NEUMANN August | September 2019
Das Magazin für Kultur & Lifestyle
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THEATER<br />
BürgerTheater-Projekt in Ludwigsburg: „Troja macht Krieg“<br />
Großer Zorn und kleine humanistische Momente<br />
Das BürgerTheater Ludwigsburg bringt seit 1988 alle zwei Jahre spartenübergreifende<br />
Produktionen mit Amateuren und Profis auf die Bühne. In diesem Jahr steht mit Homers<br />
„Ilias“ einer der größten Stoffe der Menschheitsgeschichte auf dem Programm.<br />
„Für mich war Krieg immer etwas Schreckliches“,<br />
sagt Regisseur Axel Brauch, der mit „Die Jahreszeiten“<br />
im vergangenen Jahr bereits eine riesige<br />
Musiktheaterinszenierung mit Beteiligung der<br />
Bürgerschaft in Ludwigsburg gestemmt hat. Aber<br />
das scheint längst nicht mehr für jeden zu gelten.<br />
„Wenn Theater etwas kann, dann mit seinen Mitteln<br />
über die Schrecken des Krieges erzählen“, so Brauch.<br />
Theater könne zwar keine Antworten geben, aber<br />
die richtigen Fragen stellen und dazu anregen, dass<br />
Menschen darüber sprechen.<br />
Krieg ist etwas, das für die meisten Deutschen ganz<br />
weit weg ist. Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs<br />
vor 74 Jahren herrscht Frieden in unseren Breiten<br />
und das Wissen über die Knochenmühle, die Krieg<br />
bedeutet, verschwindet langsam aus dem kollektiven<br />
Gedächtnis. Eine gefährliche Entwicklung, denn<br />
nationalistische und totalitäre Tendenzen sowie<br />
eine martialische Rhetorik werden nicht nur hierzulande<br />
wieder zunehmend salonfähig.<br />
Diese gefährlichen Strömungen, welche die beiden<br />
Theatermacher Rainer Kittel und Axel Brauch mit<br />
Sorge beobachten, gaben den Ausschlag für die<br />
Stoffauswahl der aktuellen BürgerTheater-Inszenierung.<br />
„Ich habe eine Reportage über den Syrienkrieg<br />
gesehen – diesen unendlichen Konflikt, bei<br />
dem man gar nicht mehr weiß, wer da eigentlich<br />
gegen wen kämpft“, sagt Rainer Kittel. Das ließ den<br />
Kulturschaffenden, der das Ludwigsburger Bürger-<br />
Theater vor 31 Jahren zusammen mit vielen anderen<br />
Kreativen aus der Barockstadt mit einer spektakulären<br />
Inszenierung von Homers „Odyssee“ aus der<br />
Taufe gehoben hat, an das zweite Großwerk des antiken<br />
Dichters denken: Die „Ilias“, die in 24 Büchern<br />
und drastischen in expliziten Beschreibungen das<br />
erbarmungslose Morden während des Trojanischen<br />
Kriegs beschreibt. Ein Lehrstück darüber, wohin<br />
blinder, unversöhnlicher Zorn führt und damit<br />
quasi die Mechanismen, die zu sämtlichen späteren<br />
Kriegen der Welt geführt haben, vorwegnimmt.<br />
„Menschliches Elend, aber auch Größe – alles, was<br />
man über den Krieg weiß, steckt in diesem Text. Das<br />
hat mich gereizt“, sagt Kittel, der damit beim restlichen<br />
BürgerTheater-Team offene Türen einrannte.<br />
Um das zu erreichen, haben Brauch und Kittel die<br />
„Ilias“ auf 40 Seiten eingedampft – und weil bei Homer<br />
die Frauen zu kurz kommen, hat Brauch auch<br />
noch Fragmente von Euripides‘ „Die Troerinnen“ in<br />
den Text eingearbeitet. Inszeniert ist „Troja macht<br />
Krieg“ in der archaischen Form des antiken<br />
Erzähltheaters – allerdings mit modernen Mitteln<br />
wie einer Stepping-Crew und dem Percussion-<br />
Ensemble Stahl Fatal, in einem Setting, das einer<br />
Schulturnhalle gleicht. Die blutrünstigen Schlachtgemälde<br />
werden nicht bildhaft dargestellt, sondern<br />
in dialogischen Szenen erzählt. Es geht um die Konflikte<br />
einzelner Protagonisten und trotz aller Kriegsgräuel<br />
auch um große Momente der Menschlichkeit.<br />
Das Publikum wird also keinesfalls hoffnungslos in<br />
die Nacht entlassen. „Wir wünschen uns aber angeregte<br />
Gespräche im Foyer“, sagt Brauch. hab<br />
TROJA MACHT KRIEG<br />
Premiere: 19.09. | 20 Uhr | Vorstellungen: 21., 27. & 28.09.,<br />
04. & 05.10. | 20 Uhr | 22. & 29.09., 03.10. | 18 Uhr |<br />
Reithalle im Kunstzentrum Karlskaserne | Ludwigsburg |<br />
tanzundtheaterwerkstatt.de<br />
Fotos: o. fotolandia/Stockimo/Alamy Stock Photo | u. Peter Poeschl (2)<br />
<strong>August</strong> | <strong>September</strong> <strong>2019</strong>