NEUMANN August | September 2019
Das Magazin für Kultur & Lifestyle
Das Magazin für Kultur & Lifestyle
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
35<br />
KUNST<br />
Das StadtPalais feiert Die Fantastischen Vier<br />
Die (sind immer noch) da<br />
dazu. „Als ich vor 20 Jahren in die Eifel zog, brachte<br />
ich eine Kiste mit“, erzählt er, „voller alter Fotos,<br />
Briefe, Erinnerungsstücke und so. Damals unterlag<br />
ich dieser romantischen Vorstellung, im Alter<br />
durch meine Vergangenheit zu blättern und mein<br />
Leben Revue passieren zu lassen. Doch ich dachte<br />
plötzlich, dass ich ja auch im Alter immer noch ein<br />
Leben, immer noch einen Plan habe. Was ich nicht<br />
will, ist da zu sitzen, mein Leben als beendet zu betrachten<br />
und nur in der Vergangenheit zu schwelgen.<br />
Also“, lacht er, „habe ich die Kiste verbrannt.“<br />
Fotos: o. Leif Piechowski | u. Die Fantastischen Vier (2)<br />
Rap mit deutschen Texten ist heute allgegenwärtig. Vor drei Dekaden sah<br />
das noch ganz anders aus. Zur Geburtstagsausstellung „TROY – 30 Jahre Die<br />
Fantastischen Vier“ wirft Thomas D tatsächlich mal einen kurzen Blick zurück.<br />
Da wurden ihnen zuletzt ganz schön der Teppich<br />
ausgerollt: Empfang im Rathaus, Eintrag ins Goldene<br />
Buch der Stadt Stuttgart, Nobel-Geburtstagsparty,<br />
Ausstellungseröffnung mit ordentlich Prominenz<br />
und Andrang. Ja, man wird eben nur einmal 30.<br />
Und als bedeutendste und erfolgreichste Pop-Band<br />
der Stadt darf man schon mal reichlich Aufmerksamkeit<br />
erwarten. Vor drei Jahrzehnten wäre so<br />
etwas noch undenkbar gewesen. Damals, als diese<br />
vier jungen Kerle nicht mehr unter dem Namen<br />
Terminal Team Musik machen wollten, sondern<br />
als Die Fantastischen Vier auf deutsch rappten. Die<br />
ersten waren sie damit zwar nicht, ausgelacht wurden<br />
sie trotzdem. Zumindest kurz, denn spätestens<br />
mit dem überraschenden Erfolg der Single „Die da“<br />
wurde aus den Underdogs quasi über Nacht der erfolgreichste<br />
Musikexportschlager Stuttgarts.<br />
30 Jahre später sieht die Musikwelt anders aus.<br />
Deutschsprachiger Rap heimst Streaming- und<br />
Chart-Rekorde am Fließband ein, aus den subversiven<br />
Stuttgarter Fantas sind gestandene Herren<br />
um die 50 geworden, die fünf Millionen Tonträger<br />
verkauft haben, Synchronrollen in Animationsfilmen<br />
übernehmen und als Jury in Castingshows<br />
sitzen. Thomas D, Smudo und Michi Beck haben<br />
Stuttgart längst verlassen, einzig And.Ypsilon werkelt<br />
immer noch im Stuttgarter Süden in seinem<br />
Studio. Für ihre eigene Ausstellung im StadtPalais<br />
(„TROY – 30 Jahre Die Fantastischen Vier“) kommen<br />
sie aber mehr als gern an dem Ort zusammen, an<br />
dem alles begann. „Es ist schon schön, wieder hier<br />
zu sein“, bekennt Thomas D. Er gehe immer noch<br />
zu seinem Optiker, wenn er mal wieder in der Stadt<br />
ist. Vielleicht hat er in der Eifel, wo er die Kommune<br />
M.A.R.S. gegründet hat, ja einfach noch nicht<br />
den richtigen gefunden. Ansonsten gefällt es ihm<br />
in der Abgeschiedenheit ziemlich gut. Er streichelt<br />
Schweine, verdingt sich als Handwerker, genießt<br />
das Landleben. Er ist keiner, der gern zurückschaut.<br />
Doch eine solche Ausstellung zwingt ihn natürlich<br />
Der Gang durch die Ausstellung wurde für ihn dennoch<br />
zum Nostalgie-Flash. „Ich kann mich an so viel<br />
nicht mehr erinnern“, gibt er zu. „Auch von unserem<br />
ersten Konzert scheine ich weniger zu wissen<br />
als die anderen.“ Die erzählen ja bekanntlich, dass<br />
die Kasse geklaut wurde. „Ich weiß nur, dass es eine<br />
Batman-Party war, weil der Film damals total angesagt<br />
war. Und wir fühlten uns riesengroß, weil die<br />
Möbel so klein waren.“ Logisch,denn das erste Konzert<br />
unter dem Namen Die Fantastischen Vier stieg<br />
in einem Kindergarten in Stuttgart-Wangen.<br />
30 Jahre Die Fantastischen Vier, das bedeutet 30 Jahre<br />
deutscher HipHop in den Charts. Und den haben<br />
die vier in Deutschland maßgeblich mitgestaltet.<br />
Das brachte ihnen in den Anfangstagen neben<br />
reichlich Häme auch den Respekt der US-amerikanischen<br />
GIs ein. „Im ehemaligen Club ON-U in<br />
Stuttgart wurden wir als einzige Weißbrote von den<br />
ganzen afroamerikanischen GIs respektiert. Ich<br />
stand da sogar eine Zeitlang hinter der Bar.“ Macht<br />
eben doch Spaß, so ein Blick zurück. jono<br />
<br />
TROY – 30 JAHRE DIE FANTASTISCHEN VIER<br />
Bis 29.3.2020 | Stadtpalais | Konrad-Adenauer Straße 2 |<br />
Stuttgart | stadtpalais-stuttgart.de<br />
<strong>August</strong> | <strong>September</strong> <strong>2019</strong>