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NEUMANN August | September 2019

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KUNST<br />

Das StadtPalais feiert Die Fantastischen Vier<br />

Die (sind immer noch) da<br />

dazu. „Als ich vor 20 Jahren in die Eifel zog, brachte<br />

ich eine Kiste mit“, erzählt er, „voller alter Fotos,<br />

Briefe, Erinnerungsstücke und so. Damals unterlag<br />

ich dieser romantischen Vorstellung, im Alter<br />

durch meine Vergangenheit zu blättern und mein<br />

Leben Revue passieren zu lassen. Doch ich dachte<br />

plötzlich, dass ich ja auch im Alter immer noch ein<br />

Leben, immer noch einen Plan habe. Was ich nicht<br />

will, ist da zu sitzen, mein Leben als beendet zu betrachten<br />

und nur in der Vergangenheit zu schwelgen.<br />

Also“, lacht er, „habe ich die Kiste verbrannt.“<br />

Fotos: o. Leif Piechowski | u. Die Fantastischen Vier (2)<br />

Rap mit deutschen Texten ist heute allgegenwärtig. Vor drei Dekaden sah<br />

das noch ganz anders aus. Zur Geburtstagsausstellung „TROY – 30 Jahre Die<br />

Fantastischen Vier“ wirft Thomas D tatsächlich mal einen kurzen Blick zurück.<br />

Da wurden ihnen zuletzt ganz schön der Teppich<br />

ausgerollt: Empfang im Rathaus, Eintrag ins Goldene<br />

Buch der Stadt Stuttgart, Nobel-Geburtstagsparty,<br />

Ausstellungseröffnung mit ordentlich Prominenz<br />

und Andrang. Ja, man wird eben nur einmal 30.<br />

Und als bedeutendste und erfolgreichste Pop-Band<br />

der Stadt darf man schon mal reichlich Aufmerksamkeit<br />

erwarten. Vor drei Jahrzehnten wäre so<br />

etwas noch undenkbar gewesen. Damals, als diese<br />

vier jungen Kerle nicht mehr unter dem Namen<br />

Terminal Team Musik machen wollten, sondern<br />

als Die Fantastischen Vier auf deutsch rappten. Die<br />

ersten waren sie damit zwar nicht, ausgelacht wurden<br />

sie trotzdem. Zumindest kurz, denn spätestens<br />

mit dem überraschenden Erfolg der Single „Die da“<br />

wurde aus den Underdogs quasi über Nacht der erfolgreichste<br />

Musikexportschlager Stuttgarts.<br />

30 Jahre später sieht die Musikwelt anders aus.<br />

Deutschsprachiger Rap heimst Streaming- und<br />

Chart-Rekorde am Fließband ein, aus den subversiven<br />

Stuttgarter Fantas sind gestandene Herren<br />

um die 50 geworden, die fünf Millionen Tonträger<br />

verkauft haben, Synchronrollen in Animationsfilmen<br />

übernehmen und als Jury in Castingshows<br />

sitzen. Thomas D, Smudo und Michi Beck haben<br />

Stuttgart längst verlassen, einzig And.Ypsilon werkelt<br />

immer noch im Stuttgarter Süden in seinem<br />

Studio. Für ihre eigene Ausstellung im StadtPalais<br />

(„TROY – 30 Jahre Die Fantastischen Vier“) kommen<br />

sie aber mehr als gern an dem Ort zusammen, an<br />

dem alles begann. „Es ist schon schön, wieder hier<br />

zu sein“, bekennt Thomas D. Er gehe immer noch<br />

zu seinem Optiker, wenn er mal wieder in der Stadt<br />

ist. Vielleicht hat er in der Eifel, wo er die Kommune<br />

M.A.R.S. gegründet hat, ja einfach noch nicht<br />

den richtigen gefunden. Ansonsten gefällt es ihm<br />

in der Abgeschiedenheit ziemlich gut. Er streichelt<br />

Schweine, verdingt sich als Handwerker, genießt<br />

das Landleben. Er ist keiner, der gern zurückschaut.<br />

Doch eine solche Ausstellung zwingt ihn natürlich<br />

Der Gang durch die Ausstellung wurde für ihn dennoch<br />

zum Nostalgie-Flash. „Ich kann mich an so viel<br />

nicht mehr erinnern“, gibt er zu. „Auch von unserem<br />

ersten Konzert scheine ich weniger zu wissen<br />

als die anderen.“ Die erzählen ja bekanntlich, dass<br />

die Kasse geklaut wurde. „Ich weiß nur, dass es eine<br />

Batman-Party war, weil der Film damals total angesagt<br />

war. Und wir fühlten uns riesengroß, weil die<br />

Möbel so klein waren.“ Logisch,denn das erste Konzert<br />

unter dem Namen Die Fantastischen Vier stieg<br />

in einem Kindergarten in Stuttgart-Wangen.<br />

30 Jahre Die Fantastischen Vier, das bedeutet 30 Jahre<br />

deutscher HipHop in den Charts. Und den haben<br />

die vier in Deutschland maßgeblich mitgestaltet.<br />

Das brachte ihnen in den Anfangstagen neben<br />

reichlich Häme auch den Respekt der US-amerikanischen<br />

GIs ein. „Im ehemaligen Club ON-U in<br />

Stuttgart wurden wir als einzige Weißbrote von den<br />

ganzen afroamerikanischen GIs respektiert. Ich<br />

stand da sogar eine Zeitlang hinter der Bar.“ Macht<br />

eben doch Spaß, so ein Blick zurück. jono<br />

<br />

TROY – 30 JAHRE DIE FANTASTISCHEN VIER<br />

Bis 29.3.2020 | Stadtpalais | Konrad-Adenauer Straße 2 |<br />

Stuttgart | stadtpalais-stuttgart.de<br />

<strong>August</strong> | <strong>September</strong> <strong>2019</strong>

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