einfach nur zum <strong>Red</strong>en<br />
vorbei: Helmut „Slimheli“<br />
Zeiner ist in der Sportszene<br />
erste Adresse – nicht nur beim<br />
Wunsch nach einem neuen<br />
Tattoo, sondern auch bei Gesprächsbedarf.<br />
Zeiner malt ihnen Jesus,<br />
Engel und die Gottesmutter<br />
Maria unter die Haut. Sie erzählen<br />
ihm ihr Privatleben.<br />
Auch das geht manchmal<br />
unter die Haut. „Manche haben<br />
beim <strong>Red</strong>en auch schon<br />
Tränen vergossen, vor Wut<br />
oder Trauer“, sagt Slimheli.<br />
Viele der Sportler, die zu ihm<br />
kommen, kennt er seit ihrer<br />
Jugend – über seine drei<br />
„Ich sage nur<br />
etwas zu Dingen,<br />
die ich selbst<br />
schon erlebt habe.“<br />
Söhne, die mit ihnen gemeinsam<br />
trainierten.<br />
Slimheli ist ihnen Zuhörer<br />
– und Ratgeber, „aber ich sage<br />
nur etwas zu Dingen, die ich<br />
selbst schon erlebt habe“. Was<br />
den Gesprächsstoff allerdings<br />
kaum einschränkt, denn der<br />
drahtige Mann mit der Friedenstaube<br />
am Hinterkopf hat<br />
in seinem Leben genug erlebt,<br />
um ein ganzes Buch zu füllen<br />
– geschehen unter dem Titel<br />
„Slimheli“ im März <strong>2019</strong> im<br />
egoth Verlag. Eine Kindheit<br />
in kriminellem Umfeld, ein<br />
Staatsmeistertitel im Breakdance<br />
und eine Karriere als<br />
Eishockeyspieler liegen hinter<br />
dem heute 52-Jährigen.<br />
2015 überlebte er zwei Herzinfarkte,<br />
auch Großvater ist<br />
er schon geworden.<br />
„Die Sportler sind sich<br />
bewusst, dass ich in meinem<br />
Leben schon sehr viel gesehen<br />
habe. Wenn man weiß, dass<br />
jemand schon viel hinter sich<br />
hat, hört man demjenigen<br />
ganz anders zu.“ Wegen seines<br />
Alters und seiner Lebenserfahrung<br />
hätten die Jungen Vertrauen<br />
zu ihm, sagt Helmut<br />
Zeiner. „Und sie haben Respekt<br />
vor mir – auch davor,<br />
dass ich es geschafft habe, mir<br />
nach vielen Rückschlägen ein<br />
gutes Leben aufzubauen.“<br />
CHRISTIAN HOFER<br />
30
Helmut Zeiner, 52,<br />
besser bekannt<br />
als Slimheli, kann<br />
als Tätowierer<br />
gut zustechen<br />
– und zuhören.
HEROES<br />
Aber wie baut man sich<br />
dieses Vertrauen auf? „Sicher<br />
nicht, indem man bei Interviews<br />
aus dem Nähkästchen<br />
plaudert. Die Jungs spüren<br />
einfach, dass sie mir vertrauen<br />
können. Ich gebe ihnen das<br />
Gefühl, dass sie bei mir gut<br />
aufgehoben sind“, sagt Zeiner.<br />
Vielleicht gerade dadurch,<br />
dass er sie nicht mit Samthandschuhen<br />
anfasst. „Ein<br />
Bursche, der mit Fußball Millionen<br />
verdient, ist für mich<br />
noch lange kein Star“, stellt<br />
Slimheli klar und holt die<br />
Promi sportler beim Tätowieren<br />
auf den Boden. Auf Wehleidigkeiten,<br />
Starallüren und<br />
ähnliche Mätzchen reagiert<br />
Slimheli allergisch. Und nicht<br />
nur Top-Kicker wie Marko<br />
Arnautović haben sich während<br />
einer Tattoo-Session<br />
schon ein „Ach, halt doch die<br />
Papp’n!“ abgeholt – auch Eishockeyspieler<br />
wie Rafael<br />
Rotter, Handballprofi Seppo<br />
Frimmel oder Boxer Marcos<br />
Nader zählen zu den Kunden,<br />
die genau diese schnörkellose<br />
Direktheit zu schätzen wissen.<br />
„Mit vielen der Sportler bin<br />
ich gut befreundet.“<br />
Sie erzählen ihm ihre<br />
Geheimnisse, er teilt seine Erfahrungen.<br />
Dieses Vertrauen<br />
auszunutzen oder gar zu missbrauchen<br />
ist für Slimheli undenkbar.<br />
Dafür hat er zu hart<br />
für dieses Gefühl kämpfen<br />
müssen. Denn Vertrauen hat<br />
im Leben des gebürtigen Wieners,<br />
der das Tätowieren vor<br />
fast zwanzig Jahren für sich<br />
entdeckte, lange Zeit vor<br />
allem durch Abwesenheit „geglänzt“.<br />
Sein Vater war Alkoholiker,<br />
schlug regelmäßig zu.<br />
Als Vierzehnjähriger saß er<br />
unschuldig im Gefängnis. „Ich<br />
habe niemandem vertraut,<br />
nicht einmal mir selbst. Ich<br />
bin zu oft auf die Nase gefallen,<br />
habe sehr viele schlechte<br />
Menschen kennengelernt.“<br />
Angstfrei über wirklich alles<br />
reden, das kann und will Helmut<br />
„Slimheli“ Zeiner nur mit<br />
seiner Frau. Seit 34 Jahren<br />
sind sie zusammen. Sie ist die<br />
Einzige, der er ganz vertraut.<br />
Vielleicht mehr als sich selbst.<br />
Helmut Zeiners Biografie „Slimheli“<br />
(208 Seiten, egoth Verlag) ist<br />
im Handel erhältlich. slimheli.com<br />
A<br />
B<br />
C<br />
D<br />
1<br />
2<br />
5<br />
6<br />
8<br />
7<br />
9<br />
10<br />
E F G H<br />
3<br />
I<br />
J<br />
K<br />
L<br />
4<br />
11<br />
12<br />
DAS ARNAUTOVIĆ-PUZZLE<br />
Wo am Körper des Star-Fußballers<br />
befinden sich diese Tätowierungen?<br />
SO GEHT’S: Ordne den Buchstaben der Tattoo-Bilder rechts<br />
jeweils die dazu gehörige Zahl auf der Arnautović-Illustration<br />
oben zu. Die Auflösung findest du unten.<br />
Auflösung: A9, B7, C4, D2, E3, F10, G6, H1, I11, J5, K12, L8<br />
Marko Arnautović, 30, Kicker und treuer Kunde von Slimheli<br />
GETTY IMAGES, REUTERS TOM MACKINGER<br />
32 THE RED BULLETIN
HEROES<br />
Lily James<br />
DIE SCHÖNE<br />
WAR DAS BIEST<br />
Sie ist eine der heißesten Brit-Aktien Hollywoods.<br />
Im Interview erzählt Lily James, wie sie dem<br />
Erfolgsdruck von außen mit innerer Kraft begegnet –<br />
und welche Rolle ihre Brüder dabei gespielt haben.<br />
THE RED BULLETIN: Mit<br />
Filmen wie „Cinderella“,<br />
„Die dunkelste<br />
Stunde“ oder „Baby Driver“<br />
bist du in den letzten Jahren<br />
zu einer der erfolgreichsten<br />
Schauspiele rinnen deiner<br />
Generation aufgestiegen.<br />
Bestand jemals die Gefahr,<br />
dass dir der Erfolg zu Kopf<br />
steigt?<br />
LILY JAMES: Nein. Ganz einfach<br />
deshalb, weil ich meiner<br />
Arbeit immer auch mit einer<br />
großen Portion Selbstzweifel<br />
gegenüber stehe. Natürlich<br />
macht einen der Erfolg an<br />
der Oberfläche stark, aber die<br />
Unsicherheiten, die darunter<br />
schlummern, kannst du nur<br />
mit innerer Kraft lösen – nicht<br />
mit Äußerlichkeiten.<br />
Stärkt der berufliche Erfolg<br />
nicht auch die innere Kraft?<br />
Schon, aber er führt auch<br />
dazu, dass du permanent unter<br />
öffentlicher Beobachtung<br />
stehst und Menschen, die<br />
du nicht einmal kennst, dein<br />
Leben und deine Beziehungen<br />
kommentieren. So etwas kann<br />
„Als ich jünger war, konnte<br />
ich ein wahrer Albtraum<br />
sein. Ich war gewalttätig<br />
und manipulativ.“<br />
ganz schnell Einfluss auf deine<br />
Entscheidungen nehmen. Darf<br />
es aber nicht. Es ist extrem<br />
wichtig, diese Dinge einfach<br />
zu ignorieren. Nur so bleibst<br />
du geistig gesund.<br />
Klingt nach einer eher<br />
defen siven Strategie …<br />
Nach außen vielleicht. Aber es<br />
geht darum, die eigene Privatsphäre<br />
zu bewahren und in<br />
seiner persönlichen Blase zu<br />
bleiben. Es ist unmöglich, es<br />
allen Leuten recht zu machen<br />
– also sollte man es zumindest<br />
sich selbst recht machen. Das<br />
ist mein Mantra für die Reise<br />
meines Lebens.<br />
Hast du diese innere Stärke<br />
bereits entdeckt, bevor du<br />
eine Person des öffentlichen<br />
Interesses wurdest?<br />
Ja, als ich siebzehn war, verlor<br />
ich meinen Vater. Es war eine<br />
enorme Herausforderung,<br />
das gemeinsam mit meiner<br />
Familie durchzustehen und<br />
eine gute Schwester für meine<br />
Brüder zu sein. Dass ich das<br />
geschafft habe, hat mir viel<br />
Mut gegeben.<br />
War dies das erste Mal,<br />
dass du mentale Stärke<br />
beweisen musstest?<br />
Kommt drauf an. Meine<br />
beiden Brüder – einer älter,<br />
der andere jünger – würden<br />
vermutlich eine andere<br />
Geschichte erzählen.<br />
Und zwar welche?<br />
Na ja, jetzt habe ich eine tolle<br />
Beziehung zu ihnen, aber<br />
als ich jünger war, konnte ich<br />
ein wahrer Albtraum sein.<br />
Ich habe ständig mit ihnen<br />
gekämpft.<br />
Du hast sie verprügelt?<br />
Es gab eine Phase, in der<br />
ich ziemlich viel Babyspeck<br />
hatte und mich einfach auf<br />
sie draufsetzen konnte. So<br />
habe ich gewonnen – es war<br />
großartig. Außerdem konnte<br />
ich als Mädchen einen auf<br />
„Mama, die waren’s, nicht ich“<br />
machen. Kurz gesagt: Ich war<br />
gewalttätig und manipulativ.<br />
Meine Brüder nannten mich<br />
„das Biest“.<br />
Kommt dieses „Biest“ auch<br />
heute noch manchmal zum<br />
Vorschein?<br />
Ich habe das Gefühl, dass zwei<br />
Versionen von mir existieren.<br />
Eine davon engagiert sich voll<br />
fürs Berufsleben und meine<br />
Ambitionen, und dann gibt es<br />
auch noch eine hemmungslose<br />
Seite … Vor allem in meinen<br />
Zwanzigern war ich so richtig<br />
furchtlos. Ich war hungrig, ich<br />
wollte unbedingt die Welt sehen<br />
und mich dabei verlieren<br />
und gleichzeitig selbst finden.<br />
Also zog ich los, ganz allein.<br />
Und, hast du dich gefunden?<br />
Ich denke schon. Besonders<br />
weil ich gelernt habe, auch<br />
mit negativen Erfahrungen<br />
klarzukommen. Ich bleibe<br />
positiv, egal was passiert.<br />
Denn wenn du mutig für<br />
deine moralischen Prinzipien<br />
einstehst, ohne dabei deine<br />
Güte zu verlieren, dann bist<br />
du unzerstörbar.<br />
Die Musical-Komödie „Yesterday“<br />
mit Lily James in der weiblichen<br />
Hauptrolle läuft ab 11. Juli im Kino.<br />
ERIK TANNER/CONTOUR BY GETTY IMAGES RÜDIGER STURM<br />
34 THE RED BULLETIN
Schauspielerin<br />
Lily James, 30, ist<br />
zielstrebig, mutig und<br />
stark – nachzufragen<br />
am besten bei ihren<br />
gepeinigten Brüdern.
DER WEG<br />
DER GIGANTEN<br />
Leonardo DiCaprio und Brad Pitt residieren seit Jahrzehnten im Hollywood-<br />
Olymp. Nun stehen sie erstmals gemeinsam vor der Kamera – für Kult-<br />
Regisseur Quentin Tarantino. Hier erzählen sie, wie du an der Spitze überlebst:<br />
indem du mutige Entscheidungen triffst und deine Reise trotzdem genießt.<br />
Interview RÜDIGER STURM<br />
36
ANDREAS RENTZ/GETTY IMAGES<br />
Cooles Trio: Regisseur<br />
Quentin Tarantino (li.), 56,<br />
Leonardo DiCaprio, 44,<br />
und Brad Pitt, 55, bei der<br />
Premiere von „Once Upon<br />
a Time in Hollywood“<br />
diesen Mai in Cannes
„ I C H H A B E N O C H I M M E R D E N H U N G E R , E T WA S T O L L E S<br />
ZU ERSCHAFFEN, WAS MICH AUCH SELBST BEWEGT.“<br />
LEONARDO Di CAPRIO<br />
einig: Das Entscheidende ist, dass du in<br />
dem, was du tust, eine Bedeutung findest.<br />
Wenn uns das weiterhin gelingt, werden<br />
wir in unserer jeweiligen Karriere auch<br />
einen passenden Übergang in eine neue<br />
Phase erleben – so nach dem Beispiel von<br />
Anthony Hopkins oder Gene Hackman.<br />
In<br />
dieser Liga spielen nur ganz wenige mit.<br />
Brad Pitt, 55, und Leonardo DiCaprio,<br />
44, zählen zu jenen Hollywoodstars, die<br />
einen Film ganz allein schultern können –<br />
künstlerisch und an der Kinokasse. Wobei<br />
sich zwischen den Karrieren der beiden<br />
Oscar-Gewinner eine auffallende Parallele<br />
zeigt: Im Gegensatz zu anderen Großkalibern<br />
ihrer Generation haben sie sich<br />
niemals auf eine bestimmte Rolle festlegen<br />
lassen. Während Kollegen wie<br />
Johnny Depp (als Jack Sparrow), Tom<br />
Cruise (Ethan Hunt) oder Robert Downey<br />
jr. (Tony Stark) ihre Millionen zunehmend<br />
in Serie(n) scheffeln, suchen Pitt und<br />
DiCaprio mit jedem neuen Filmprojekt<br />
eine neue Herausforderung – und wagen<br />
damit jedes Mal enorm viel.<br />
In Quentin Tarantinos zehnter Regiearbeit<br />
„Once Upon a Time in Hollywood“<br />
stehen die beiden Superstars nun erstmals<br />
gemeinsam vor der Kamera, und<br />
Regie-Legende Tarantino verspricht „das<br />
aufregendste Star-Duo seit Paul Newman<br />
und Robert <strong>Red</strong>ford“. Wir haben Pitt und<br />
DiCaprio zum Interview gebeten, um die<br />
beiden zu einem <strong>The</strong>ma zu be fragen,<br />
in dem sie nachweislich Experten sind:<br />
Wie überlebt man dauerhaft in der<br />
dünnen Luft ganz an der Spitze?<br />
THE RED BULLETIN: Brad, Leo, in<br />
eurem neuen Film „Once Upon a Time<br />
in Holly wood“ gibt Leo einen Schauspieler,<br />
der seine besten Tage lange<br />
hinter sich hat. Von euch beiden kann<br />
man das wohl nicht behaupten …<br />
BRAD PITT: Stimmt, aber auch wir haben<br />
ein Ablaufdatum, das ist uns deutlich<br />
bewusst. Umso mehr wissen wir daher<br />
die Zeit zu schätzen, die wir bislang in<br />
dieser privilegierten Position an der Spitze<br />
zubringen durften. Leo und ich haben uns<br />
lange darüber unterhalten und sind uns<br />
Um in diese Position zu gelangen, habt<br />
ihr beide euch mittlerweile fast dreißig<br />
Jahre an der Spitze halten müssen.<br />
Wie „überlebt“ man das?<br />
LEONARDO DICAPRIO: Ich glaube, das hat<br />
viel mit Ernsthaftigkeit und einer gewissen<br />
Demut zu tun. In meinen Augen sind Filme<br />
die wichtigste moderne Kunstform. Wir<br />
empfinden es als Ehre und Privileg, dass<br />
wir ein Teil davon sein dürfen. Brad und<br />
ich haben ungefähr zur selben Zeit in dieser<br />
Branche angefangen und wissen beide,<br />
dass es immer nur eine Chance gibt, den<br />
Durchbruch zu schaffen – und wie schwer<br />
es ist, diese eine Chance zu bekommen.<br />
Vom vielzitierten richtigen Ort zur richtigen<br />
Zeit rede ich da noch gar nicht …<br />
PITT: Es ist ungefähr so, als würdest du<br />
in der Lotterie gewinnen. Es gibt so verdammt<br />
viele talentierte Leute da draußen.<br />
Der Trick besteht also darin, dass du auch<br />
im Zimmer bleibst, sobald du es zur Tür<br />
hinein geschafft hast. Wir beide hatten<br />
die Gelegenheit, zu lernen, wie das geht.<br />
Deshalb haben wir „überlebt“ und unseren<br />
eigenen Weg gefunden.<br />
Wie lässt sich dieser eigene Weg in<br />
einem derart schnelllebigen Business<br />
überhaupt beeinflussen?<br />
DICAPRIO: In erster Linie, indem man<br />
immer und ohne Kompromisse versucht,<br />
die richtigen Projekte auszuwählen. Wir<br />
haben hart an Filmen gearbeitet, die für<br />
uns eine kreative Herausforderung und<br />
gleichzeitig auch große Kunstwerke waren.<br />
Woher kommt dieser Antrieb?<br />
DICAPRIO: Ich komme aus keiner allzu<br />
wohlhabenden Familie und war wohl<br />
auch deshalb besonders ambitioniert.<br />
Außerdem bin ich in Los Angeles aufgewachsen,<br />
mir war also von Anfang an<br />
klar, wie schwer es ist, als Schauspieler<br />
Arbeit zu bekommen – was mich nur noch<br />
mehr motiviert hat. Woher dieser Antrieb<br />
stammt, weiß ich selbst nicht so genau. Es<br />
ist eher wie das Bedürfnis, einen Hunger<br />
zu stillen – aber es ist kein Hunger nach<br />
Reichtum oder Berühmtheit.<br />
Sondern?<br />
DICAPRIO: Der Hunger, etwas Tolles zu<br />
schaffen, was mich selbst bewegt. Und<br />
das ist keineswegs einfach. Du denkst dir:<br />
„Hey, ich habe das richtige Material und<br />
einen tollen Regisseur“ – und dann geht<br />
es trotzdem schief. Aber du musst immer<br />
dranbleiben und weitermachen, dir sagen:<br />
„Ich will, dass etwas Großartiges dabei<br />
herauskommt.“ Diese Einstellung hat sich<br />
bis heute nicht geändert.<br />
ART STREIBER/SONY PICTURES<br />
38 THE RED BULLETIN
Diese Besetzung sitzt:<br />
Quentin Tarantino mit<br />
seinen Hauptdarstellern<br />
Leonardo DiCaprio, Margot<br />
Robbie und Brad Pitt<br />
„ D E R G R O S S E F E H L E R L I E G T, G L A U B E I C H , D A R I N ,<br />
IM RESULTAT NACH DER BEDEUTUNG ZU SUCHEN.<br />
DU FINDEST DIE BEDEUTUNG IM TUN.“ BRAD PITT<br />
PITT: Man darf auch nicht vergessen,<br />
dass du für einen Film viel Lebenszeit<br />
investieren musst – das können schon mal<br />
ein bis zwei Jahre sein. Bei einer großen<br />
Rolle kann allein die Vorbereitung an die<br />
sechs Monate dauern, und dann bist du<br />
auch noch in die Nachbereitung involviert.<br />
Die Sache sollte also richtig Gewicht<br />
haben. Schließlich weiß ich nicht, wie<br />
viel Zeit mir selbst noch bleibt.<br />
Wie erkennt man, ob ein Filmprojekt<br />
das Zeug zu etwas Großartigem hat?<br />
DICAPRIO: Du kannst es naturgemäß nur<br />
erahnen. Allerdings weißt du, was du nicht<br />
willst. Tatsächlich besteht ein wichtiger<br />
Teil des Filmemachens darin, dass du dich<br />
mit dem Regisseur darauf einigst, was du<br />
nicht magst und was du nicht tun willst.<br />
Das gibt dir eine Ausgangsbasis, um auszuloten,<br />
was du wirklich tun möchtest.<br />
PITT: Ganz wichtig für mich ist, dass ich<br />
Dinge nicht wiederhole. Ich will mich<br />
weiterbewegen, auf Gedeih und Verderb.<br />
Ich kann nicht zurück. Das ist auch bei<br />
meinen Reisen so. Wenn ich erst mal<br />
aufgebrochen bin und feststelle, dass ich<br />
meine Brille oder meinen Führerschein<br />
vergessen habe, kehre ich nicht um. Daher<br />
wähle ich Projekte nach einem schwer<br />
beschreibbaren Gefühl, dass nämlich<br />
dieses nächste Projekt mir etwas Neues,<br />
anderes bietet. Und dann bleib ich dran.<br />
Also gut, man entscheidet sich für<br />
ein Projekt, das einem viel bedeutet.<br />
Was ist der nächste Schritt?<br />
DICAPRIO: Ich halte Recherchen für den<br />
wahrscheinlich unterschätztesten Teil<br />
THE RED BULLETIN 39
eim Filmemachen. Im Zuge der Vorproduktion<br />
musst du deine Figuren genau<br />
analysieren. Wenn du beim Dreh nicht<br />
schon einen ganzen Wissensschatz zu diesen<br />
Personen und ihren Verhaltensweisen<br />
aufgebaut hast, wenn du dich darin nicht<br />
sattelfest fühlst, dann kannst du sie nicht<br />
authentisch darstellen. Denn es wird<br />
immer unangenehme Überraschungen<br />
geben. Dinge ändern sich tagtäglich, du<br />
änderst deine Meinung, der Regisseur<br />
ändert seine … In diesen Momenten<br />
kannst du nur richtig reagieren, wenn<br />
du in deiner Rolle ganz zu Hause bist.<br />
PITT: Und du musst den Schaffensprozess<br />
genießen. Das ist auch einer der Gründe,<br />
warum sich kein anderer Dreh mit dem<br />
eines Tarantino-Films vergleichen lässt –<br />
wegen seiner Liebe zum Film. Manchmal<br />
sagt Quentin nach einer Einstellung: „Wir<br />
haben’s im Kasten. Aber wir werden’s<br />
noch mal drehen. Und warum …?“ Dann<br />
ruft die ganze Crew im Chor: „… weil wir<br />
es lieben, Filme zu machen.“ Mit dieser<br />
Einstellung führt er das ganze Team.<br />
DICAPRIO: Brad hat recht. Das würde ich<br />
Pitt und DiCaprio in<br />
Cannes: „Eine Karriere<br />
beim Film gleicht einer<br />
Achterbahnfahrt. Es geht<br />
immer rauf und runter.“<br />
„W E N N D U N I C H T A N D E I N P R O J E K T G L A U B S T, D A N N E R W E I S T D U I H M<br />
EINEN BÄRENDIENST – DU ENTEHRST ES.“ LEONARDO Di CAPRIO<br />
auch meinem jüngeren Ich raten: Treib<br />
dich an, nimm alles ernst! Versuch das<br />
Unmögliche. Und genieße deine Reise.<br />
Hollywood ist allerdings nicht unbedingt<br />
als Ort für Friede, Freude,<br />
Eierkuchen bekannt. Ist es nicht eher<br />
das ungemütliche Haifischbecken?<br />
PITT: Ich weiß, es gibt die Ansicht, dass<br />
jeder in Hollywood Nabelschau betreibt<br />
und nur in „Ich, Ich, Ich!“-Kategorien<br />
denkt. Das will ich gar nicht bestreiten,<br />
aber das gibt es in allen Branchen. Und<br />
die für mich interessantesten Leute in<br />
unserem Beruf sind diejenigen, die Dinge<br />
hinterfragen und sich für intelligente,<br />
provokante Ideen interessieren. Das sind<br />
Menschen, die beim Geschichtenerzählen<br />
nach sich selbst, nach dem Wert des<br />
Erzählten, nach Antworten und tieferer<br />
Bedeutung suchen.<br />
DICAPRIO: Was nicht heißt, dass es nicht<br />
auch Meinungsverschiedenheiten geben<br />
kann. Ich kann ganz unverblümt offen<br />
sein. Das habe ich in meinen Genen.<br />
Das mag manchmal zu Spannungen mit<br />
meinen Mitstreitern führen, aber das ist<br />
etwas Gutes. Denn ansonsten machst du<br />
etwas, woran du nicht glaubst. Und wenn<br />
du nicht an dein Projekt glaubst, dann<br />
erweist du ihm einen Bärendienst, du entehrst<br />
es. Ich glaube, kein Regisseur kann<br />
von mir behaupten, dass ich mit meiner<br />
Meinung zu Projekten je hinterm Berg<br />
gehalten hätte. Und ich hoffe, dass diese<br />
Filme dadurch besser geworden sind.<br />
PITT: Leo und ich haben mit sehr aufgeschlossenen<br />
und intelligenten Leuten<br />
gearbeitet. Und dabei kommt es natürlich<br />
auch zu Diskussionen. Wenn dir klar ist,<br />
dass du es mit einer inspirierenden Person<br />
zu tun hast, dann kannst du etwas von ihr<br />
lernen. Deshalb mag ich es, mit Regisseuren<br />
zu arbeiten, die schlauer sind als ich.<br />
Was kann man denn von Quentin<br />
Tarantino lernen?<br />
PITT: Quentin will alles real in der Kamera<br />
einfangen. Da gibt es keine Computereffekte.<br />
Meine Figur, ein Stuntman, hat<br />
eine ganz lange Kampfszene mit Bruce<br />
40 THE RED BULLETIN
„ I C H W I L L M I C H N I C H T W I E D E R H O L E N , S O N D E R N<br />
M I C H W E I T E R B E W E G E N , A U F G E D E I H U N D V E R D E R B .<br />
ICH KANN NICHT ZURÜCK.“ BRAD PITT<br />
ANDREAS RENTZ/GETTY IMAGES, <strong>2019</strong> SONY PICTURES ENTERTAINMENT DEUTSCHLAND GMBH (3)<br />
Lee. Und Quentin sagte: „Wir drehen das<br />
alles in einer Einstellung – ohne Schnitte.“<br />
Darauf ich: „Aber du kannst es doch<br />
danach so schneiden, dass es genau so<br />
wirkt.“ Aber er blieb hart: „Wenn wir alles<br />
in einer Einstellung bringen, dann muss<br />
das auch exakt so gefilmt werden.“ Und<br />
genau das haben wir gemacht. Du kannst<br />
mit ihm debattieren, aber du solltest nicht<br />
mit ihm streiten.<br />
Wo wir bei dem <strong>The</strong>ma „Konfrontation“<br />
sind: Hat einer von euch sich<br />
jemals einen echten Kampf mit einem<br />
Co-Darsteller geliefert?<br />
PITT: Nein, aber bei einem Actionfilm ließ<br />
der Regisseur mich und meine Kollegen<br />
gegeneinander boxen. Er erklärte, dass<br />
wir uns auf diese Weise besser kennenlernen.<br />
Seine Worte waren: „Du erfährst<br />
erst richtig etwas über jemanden, wenn<br />
du ihm ins Gesicht schlägst.“ Wir haben<br />
durch das Sparring einen richtigen Gemeinschaftsgeist<br />
entwickelt. Einerseits<br />
bist du aggressiv, andererseits hältst du<br />
dich auch zurück, weil dir der andere<br />
Neulich in Hollywood<br />
Auf die große Leinwand – um jeden Preis:<br />
Nach diesem Motto versuchen TV-Star<br />
Rick Dalton (Leonardo DiCaprio) und sein<br />
Stunt-Double Cliff Booth (Brad Pitt), in<br />
Hollywood Fuß zu fassen. Quentin Tarantinos<br />
„Once Upon a Time in Hollywood“ feiert die<br />
Traumfabrik der ausklingenden 1960er-Jahre<br />
– mit perfekt inszenierter Nostalgie und einer<br />
gehörigen Portion Gewalt.<br />
159 Minuten, ab 15. <strong>August</strong> in den Kinos<br />
etwas bedeutet. Du zeigst Wettbewerbsgeist<br />
und zugleich Beschützerinstinkt.<br />
Wie stark ist der Wettbewerbsgeist beim<br />
Drehen? Wie groß ist die Versuchung,<br />
eine Szene an sich zu reißen?<br />
DICAPRIO: Das ist nie ein <strong>The</strong>ma. Wir<br />
machen, was für die Rolle richtig ist.<br />
PITT: Ja, das ist eine Sackgasse. Wenn<br />
du um so etwas kämpfst, bist du auf dem<br />
sichersten Weg, den Film zu vermurksen.<br />
Bei einem großartigen Projekt muss jeder<br />
die Chance haben, sein Bestes zu geben.<br />
All diesen Erkenntnissen zum Trotz<br />
waren nicht alle eure Filme durchschlagende<br />
Erfolge …<br />
PITT: Das kommt immer darauf an, wie<br />
man Erfolg definiert. Ich erinnere mich,<br />
wie ich Anfang der Neunziger einmal<br />
die Turnwettbewerbe bei der Olympiade<br />
anschaute. Da gab es eine Russin, die als<br />
absolute Favoritin galt. Aber nach den<br />
ersten zehn Sekunden ihres Programms<br />
stürzte sie. Ich sah, wie sie dann wieder<br />
aufstand und alles perfekt durchzog. Das<br />
war für mich höchst inspirierend und<br />
bewegend. Alle sprachen davon, was das<br />
für eine Erniedrigung gewesen sei, aber<br />
für mich war das ein wahrer Sieg. Wenn<br />
es also um Filme geht, dann denken wir<br />
oft nicht an den Schwierigkeitsgrad. Für<br />
mich definiert sich Erfolg aber genau darin<br />
– und nicht in der Frage, ob er als bester<br />
Film in den Jahrbüchern stehen wird.<br />
Doch Misserfolge aus dem Blickwinkel<br />
der Öffentlichkeit können auch zum<br />
Ende einer Karriere führen.<br />
PITT: Irgendwann wird jeder mal eine<br />
vergessene Größe sein. Du kannst nichts<br />
anderes tun, als einfach weiterzumachen.<br />
DICAPRIO: Letztlich ist jede Karriere eine<br />
Achterbahnfahrt. Es geht immer rauf und<br />
runter. Deshalb bleibt dir nichts anderes<br />
übrig, als das Ganze als Langstreckenlauf<br />
zu betrachten.<br />
PITT: Ich glaube, der große Fehler liegt<br />
darin, nach der Bedeutung im Resultat zu<br />
suchen. Du findest die Bedeutung im Tun.<br />
Jeden Tag. Darauf kommt es an. Aber<br />
das zu finden ist zugegebenermaßen ein<br />
ständiger Kampf.<br />
THE RED BULLETIN 41
Stadt der Zukunft:<br />
Die schwimmenden Module<br />
der „Oceanix City“ bieten<br />
Lebensraum für bis zu<br />
10.000 Menschen.<br />
INNOVATOR<br />
START-UPS,<br />
PIONIERE UND<br />
GENIALE<br />
ERFINDUNGEN<br />
Schwimmende Stadt<br />
Meertropolis<br />
Du sehnst dich nach einem<br />
Appartement mit Meeresblick?<br />
Wieso so bescheiden? Schon bald<br />
könnten wir alle in einer Metropole<br />
mitten im Ozean leben.<br />
Ich weiß, dass Mensch und<br />
Fisch friedlich koexistieren<br />
können“, erklärte Ex-US-<br />
Präsident George W. Bush im<br />
Jahr 2000. Wie prophetisch<br />
seine Worte sein würden,<br />
ahnte er wohl selbst nicht. Die<br />
Vereinten Nationen schätzen,<br />
dass bis 2050 etwa 90 Prozent<br />
der Weltmetropolen von einem<br />
steigenden Meeresspiegel bedroht<br />
sein werden, während<br />
landeinwärts Überbevölkerung<br />
zum Problem werden wird.<br />
Einem Problem, das die UNO<br />
rasch lösen will – zum Beispiel<br />
mit dem im April präsentierten<br />
Konzept „Oceanix City“.<br />
Basis der Idee sind schwimmende<br />
Bauteile à zwei Hektar,<br />
die bis zu 300 Personen tragen<br />
und zu Städten von 10.000<br />
Einwohnern kombiniert werden<br />
können. Jedes Modul soll<br />
dabei autark sein. Energie<br />
spenden Solarpaneele auf den<br />
Dächern, Nahrung gedeiht in<br />
zentralen Farmen. Wobei auf<br />
den Inseln nicht nur Essen<br />
angebaut wird, sondern auch<br />
42 THE RED BULLETIN
„Wir sind überzeugt<br />
davon, dass die<br />
Menschheit in<br />
Einklang mit der<br />
Unterwasserwelt<br />
leben kann.“<br />
Marc Collins Chen,<br />
CEO von Oceanix<br />
Baumaterial: Die bis zu sieben<br />
Stockwerke hohen Häuser bestehen<br />
nämlich großteils aus<br />
nachhaltigem Bambus.<br />
Veranke rungen auf dem<br />
Meeresboden sorgen für Halt,<br />
zudem dienen sie als Saatgut<br />
künst licher Riffe. „Wir sind<br />
überzeugt davon, dass die<br />
Menschheit in Einklang mit<br />
der Unterwasserwelt leben<br />
kann“, sagt Oceanix-Gründer<br />
Marc Collins Chen. Bush hätte<br />
es nicht besser ausdrücken<br />
können. oceanix.org<br />
IN ALLER<br />
KÜRZE<br />
HIGHTECH<br />
FÜR DIE<br />
WABE<br />
Bits und Bites für<br />
Bienen: Diese Ideen<br />
helfen Imkern bei<br />
der Arbeit.<br />
BIG DATA FÜR BIENEN<br />
Mit der b.tree-Software<br />
behalten Imker den<br />
Überblick über ihre<br />
Bienenvölker, effizient<br />
und einfach per App:<br />
Welches Volk war fleißiger?<br />
Wann wurde zum<br />
letzten Mal kon trolliert,<br />
behandelt, ge füttert?<br />
info.btree.at<br />
DIE BIENENSAUNA<br />
Die Varroamilbe ist die<br />
Hauptfeindin der Honigbiene<br />
– und temperatursensibel.<br />
Also heizt<br />
ein Elektrogerät die<br />
Brut auf, sodass die<br />
Schädlinge sterben, die<br />
Bienen dank kühlendem<br />
Flügelschlag nicht.<br />
bienensauna.de<br />
Mehr Inspiration für<br />
Zukunftsmacher gibt es<br />
im aktuellen INNOVATOR.<br />
Infos und Abo unter:<br />
redbulletininnovator.com<br />
BIG BJARKE INGLES GROUP, SIMYBALL TOM GUISE, WERNER JESSNER, LEA WIESER<br />
Gadget<br />
Runde Sache:<br />
Die Sensoren auf<br />
dem SimyBall<br />
messen dein<br />
Stresslevel.<br />
Spielend entspannen<br />
Von wegen Zeitverschwendung: Das Wiener<br />
Start-up SimyBall bekämpft Alltags stress mit<br />
einem Biofeedback-Gamecontroller.<br />
In Zeiten immer stärker<br />
werdender Digitalisierung,<br />
dauernder Erreichbarkeit<br />
und ständig überquellender<br />
E-Mail-Postfächer<br />
spielt der Umgang mit Stress<br />
am Arbeitsplatz eine immer<br />
wichtigere Rolle. Wir wissen:<br />
Ein gesundes Maß an Stresshormonen<br />
kann zu mehr<br />
Produktivität führen. Andererseits<br />
reichen die negativen<br />
Folgen von Dauerstress<br />
von Denkblockaden und<br />
Konzentrationsproblemen<br />
bis hin zu Immunschwäche<br />
und Burn-out.<br />
„Unser Ziel ist es, den<br />
eigenen Körper zu verstehen,<br />
um Stress richtig handhaben<br />
und so die eigene<br />
Leistungsfähigkeit steigern<br />
zu können“, erklärt Andreas<br />
Chabicovsky. Dafür hat der<br />
ehemalige Spitzensportler<br />
nun den SimyBall ent wickelt<br />
– einen intelligenten Anti-<br />
Stress-Ball, der mittels Sensoren<br />
das Stresslevel seines<br />
Nutzers über den Kontakt<br />
mit dessen Handfläche misst.<br />
Auf Basis von Puls, Hauttemperatur<br />
und Hautleitwert<br />
(Schweiß) berechnet<br />
die tennisballgroße Kugel,<br />
wie gestresst der Anwender<br />
Der SimyBall steigert spielerisch<br />
die Leistungsfähigkeit der User.<br />
ist, und gibt über eine Farbskala<br />
sekundenschnelles<br />
Feedback: von Blau für „sehr<br />
entspannt“ bis Rot für „sehr<br />
gestresst“.<br />
Anhand der erfassten Vitalwerte<br />
wird dem Benutzer<br />
ein fünf- bis zehnminütiges<br />
Computerspiel vorgeschlagen,<br />
das dabei helfen soll,<br />
Stress abzubauen sowie<br />
Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit<br />
langfristig zu<br />
erhöhen. Die Spiele, sogenannte<br />
SimyGames, reichen<br />
von Bogenschießen über<br />
Golfen bis zu Jump ’n’ Run<br />
und werden auf der dazugehörigen<br />
App angeboten.<br />
Der SimyBall selbst fungiert<br />
als Controller. Chabicovsky:<br />
„Der Ball ist ein Mittel zum<br />
Zweck, um seinen Körper<br />
besser wahrzunehmen.“<br />
simyball.com<br />
THE RED BULLETIN 43
WAS SPORTLER ESSEN<br />
S O I S S T D U<br />
W I E E I N<br />
CHAMPION<br />
Von Clean Eating bis Chili zum Frühstück:<br />
Hier verraten acht Spitzensportler aus der ganzen Welt,<br />
wie ihre Ernährung zu ihrem Erfolg beiträgt.<br />
Du kannst ihrem Beispiel folgen.<br />
Text WILL COCKRELL<br />
Illustrationen BRIAN STAUFFER und HELLO VON<br />
44 THE RED BULLETIN
BRIAN STAUFFER
WAS SPORTLER ESSEN<br />
David<br />
Hablützel<br />
ALTER: 23<br />
LAND: Schweiz<br />
LIEBLINGSESSEN:<br />
Hablützel liebt Gemüse<br />
und isst es mittlerweile<br />
routinemäßig bei jeder<br />
Mahlzeit. Bei Reisen<br />
in die USA muss aber<br />
immer auch ein guter<br />
Burger drin sein.<br />
F R Ü H S T Ü C K :<br />
hausgemachtes Müsli<br />
ohne Zucker<br />
A<br />
ls Snowboarder David Hablützel achtzehn Jahre<br />
alt wurde, wusste er bereits, wie es ist, alles zu haben<br />
– und alles zu verlieren. Mit fünfzehn hatte das<br />
Schweizer Freestyle-Phänomen bei der Jugend-<br />
Olympiade 2012 die Bronzemedaille gewonnen, war<br />
im gleichen Jahr ins Nationalteam berufen worden.<br />
Mit siebzehn wurde er Fünfter bei den Olympischen<br />
Winterspielen in Sotschi und stand in Vail, Colorado,<br />
bei den prestigeträchtigen U. S. Open auf dem Podium.<br />
Seine Siege feierte er wie andere Teenager auch:<br />
mit fetten Burgern und Alkohol. Zur Regeneration<br />
hielt er sich an frisch gebackene Croissants, und das<br />
neueste Kendrick-Lamar-Album interessierte ihn<br />
wesentlich mehr als frische Lebensmittel.<br />
Denn für David Hablützel war das Snowboarden<br />
kein professioneller Leistungssport, sondern eine<br />
Ausdrucksmöglichkeit. „Snowboarden ist eine Kunstform“,<br />
sagte er damals. „Es geht nicht nur darum,<br />
sich mit anderen zu messen, oder um die Höhe des<br />
Sprungs. Es ist ein Lebensstil.“<br />
Doch dann missglückte ihm eine Landung. Beim<br />
Aufwärmen für ein Slopestyle-Event in Andorra 2014<br />
riss sein vorderes Kreuzband. 2016 riss es erneut –<br />
und mit ihm der Faden einer Karriere, die bis dahin<br />
wie selbstverständlich auf Erfolg programmiert war.<br />
Dennoch brachten diese Verletzungen auch etwas<br />
Positives in Davids Leben: eine neue Perspektive.<br />
„Sie erinnerten mich daran, dass ich ein Athlet bin“,<br />
resümiert er heute. „Das Snowboarden ist nicht bloß<br />
ein Lebensstil, es wird immer kompetitiver. Wenn du<br />
dich nicht ans steigende Level anpasst, bist du sofort<br />
ein paar Schritte zurück. Mir wurde klar, dass ich<br />
professioneller und disziplinierter werden muss.“<br />
HELLO VON<br />
46 THE RED BULLETIN
„VERLETZTE ATHLETEN MÖCHTEN<br />
WISSEN, WAS SIE ESSEN SOLLEN,<br />
UM IHRE RÜCKKEHR ZUM SPORT<br />
BESTMÖGLICH ZU FÖRDERN.“<br />
Eines der ersten Dinge, die Hablützel in Angriff<br />
nahm, war seine Ernährung. Er durchforstete das<br />
Internet nach Ernährungstipps und begann instinktiv<br />
Gemüse in sich reinzustopfen, aß nur noch halb so<br />
viel Fleisch, Snacks ließ er komplett weg – und folgte<br />
damit im Prinzip genau jenen Tipps, mit denen wir<br />
alle überflutet werden. Aber für jemanden, der nicht<br />
nur von einer Verletzung zurückkommen, sondern<br />
eines Tages Olympiasieger werden wollte, war das<br />
Internet-Wissen nicht differenziert genug: David zog<br />
sein selbst auferlegtes Essensregime derart streng<br />
durch, dass er sich sogar Kalorien entzog, die sein<br />
Körper eigentlich dringend benötigt hätte. Es ging<br />
in die falsche Richtung.<br />
Ian Walsh<br />
ALTER: 36<br />
LAND: USA<br />
LIEBLINGSESSEN:<br />
Walsh, ein Hawaiianer<br />
mit Leib und Seele, hat<br />
Açai-Bowls und frische<br />
Smoothies perfektioniert.<br />
Aber an seltenen<br />
Cheat-Tagen kann er<br />
einer deftigen mexikanischen<br />
Mahlzeit nicht<br />
widerstehen.<br />
Im Jahr 2018 stellten ihm seine Trainer die Sporternährungsberaterin<br />
Kristen Bell vor. Bell ist die<br />
Ernährungsautorität bei <strong>Red</strong> Bull. Vom Snowboarder<br />
bis zum Kitesurfer hilft sie Spitzensportlern, ihre Ernährung<br />
so zu gestalten, dass sie ihre Leistung maximieren<br />
können. Und angesichts der internationalen<br />
Ausrichtung von <strong>Red</strong> Bull – und der damit einhergehenden,<br />
teils brutalen Reisepläne der Athleten<br />
– hat Bell nicht nur ein besonderes Gespür dafür entwickelt,<br />
mit regionalen Ernährungsgegebenheiten zu<br />
arbeiten, sondern auch ein professionelles Programm<br />
dafür erarbeitet – von dem auch du lernen kannst.<br />
Hier folgen ihre sechs wichtigsten Lektionen:<br />
1<br />
Jedes Reiskorn zählt<br />
Als Erstes erklärt Bell den Elite-Athleten, dass<br />
schon kleine Veränderungen auf der Basis von Halbwissen<br />
katastrophale Folgen haben können. Weil<br />
sie weiß: sich gut zu fühlen reicht für diese Männer<br />
und Frauen nicht. Bell muss ihnen beibringen, „ihren<br />
Tank immer zu hundert Prozent gefüllt zu haben“.<br />
Hablützel beispielsweise brauchte nicht nur eine<br />
Comeback-Diät, er musste auch lernen, wie man<br />
diese Essgewohnheiten beibehält, wenn man unter-<br />
THE RED BULLETIN 47
WAS SPORTLER ESSEN<br />
Sae<br />
Hatakeyama<br />
ALTER: 22<br />
LAND: Japan<br />
S P O R T:<br />
BMX-Racing<br />
L I E B L I N G S E S S E N :<br />
Hatakeyama liebt Sushi<br />
und das Yakisoba ihrer<br />
Mutter, ein Pfannengericht<br />
aus Sobanudeln,<br />
Fleisch und Gemüse.<br />
Für den besonderen<br />
Genuss gönnt sie sich<br />
eine Schüssel Eiscreme.<br />
F R Ü H S T Ü C K :<br />
Brot, Eier und Joghurt<br />
„DIESE ATHLETEN SIND<br />
SO HART ZU SICH – IMMER.<br />
DARUM SOLLTEN SIE SICH<br />
MANCHMAL WAS GÖNNEN.“<br />
wegs ist – und zwar, bevor er wieder gesund war.<br />
„Viele Athleten geben ihrem Körper nicht die richtigen<br />
Lebensmittel, die mithelfen, Verletzungen zu vermeiden<br />
– also Dinge wie Vitamin C oder Kollagen“,<br />
betont Bell. „Und ihr Immunsystem ist geschwächt,<br />
weil sie so viel reisen.“<br />
2<br />
Lass unterwegs den Freestyler raus<br />
Im Wesentlichen bringt Bell den Athleten die<br />
Kunst des Improvisierens bei. Sie predigt regelrecht,<br />
wie wichtig es ist, das Beste aus längeren<br />
Aufenthalten zu Hause zu machen, also in Zeiten<br />
mit Zugang zu bekannten Geschäften, Märkten und<br />
Restaurants. Sie gibt den Athleten Werkzeuge in die<br />
Hand, die bei der Planung helfen – von Einkaufs- bis<br />
hin zu Zubereitungstipps – und sogar dabei, empfehlenswerte<br />
Supermärkte und Restaurants an den<br />
Orten ihrer Trainingslager und Wettkämpfe zu finden.<br />
Das sind die Tools, die Athleten benötigen, um siebzehnstündige<br />
Flüge und Menüs zu überstehen, deren<br />
Gerichte aus einem Haufen undefinierbarer Zutaten<br />
bestehen. Aber die vielleicht wichtigste ihrer strengen<br />
Regeln lautet: Brich die Regeln auch einmal! „Die<br />
48 THE RED BULLETIN
„ PIZZA? KEIN PROBLEM!“<br />
Chilis zum Frühstück und Fasten in der<br />
S a i s o n p a u s e : S k i b e r g s t e i g e r u n d B e r g l ä u f e r<br />
A n t o n P a l z e r e r k l ä r t , m i t w e l c h e r E r n ä h r u n g<br />
d u j e d e n G i p f e l e r k l i m m s t .<br />
HELLO VON<br />
THE RED BULLETIN: Anton,<br />
unter Skibergsteigern und<br />
Bergläufern giltst du als<br />
Mentalitätswunder, stehst<br />
du doch frühmorgens stets<br />
topmotiviert an der Startlinie.<br />
Mit Verlaub: Was isst<br />
du denn zum Frühstück?<br />
ANTON PALZER: Vor Wettkämpfen<br />
immer das Gleiche:<br />
feinblättrige Haferflocken mit<br />
Ingwer, getrockneten Chilischoten,<br />
Kurkuma und Zimt.<br />
Chilis zum Frühstück?<br />
Das klingt ja furchtbar.<br />
Schmeckt aber fantastisch –<br />
vor allem in Kombination mit<br />
einem Esslöffel Honig. Allerdings<br />
geht es weniger um das<br />
Aroma als um den Effekt: Die<br />
Gewürze – vor allem Chili und<br />
Kurkuma – beruhigen meinen<br />
Magen. Auf den schlägt sich<br />
die Anspannung vor dem<br />
Start schon mal nieder.<br />
Bei deinen Wettkämpfen<br />
bist du mehrere Stunden<br />
in den Bergen unterwegs,<br />
legst zu Fuß und mit Skiern<br />
mehrere tausend Höhenmeter<br />
zurück. Wie füllst du<br />
am Vorabend deinen Tank?<br />
Kohlehydrate müssen als<br />
Energielieferant schon sein,<br />
klar. Allein darauf sollte sich<br />
ein Ausdauersportler aber<br />
nicht verlassen. Du solltest<br />
auf jeden Fall genug Eiweiß<br />
zu dir nehmen – das stabilisiert<br />
den Blutzuckerspiegel<br />
und bewirkt, dass du Kohlehydrate<br />
besser aufnehmen<br />
kannst. Mein Tipp für das<br />
Dinner vor dem Wettkampf:<br />
Steak mit Kartoffeln.<br />
Wie füllst du die Energiereserven<br />
zwischen zwei<br />
harten Trainingseinheiten<br />
wieder auf?<br />
Da schwöre ich auf die Banane.<br />
Wichtig: Zirka zwei<br />
Stunden vor der Belastung<br />
essen, dann entfaltet sie ihre<br />
Wirkung am effektivsten.<br />
Ohne welches Gericht<br />
könntest du nicht leben?<br />
Pizza! Drei pro Woche esse<br />
ich mindestens.<br />
Im Ernst?<br />
Aber ja. Am liebsten natürlich<br />
original italienisch mit<br />
Weißmehlteig, aber der ist ja<br />
leider entzündungsfördernd<br />
und auch sonst für Profisportler<br />
eher ungeeignet.<br />
Daher backe ich meinen<br />
eigenen Teig aus Mandeloder<br />
Dinkelmehl. Der wird<br />
zwar härter, aber was soll’s,<br />
besser als gar keine Pizza.<br />
Hast du deine Ernährung<br />
schon mal komplett umgestellt,<br />
um deine Performance<br />
zu verbessern?<br />
Klar! Im Sommer, wenn ich<br />
Saisonpause habe, experimentiere<br />
ich gerne ein bisschen.<br />
Aktuell faste ich zum<br />
Beispiel.<br />
Du verzichtest auf Essen?<br />
Wie verträgt sich das mit<br />
Leistungssport?<br />
Ich gehe nach dem 16/8-<br />
Prinzip vor, das heißt ich<br />
faste 16 Stunden und esse<br />
8 Stunden ganz normal.<br />
Konkret esse ich am frühen<br />
Abend und dann wieder zur<br />
Mittagszeit, das reicht meinem<br />
Körper. So können sich<br />
meine Zellen in der Fastenzeit<br />
reinigen, und ich kann<br />
trotzdem trainieren. Natürlich<br />
geht das nur, wenn ich<br />
keine Wettkämpfe habe, aber<br />
der Effekt ist erstaunlich. Ich<br />
fühle mich morgens wesentlich<br />
frischer als sonst, bin<br />
überhaupt nicht mehr müde<br />
– und gehe mit neuer Power<br />
in die kommende Saison.<br />
Anton Palzer<br />
ALTER: 26<br />
LAND: Deutschland<br />
SPORT: Skibergsteiger<br />
und Bergläufer<br />
LIEBLINGSESSEN:<br />
Pizza mit Bündnerfleisch<br />
und Rucola<br />
FRÜHSTÜCK:<br />
über Nacht in Wasser eingeweichte<br />
Haferflocken,<br />
morgens gemischt mit je<br />
einem Teelöffel Kurkuma,<br />
Zimt, zwei zerstoßenen<br />
getrockneten Chilischoten,<br />
etwas Ingwer und Honig<br />
THE RED BULLETIN 49
WAS SPORTLER ESSEN<br />
„ SMART KOMBINIEREN“<br />
I n d i v i d u e l l e P l ä n e u n d F a r b c o d e s a m B u f f e t :<br />
Fußball- B u n d e s l i g i s t R B L e i p z i g h a t e i n e i g e n e s<br />
Ernährungs ko n z e p t e n t w i c ke l t . Ve r t e i d i g e r<br />
Lukas Klostermann erklärt, wie es funktioniert.<br />
THE RED BULLETIN: Lukas,<br />
dein Verein RB Leipzig will<br />
eure Ernährung optimal<br />
abstimmen – sowohl auf<br />
eure Trainingseinheiten und<br />
Spiele als auch auf eure<br />
individuellen Bedürfnisse.<br />
Schließt sich das nicht aus?<br />
LUKAS KLOSTERMANN: Freilich<br />
ist das immer ein Balanceakt.<br />
Dabei kommt es auf eine<br />
pfiffige Kombination an. Da<br />
unsere Köche immer Buffets<br />
zubereiten, können wir unsere<br />
Mahlzeiten sehr gut selbst<br />
zusammenstellen.<br />
Woher wisst ihr, was auf<br />
den Teller soll?<br />
Unsere Ernährungsexperten<br />
schicken uns zum Start jede<br />
Woche eine Mail, in der genau<br />
steht, worauf wir bei den<br />
Mahlzeiten achten sollen.<br />
Also vor Spielen zum Beispiel<br />
genug Kohlehydrate zu essen.<br />
Lukas<br />
Klostermann<br />
ALTER: 23<br />
LAND: Deutschland<br />
SPORT: Fußball<br />
LIEBLINGSESSEN:<br />
Currywurst mit Pommes<br />
(nicht zu scharf), das<br />
erinnert Lukas an seine<br />
Heimat am Rand des<br />
Ruhrgebiets.<br />
FRÜHSTÜCK:<br />
Bircher-Müsli mit Heidelbeeren<br />
oder Brombeeren,<br />
dazu ein gekochtes Ei<br />
Und ihr wisst dann automatisch,<br />
was das am Buffet<br />
bedeutet?<br />
Grob schon, aber weil die wenigsten<br />
von uns Ernährungsexperten<br />
sind, hängt vor dem<br />
Buffet ein Flatscreen, auf<br />
dem Informationen zu den<br />
Gerichten stehen, die Nährwerte,<br />
aber auch Inhaltsstoffe<br />
wie Kuhmilch, Gluten für<br />
Spieler mit entsprechenden<br />
Unverträglichkeiten. Dazu<br />
gibt es am Buffet ein Farbsystem<br />
zur Orientierung.<br />
Wie werden eure individuellen<br />
Bedürfnisse ermittelt?<br />
Los geht’s mit einer großen<br />
medizinischen Untersuchung<br />
– von Blut bis Urin wird erst<br />
mal alles analysiert. Am Ende<br />
bekommst du eine mehrseitige,<br />
kleingedruckte Auswertung<br />
in die Hand gedrückt,<br />
und du verstehst erst mal gar<br />
nichts. Zum Glück geht das<br />
dann ein Ernährungsexperte<br />
mit dir durch.<br />
Was kam bei dir heraus?<br />
Etwa, dass mein Magnesiumlevel<br />
etwas zu niedrig ist.<br />
Zum Ausgleich nehme ich<br />
jetzt Magnesiumtabletten.<br />
Damit ist es aber nicht getan.<br />
Warum nicht?<br />
Weil nicht gesagt ist, dass die<br />
Tabletten anschlagen. Deswegen<br />
ist es wichtig, die Werte<br />
immer wieder zu checken. Bei<br />
mir haben etwa die letzten<br />
Untersuchungen keine<br />
großen Veränderungen beim<br />
Magnesium gezeigt – das<br />
behalten wir jetzt im Blick.<br />
Merkst du auf dem Platz<br />
einen Unterschied?<br />
Nicht unmittelbar, das wäre<br />
aber auch zu viel erwartet.<br />
Langfristig kann es auf jeden<br />
Fall einen Unterschied machen.<br />
Außerdem überträgt<br />
sich die Philosophie auf uns<br />
Spieler: Unser Verein sucht<br />
immer nach neuen Wegen,<br />
unsere Performance bis ins<br />
Detail zu verbessern – ob im<br />
Techniktraining oder der Ernährung.<br />
Diese Einstellung<br />
haben auch wir verinnerlicht.<br />
Mal ehrlich: Kann das Essen<br />
nach Plan auch mal nerven?<br />
Klar, aber zum Glück sorgen<br />
unsere Köche immer für<br />
genug Abwechslung. Und ab<br />
und an musst du auch alle<br />
Vorgaben ignorieren und für<br />
den reinen Genuss essen.<br />
Bei mir ist das zweimal im<br />
Jahr Currywurst mit Pommes<br />
– das erinnert mich an meine<br />
Heimat in Gevelsberg am<br />
Rand des Ruhrgebiets.<br />
HELLO VON<br />
50 THE RED BULLETIN
Herausforderung dieser Spitzensportler besteht<br />
darin, in allen Bereichen ihres Lebens perfekt zu<br />
funktio nieren“, sagt sie. „Im Schlaf, im Training und<br />
in der Ernährung. Was wir aber letztendlich immer<br />
an streben, ist eine gesunde Balance.“<br />
3<br />
Zu Hause brauchst du Routinen<br />
Bestes Beispiel dieser Balance ist der Big-Wave-<br />
Surfer Ian Walsh, einer von Bells „Musterschülern“,<br />
für den Clean Eating (der Verzehr von Vollwertprodukten<br />
unter Vermeidung industriell verarbeiteter<br />
Lebensmittel) bereits seit Jahren selbstverständlich<br />
ist – und dessen Leben buchstäblich davon abhängt,<br />
in bester körperlicher Verfassung zu sein. Während<br />
der Sechsunddreißigjährige aus Maui kein Problem<br />
hat, beim Surfen im heimatlichen Jaws in Topform<br />
zu bleiben, bringen weiter entfernte Wellen wie die<br />
von Teahupoo, Tahiti, oder von Nazaré, Portugal, Probleme<br />
mit sich. Wenn es der Swell an irgendeinem<br />
Ende der Welt verlangt, muss Walsh sofort in ein<br />
Flugzeug springen und einen Langstreckenflug auf<br />
sich nehmen. Und er muss mit genügend Energie<br />
ankommen, um sofort nach der Landung an die Arbeit<br />
zu gehen. „Oft geht es direkt vom Flughafen zum<br />
Meer – und zum Hineinpaddeln in eine 18 Meter hohe<br />
Welle“, sagt er. „Manches wird ziemlich verrückt,<br />
wenn man die Wellen auf dem ganzen Planeten jagt.<br />
Es ist schwer, immer gut vorbereitet zu sein. Kristen<br />
hat mir sehr geholfen, zu Hause, in meiner gewohnten<br />
Umgebung, Routinen zu entwickeln, mit denen<br />
ich meine Nährwerte konstant halten kann.“<br />
4<br />
Ehre deine Heimatküche<br />
Bell führt mit jedem Athleten ein Erstgespräch,<br />
um herauszufinden, welche Lebensmittel er aufgrund<br />
seiner Herkunft am häufigsten isst. Da sie bereits mit<br />
Dutzenden Athleten aus der ganzen Welt zusammengearbeitet<br />
hat, weiß sie etwa, dass das Weglassen von<br />
Käse in Lateinamerika schwierig sein wird, Reis mit<br />
Bohnen hingegen eine großartige, überall verfügbare<br />
Mahlzeit für Athleten ist. Sie weiß auch, dass Gerichte<br />
in Asien dem Clean-Eating-Prinzip eher entsprechen,<br />
einige asiatische Saucen allerdings viel zu viel Zucker<br />
enthalten. Und dass in den USA die Portionsgröße<br />
die mächtigste Herausforderung ist.<br />
5<br />
Füll deine Lücken<br />
In der Erstellung jedes individuellen Food-<br />
Master plans hat Bell eine mächtige Geheimwaffe:<br />
Nahrungsergänzungsmittel. Als diese – in Form<br />
Olga<br />
Kharlan<br />
ALTER: 28<br />
LAND: Ukraine<br />
SPORT: Fechten<br />
LIEBLINGSESSEN:<br />
Borschtsch (Rote-Bete-<br />
Suppe) ist „wie Trinkwasser“<br />
für die Olympiasiegerin,<br />
die auch<br />
gern einen guten<br />
ukrainischen Salo<br />
(geräucherten Rückenspeck)<br />
mit Knoblauch<br />
und Roggenbrot isst.<br />
FRÜHSTÜCK:<br />
Haferflocken mit<br />
Erdnussbutter<br />
und Banane<br />
„NAHRUNGSE RGÄNZUNGS-<br />
MITTEL HELFEN UNS DABEI,<br />
DAS LETZTE VIERTEL IN<br />
UNSEREN TANK ZU FÜLLEN.“<br />
THE RED BULLETIN 51
WAS SPORTLER ESSEN<br />
von Energieriegeln – auf den Markt drängten, waren<br />
sie in Wirklichkeit nur bessere Schokoriegel. Aber<br />
mittlerweile gibt es Produkte, die tatsächlich geeignet<br />
sind, Ernährungslücken zu füllen – zum Beispiel<br />
direkt nach einem harten Training oder zwischen<br />
zwei Mahlzeiten. Eine Lücke, die Ernährungsberater<br />
oft als „goldene Stunde“ bezeichnen. „Nahrungsergänzungsmittel<br />
ermöglichen es uns, die letzten<br />
20 bis 25 Prozent in den Tank zu kriegen“, sagt Bell.<br />
„Für einige Athleten war das tatsächlich lebensverändernd.“<br />
Etwa für den Skateboarder Felipe Gustavo,<br />
der mit pflanzlichem Proteinpulver das bei seiner<br />
veganen Ernährung sonst fehlende Protein auffüllt.<br />
Lukas Klostermann, Verteidiger von RB Leipzig,<br />
nimmt ein Magnesiumpräparat, um seine Leistung<br />
zu steigern, seitdem seine Ernährungsberaterin einen<br />
Mangel festgestellt hat. „Musterschüler“ Walsh wiederum<br />
packt jedes Mal seine Nahrungsergänzungsmittel<br />
ein, wenn er erfährt, dass er nach Übersee reisen<br />
muss, und beginnt mit der Einnahme, sobald er ins<br />
Flugzeug steigt. „Den ganzen Flug über trinke ich<br />
viel Wasser, lade Elektrolyte auf, trinke Shakes und<br />
esse alles, was ich kann, bevor ich ankomme“, sagt er.<br />
Es gilt aber auch die Kirche im Dorf zu lassen:<br />
Laut Bell sind Energieriegel und Spezialpulver zwar<br />
eine gute Möglichkeit für Zeiten, in denen man unterwegs<br />
ist oder wenn das Leben einfach zu hektisch für<br />
Planungen verläuft, ein dauerhafter Ersatz für echtes<br />
Essen sind sie aber nicht. „Wenn ein Athlet nach einer<br />
schnellen Lösung sucht, wie eine Pille zu nehmen, damit<br />
er sonst essen kann, was er will, wird das nie funktionieren“,<br />
erklärt sie. „Nahrungsergänzungsmittel<br />
sind dazu da, zu tun, was ihr Name schon sagt.“<br />
Mutaz<br />
Barshim<br />
ALTER: 28<br />
LAND: Qatar<br />
SPORT: Hochsprung<br />
L I E B L I N G S E S S E N :<br />
Wenn er sich nach<br />
Hausmannskost sehnt,<br />
mag Barshim Hühner-<br />
Kabsa, ein Reisgericht<br />
mit Kräutern. Für den<br />
Extra-Leistungsschub<br />
greift er zu Kohlehydraten:<br />
Pasta und<br />
Haferflocken.<br />
F R Ü H S T Ü C K :<br />
Haferflocken und Eier<br />
HELLO VON<br />
52 THE RED BULLETIN
MACH, WAS WIRKLICH ZÄHLT.<br />
#HIGHTECH<br />
FOLGE DEINER BERUFUNG.<br />
bundeswehr<br />
karriere.de
WAS SPORTLER ESSEN<br />
Ignoriere alle Regeln<br />
6 (zumindest manchmal)<br />
Bells wichtigste Lektion für ihre Athleten ist die<br />
Kunst des Loslassens. Gebetsmühlenartig betont sie<br />
die Wichtigkeit der Balance, sie erinnert die Athleten<br />
ständig daran, dass sie naturgemäß nicht jede Mahlzeit<br />
kontrollieren können – schon gar nicht, wenn<br />
sie in entlegenen Winkeln der Welt unterwegs sind.<br />
Ihr Credo: Schlechte Kalorien sind immer noch besser<br />
als gar keine. Und: Die erfolgreichsten Athleten<br />
sind jene, die ihrer Leine auch einmal Meter lassen.<br />
„Wir sind bestrebt, eine gesunde Beziehung zum<br />
Essen aufzubauen“, sagt sie. „Wenn man wegen einer<br />
schlechten Mahlzeit Stress bekommt, ist das nicht<br />
gesund – falscher Perfektionismus ist eine ständige<br />
Herausforderung für viele dieser Athleten.“<br />
Manchmal bedeutet das, die Nährwerte einfach zu<br />
ignorieren. Essen ist emotional eines der wichtigsten<br />
Dinge in unserem Leben, sei es die Hausmannskost<br />
der Mutter oder das Lieblingsgericht in einem lokalen<br />
Restaurant. Bell ist sich der positiven Wirkung, die<br />
so ein Lieblingsessen auf einen erschöpften, von<br />
Heimweh geplagten Sportler haben kann, natürlich<br />
bewusst. Derartige „Cheat-Tage“ sind nichts Neues,<br />
aber Bell betont, dass weit mehr dahintersteckt, als<br />
die meisten glauben. Zum einen hält sie nichts von<br />
der Betrachtungsweise des „Betrügens“ – sie bevorzugt<br />
das Wort „Belohnung“ („Treat-Tage“). Noch<br />
wichtiger: Athleten sollen sich lieber ein paar Belohnungsessen<br />
innerhalb einer Woche gönnen, anstatt<br />
einen Tag lang alles komplett schleifen zu lassen.<br />
„Sich einen ganzen Tag lang gehen zu lassen kann<br />
eine derartige Lawine an Kohlehydraten, gesättigten<br />
Fettsäuren und Zucker bedeuten, dass du am nächsten<br />
Tag für gar nichts zu gebrauchen bist“, erklärt sie.<br />
Anders ausgedrückt: Die Ernährungswissenschaft<br />
liefert uns detaillierte Erkenntnisse, mit denen wir<br />
unsere Leistung optimal unterstützen können. Jetzt<br />
musst du nur noch für dich definieren, wie weit du<br />
mit ihrer Umsetzung gehen kannst – und willst.<br />
Kübra Dağli<br />
ALTER: 22<br />
LAND: Türkei<br />
SPORT: Taekwondo<br />
L I E B L I N G S E S S E N :<br />
Soll ihr Essen sie an daheim<br />
erinnern, greift sie<br />
zu gefüllten Weinblättern.<br />
Vor dem Training<br />
isst sie stärkehaltige<br />
Lebensmittel, um sich<br />
mit Energie zu versorgen.<br />
Nach dem Training<br />
nimmt sie Protein und<br />
Gemüse zu sich.<br />
F R Ü H S T Ü C K :<br />
Eier, Käse, Tomaten und<br />
Gurken, mit Tahini und<br />
Melasse überzogen<br />
„LIEBLINGSGERICHTE KÖNNEN<br />
EINEM ERSCHÖPFTEN, HEIMWEH-<br />
GEPLAGTEN SPORTLER SEHR<br />
BEI DER REGENERATION HELFEN.“<br />
HELLO VON<br />
54 THE RED BULLETIN
SO LEBST DU<br />
BIG<br />
Weltweit zählt TEAM BIG zur Spitze im Spiel „Counter-Strike“ –<br />
weil die E-Sportler wie besessen trainieren und zusammenhalten<br />
wie eine Familie. Wir haben sie einen Tag lang in ihrem Haus<br />
in Berlin besucht – und ihren Erfolgscode entschlüsselt.<br />
Text MAXIMILIAN REICH<br />
Fotos CHRISTOPH VOY<br />
Superhelden-Modus<br />
Seit der Gründung vor zwei Jahren hatte Team BIG viel Grund<br />
zum Jubeln, nicht zuletzt dank Star-Spieler Johannes Wodarz,<br />
genannt „tabseN“. Für diese Story gewährten uns er und seine<br />
Mitspieler exklusive Einblicke in ihren Alltag.<br />
56 THE RED BULLETIN
Im Bild von links:<br />
Can Dörtkardeș,<br />
Johannes Maget,<br />
Tizian Feldbusch,<br />
Johannes Wodarz,<br />
Trainer Alexander<br />
Szymanczyk und<br />
Fatih Dayik.<br />
BIG-TIPP 1<br />
Baut eine<br />
Familie auf<br />
Im Gegensatz zur Konkurrenz<br />
wohnen die<br />
Spieler von Team BIG<br />
unter einem Dach,<br />
bezeichnen sich sogar<br />
als Familie. Motto:<br />
Je verschworener euer<br />
Haufen, desto mehr<br />
könnt ihr erreichen.<br />
THE RED BULLETIN 57
BIG-TIPP 2<br />
Ehrt euren Schlaf<br />
Um drei ins Bett, um sechs<br />
Uhr wieder raus? Dafür<br />
mögen sich Manager feiern,<br />
E-Sportler (hier Wodarz)<br />
wissen, dass ihr Fokus<br />
leiden würde. Lösung:<br />
Wecker auf elf Uhr stellen.<br />
„Wir wollen einen<br />
völlig neuen Spielstil<br />
erfinden.“<br />
BIG-TIPP 3<br />
Schafft Rituale<br />
Unter einem Dach wohnen auch<br />
Zweck-WGs. Team BIG fördert<br />
seinen Zusam menhalt mit<br />
Ritualen. Los geht’s mit dem<br />
gemein samen Frühstück.<br />
58 THE RED BULLETIN
Am Rande von Berlin, in einer ruhigen<br />
Wohngegend zwischen blühenden Kirschbäumen<br />
und Einfamilienhäusern mit<br />
Zierteichen im Vorgarten, explodiert<br />
gleich eine Bombe. Vermutlich wird kurz<br />
davor ein Scharfschütze auf einem Dach<br />
in Stellung gehen, während ein paar<br />
Blendgranaten für Chaos sorgen. Seit drei<br />
Wochen geht das jetzt schon so, jeden<br />
Tag. So lange wohnen Johannes Wodarz,<br />
Fatih Dayik, Can Dörtkardeş, Tizian<br />
Feldbusch und Johannes Maget nämlich<br />
schon zusammen in dem braunen Haus<br />
am Ende der Straße.<br />
Die fünf Jungs gehören zur E-Sport-<br />
Mannschaft Team BIG (Berlin International<br />
Gaming) und führen das Leben,<br />
von dem Millionen Gamer träumen: Sie<br />
bekommen Geld dafür, „Counter-Strike:<br />
Global Offensive“ zu zocken. 46 Millionen<br />
Menschen auf der Welt spielen den<br />
Taktik- Shooter – und nur eine Handvoll<br />
davon ist so gut wie Team BIG. 2017<br />
haben sie die Deutsche Meisterschaft gewonnen<br />
und 2018 bei einem internationalen<br />
Turnier in der Kölner Lanxess Arena<br />
vor 15.000 Menschen den zweiten Platz<br />
belegt. Jeder der Jungs hat mittlerweile<br />
geschätzte Preisgelder zwischen hundertund<br />
zweihunderttausend Euro gewonnen.<br />
Trotzdem wohnen die fünf lieber wie<br />
Studenten zusammen mit ihren Trainern<br />
BIG-TIPP 4<br />
Erweitert<br />
euren Kreis<br />
Zum Zusammenhalt,<br />
der Team BIG antreibt,<br />
zählt auch der Support<br />
der Fans aus aller<br />
Welt – in Streaming-<br />
Sessions stehen die<br />
Spieler täglich mit<br />
ihnen in Kontakt.<br />
in einem Haus auf 380 Quadratmetern, um<br />
möglichst viel Zeit für die Entwicklung<br />
gemeinsamer Spielzüge und die Analyse<br />
gegnerischer Angriffsszenarien zu haben.<br />
Das ist ungefähr so, als würde die komplette<br />
Mannschaft des FC Bayern München<br />
zu Uli Hoeneß in sein Haus am Tegernsee<br />
ziehen. Auch in der E-Sport-Welt leben die<br />
Spieler für gewöhnlich nicht unter einem<br />
Dach. Doch der familiäre Zusammenhalt<br />
gilt als Erfolgsrezept von Team BIG. Wir<br />
haben uns gefragt: Wie schaut der Tagesablauf<br />
in so einer E-Sportler-WG aus?<br />
Dafür haben wir die Jungs in ihrem Haus<br />
besucht und einen Tag lang dabei begleitet,<br />
wie sie von früh bis spät trainieren.<br />
Na ja, mehr oder weniger früh …<br />
10.00 UHR: AUFSTEHEN<br />
Johannes „tabseN“ Wodarz, 24, ist als<br />
Erstes wach. Müde schlurft er in Jogginghose<br />
und Pantoletten ins Wohnzimmer.<br />
Er gilt als der beste deutsche „Counter-<br />
Strike“-Spieler, weshalb wir ihm heute<br />
über die Schulter gucken möchten. Blöd<br />
für ihn, weil er deshalb früher aufstehen<br />
musste, während die anderen noch schlafen<br />
dürfen. Im Eck steht ein Whiteboard<br />
mit der Überschrift: „To-do-Liste“ und<br />
darunter Begriffe wie „Meta Strats“, die<br />
man eher im Besprechungsraum der<br />
Deutschen Bank erwarten würde als im<br />
Wohnzimmer von ein paar Computerspielern.<br />
„Meta Strats“, erklärt tabseN,<br />
„bedeutet, wir wollen einen neuen Spielstil<br />
erfinden.“ Also so wie die Spanier<br />
als Väter des Tiki-Taka-Fußballs gelten.<br />
„Es ist aber leider gar nicht so einfach,<br />
da immer wieder etwas Neues zu finden,<br />
was es nicht schon gab.“<br />
11.30 UHR: FRÜHSTÜCK<br />
Nach und nach trudeln auch die anderen<br />
im Wohnzimmer ein. Alle in Jogginghose,<br />
alle mit Hauslatschen. Heute trainieren<br />
sie den ganzen Tag zu Hause, da geht<br />
Komfort vor Style. Die Jungs essen Müsli<br />
und Obst und reden am Frühstücks tisch<br />
über das Live-Match, das tabseN gleich<br />
gegen einen ehemaligen Profi aus Skandinavien<br />
bestreiten wird. Ein PR-Event für<br />
eine Gamer-Plattform, bei dem Fans aus<br />
der ganzen Welt am Bildschirm mitfiebern.<br />
„Du kriegst bestimmt 5000 Zuschauer.“<br />
– „Spinnst du? Mach mir mal<br />
keinen Druck.“ – „Klar kriegst du 5000.“<br />
12.00 UHR: LIVE-MATCH<br />
Im mit Film-Equipment ausgestatteten<br />
Streaming-Raum im Keller sitzt tabseN<br />
am Schreibtisch vor seinem PC und<br />
schaltet die Kamera ein. Sowohl tabseN<br />
als auch der Skandinavier bekommen<br />
vier Fans zugelost, mit denen sie im Team<br />
THE RED BULLETIN 59
BIG-TIPP 5<br />
Sucht euch<br />
einen Leitwolf<br />
In der E-Sport-Familie<br />
bringt jeder seine<br />
Stärken ein. Als ältester<br />
Spieler und Kapitän<br />
gibt Fatih Dayik,<br />
31, seine Erfahrung<br />
weiter, ohne zu belehren.<br />
Bei seinen Video-<br />
Analysen hören die<br />
anderen gebannt zu.<br />
BIG-TIPP 6<br />
Vergesst die Welt<br />
Beim Training blenden<br />
die E-Sportler alles<br />
aus und konzentrieren<br />
sich nur auf den Bildschirm.<br />
Merke: Wer<br />
ein Handwerk meistern<br />
will, sollte nicht<br />
nebenbei WhatsApp<br />
checken.<br />
spielen. Die einen sind die Terroristen<br />
und müssen eine Bombe legen, die anderen<br />
sind die Antiterroreinheit und sollen<br />
dies verhindern. Ein paar Minuten später<br />
verfolgen bereits 3000 Menschen das<br />
Spiel. „Wenn er hauptberuflich streamen<br />
würde, könnte er richtig viel Geld damit<br />
verdienen“, erklärt Daniel Finkler, der Geschäftsführer<br />
des Vereins. Profi-Streamer<br />
wie US-Star Ninja verdienen mit ihren<br />
Channels Millionen. Für tabseN ist das<br />
kein <strong>The</strong>ma. Als der Showkampf nach<br />
zwei Partien unentschieden endet, sagt<br />
er: „Ich will mich in Turnieren mit den<br />
Besten messen – das treibt mich an.“<br />
13.00 UHR: MITTAGESSEN<br />
Finkler trägt drei Plastiktüten ins Wohnzimmer<br />
und fischt daraus schwarze Plastikschalen<br />
mit Chicken Curry und Chicken<br />
Tikka Masala. Normalerweise kocht Nuran<br />
Ozan für die Truppe. Als CHO (Chief<br />
Health Officer) kümmert sie sich um das<br />
Wohlergehen der Spieler und ist für die<br />
meisten zur unverzichtbaren Vertrauensperson<br />
geworden. Sie ist aber gerade nicht<br />
in der Stadt, deswegen bringt heute der<br />
Lieferdienst das Essen. Kochen müssen<br />
die Spieler auf jeden Fall nicht. Putzen<br />
übrigens auch nicht – eine Hausfrau<br />
kommt dreimal in der Woche, damit die<br />
Jungs sich wirklich ausschließlich auf<br />
ihre Aufgabe konzentrieren können – und<br />
die heißt „Counter-Strike“.<br />
14.00 UHR: VIDEO-ANALYSE<br />
Im Keller neben der Streaming-Kammer<br />
befindet sich der Trainingsraum. Sieben<br />
Schreibtische stehen hier entlang der<br />
beiden Seitenwände, jeder ausgestattet<br />
mit einem PC und einem Monitor. tabseN<br />
und die anderen haben ihre Drehstühle<br />
an den Tisch von Fatih „gob b“ Dayik<br />
geschoben. Er ist der Kapitän und mit<br />
31 Jahren der Älteste im Team, während<br />
der Jüngste erst 23 Jahre ist. Auf seinem<br />
Bildschirm führt Fatih ein Spiel eines anderen<br />
Teams vor. Es soll als Anschauungsbeispiel<br />
dienen, wie man einen Angriff<br />
geschickt antäuscht. „Double Fake“ nennt<br />
man das.<br />
16.00 UHR: TRAINING NUMMER EINS<br />
tabseN und die anderen sitzen wieder an<br />
ihren Schreibtischen und üben das eben<br />
besprochene Angriffsmanöver. Kopfhörer<br />
schirmen sie von der Außenwelt ab, ganze<br />
Fokussierung auf das Spiel. Bloß das<br />
flinke Wischen der Profi-Mäuse (Modell:<br />
Corsair Harpoon RGB Wireless Gaming)<br />
über die Tischplatten ist zu hören. Unter<br />
den Schreibtischen stehen die Gaming-<br />
Rechner von OMEN by HP 880-137ng,<br />
deren Grafikkarte (NVIDIA GeForce GTX<br />
1080Ti) zusammen mit dem Prozessor<br />
(Intel Core i7-8700K) extreme Performance<br />
garantiert. Das hier ist kein Zockabend<br />
mit den Kumpels, das ist Hochleistungssport.<br />
In einer Woche fliegt das<br />
60 THE RED BULLETIN
BIG-TIPP 7<br />
Atmet durch<br />
Besessen trainieren ist<br />
wichtig – Erholung aber<br />
auch. Bei Hochkonzentrationsspielen<br />
immer wieder<br />
mal aufstehen und sich<br />
ablenken, etwa mit einem<br />
Fußball. Zehn Minuten<br />
wirken bereits Wunder.<br />
THE RED BULLETIN 61
BIG-TIPP 8<br />
Werdet zu<br />
Pantoffelhelden<br />
Wer performen will, muss sich<br />
in seiner Haut wohlfühlen,<br />
meint Team BIG – und beweist,<br />
dass Pantoletten nicht nur für<br />
Spa-Besuche taugen, sondern<br />
auch als Arbeitsoutfit.<br />
62 THE RED BULLETIN
BIG-TIPP 9<br />
Holt euch Superkräfte<br />
Wer mental Weltklasse sein will,<br />
braucht einen Körper in Top-Form.<br />
Darum nehmen sich die E-Sportler<br />
täglich Zeit für eine Fitness-Session.<br />
Oder sogar zwei. Und sei es<br />
um Mitternacht.<br />
Team zu einem Turnier nach Leicester.<br />
Von dort geht es direkt weiter nach Sydney.<br />
Ins gesamt spielen die Jungs 10 bis<br />
15 Turniere im Jahr; dabei geht es um viel<br />
Geld. Das Wirtschaftsunternehmen Deloitte<br />
schätzt, dass der Umsatz im E-Sport<br />
2020 in Deutschland 130 Millionen Euro<br />
betragen wird. Zum Vergleich: Die Basketball-Bundesliga<br />
(BBL) hat im vergangenen<br />
Jahr 120 Millionen erwirtschaftet. Entsprechend<br />
professionell sind die Strukturen.<br />
„Die Spieler haben ähnliche Verträge<br />
wie die Fußball-Bundesliga-Profis“, sagt<br />
Finkler. Ein Fußball-Anwalt hat sie aufgesetzt<br />
und an den E-Sport angepasst.<br />
20.00 UHR: PAUSE<br />
Es ist Samstagabend. Wenn es die Zeit<br />
zulässt, genießt tabseN am Wochenende<br />
ein wenig Freizeit, sitzt draußen im Café<br />
oder geht ins Kino. Heute sitzt er auf<br />
seinem Bett und schaut eine Folge „Sons<br />
of Anarchy“, die er neulich angefangen<br />
hat. Für mehr bleibt neben dem Training<br />
keine Zeit, das nächste Turnier steht<br />
unmittelbar bevor. Sein Zimmer würde<br />
es wohl noch nicht in eine „Schöner<br />
wohnen“ Ausgabe schaffen. Bloß ein<br />
Schreibtisch, zwei Schränke und eine<br />
„Malm“-Kommode von Ikea. tabseN zuckt<br />
lächelnd mit den Schultern. „Wir sind ja<br />
erst vor ein paar Wochen hier eingezogen.“<br />
Die wenige Zeit neben dem E-Sport verbringt<br />
er lieber mit Familie und Freunden<br />
statt mit Dekorieren und Einrichten.<br />
21.00 UHR: TRAINING NUMMER ZWEI<br />
Das Game speichert die Daten aller Spieler.<br />
So kann man zum Beispiel sehen, dass<br />
tabseN in den letzten sechs Jahren 10.425<br />
Stunden „Counter-Strike“ gespielt hat,<br />
Turnierspiele nicht eingerechnet. Die Erfahrung<br />
ist neben der Reaktionsfähigkeit<br />
und dem Taktikverständnis der größte<br />
Unterschied zwischen einem Profispieler<br />
wie tabseN und Otto Normalzocker. Aufgrund<br />
jahrelangen Trainings verfügt er<br />
über enormes Spielverständnis und weiß,<br />
wie sich der Gegenspieler in bestimmten<br />
Situationen verhält, und trifft in Sekundenschnelle<br />
die richtigen Entscheidungen –<br />
jene, die das Spiel entscheiden. Jetzt sitzt<br />
tabseN wieder im Computerraum an seinem<br />
Platz und spielt – Überraschung –<br />
„Counter-Strike“. Denn am Abend findet<br />
für Profis täglich ein Online-Wettkampf<br />
statt. Für jeden Sieg gibt es einen Punkt.<br />
Wer am Ende des Monats die meisten<br />
Punkte hat, gewinnt 4500 Euro. Heute<br />
holt tabseN den Punkt.<br />
23.00 UHR: FITNESS-STUDIO<br />
E-Sportler müssen sich nicht bewegen?<br />
Denkste. Vier-, fünfmal in der Woche<br />
quält sich tabseN mit den anderen Jungs<br />
im Fitness-Studio, damit sein Körper die<br />
Belastungen aushält. „Das viele Sitzen<br />
am Computer und das Steuern mit der<br />
Maus gehen vor allem auf das Handgelenk<br />
und den Rücken“, sagt er. Deshalb stehen<br />
heute Rückenstrecken und Rudern an der<br />
Maschine auf dem Trainingsplan.<br />
„Die E-Sportler haben<br />
ähnliche Verträge wie Profis<br />
in der Fußball-Bundesliga.“<br />
0.00 UHR: TRAINING NUMMER DREI<br />
Fast zehn Stunden hat tabseN heute auf<br />
den Bildschirm gestarrt. Da brennen doch<br />
bestimmt die Augen? „Nee, alles gut. Bloß<br />
das Hirn ist langsam Matsch“, meint er<br />
und lacht. Spielzüge zu pauken hat jetzt<br />
keinen Sinn mehr. Lieber noch ein paar<br />
Schussübungen. Es geht darum, das<br />
Gefühl zu verinnerlichen, wie die Waffe<br />
auf die Maus reagiert, und den richtigen<br />
Bewegungsablauf im Handgelenk zu<br />
speichern. Der Tennisprofi stellt sich am<br />
Abend mit einem Korb Bälle auf den Platz<br />
und macht 500 Aufschläge – tabseN stellt<br />
sich mit einem Scharfschützengewehr auf<br />
einen virtuellen Dorfplatz und gibt 1000<br />
Schuss ab. Um drei Uhr geht er ins Bett –<br />
und schläft ein. Friedlich, versteht sich.<br />
Alles rund um Team BIG: bigclan.gg<br />
THE RED BULLETIN 63
5 - MINUTEN- COACH<br />
00:00<br />
01:59<br />
SO BLEIBST<br />
DU KREATIV<br />
Lass deine<br />
Ideen fliegen<br />
Vom „Tsunami“ bis zum Triple Backflip: Im Freestyle-<br />
Motocross scheint es jeden Trick bereits zu geben.<br />
Shootingstar Luc Ackermann, 21, entwickelt<br />
dennoch permanent neue Stunts. Hier erklärt er,<br />
wie du deiner Kreativität auf die Sprünge hilfst.<br />
Räum deine<br />
Festplatte auf,<br />
bevor du loslegst<br />
Der Eindruck mag manchmal täuschen,<br />
aber ich bin sehr fokussiert und ordentlich<br />
– wie viele Menschen, die ihr Geld<br />
damit verdienen, Neues zu erschaffen.<br />
Deswegen kann ich auch wahnsinnig<br />
gut nachvollziehen, dass die Konstruktionsbüros<br />
der Formel-1-Teams beinahe<br />
klinisch aufgeräumt sind. Persönlich<br />
kann ich Unordnung in der Garage oder<br />
im Van gar nicht gebrauchen. Kreatives<br />
Chaos? Für mich ein Widerspruch in<br />
sich. Vor allem wenn ich mich daranmache,<br />
einen neuen Trick zu entwickeln,<br />
will ich auf gar keinen Fall abgelenkt<br />
werden – von nichts und niemandem.<br />
Dann geht es nur um die eine Sache,<br />
die ich gerade probiere – ausschließlich.<br />
Kreativität auszuleben ist Arbeit, kein<br />
geistiges Herumspringen. Was das übersetzt<br />
auf andere Berufe oder Hobbys<br />
bedeuten kann? Leg dein Handy weg,<br />
wenn du etwas wirklich Neues schaffen<br />
willst; schließ die Programme, die du<br />
nicht benötigst; und sorg dafür, dass<br />
der Schreibtisch aufgeräumt ist, bevor<br />
du loslegst.<br />
00:22<br />
Schau anderen<br />
zu, aber niemals<br />
von ihnen ab<br />
Etwas bloß zu kopieren ist nicht kreativ<br />
– im Gegenteil. Aber Kreativität baut<br />
nahe zu immer auf etwas bereits Bestehendem<br />
auf. Das Alphabet hat nur<br />
26 Buchstaben, eine Tonleiter nur soundso<br />
viele Töne – und doch sind alle<br />
Bücher und Songs auf der ganzen Welt<br />
aus diesen Zutaten gemacht, die jemand<br />
auf eine völlig neue, einzigartige Weise<br />
miteinander kombiniert hat. Auch in<br />
meiner Disziplin, dem Freestyle-Motocross,<br />
gibt es natürlich eine endliche<br />
Anzahl an Tricks und Moves, die du in<br />
der Luft mit deinem Motorrad anstellen<br />
kannst. Die Kunst für uns Athleten<br />
besteht nun darin, sie so abzumischen<br />
wie noch keiner vor uns. Dazu ist es<br />
selbstverständlich hilfreich, genau hinzuschauen,<br />
was die anderen Fahrer gerade<br />
machen – und die Elemente dann<br />
so zu kombinieren wie niemand sonst.<br />
Erst wenn du weißt, was bereits „auf<br />
dem Markt“ ist, hast du die Chance, die<br />
Regeln mit deinen eigenen Ideen auf<br />
den Kopf zu stellen. Oft ist Kreativität<br />
einfach der Gegensatz zu Konvention.<br />
Gib dem Zufall<br />
eine Chance<br />
Manches kann man nicht erfinden –<br />
es erfindet sich quasi von selbst. Die<br />
Geburt des „Tornado“ war so ein Fall.<br />
Eigentlich wollte ich damals einen<br />
„Tsunami“ springen, einen Backflip mit<br />
Handstand auf dem Lenker. Leider ist<br />
das – im wahrsten Sinn des Wortes –<br />
schief gegangen und ich hing völlig<br />
schräg in der Backflip-Position. Anstatt<br />
den Trick verloren zu geben, habe ich<br />
alles darangesetzt, das Bike wieder<br />
unter Kontrolle zu bekommen und<br />
den Trick gewollt aussehen zu lassen.<br />
Zurück am Boden, habe ich einfach<br />
behauptet, ich sei einen „Tornado“<br />
gesprungen – und heute gibt es etliche<br />
Rider, die diesen Trick im Repertoire<br />
haben. Viele Dinge gibt es nur, weil sich<br />
etwas verselbständigt hat und zu Ende<br />
gebracht wurde. Das reicht von der Erfindung<br />
des Post-its bis zur Mikrowelle.<br />
Trau dich<br />
aufzugeben<br />
Maler, die frustriert ihre Leinwände<br />
wegstellen, Komponisten, die ihre<br />
Melodien löschen, Schriftsteller, die ihre<br />
Manuskripte zerknüllen: Es gibt den<br />
Moment, in dem du einfach anstehst.<br />
Ich kenne das aus meiner Erfahrung nur<br />
zu gut. Du übst einen Trick immer und<br />
immer wieder, aber er will einfach nicht<br />
DDP/FOX-IMAGES, PREDRAG VUCKOVIC/RED BULL CONTENT POOL<br />
01:58<br />
03:07<br />
64 THE RED BULLETIN
03:08<br />
klappen. Keine Chance, ihn im Contest<br />
zu bringen. Mein Tipp: Dann lass es<br />
sein. Damit meine ich nicht, die Flinte<br />
vorschnell ins Korn zu werfen. Ich gebe<br />
mir ein Jahr lang Zeit, um sicher zu<br />
gehen. Ob eine Idee gut genug ist, um<br />
irgendwann zu funktionieren, das spürst<br />
du. Niemand produziert ausschließlich<br />
Geistesblitze. Vermutlich war es gut,<br />
dass van Gogh Leinwände übermalt<br />
und Lemmy gewisse Songs nicht aufgenommen<br />
hat. Richtig gute Gedanken<br />
finden in der Regel ohnehin zu dir<br />
zurück, wenn die Zeit reif dafür ist.<br />
Flugshow der<br />
Superlative<br />
Innovative Hindernisse,<br />
spektakuläre Stunts,<br />
einzig artige Atmosphäre:<br />
Das verspricht das Freestyle-<br />
Motocross-Event <strong>Red</strong> Bull<br />
Dirt Diggers am 14. 9. auf<br />
einer Halde in Dinslaken,<br />
NRW. Stars wie Luc Ackermann<br />
zeigen auf drei Stages<br />
– Freestyle, Freeride, Big<br />
Jumps – ihre Tricks. Extra:<br />
Die Fahrer steuern Ideen<br />
zum Bau der Obstacles bei.<br />
redbull.com/dirtdiggers<br />
„Manche<br />
Dinge kann<br />
man nicht<br />
erfinden –<br />
sie erfinden<br />
sich quasi<br />
von selbst.“<br />
Luc Ackermann, 21,<br />
Freestyle-Motocross-Ass<br />
04:13<br />
Gib alles oder<br />
geh nach Hause<br />
Mein Jugendheld war Travis Pastrana.<br />
Er war der erste Mensch, der einen<br />
Double Backflip mit dem Motorrad<br />
gesprungen ist, obwohl das jeder für<br />
unmöglich hielt. Heute ist der Double<br />
Backflip so etwas wie mein Signature<br />
Move – und auch der Triple Backflip<br />
ist längst realisiert. Um etwas Neues<br />
zu schaffen, wirst du zwangsläufig in<br />
großen Dimensionen denken und ans<br />
Limit gehen müssen. Schmetterlinge<br />
in der Magengrube gehören dazu. Lass<br />
dich davon nicht abhalten. „Go big or go<br />
home“ ist mein Lebensmotto. Ich habe<br />
es mir sogar tätowieren lassen, um mich<br />
immer wieder selbst daran zu erinnern.<br />
05:00<br />
THE RED BULLETIN 65
DER<br />
RED BULLETIN<br />
SELBST-<br />
VERSUCH<br />
verschollen<br />
Wie man auf einer einsamen Insel überlebt<br />
Sechs Tage und fünf Nächte auf einem Eiland mitten im Indischen Ozean.<br />
Kein Zelt, kein Survival-Handbuch, keine Ahnung. Unsere Autorin hat sich<br />
der Wildnis, einem Taifun und sich selbst gestellt, um zu erkennen:<br />
Das Wecken deines Urinstinkts hat nichts mit Mordlust zu tun.<br />
Text WALTRAUD HABLE<br />
Fotos PHILIPP HORAK
Ratlosigkeit unter der schützenden Plastikplane:<br />
Ist der Taifun vorbei, oder kommt er wieder?<br />
67
Einsame Insel bedeutet: Du musst an Land schwimmen, kein Boot kann direkt ankern.<br />
Das Salzwasser brennt in den Augen, die Kleidung ist vollgesogen, der Energieakku nach 28 Stunden<br />
Indonesien-Anreise leer. Helfer befördern das Equipment schwimmend ans Ufer, bevor sie abhauen.<br />
as Meer rauscht nicht,<br />
es brüllt mich an. Der Wind<br />
pfeift durch die Dunkelheit,<br />
Regen peitscht mir ins<br />
Gesicht. Ich zittere am<br />
ganzen Körper, meine Haut ist kalt<br />
und nass, und was von meinen<br />
Haaren übrig blieb, ist zu einem<br />
heillos verfilzten Biberschwanz<br />
auf meinem Hinterkopf verkommen.<br />
Als Schutz gegen das<br />
Unwetter liege ich eingewickelt<br />
in eine schwarze Plastikplane.<br />
Aus der Vogelperspektive muss<br />
ich wie eine schlecht verpackte<br />
Leiche aussehen, an den Strand<br />
gespült. Aber ich bin nicht tot.<br />
Dafür bin ich gerade viel zu wütend aufs Leben.<br />
Und auf mich selbst. Warum zum Teufel wollte<br />
ich unbedingt auf diese einsame Insel mitten im<br />
Indischen Ozean – ohne Zelt und vor allem ohne die<br />
geringste Ahnung, wie man einen 120-km/h-Tropensturm<br />
überlebt? Da können noch so viele Selbsthilfebücher<br />
behaupten, einmal im Leben müsse man<br />
wimmernd in Embryonalstellung am Boden liegen,<br />
weil das angeblich so heilsam sei. Ich weiß nur:<br />
Wenn ich hier weiter in Embryonalstellung verharre,<br />
stehen die Chancen gut, dass mich noch eine Palme<br />
erschlägt.<br />
Rückblende. Es waren vier Flieger, ein Speedboot<br />
und zwei Tabletten gegen Seekrankheit erforderlich,<br />
um auf dieses Archipel vor Indonesien zu kommen.<br />
Genauere Koordinaten darf ich nicht nennen. Sowohl<br />
der Name der einsamen Insel als auch die Region<br />
sind geheim. Alvaro Cerezo, ein 38-jähriger Spanier<br />
und Kopf der Zwei-Mann-Abenteuer-Reiseagentur<br />
Docastaway.com, hat mich und unseren Fotografen<br />
Philipp sogar eine Verschwiegenheitsklausel unterschreiben<br />
lassen. Mit Docastaway (frei übersetzt:<br />
„Schiffbruch zum Nachmachen“) bietet der studierte<br />
Betriebswirt tropische Inselaufenthalte mit Einsamkeitsgarantie<br />
an. In einer Zeit, in der man immer<br />
erreichbar sein muss und jeder Quadratmillimeter<br />
Land verbaut scheint, ist er besessen davon, den<br />
höchsten Grad an Isolation zu finden und diesen<br />
auch zu bewahren.<br />
Für Alvaro sind einsame Inseln wie eine Zeitreise,<br />
mit einer Flora und Fauna wie vor hunderten von<br />
Jahren. Tut sich ein passendes Eiland auf, beginnt die<br />
Überzeugungsarbeit. Denn jedes Stück Land dieser<br />
Welt gehört irgendjemandem: Privatbesitzern, Regierungen,<br />
dem Militär. Bei erfolgreich verhandelter<br />
Betretungserlaubnis lotst Docastaway dann Möchtegern-Robinson-Crusoes<br />
wie mich ab zirka 1000 Euro<br />
pro Woche auf die jeweilige Insel und stellt nur das<br />
Nötigste zum Überleben zur Verfügung: Macheten,<br />
eine Harpune, ein Feuerzeug, zwei Kochtöpfe, Angelleine<br />
und Angelhaken und einen 12-Liter-Kanister<br />
Trinkwasser. Das nennt sich das „Abenteuer-Paket“.<br />
Der Deal lautet: sechs Tage und fünf Nächte Survival,<br />
68 THE RED BULLETIN
Anfängerf ehler:<br />
Ich habe mir lieber Gedanken<br />
über wirksame Deos<br />
als über Regenschutz gemacht.<br />
Früher Morgen auf einer unbewohnten indonesischen Insel:<br />
Taifun überlebt. Kleidung nass. Körper völlig ausgekühlt. Ich fühle mich gestrandet.
Das Inselreich aus der Drohnenperspektive:<br />
tosende Brandung, viel Sand, Treibholz, gefühlt drei Milliarden Krebse (und ich).<br />
Das rund vier Meter lange Bambusrohr ist ein Glücksfund.<br />
Mit ihm schlägt man die Kokosnüsse von den Palmen – oder versucht es zumindest.<br />
70 THE RED BULLETIN
Selbstporträt mit Schattenspiel. Auf der einsamen Insel gibt es kein elektrisches Licht.<br />
Dunkel wird es gegen 19 Uhr, das bleibt dann auch so für die nächsten zwölf Stunden.<br />
Fotograf Philipp und ich mutterseelenallein auf einer<br />
unbewohnten indonesischen Insel – nur mit dem<br />
genannten Equipment, ohne Zelt oder festen Unterschlupf.<br />
Dazu: zwei Hängematten, Sonnenschutz,<br />
Moskitospray, Stirnlampen, ein Kilogramm Reis,<br />
ein halbes Kilo Quinoa, Zahnbürste, Decken, ein<br />
bisschen Kleidung. Alvaro legte uns Ressourcenknappheit<br />
ans Herz: „Je weniger ihr mitbringt,<br />
desto prägender wird euer Erlebnis sein.“<br />
Während der Wind mannshohe Palmwedel von den<br />
Bäumen reißt, verfluche ich den Kerl. Dabei trifft<br />
Alvaro keine Schuld. Ich habe nur einmal im Garten<br />
unseres Ferienhauses eine Nacht gezeltet, ich habe<br />
keine Ahnung, wie man das Wetter liest, geschweige<br />
denn, wie man einen Unterstand baut oder gar<br />
jagt. Aber warum ich wirklich in diesem Schlamassel<br />
stecke, ist: Ich bin zu blöd zum Zuhören. Alvaro<br />
hatte nämlich im Vorfeld vor Regen gewarnt: „Auf<br />
der Insel wird es gegen 19 Uhr dunkel und erst zwölf<br />
Stunden später wieder hell. So ein nächtlicher Sturm<br />
kann eine gefühlte Ewigkeit dauern und vor allem<br />
ziemlich kalt werden.“ Ich wiegelte ab mit „Jajaja,<br />
wir nehmen eh zwei Plastikplanen und warme Pullis<br />
mit – alles kein Problem“ und machte mir dann Gedanken<br />
über die wichtigen Dinge im Leben. Zum<br />
Beispiel Deos und wie man knapp eine Woche ohne<br />
Dusche und ohne Geruchsbelästigung übersteht.<br />
(Dass Philipps Nase nach einer Polypen-Entfernung<br />
noch nicht wieder feinjustiert war, kam mir sehr<br />
ge legen.) Oder Sandflöhe! Laut Google höchst heimtückische<br />
Biester: Bevorzugt legen sie ihre Eier in<br />
menschlichen Fußsohlen ab (klingt unheimlich, ist<br />
aber mit einer Pinzette und Antibiotika zu kurieren).<br />
Mittlerweile kann ich sagen: Die schlimmste Bedrohung<br />
in freier Natur sind nicht wilde Tiere oder<br />
bissige Insekten. Was du wirklich fürchten musst,<br />
das ist der Regen. Regen ist brutal. Denn wenn du<br />
bis auf die letzte Faser nass bist und nicht weißt, ob<br />
der nächtliche Sturm noch Stunden oder vielleicht<br />
sogar Tage dauern wird, dann kommen Körper und<br />
Psyche an ihre Grenzen – zumal es von Survival- Inseln<br />
keinen einfachen Exit gibt. Alvaro hat mir und dem<br />
Fotografen zwar ein Notfallhandy mitgegeben, aber<br />
eine Schnellevakuierung garantiert das nicht. Denn<br />
einsame Inseln sind vor allem deshalb einsam, weil<br />
kein Boot direkt andocken kann. Diese Lektion offenbarte<br />
sich mir gleich bei der Ankunft. „Wir müssen ans<br />
Ufer schwimmen“, wurden wir angewiesen, als der<br />
Motor 200 Meter vor der Insel plötzlich verstummte.<br />
Ein Postkartenidyll mit Palmen, schroffen Felsen<br />
und Sandstrand, geschätzt einen Kilometer lang und<br />
300 Meter breit, lag vor uns. Irgendwo hinter dem<br />
Hori zont, 1500 Seemeilen weiter westlich, sollten die<br />
Male diven beginnen. „Und: unser Gepäck? Die Kameras?“<br />
– „Die schwimmen wir für euch rüber.“ Unser<br />
Bootsführer war bereits mit einer überladenen Plastikbox<br />
in die Fluten gesprungen. Die Kiste taumelte<br />
durch den Wellengang gefährlich hin und her. Würde<br />
sie kippen, Reisepässe, Gepäck, alles wäre verloren.<br />
Der unfreiwillige Schwimmgang scheint ewig her,<br />
obwohl seitdem gerade mal 48 Stunden vergangen<br />
sind. Die Bucht, an der uns Alvaro unserem Schicksal<br />
überlassen hat, besteht aus einem Strandabschnitt<br />
mit hoher Brandung und gefühlt drei Milliarden<br />
Einsiedlerkrebsen. Das Meer ist so laut, dass man<br />
Solange du Kokosnüsse hast,<br />
überlebst du. Eine Nuss<br />
spende t bis zu einen halben<br />
Liter Flüssigkeit.<br />
THE RED BULLETIN 71
Oben: der Lagerplatz. Zwei Hängematten, eine Wäscheleine, Kokospalmen, Schatten. Raue Brandung. Die Strömungen hier sind gefährlich.<br />
Unten: Einsiedlerkrebse machen sich im Dutzend über eine von mir aufgeschlagene Kokosnuss her.<br />
72 THE RED BULLETIN
1<br />
2<br />
3<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
DAS SURVIVAL-EQUIPMENT<br />
1 Agavenblatt. Natürlicher Trichter zum<br />
verschüttfreien Umfüllen von Flüssigkeiten.<br />
2 Wasserkanister für sechs Tage.<br />
Inhalt: 12 Liter. 3 Leatherman mit Messer<br />
und Minisäge für Schneide arbeiten.<br />
4 Macheten, wegen der hohen Luftfeuchtigkeit<br />
täglich eine Spur ros tiger.<br />
5 Kokosnüsse mit Trieben. Wachsen<br />
am Boden, bei Energielosigkeit leichte<br />
Beute. Innen süßlich – und schaumig<br />
wie Styropor. 6 Kochtöpfe, Streichhölzer,<br />
Kaminanzünder (für den Fall,<br />
dass alles nass ist) und zwei Esslöffel.<br />
7 Harpune ohne Sicherung, Marke<br />
indonesischer Eigenbau. Mehr Gefahr<br />
für einen selbst als für die Fische.<br />
8 Plastik plane aus dem Baumarkt.<br />
Lebensretter. Schützt bei einem Sturm<br />
vor Nässe und hält notfalls die Körpertemperatur<br />
halbwegs stabil.<br />
8<br />
THE RED BULLETIN 73
Ich dachte, ich würde<br />
in j edem Lebewesen<br />
eine potenzielle wandelnde<br />
Mahlzeit sehen.<br />
das eigene Wort nicht versteht. Dahinter beginnt die<br />
Dschungel-Version von „Blair Witch Project“: Spinnweben,<br />
Palmen, Agaven, leere Kokosnussschalen, die<br />
Unterschlupf für Tausendfüßer, Zikaden, Schlangen<br />
und Echsen bieten. Solange man Kokosnüsse hat,<br />
stirbt man nicht, heißt es. Grüne, unreife Nüsse<br />
enthalten bis zu 500 Milliliter Wasser mit wichtigen<br />
Elektrolyten. Ob man aber auch immer die Kraft findet,<br />
die Dinger mit einem Bambusrohr von der Palme<br />
zu schlagen, ist eine andere Frage. In einen Baumstamm<br />
ist „Mikelo“ eingeritzt. So heißt ein ehemaliger<br />
Survival-Kandidat, der hier die Asche seiner toten<br />
Mutter verstreut haben soll. Wir sind also nicht allein,<br />
auch wenn es die Indonesier beim Gedanken daran<br />
schaudern würde. In dem Inselstaat glaubt man an<br />
Geister. Dass man sich freiwillig auf einem ein samen<br />
Eiland verschanzt, ist für viele unheimlich.<br />
„Bist du okay?“ Philipp, der Fotograf, hat ein paar<br />
Meter weiter dem nächtlichen Sturm getrotzt. Durchweicht<br />
und erschöpft lässt er sich neben mich in<br />
den Sand fallen. Wir haben seit zwei Tagen kaum<br />
gegessen, abends ein paar Löffel Reis, zum Frühstück<br />
eine Kokosnuss, mehr gibt es nicht. Bei tropischen<br />
35 Grad kein Problem, da brauchst du wenig Energie.<br />
Doch nach dem Taifun fehlt uns für so ziemlich alles<br />
die Kraft. Fischen ist wegen des hohen Wellengangs<br />
in unserer Bucht und dank der Talentfreiheit meinerseits<br />
sinnlos. Die Köder – Algen oder Krebse – rutschen<br />
sofort vom Haken, die Schnur verfängt sich in versteinerten<br />
Korallen und reißt. Und Einsiedlerkrebse<br />
über dem Feuer zu rösten, dazu konnten wir uns bis<br />
dato nicht durchringen. Die spinnenartigen Beine<br />
sind haarig, die Körper unter den Schneckenhäusern<br />
mager. „Denkst du, das war’s? Oder geht das jetzt die<br />
rest lichen Tage so weiter?“, frage ich Philipp leise.<br />
„Ich weiß es nicht.“ – „Noch so eine Horrornacht<br />
überstehe ich nicht.“ – „Wir müssen positiv denken.<br />
Die Anreise war zu lang, um aufzugeben.“<br />
Als zu Mittag die Sonne durch die Wolken blinzelt,<br />
lebt auch mein Kampfgeist wieder auf. Wir spannen<br />
eine Schnur, um unsere Hängematten zu trocknen,<br />
und planen eine – zumindest in der <strong>The</strong>orie – sturmfeste<br />
Behausung aus Plastikplanen, Seilen und Steinen.<br />
Der Wind hat sich gelegt, der Himmel wird mit<br />
jeder Minute blauer. Das, was vor ein paar Stunden<br />
noch Apokalypse war, mutiert jetzt zu einem kitschigen<br />
Werbetraum. Plopp. Eine Kokosnuss fällt zu<br />
Boden. Schwindelig von der Unterzuckerung trabe<br />
ich los, um sie aufzulesen, und säble dann durch die<br />
Fasern der Frucht. Meine Armmuskulatur brennt,<br />
ich bin am Ende. Die hohe Luftfeuchtigkeit und das<br />
Salzwasser haben die Klingen der Macheten rostig<br />
werden lassen, meine Handflächen entwickeln braunrote<br />
Schwielen. „Mit dem Sturm hat dieses Abenteuer<br />
erst begonnen“, sinniert Philipp. Ich weiß, er hat<br />
recht. Aber mir ist nicht nach <strong>Red</strong>en zumute. In meinem<br />
Kopf ist es zu laut. Ich dachte, dieses Survival-<br />
Abenteuer würde meine Urinstinkte wecken, jedes<br />
Lebewesen zu einer potenziellen wandelnden Mahlzeit<br />
machen. Mein Vater ist von Beruf Metzger, die<br />
Sache wäre also gar nicht mal so abwegig. Doch das<br />
Gegenteil ist der Fall. Ich will nichts töten. Ich will<br />
verstehen und fühle mich plötzlich seltsam mit der<br />
Erde verbunden. Stundenlang studiere ich das Chaos<br />
des Dschungels. Die schiefen Stämme, die vorbei an<br />
den gerade gewachsenen zum Licht drängen. Ein<br />
braun-grünes Durcheinander, das keiner menschlichen<br />
Ordnung folgt und genau deshalb so wunderschön<br />
ist. Ich atme die feucht-sandig-moosige Luft<br />
ein. Gleich hinter mir verrotten entwurzelte Bäume<br />
und, ich wette, auch tote Echsen, Vögel und Krabben.<br />
Trotzdem: Die Natur riecht taufrisch, während ich<br />
das von mir nicht mehr behaupten kann.<br />
Der Sturm war hart, aber mir dämmert, er war keine<br />
Kampfansage der Welt an mich. Meine Wenigkeit ist<br />
der Natur vollkommen egal. Sie ist größer als ich,<br />
immerhin wird sie noch existieren, wenn ich längst<br />
nicht mehr bin. Dennoch stellt sie großzügig alles<br />
zur Verfügung, was ich zum Leben brauche. Ich muss<br />
nur lernen, die Geschenke erkennen. Da wäre zum<br />
Beispiel das Meer. Ein Schuss Ozean im Kochwasser<br />
würzt unseren Reis. Zum Reinigen des Topfs ist Sand<br />
das beste Scheuermittel. Überdies spült das Meer<br />
täglich Treibholz an, von der Sonne getrocknet,<br />
Die Natur stellt grosszügig<br />
alles zur verf ügung,<br />
was ich zum überleben brauche.<br />
ich muss nur lernen, ihre<br />
geschenke zu erkennen.<br />
brennt es wie Zunder. Oder die Palmen, diese<br />
Universal genies! Sie sind Kokosnuss- und Schattenspender,<br />
Hängematten-Stützen, ihre Wedel dienen<br />
als Baumaterial, und in leeren Kokosschalen kann<br />
man Regenwasser auffangen. Ein abgeschnittenes<br />
Agavenblatt wiederum lässt sich als Trichter missbrauchen.<br />
Hält man es im richtigen Winkel, geht<br />
beim Umfüllen vom Wasserkanister in unsere Trinkflaschen<br />
kein Tropfen verloren. Dass der dauer-<br />
74 THE RED BULLETIN
Lagerfeuer? Nein, meine persönliche Müllverbrennungsanlage.<br />
Der Verschmutzung der Weltmeere entkommt auch die einsamste Insel nicht.<br />
THE RED BULLETIN 75
Nachts kommen Schildkröten auf die Insel, um ihre Eier in Nistkammern im Sand abzulegen.<br />
Das größte Badezimmer der Welt: Mit einem Kamm versuche ich, die verfilzten Haare zu entwirren.<br />
Ein paar Meter weiter rauscht das Meer: meine Badewanne und Waschmaschine.<br />
76 THE RED BULLETIN
klebrige Salzfilm auf der Haut einen in den Wahnsinn<br />
treibt – Schwamm drüber! Auf einer einsamen Insel<br />
wirfst du spätestens nach der ersten Freiluft-Notdurft<br />
deine Sauberkeitsideale über Bord.<br />
Wenn ich nicht gerade über das große Ganze nachdenke,<br />
schreite ich durch mein sandiges Königreich<br />
und räume auf. Mit 120-Liter-Müllsäcken, die ich<br />
zum Schutz für die Kameras mitgebracht habe,<br />
sammle ich angespültes Plastik ein. Die Insel mag<br />
zwar fern von allem liegen, der Verschmutzung der<br />
Weltmeere entkommt sie nicht. Allein in „meiner“<br />
Bucht stoße ich auf hunderte leere Plastikflaschen,<br />
bei 246 habe ich aufgehört zu zählen. Ölkanister.<br />
Sonnenmilchtuben. Flip-Flops – 56 Einzelexemplare,<br />
keine zwei passen zusammen. Dazu: Zahnbürsten.<br />
Shiva-Spielzeugfiguren, vermutlich aus Indien.<br />
Joghurtbecher. Alte Bojen, Taue, Styropor. Plastikstrohhalme,<br />
die infolge Salz- und Sonneneinwirkung<br />
zwischen meinen Fingern zerbröseln. Es bricht mir<br />
fast das Herz, als ich sehe, wie Krabben die Mikroteile<br />
zwischen ihre Scheren nehmen und davon kosten.<br />
Also starte ich eine Müllverbrennungsanlage. Sechs<br />
volle Säcke, 720 Liter Unrat, gehen dramatisch in<br />
schwarzem Rauch auf, es stinkt nach Chemie,<br />
das Treibgas in einer Spraydose knallt. Am Festland<br />
würde man mit dem Plastik dasselbe machen, das<br />
Feuer mag zwar die Luft verpesten, stellt aber sicher,<br />
dass die Babyschildkröten, die hier bald schlüpfen,<br />
in eine sauberere und für sie weniger gefährliche Welt<br />
krabbeln können. Die Spuren im Sand ver raten, wo<br />
eine Schildkröte Nistkammern angelegt haben muss.<br />
Irgendwann dämmert mir, dass auch unter meiner<br />
Feuerstelle Eier liegen werden. Verdammt! Der Kreislauf<br />
des Lebens scheint zu vielschichtig für mein<br />
klein dimensioniertes Hirn. Kein YouTube-Sur vival-<br />
Videomarathon kann dich darauf vorbereiten.<br />
Zur Beruhigung beobachte ich die Krebse und die<br />
Krabben. So ereignislos das Leben auf einer einsamen<br />
Insel scheint – du schläfst, du versuchst, jeden Tag<br />
ein bisschen kraftloser, Kokosnüsse zu ernten, machst<br />
Feuer, schwimmst, sammelst Müll ein –, am Boden<br />
geht’s geschäftig zu wie in einer Megametropole.<br />
Flächendeckend wuseln die Viecher hin und her.<br />
Ich beginne, sie nach Größe und Farben zu differenzieren.<br />
Es gibt Tiere mit grünen Schneckenhäusern<br />
am Rücken. Manche sind babyrosa, andere gepunktet<br />
oder rot-braun-weiß. Zwei Arten und zwei Zonen<br />
Die Einsiedlerkrebse<br />
sind Junkies, insgeheim<br />
nenne ich sie Kokossüchtler.<br />
Ich finde Plastikflaschen.<br />
Flip-Flops, 56 Einzel-<br />
Exemplare, keine zwei<br />
Sandalen passen zusammen.<br />
Einsame Insel heisst nicht,<br />
dass man der Verschmutzung<br />
der Meere entkommt,<br />
im Gegenteil.<br />
mache ich aus. Die Einsiedlerkrebse – von fingernagelklein<br />
bis handtellergroß – halten sich in Dschungelnähe<br />
auf. Sie sind Junkies, insgeheim nenne ich sie<br />
Kokossüchtler. Kaum fällt ein Schnipsel Kokosfleisch<br />
zu Boden, stürzen sie sich zu Dutzenden darauf.<br />
Exkremente und Plastik verspeisen sie im Übrigen<br />
auch. Und dann gibt es die Albino-Krabben. Ihren<br />
korrekten biologischen Namen kenne ich nicht.<br />
Sie leben vorwiegend in Löchern am Strand, haben<br />
einen lustigen Seitwärtsgang und aufmerk same<br />
schwarze Stielaugen. Nahrungstechnisch würden<br />
sie mehr hergeben als die Kokossüchtler. Aber ich<br />
kann sie trotzdem nicht mit einem Stein erschlagen.<br />
Denn die Albinos sind Hardcore-Romantiker. Wenn<br />
abends der Himmel rot und pink zu glühen beginnt,<br />
dann unterbrechen auch sie ihr Treiben. Plötzlich<br />
er scheinen sie für mich menschlich.<br />
Als Alvaro am sechsten Tag wie aus dem Nichts auftaucht,<br />
um uns durch den Dschungel zurück zum<br />
Boot zu führen, freue ich mich auf 3000 Kalorien<br />
Nasi Goreng, eine lange Dusche und Jod für das<br />
an Korallen aufgeschürfte Knie, das Herz aber sagt:<br />
Hmmm. „Ich habe am Festland oft an euch denken<br />
müssen, der Sturm in der dritten Nacht war schlimm“,<br />
schnattert Alvaro. Ja, stimmt. Aber der Taifun hat<br />
nicht nur das Meer aufgewühlt. Sondern auch mich.<br />
Ich werfe einen letzten Blick auf „meine“ Insel, lasse<br />
mich unwillig zurück in die Zivilisation führen. Als<br />
wir Stunden später im Flughafentaxi sitzen, gefangen<br />
im Feierabendstau, sage ich zu Philipp: „Das saugt mir<br />
gerade enorm viel Energie ab. Die vielen Menschen!<br />
Ich habe das Gefühl, ich spüre jede einzelne ihrer<br />
Stimmungen, ihren Ärger über die Autokolonnen,<br />
ihre Unruhe. Mit den Krabben und den Palmen war<br />
das Leben irgendwie einfacher.“ – „Ich weiß, was du<br />
meinst.“ Ich schaue auf meine geschundenen Finger,<br />
die Hautrisse, die durch Rostspuren der Machete<br />
dunkel gefärbt sind, nach dreimal waschen werden<br />
sie nicht mehr zu sehen sein. „Ich will zurück“,<br />
sagt das Herz. „Das geht nicht“, sagt der Verstand.<br />
Flüstert das Herz: „Dann musst du wohl ab jetzt<br />
deine eigene Insel sein.“<br />
THE RED BULLETIN 77
FLÜÜÜGEL<br />
FÜR JEDEN<br />
GESCHMACK.
guide<br />
Dein Programm<br />
ZUM DABEISEIN<br />
Von Rallye über Rock<br />
bis Gaming: die spannendsten<br />
Events im<br />
<strong>August</strong> und September.<br />
SEITE 84<br />
ZUM MITSPIELEN<br />
Das Augmented-<br />
Reality-Game „Harry<br />
Potter: Wizards Unite“<br />
löst einen Boom aus.<br />
SEITE 86<br />
ZUM ERLEBEN<br />
Von Downhillrennen<br />
bis Popmusikproduktionen:<br />
die Highlights<br />
auf <strong>Red</strong> Bull TV.<br />
SEITE 87<br />
GRAEME PURDY<br />
ZUM STAUNEN<br />
Auf Foto-Safari in Kenia:<br />
Wie du mit einem Profi-<br />
Guide die Bilder deines<br />
Lebens knipst.<br />
SEITE 80<br />
THE RED BULLETIN 79
Reisen<br />
Die Fotografen-Crew bringt sich unter einem Akazienbaum in der Masai Mara in Stellung.<br />
SHOOTING IN KENIA<br />
JAG DAS FOTO<br />
DEINES LEBENS<br />
Lust auf gewaltfreie Trophäenjagd? Graeme Purdy bringt<br />
Amateurfotografen auf Tuchfühlung mit Löwen, Büffeln<br />
und Gazellen – und garantiert reiche Fotobeute.<br />
Mein Herz blieb stehen. Auf<br />
der anderen Seite des Land<br />
Rover, neben dem ich Position<br />
bezogen hatte, war gerade<br />
ein Löwe vorbeigetrabt. Wir hatten<br />
das Scheinwerferlicht auf ein Rudel<br />
Hyänen gerichtet, das gerade ein<br />
totes Gnu verschlang, als der Löwe<br />
die Party crashte. Als sich mein<br />
Zittern gelegt hatte, hob ich die<br />
Kamera. Da hörte ich es direkt hinter<br />
mir: kein Brüllen, kein Knurren,<br />
nur das dumpfe Echo von Pfoten<br />
auf dem Steppenboden. Wumpf …<br />
wumpf … wumpf … Bald lief neben<br />
mir ein zweiter Löwe vorbei, so<br />
16 Jahre Safari-Erfahrung auf einem Bild: Graeme Purdy<br />
80 THE RED BULLETIN
guide<br />
REISE-TIPPS<br />
KATZENFOTOS<br />
GEFÄLLIG?<br />
Was du wissen solltest, bevor du in einem<br />
von Kenias größten Naturschutzgebieten<br />
auf Großwild(foto)jagd gehst.<br />
Fantastisches Fotomotiv auf Graemes Safaris: Gepardenmütter und ihre Babys<br />
Kenia<br />
Nairobi<br />
Masai Mara<br />
Die Masai Mara liegt auf 1800 Meter Höhe und hat<br />
täglich zwölf Stunden Tageslicht und zwölf Stunden<br />
Dunkelheit. Die Morgenstunden sind hell und klar,<br />
aber nachmittags ziehen oft Gewitter auf.<br />
Geschossen werden auf dieser Safari nur Fotos.<br />
GRAEME PURDY PHOTOGRAPHY RACHAEL SIGEE<br />
nahe, dass ich seinen Atem spüren<br />
konnte. „Keine Panik“, sagte der<br />
Guide, „die interessieren sich nur<br />
für ihre Beute, nicht für dich.“<br />
Um 16 Jahre Safari-Erfahrung<br />
reifer, weiß ich heute, dass Großkatzen<br />
– sie leben im Reservat<br />
Masai Mara in größerer Dichte<br />
als irgendwo sonst auf der Welt –<br />
für Menschen relativ harmlos<br />
sind. Gefährlicher sind Büffel<br />
(permanent schlecht gelaunt) und<br />
Elefanten (unberechenbar).<br />
Wie ich zu meinem Job kam?<br />
Zuerst arbeitete ich als hauptberuflicher<br />
Wildtierfotograf, der<br />
hin und wieder Gäste auf Safaris<br />
mitnahm. Jetzt zeige ich Hobby-<br />
Fotografen jeden November im<br />
Rahmen von zwei einwöchigen<br />
Einmal pinkelte<br />
uns ein Löwe an.<br />
Er zeigte uns damit,<br />
wer der Boss ist.<br />
Trips, wie man Wildtiere in ihrer<br />
natürlichen Umgebung ablichtet.<br />
Warum gerade dann? Die Regenzeit<br />
beginnt, der Himmel sieht<br />
besonders dramatisch aus, und<br />
die Tiere sind aktiver, sobald es<br />
etwas kühler wird.<br />
Wir beginnen gleich nach dem<br />
45-minütigen Flug vom Wilson<br />
Airport in Nairobi mit dem Knipsen,<br />
sobald die sechs- bis acht-<br />
WÄHRUNG<br />
KENIA-SCHILLING<br />
1 Kenia-Schilling = 89 Cents<br />
1 Euro = 113 Kenia-Schillinge<br />
SPRACHE (SWAHILI)<br />
Naona chui Ich sehe einen<br />
Leoparden<br />
Twende<br />
tutafute tembo<br />
Wapi mtoto wa<br />
simba?<br />
WISSEN<br />
1. Die Masai Mara liegt nahe dem Äquator,<br />
daher sind Tag und Nacht fast gleich lang.<br />
2. Benannt ist das Reservat nach den hier<br />
ansässigen Nomaden, den Massai.<br />
„Mara“ bedeutet in ihrer Sprache „gefleckt“.<br />
3. Die häufigste Tierart ist das millionenfach<br />
vertretene Gnu.<br />
4. Die Seehöhe entspricht jener hoch gelegener<br />
Alpendörfer – etwa 1800 Meter.<br />
Lass uns Elefanten<br />
suchen<br />
Wo ist das<br />
Löwenbaby?<br />
THE RED BULLETIN 81
Reisen<br />
guide<br />
HAKUNA MATATA<br />
SAFARI<br />
DE LUXE<br />
Welche Ausrüstung der Tierfotograf<br />
Graeme empfiehlt. Plus: seine Profi-Tipps<br />
nach 16 Jahren Masai-Mara-Erfahrung.<br />
MUST-HAVE<br />
DREI DINGE, DIE DU AUF EINER FOTOSAFARI<br />
UNBEDINGT BENÖTIGST:<br />
1. „Ich verwende eine<br />
Canon 5DSR mit<br />
verschiedenen Objektiven,<br />
das 300-mm-Weitwinkel-<br />
Objektiv passt am besten<br />
zu meinem Fotostil.“<br />
2. „Mit einem iPhone kann<br />
man ziemlich gute Fotos<br />
machen. Ich verwende<br />
Clip-on-Objektive<br />
von Moment.“<br />
3. „Nimm doppelt so<br />
viele Speicherkarten mit,<br />
wie du glaubst, dass<br />
du brauchen wirst.<br />
Mindestens. Ich habe noch<br />
nie jemanden getroffen,<br />
der bei seiner ersten Safari<br />
zu viele Speicherkarten<br />
dabeihatte. Bei meiner<br />
ersten Fotosafari machte<br />
ich 12.000 Fotos.“<br />
Was braucht man, um dabei zu sein? „Nichts. Außer<br />
einer Kamera und Begeisterung“, sagt Graeme.<br />
MUST-KNOW<br />
1. AASGEIER FRESSEN SCHNELL<br />
„In 90 Minuten können 70 Geier einen Tierkadaver<br />
auffressen. Fand das Tier einen natürlichen Tod,<br />
fressen sie sich durch Auge oder Anus.“<br />
2. BABY-ELEFANTEN SIND UNGESCHICKT<br />
„Im Rüssel eines Elefanten stecken mehr Muskeln<br />
als in unserem ganzen Körper. Aber Babys, die<br />
erst ein paar Monate alt sind, können ihren Rüssel<br />
noch nicht kontrollieren. Darum wackelt und<br />
schlenkert er, wenn sie laufen.“<br />
3. NILPFERDE BRAUCHEN PLATZ<br />
„Als Flüsse für uns noch die wichtigsten Transportwege<br />
waren, galten Flusspferde als die gefährlichsten<br />
Tiere Afrikas. Doch sie greifen nicht grundlos an – es<br />
reicht, ihnen nicht in die Quere zu kommen.“<br />
Die Masai Mara ist Heimat von über tausend Vogelarten und zahllosen Säugetieren.<br />
köpfigen Gruppen in der Masai<br />
Mara gelandet sind. Ach ja: In unserem<br />
Camp gibt es keine Zäune.<br />
Darum begleitet dich immer ein<br />
Guide zu deinem Zelt, und meist<br />
steht jemand mit Speer bewaffnet<br />
Wache. Auch im Geländewagen,<br />
in den wir jeden Morgen 40 Minuten<br />
vor Sonnenaufgang steigen,<br />
gibt es keine Barriere zwischen dir<br />
und den Tieren: Damit man besser<br />
foto grafieren kann, haben wir das<br />
Dach, die Seitenteile und sogar<br />
die Windschutzscheibe entfernt.<br />
Einmal spazierte ein männlicher<br />
Löwe direkt auf uns zu und pinkelte<br />
uns von oben bis unten an. So<br />
zeigte er uns, wer hier der Boss ist.<br />
Zehn Minuten vor Sonnenaufgang<br />
baut sich im Morgennebel<br />
plötzlich eine Wand aus zwanzig<br />
Elefanten auf. Mucksmäuschenstill<br />
waten sie durch das Gras.<br />
Ein atemberaubender Anblick,<br />
unwirklich wie eine Szene aus<br />
„Jurassic Park“. Zusammen mit<br />
dem Licht kurz vor der Morgendämmerung<br />
ergibt das ein episches<br />
Foto – wenn man schnell<br />
genug ist und den magischen Moment<br />
einfängt. Die Verhältnisse<br />
ändern sich hier blitzschnell.<br />
Reaktionsschnelligkeit ist auch<br />
eine Stunde vor Sonnenuntergang<br />
gefragt, weil dann das Licht am<br />
besten ist. Da beobachten wir<br />
nämlich, wie eine Gepardin<br />
Thomson- Gazellen jagt. Es spielt<br />
keine Rolle, wie viele Naturdokumentationen<br />
du gesehen hast –<br />
einen Geparden in vollem Tempo<br />
laufen zu sehen ist unbeschreiblich.<br />
Wir fiebern mit, bis das Raubtier<br />
eine Gazelle erlegt hat. Hier ist<br />
das Leben kein Disney-Film, sondern<br />
täglicher Überlebenskampf.<br />
Einen Hügel entfernt beginnt<br />
gerade ein neues Leben: Eine<br />
Gazelle hat soeben ihr Junges auf<br />
die Welt gebracht. Gazellen und<br />
Impalas grasen hier gemeinsam;<br />
und das Neugeborene wackelt zu<br />
einem riesigen Impala-Männchen<br />
hinüber. „Bist du meine Mama?“,<br />
scheint es zu fragen. Die Impala<br />
senkt ihren Kopf und dreht das<br />
Baby sanft um, sodass es seine<br />
Mutter sieht. Ein unvergesslicher<br />
Moment.<br />
Unser Eintauchen in die Wildnis<br />
fühlt sich beinahe spirituell<br />
an. Nach 36 Stunden in der Masai<br />
Mara hast du vergessen, welcher<br />
Wochentag ist. Wenn ich hier<br />
morgens aufwache, strotze ich<br />
nur so vor Optimismus. Welche<br />
fantastischen Erinnerungen der<br />
neue Tag wohl bringen wird?<br />
Infos zu Graeme Purdys Safaris: purdy.<br />
photography/photographic-safaris<br />
GRAEME PURDY PHOTOGRAPHY RACHAEL SIGEE<br />
82 THE RED BULLETIN
Events<br />
bis 25. <strong>August</strong><br />
Spür das Rallye-Feeling<br />
Packende Renn-Action vor spektakulärer Kulisse:<br />
Dafür steht die ADAC Rallye Deutschland, die<br />
auch in diesem Jahr unter anderem durch die<br />
Weinberge entlang der Mosel führt (im Bild: Titelverteidiger<br />
Sébastien Ogier). Gute Nachrichten<br />
für die Fans: Die Strecke wächst im Vergleich<br />
22Saarland; adac-rallye-deutschland.de<br />
zum Vorjahr um sechs Prozent auf 343,95 Kilometer<br />
an. Gleichzeitig verkürzen sich die Entfernungen<br />
zwischen den einzelnen Etappen.<br />
16<br />
bis 18. <strong>August</strong><br />
Höre den Donner<br />
Es ist das größte Dragster-Rennen außerhalb<br />
der USA. Rund 250 Teams gehen bei den<br />
NitrOlympX am Hockenheimring an den Start.<br />
40.000 Zuschauer pilgern zu den Tagen des<br />
Donners, um die bis zu 10.000 PS starken Fahrzeuge<br />
beim Duell auf der Viertelmeile zu bestaunen.<br />
Heiß her geht’s auch bei „<strong>The</strong> Nightshow“<br />
am Samstagabend, wenn Motorsport auf<br />
Entertainment trifft – Pyrotechnik inklusive.<br />
Motodrom, Hockenheim; nitrolympx.de<br />
27<br />
Juli<br />
ERLEBE PURE<br />
GAMING-ACTION<br />
Monster, Türme und gegnerische<br />
Champions besiegen – mit Strategie<br />
und Tempo: Darum geht es im<br />
Erfolgsspiel „League of Legends“.<br />
Aber wer ist weltweit der beste<br />
Einzelspieler? Das ermittelt <strong>Red</strong><br />
Bull Player One. Bei den nationalen<br />
Finals in Frankfurt a. M. kämpfen<br />
die besten deutschen Amateur-<br />
Gamer um den Einzug ins Finale<br />
in Brasilien. Wer kein Ticket mehr<br />
bekommt, kann auf der Streaming-<br />
Plattform Twitch live dabei sein.<br />
Silberturm, Frankfurt am Main; redbull.com<br />
ADAC/SASCHA DÖRRENBÄCHER, HOCKENHEIM-RING GMBH, MARCELO MARAGNI/RED BULL CONTENT POOL, SF@STEPHANFLAD.COM<br />
84 THE RED BULLETIN
guide<br />
7<br />
und 8. September<br />
Feier im Freien<br />
Was für ein Line-up, was für eine<br />
Basis für ein legendäres Wochenende:<br />
Bei der deutschen Ausgabe des Lollapalooza-Festivals<br />
reihen sich die<br />
Top-Acts aneinander. Am Samstag<br />
etwa Swedish House Mafia, Twenty<br />
One Pilots und Billie Eilish; am Sonntag<br />
zum Beispiel mit Kings of Leon,<br />
Martin Garrix und Kraftklub.<br />
Olympiastadion und Olympiapark,<br />
Berlin; lollapaloozade.com<br />
und 21. Juli<br />
Beweg dich<br />
wie nie zuvor<br />
In unserem Körper liegt die Kraft für<br />
ein besseres Leben: Deswegen lädt<br />
das „World of Movement“-Event seine<br />
Besucher dazu ein, das <strong>The</strong>ma Bewegung<br />
neu zu entdecken und dabei<br />
gleichzeitig zu neuer Ruhe zu finden –<br />
etwa bei Tanz, Yoga oder Martial Arts.<br />
Schönes Workshop-Beispiel: „<strong>The</strong> Art<br />
to Handstand“. Dazu gibt es auf den<br />
rund 5000 Quadratmetern im Edelfettwerk<br />
auch eine Fitness-Messe.<br />
Edelfettwerk, Hamburg;<br />
world-of-movement.de<br />
26<br />
bis 28. Juli<br />
Verfolge<br />
die Stars<br />
Im Vorjahr holte Formel-1-Profi<br />
Lewis Hamilton beim Großen<br />
Preis von Deutschland den<br />
Sieg, auch dieses Jahr zählt der<br />
Brite zu den Favoriten. Sei dabei,<br />
wenn Lokalmatador Sebastian<br />
Vettel und <strong>Red</strong> Bull Racing-<br />
Fahrer Max Verstappen ihm<br />
den Sieg auf der 4574 Meter<br />
langen Strecke mit den 17 Kurven<br />
streitig machen wollen.<br />
Hockenheimring;<br />
hockenheimring.de<br />
20 21<br />
bis 24. <strong>August</strong><br />
Entdecke das<br />
nächste Level<br />
Neue Technik, neue Spiele,<br />
ganz viel Party: Dafür steht<br />
Gamescom, die weltgrößte<br />
Computerspielmesse. In diesem<br />
Jahr soll die Marke von<br />
400.000 Besuchern geknackt<br />
werden. Nicht verpassen: Auf<br />
dem <strong>Red</strong> Bull Gaming Ground<br />
(Außen bereich P8) kannst du<br />
aktuelle Games testen und<br />
spannende Live-Acts erleben.<br />
Kölnmesse, Köln;<br />
gamescom.de<br />
THE RED BULLETIN 85
Gaming<br />
guide<br />
SMART LEBEN<br />
KAMPF DER<br />
REALITÄTEN<br />
Kuss des Grauens:<br />
Ein böser Dementor holt sich<br />
Harry Potters Seele<br />
in „Wizards Unite“.<br />
„Harry Potter: Wizards Unite“ wird ein Smartphone-Gaming-Fieber<br />
auslösen, wie wir es<br />
seit „Pokémon Go“ nicht mehr erlebt haben.<br />
Vor drei Jahren hat sich das Leben, wie wir es<br />
kannten, für immer verändert. Oder zumindest hat<br />
es sich für immer erweitert. Augmented Reality (AR), die<br />
Verschmelzung von Virtuellem und Realem, wurde damals<br />
vom AR-Smartphone-Game „Pokémon Go“ auf ein<br />
völlig neues Level gebracht. In aller Welt jagten bis zu<br />
45 Millionen Menschen auf ihren Handys digitalen Kreaturen<br />
hinterher. Millionen jagen auch heute noch. Was<br />
ein wenig nach kollektiver Verwirrung klingt, bringt<br />
handfeste praktische Vorteile mit sich, zum Beispiel<br />
bewegen sich die Menschen freiwillig stundenlang an<br />
der frischen Luft. „Pokémon Go“-Entwickler Niantic<br />
bringt nun ein neues Game heraus, das den AR-Hype<br />
in ungeahnte Höhen katapultieren soll – „Harry Potter:<br />
Wizards Unite“. Gamifications-Experte Marc Woodhead<br />
erklärt, wie Augmented Reality unser reales Leben verbessert<br />
hat. Und weiter verbessern wird.<br />
harrypotterwizardsunite.com<br />
GEHIRNTRAINING<br />
Bei AR-Spielen wie „Pokémon Go“<br />
oder „Wizards Unite“ lebt man in<br />
zwei Welten gleichzeitig, in der<br />
eigenen und in der des Spiels. Das<br />
Spannende an diesem Multitasking-<br />
Erlebnis ist, dass man beide Welten<br />
gleichzeitig im Blick haben muss.<br />
„Bei jungen Spielern konnte man beobachten,<br />
dass sie dadurch lernen,<br />
komplexe Informationen überhaupt<br />
leichter zu verarbeiten“, sagt Woodhead.<br />
Neurowissenschaftler Jesse<br />
Gomez ergänzt: „Bei einer Studie<br />
untersuchten wir Erwachsene, die als<br />
Kinder ‚Pokémon‘ gespielt hatten.<br />
Wir entdeckten eine eigene Region<br />
in ihrem Gehirn, die nur dazu dient,<br />
die Bilder des Spiels zu erkennen.“<br />
DIE WELT RETTEN<br />
Besonders wertvolle Pokémons wie<br />
Zapdos kann man bei „Pokémon Go“<br />
nur gemeinsam mit anderen Spielern<br />
fangen. Dieser sehr reale soziale<br />
Aspekt des Spiels hat einen interessanten<br />
Nebeneffekt: Er führt zu<br />
gemeinnützigen Aktionen, zum Beispiel<br />
dem Earth Day <strong>2019</strong>. 17.000<br />
Spieler von „Pokémon Go“ und<br />
„Ingress“ (Niantics erstem AR-Spiel)<br />
sammelten gemeinsam in 41 Ländern<br />
145 Tonnen Müll. „Dank AR können<br />
wir uns besser um unsere Welt kümmern“,<br />
sagt Woodhead.<br />
AKTIV WERDEN<br />
2016 legten die Spieler von „Pokémon<br />
Go“ insgesamt 8,7 Milliarden<br />
Kilo meter zurück – umgerechnet<br />
marschierten sie bis zum Ende des<br />
Sonnensystems. Eine im „Journal<br />
of the American Heart Association“<br />
veröffentlichte Studie belegte, dass<br />
Pokémon-Spieler um fast 35 Prozent<br />
mehr Schritte schafften als Nicht-<br />
Spieler. „Einige Spieler bewegten<br />
sich fünf, sechs Stunden die Woche,<br />
um die nötigen Schritte zu sammeln.<br />
AR hilft uns, gesünder zu leben.“<br />
Prêt-à-portal:<br />
Magische Türen ermöglichen<br />
es, zwischen<br />
realer und virtueller<br />
Welt zu wechseln.<br />
EXPERTEN-<br />
PROFIL<br />
MARC<br />
WOODHEAD<br />
Der Gamification-<br />
Guru<br />
Gründer von Holograph,<br />
einem Unternehmen,<br />
das intelligente<br />
Gamifi cations- und<br />
AR-Lösungen für große<br />
Marken entwickelt<br />
(u. a. den Online-Contest<br />
zur Bestimmung<br />
des beliebtesten<br />
M&M’s-Charakters).<br />
holograph.digital<br />
STIMMUNG VERBESSERN<br />
AR-Games wie „Wizards Unite“<br />
ergänzen unsere Realität so glaubwürdig,<br />
dass uns Erfolge und Belohnungen<br />
im virtuellen Spiel ganz real<br />
wohlfühlen lassen. „Ich habe beobachtet,<br />
wie Menschen jeden Alters<br />
beim Spielen richtige Erfolgserlebnisse<br />
hatten, samt Endorphin-<br />
Ausschüttung und entsprechendem<br />
Boost an guter Laune“, sagt Woodhead.<br />
Doch es kann auch frustrierend<br />
sein, wenn dir die AR-Kreatur<br />
entwischt. „Darum“, so Woodhead,<br />
„ist es wichtig, nie zu vergessen,<br />
dass es nur ein Spiel ist.“<br />
TECHNOLOGIE BILDET<br />
Woodhead meint, dass Augmented<br />
Reality eine immer größere Rolle in<br />
unserem Alltag spielen wird. „Es gibt<br />
auch Spiele, die enorm viel Wissen<br />
vermitteln, zum Beispiel ‚<strong>The</strong> Body<br />
VR‘. Mit der VR-Brille HTC Vive<br />
unternimmt man dabei eine Reise<br />
durch den menschlichen Körper und<br />
sieht unter anderem, wie Blutzellen<br />
Sauerstoff im ganzen Körper verteilen,<br />
bis hinein in die Zellen. Gleichzeitig<br />
erzählt eine Stimme, was<br />
man gerade sieht und wie das alles<br />
funktioniert. AR macht uns also<br />
nicht nur fitter und schlauer, sondern<br />
lässt uns auch die reale Welt<br />
besser verstehen.“<br />
GETTY IMAGES MATT RAY<br />
86 THE RED BULLETIN
Entertainment<br />
guide<br />
BARTEK WOLINSKI/RED BULL CONTENT POOL, KEITH SOLOMON/RED BULL CONTENT POOL, GRAEME MURRAY/RED BULL CONTENT POOL<br />
ACTION<br />
HAUTNAH<br />
Egal ob du mit Rachel<br />
Atherton abwärtsrauschst<br />
oder Kelly Rowland lauschst:<br />
Hier sind die <strong>Red</strong> Bull TV-<br />
Programm-Highlights der<br />
kommenden Wochen.<br />
SO SIEHST DU<br />
RED BULL TV<br />
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digitale Destination für<br />
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der Welt. Geh auf redbull.tv,<br />
hol dir die App oder connecte<br />
dich via Smart-TV.<br />
Alle Infos: redbull.tv<br />
Topstar in Aktion: Rachel Atherton bei<br />
ihrer Siegerfahrt in Lenzerheide 2018<br />
9<br />
bis 11. <strong>August</strong> LIVE<br />
UCI MTB WORLD CUP<br />
IN LENZERHEIDE<br />
2,5 Kilometer lang und gespickt mit kniffligen Schlüsselstellen<br />
wie dem #fullgas-Sprung, zieht die Downhill-Weltcup-Strecke in<br />
Lenzerheide Fahrer und Zuschauer gleichermaßen in ihren Bann.<br />
Mindestens genauso aufregend: der Cross-Country-Bewerb.<br />
Im Bild sehen wir Englands Pro Rachel Atherton bergabrasen, die<br />
bei der Weltmeisterschaft in Lenzerheide im Vorjahr Gold holte.<br />
1<strong>August</strong> ON DEMAND<br />
RED BULL MUSIC<br />
STUDIO SESSIONS<br />
Ein einzigartiger Blick hinter die Kulissen des Pop-<br />
Business: Kelly Rowland (Bild) arbeitet mit Top-<br />
Songwriter Alex Saad und Producer Fabian Mazur<br />
an drei neuen Songs – und du bist mit dabei.<br />
17<br />
<strong>August</strong> LIVE<br />
CRANKWORX<br />
Auf Augenhöhe mit den weltbesten Mountainbikern<br />
und ihren spektakulären Sprüngen, den verblüffenden<br />
Tricks und irrem Tempo. Dieses Mal macht die Crankworx-Tour<br />
Station im kanadischen Whistler. Mit dabei:<br />
der vielversprechende Erik Fedko (GER; im Bild).<br />
THE RED BULLETIN 87
IM TRAINING<br />
MIT GAMING<br />
MIT AUSDAUER, KRAFT UND TECHNIK ZUM NEUEN HIGHSCORE –<br />
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3<br />
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Zeit für ein Trinkspielchen: Beim nächsten<br />
„Game Over“ wird ein Gläschen Proteine<br />
gekippt. Auch Vitamine schärfen deinen<br />
Fokus, damit du die Strategie klar siehst.<br />
Doch wehe, du verlierst jetzt absichtlich!<br />
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Auf dem Trainingsplan steht Tanzen, Tennis<br />
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und verzichtest auf PC und Kabel. So<br />
gehst du frei durch den virtuellen Raum.<br />
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wollten wie die richtigen Profis –<br />
wie halten sich E-Sport-Gamer fit?<br />
DER GEISTESBLITZ SAGT: E-Sportler<br />
sind Meister ihrer Disziplin. Doch wer<br />
stundenlang fokussiert sitzen muss,<br />
sollte auch physisch ausdauernd sein.<br />
Ein für Profigamer entwickeltes Workout<br />
stärkt die Haltung, die Körpermitte,<br />
Unterarme, Handgelenke, Finger und<br />
die Hand-Augen-Koordination. Daher<br />
empfehlen wir: Wenn du das nächste<br />
Mal wegen langer Ladezeiten pausieren<br />
musst, nutze die Auszeit und mache<br />
20 Liegestütze. Beim nächsten Break<br />
dann 20 Kniebeugen. Die Bewegung<br />
beschwingt auch die Konzentration.<br />
Und sollten dich die Übungen doch<br />
zu sehr anstrengen, probier’s einfach<br />
mit Fingeryoga.<br />
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wer beim Zocken den ruhigeren Puls hat.<br />
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8. WER SCHWITZT,<br />
DARF SCHLEMMEN<br />
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Und zum Finale: das gesunde Fressen.<br />
Der Prep&Cook bringt dich rasch zum<br />
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schmoren, dünsten, rühren, kneten,<br />
mixen, mahlen, zerkleinern. Mahlzeit!<br />
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… du ein Erfolgsrezept suchst.
GO SLOWENIEN!<br />
Hier trifft Abenteuer auf<br />
Entschleunigung: Jedes Jahr<br />
im Juni findet in Slowenien das<br />
berüchtigte <strong>Red</strong> Bull Goni Pony<br />
statt – ein Fahrradrennen hoch<br />
zum Vršičpass. Einzige Voraussetzung:<br />
Es muss mit dem<br />
legendären Balkan-Klapprad<br />
Pony gefahren werden – auf<br />
20-Zoll-Rädern mit nur einem<br />
Gang. Grund genug für einen<br />
Roadtrip zum Event im neuen<br />
HYMERCAR Grand Canyon S.
THE RED BULLETIN PROMOTION<br />
„Unten Universitätsstadt mit Bars,<br />
Cafés und Ost-Charme, oben einer<br />
der besten Bikeparks des Landes“,<br />
so beschreibt Filip seine Heimatstadt.<br />
MARIBOR<br />
JURE GASPARIC<br />
Wer Land und Leute erleben<br />
will, nimmt nach Slowenien<br />
am besten zwei Dinge mit:<br />
Camper Van und Bike(s).<br />
Die Freundlichkeit der<br />
Menschen lässt sich an jeder<br />
Straßenkreuzung durchs<br />
Seitenfenster erfahren, und<br />
es gibt kaum einen Ort, an<br />
dem man nicht das Mountainbike<br />
vom Fahrradträger<br />
nehmen möchte. Für beides<br />
steht Filip Flisar. Der Weltmeister<br />
im Skicross ist sympathisch<br />
– und extrem gut<br />
auf dem Bike. Bevor er uns<br />
zum <strong>Red</strong> Bull Goni Pony<br />
mitnimmt, zeigt er uns noch<br />
seine Heimatstadt: vom<br />
Pumptrack übers Altstadtcafé<br />
bis hin zum Bikepark<br />
vor den Toren der Stadt.<br />
Zum Start des Bikeparks Pohorje<br />
fährt entweder eine Gondel<br />
oder führt eine Straße: mit dem<br />
Vorteil, dass man easy im Grünen<br />
grillen kann.
JAMNICA<br />
Der nächste Stopp ist ein<br />
Tipp von Filip: Weiter westlich<br />
und ebenfalls direkt an<br />
der Grenze zu Österreich hat<br />
Anej Štrucl, sein Freund aus<br />
Skikaderzeiten, einen Trail<br />
mitten in ein stillgelegtes<br />
Bergwerk gebaut – den Black<br />
Hole Trail. Steil, dunkel und<br />
außergewöhnlich. Wer Angst<br />
um seine Knochen hat, weicht<br />
besser auf den alternativen<br />
Trail durch den Stollen aus;<br />
der ist für jedermann leicht<br />
fahrbar. Da ist die Straße<br />
hoch zur Bikebase Koroš<br />
schon abenteuerlicher – sie<br />
verläuft kilometerlang durch<br />
einsame Wälder und über<br />
Schotterpisten. Umso besser<br />
für die Aussicht am Abend<br />
vom Stellplatz im Freien.<br />
Den Trail hat Anej zusammen<br />
mit alten Bergarbeitern<br />
aus dem Gestein<br />
gesprengt und entschärft.<br />
Nun ist er laut eigener<br />
Ausgabe nicht mehr „tiefschwarz,<br />
sondern nur<br />
noch schwarz“.<br />
Den HYMERCAR Grand<br />
Canyon S gibt es auch<br />
als 4 × 4. Das rechnet sich<br />
in einem Land, das zu<br />
über einem Drittel aus<br />
Wald besteht.
THE RED BULLETIN PROMOTION<br />
KRANJSKA GORA<br />
Ebenfalls in den Bergen liegt unser<br />
Ziel: Kranjska Gora, jährlicher Austragungsort<br />
vom <strong>Red</strong> Bull Goni Pony.<br />
Was vor fünf Jahren als kleines Event<br />
in dem beschaulichen Ort angefangen<br />
hat, ist inzwischen eine der berüchtigsten<br />
Veranstaltungen des Landes.<br />
Über 1.300 kostümierte Radler fahren,<br />
schieben und tragen ihr Pony<br />
hoch zum Pass auf 1.611 Metern. Die<br />
Besonderheit: Wer antritt, muss mit<br />
dem Pony fahren – einem Eingang-<br />
Klapprad aus dem ehemaligen<br />
Jugoslawien. Tuning ist verboten,<br />
außer man schmückt sein Bike mit<br />
aufblasbaren Wassermelonen und<br />
Einhörnern.<br />
Mehr Tipps für einen<br />
Roadtrip durch Slowenien:<br />
redbull.com/slowenien-camping,<br />
hymer.com, slovenia.info<br />
Als Style-Judge kürt<br />
Filip beim <strong>Red</strong> Bull Goni<br />
Pony das beste Outfit.<br />
Der Rekord liegt bei<br />
40 Minuten für die<br />
knapp 1.000 Höhenmeter.<br />
Der durchschnittliche<br />
Teilnehmer<br />
braucht 1 ½ Stunden<br />
mit dem Klapprad.<br />
IAM LEON // IG IAMLEONOFFICIAL; JURE GASPARIC
IMPRESSUM<br />
THE RED<br />
BULLETIN<br />
WELTWEIT<br />
Aktuell<br />
erscheint<br />
<strong>The</strong> <strong>Red</strong> <strong>Bulletin</strong><br />
in sieben Ländern.<br />
In der Coverstory<br />
unserer Frankreich-<br />
Ausgabe beleuchten<br />
wir den Karriereweg<br />
der Brasilianerin<br />
Leticia Bufoni zur stilprägenden<br />
Skaterin<br />
ihrer Generation.<br />
Mehr Storys abseits des<br />
Alltäglichen gibt’s auf:<br />
redbulletin.com<br />
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Einfach gut fernsehen.
Perfekter Abgang<br />
Driftiger Grund<br />
Brennende Sonne, glühende Felsen, staubige Pisten: Das Rennen in Stellenbosch, Südafrika,<br />
stellt die Fahrerinnen des UCI Mountainbike World Cup (im Bild angeführt von der<br />
Französin Pauline Ferrand-Prévot) vor besondere Herausforderungen. Beim Ritt über den<br />
rutschigen Untergrund ist vor allem eine perfekt dosierte Bremstechnik gefragt.<br />
Die nächste<br />
Ausgabe des<br />
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erscheint am<br />
10. September<br />
<strong>2019</strong>.<br />
BARTEK WOLINSKI/RED BULL CONTENT POOL DAVID MAYER<br />
98 THE RED BULLETIN
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