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THEATER<br />

BürgerTheater-Projekt in Ludwigsburg: „Troja macht Krieg“<br />

Großer Zorn und kleine humanistische Momente<br />

Das BürgerTheater Ludwigsburg bringt seit 1988 alle zwei Jahre spartenübergreifende<br />

Produktionen mit Amateuren und Profis auf die Bühne. In diesem Jahr steht mit Homers<br />

„Ilias“ einer der größten Stoffe der Menschheitsgeschichte auf dem Programm.<br />

„Für mich war Krieg immer etwas Schreckliches“,<br />

sagt Regisseur Axel Brauch, der mit „Die Jahreszeiten“<br />

im vergangenen Jahr bereits eine riesige<br />

Musiktheaterinszenierung mit Beteiligung der<br />

Bürgerschaft in Ludwigsburg gestemmt hat. Aber<br />

das scheint längst nicht mehr für jeden zu gelten.<br />

„Wenn Theater etwas kann, dann mit seinen Mitteln<br />

über die Schrecken des Krieges erzählen“, so Brauch.<br />

Theater könne zwar keine Antworten geben, aber<br />

die richtigen Fragen stellen und dazu anregen, dass<br />

Menschen darüber sprechen.<br />

Krieg ist etwas, das für die meisten Deutschen ganz<br />

weit weg ist. Seit dem Ende des zweiten Weltkriegs<br />

vor 74 Jahren herrscht Frieden in unseren Breiten<br />

und das Wissen über die Knochenmühle, die Krieg<br />

bedeutet, verschwindet langsam aus dem kollektiven<br />

Gedächtnis. Eine gefährliche Entwicklung, denn<br />

nationalistische und totalitäre Tendenzen sowie<br />

eine martialische Rhetorik werden nicht nur hierzulande<br />

wieder zunehmend salonfähig.<br />

Diese gefährlichen Strömungen, welche die beiden<br />

Theatermacher Rainer Kittel und Axel Brauch mit<br />

Sorge beobachten, gaben den Ausschlag für die<br />

Stoffauswahl der aktuellen BürgerTheater-Inszenierung.<br />

„Ich habe eine Reportage über den Syrienkrieg<br />

gesehen – diesen unendlichen Konflikt, bei<br />

dem man gar nicht mehr weiß, wer da eigentlich<br />

gegen wen kämpft“, sagt Rainer Kittel. Das ließ den<br />

Kulturschaffenden, der das Ludwigsburger Bürger-<br />

Theater vor 31 Jahren zusammen mit vielen anderen<br />

Kreativen aus der Barockstadt mit einer spektakulären<br />

Inszenierung von Homers „Odyssee“ aus der<br />

Taufe gehoben hat, an das zweite Großwerk des antiken<br />

Dichters denken: Die „Ilias“, die in 24 Büchern<br />

und drastischen in expliziten Beschreibungen das<br />

erbarmungslose Morden während des Trojanischen<br />

Kriegs beschreibt. Ein Lehrstück darüber, wohin<br />

blinder, unversöhnlicher Zorn führt und damit<br />

quasi die Mechanismen, die zu sämtlichen späteren<br />

Kriegen der Welt geführt haben, vorwegnimmt.<br />

„Menschliches Elend, aber auch Größe – alles, was<br />

man über den Krieg weiß, steckt in diesem Text. Das<br />

hat mich gereizt“, sagt Kittel, der damit beim restlichen<br />

BürgerTheater-Team offene Türen einrannte.<br />

Um das zu erreichen, haben Brauch und Kittel die<br />

„Ilias“ auf 40 Seiten eingedampft – und weil bei Homer<br />

die Frauen zu kurz kommen, hat Brauch auch<br />

noch Fragmente von Euripides‘ „Die Troerinnen“ in<br />

den Text eingearbeitet. Inszeniert ist „Troja macht<br />

Krieg“ in der archaischen Form des antiken<br />

Erzähltheaters – allerdings mit modernen Mitteln<br />

wie einer Stepping-Crew und dem Percussion-<br />

Ensemble Stahl Fatal, in einem Setting, das einer<br />

Schulturnhalle gleicht. Die blutrünstigen Schlachtgemälde<br />

werden nicht bildhaft dargestellt, sondern<br />

in dialogischen Szenen erzählt. Es geht um die Konflikte<br />

einzelner Protagonisten und trotz aller Kriegsgräuel<br />

auch um große Momente der Menschlichkeit.<br />

Das Publikum wird also keinesfalls hoffnungslos in<br />

die Nacht entlassen. „Wir wünschen uns aber angeregte<br />

Gespräche im Foyer“, sagt Brauch. hab<br />

TROJA MACHT KRIEG<br />

Premiere: 19.09. | 20 Uhr | Vorstellungen: 21., 27. & 28.09.,<br />

04. & 05.10. | 20 Uhr | 22. & 29.09., 03.10. | 18 Uhr |<br />

Reithalle im Kunstzentrum Karlskaserne | Ludwigsburg |<br />

tanzundtheaterwerkstatt.de<br />

Fotos: o. fotolandia/Stockimo/Alamy Stock Photo | u. Peter Poeschl (2)<br />

<strong>August</strong> | <strong>September</strong> <strong>2019</strong>

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