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naturgucker Nr. 44

DAS MAGAZIN ZUR VOGEL- UND NATURBEOBACHTUNG Wir zeigen Ihnen die Natur von ihrer schönsten Seite! Blättern Sie durch unser aktuelles Heft, und werfen Sie einen Blick auf die Vielfalt, die Sie umgibt. Alle zwei Monate finden Sie bei uns packende Fotos, Reportagen und Berichte über Vögel, seltene Pflanzen, Amphibien, Reptilien, Säugetiere oder Insekten wie Libellen und Schmetterlinge.

DAS MAGAZIN ZUR VOGEL- UND NATURBEOBACHTUNG
Wir zeigen Ihnen die Natur von ihrer schönsten Seite! Blättern Sie durch unser aktuelles Heft, und werfen Sie einen Blick auf die Vielfalt, die Sie umgibt. Alle zwei Monate finden Sie bei uns packende Fotos, Reportagen und Berichte über Vögel, seltene Pflanzen, Amphibien, Reptilien, Säugetiere oder Insekten wie Libellen und Schmetterlinge.

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NATURGUCKER <strong>44</strong><br />

Ausgabe <strong>44</strong> Sept. / Okt. 2019 Deutschland 4,00 € | Österreich 4,30 € | Schweiz 5,00 CHF | Italien 5,00 €<br />

Das Magazin zur Vogel- und Naturbeobachtung<br />

STUNDE DER<br />

GARTENVÖGEL<br />

Natur vor<br />

der Haustür<br />

WER FLIEGT<br />

DENN DA?<br />

Libellen sicher<br />

unterscheiden


Liebe Leserinnen<br />

und liebe Leser!<br />

Neue<br />

Bücher für<br />

Naturgucker<br />

Gehören Sie zu den Naturfreunden,<br />

die nach einem Ausflug ins Grüne<br />

mit Notizzetteln nach Hause<br />

kommen, um dann später ihre Naturbeobachtungen<br />

zu dokumentieren? Für Sie gibt<br />

es <strong>naturgucker</strong>.de. Mehr als 60.000 Aktive<br />

melden ihre Naturbeobachtungen und gehören<br />

somit zur großen <strong>naturgucker</strong>.de-<br />

Gemeinschaft. Mitte Mai erreichte unser<br />

Partner, die Website www.<strong>naturgucker</strong>.de,<br />

erstmals diese Zahl. An den Start gegangen<br />

ist die Online-Meldeplattform für<br />

Tier-, Pflanzen- und Pilzbeobachtungen<br />

aus aller Welt im Februar 2008. Seitdem<br />

wurden über zehn Millionen Beobachtungen<br />

gemeldet und mehr als 1,4 Millionen<br />

Naturbilder hochgeladen.<br />

Egal, ob Amsel im Park oder Albatros<br />

vor Helgoland, Feldmaus oder Wolf,<br />

Wiesenchampignon oder Knollenblätterpilz,<br />

Gänseblümchen oder Edelweiß –<br />

jede Meldung ist hoch willkommen und<br />

nützlich. Getreu dem Bernhard-Grzimek-<br />

Motto »Nur was man kennt, kann man<br />

auch schützen« fließen viele Beiträge in<br />

aktive Natur- und Artenschutzprojekte<br />

ein. Zum Beispiel können Daten helfen,<br />

den Straßenverlauf beim Neubau einer<br />

Ortsumgehung zu verändern, weil mittendrin<br />

ein wertvolles Orchideen-Biotop<br />

liegt. Das funktioniert aber nur dann,<br />

wenn die schützenswerte Fläche auch<br />

bekannt ist. Unter anderem setzt hier die<br />

Plattform <strong>naturgucker</strong>.de an. Mit deren<br />

Partner, dem NABU, gibt es auch den<br />

nabu-<strong>naturgucker</strong>, der unter derselben<br />

Adresse erreichbar ist. All dies gehört zu<br />

»Citizen Science«, die Wikipedia treffend<br />

beschreibt als »Form der Offenen Wissenschaft,<br />

bei der Projekte unter Mithilfe von<br />

oder komplett durch interessierte Laien<br />

durchgeführt werden«. Diese Laien melden<br />

Beobachtungen, führen Messungen durch<br />

oder werten Daten aus. Im <strong>naturgucker</strong><br />

Magazin verweisen wir oft ganz bewusst<br />

auf Links zu einzelnen Arten und Gebieten.<br />

Werden auch Sie Mitglied der Naturgucker-Familie!<br />

Einen schönen Spätsommer und<br />

Frühherbst wünscht Ihnen,<br />

Robert Lücke<br />

Herausgeber<br />

Manns-Knabenkraut<br />

Florian Fraaß<br />

H. Anders, NABU (Hrsg.)<br />

Das Leben unserer Wölfe<br />

Beobachtungen aus heimischen Wolfsrevieren<br />

224 S., geb., ISBN 978-3-258-08108-3<br />

Das große NABU-Buch über die<br />

Wölfe Deutschlands. Beeindruckende<br />

Aufnahmen aus acht Wolfsrevieren<br />

Deutschlands.<br />

R. Lüder<br />

Bäume bestimmen –<br />

Knospen, Blüten, Blätter, Früchte<br />

368 S., br., ISBN 978-3-258-08049-9<br />

Der beliebte Baumbestimmungsführer.<br />

Jetzt in 2., erweiterter Auflage –<br />

mit 54 zusätzlichen Arten.<br />

www.hauptverlag.com


INHALT<br />

INHALT<br />

13 27<br />

06 NATUR-SPAZIERGANG<br />

06 Gast aus Fernost<br />

08 NATUR-SAISON<br />

08 Den Buchen geht es schlecht<br />

16<br />

12 NATURSCHUTZ<br />

12 Nationalpark Berchtesgaden<br />

16 Moorenten gesucht<br />

19 Besenheide – Säurezeiger und Moorbewohner<br />

20 Gartenvögel zählen liegt im Trend<br />

23 NATUR-WISSEN<br />

23 Was Schimpansen so alles fressen<br />

24 Das Schlüpfen der Singzikade<br />

26 Spargel im Fichtenwald ?<br />

28 Die Haubenlerche – Parkplatz-Musikant<br />

04<br />

26<br />

35<br />

31 NATURGUCKER-RÄTSEL<br />

32 NATUR-REISE<br />

32 Felsen und Strände voller Leben<br />

36 NATUR-BESTIMMUNG<br />

36 Von Teufelsnadeln und Wasserjungfern<br />

40 Heimische Eidechsen sicher bestimmen<br />

<strong>44</strong> REZENSIONEN<br />

<strong>44</strong> Neuer Lesestoff für Naturfreunde<br />

45 LESERSEITE<br />

45 Ihre Briefe & Mails<br />

09<br />

46 NATURGUCKER.DE<br />

46 arten | pisa 2019<br />

48 NATUR-KIND<br />

48 Zugvögel – Immer dem Schnabel nach<br />

50 KLEINANZEIGEN / VORSCHAU<br />

Titelbild: Blaumeisen / Paul Sawer, Arco Images<br />

08


IMPRESSUM<br />

VERLAG<br />

Bachstelzen Verlag GbR<br />

Frankenplatz 23<br />

42107 Wuppertal<br />

www.<strong>naturgucker</strong>-magazin.de<br />

HERAUSGEBER<br />

Robert Lücke ( V.i.S.d.P.)<br />

robert.luecke@<strong>naturgucker</strong>-magazin.de<br />

Ein<br />

Markenspektiv<br />

für 299,00 Euro<br />

Das gibt es tatsächlich!<br />

?<br />

REDAKTION<br />

Roy Fabian, Nicole Lücke,<br />

Robert Lücke, Dieter Schneider, Sebastian Teichmann<br />

redaktion@<strong>naturgucker</strong>-magazin.de<br />

40<br />

MITARBEITER DIESER AUSGABE<br />

Axel Aßmann, Nadia Balduccio, Frank Beisheim, Guido<br />

Bennen, Claus-Dieter Böhm, Stefan Bosch, Thomas Brandt,<br />

Sigrun Brüggenthies, Reinhold Emmrich, Markus Gläßel,<br />

Kai Kolodziej, Wolfgang Kühn, Christine Lambertz, Peter<br />

Lambertz, Rita Lüder, Eva Lüers, Johannes Mickenbecker,<br />

Philipp Mickenbecker, Jari Peltomäki, Jan Piecha, Nadine<br />

Röhnert, Paul Sawer, Christopher Schmidt. Andreas Scholz,<br />

Gaby Schulemann-Maier, Regine Schulz, Hans Schwarting,<br />

Edelgard Seggewiße, Jörg Siemers, Bernd Stemmer, Sebastian<br />

Teichmann, Jaques van der Neut, Moritz Wartlick<br />

GRAFIKDESIGN<br />

Christiane Püschel | pueschels.com<br />

ABO-SERVICE<br />

T +49 (0) 211 - 61 08 95 45<br />

abo@<strong>naturgucker</strong>-magazin.de<br />

32<br />

ANZEIGEN<br />

Bachstelzen Verlag GbR<br />

Sybelstraße 3<br />

40239 Düsseldorf<br />

T +49 (0) 211- 61 08 95 45<br />

anzeigen@bachstelzen-verlag.de<br />

29<br />

PARTNER<br />

www.<strong>naturgucker</strong>.de<br />

www.birdnet.de<br />

www.birdingtours.de<br />

www.duma-naturreisen.de<br />

Es gelten die Anzeigenkonditionen 2019. Alle Rechte<br />

vorbehalten. Das Magazin und alle enthaltenen Beiträge sind<br />

urheberrechtlich geschützt. Mit Ausnahme der gesetzlich<br />

zugelassenen Fälle ist eine Verwertung, auch auszugsweise,<br />

ohne Einwilligung des Hausgebers nicht gestattet. Für<br />

unverlangt eingesandtes Text- und Bildmaterial wird keine<br />

Haftung übernommen.<br />

FACHBEIRAT<br />

Feld-Ornithologie | Prof. Dr. Martin Kraft<br />

Vogelzug | Prof. Dr. Peter Berthold<br />

Physiologie der Vögel | Prof. Dr. Roland Prinzinger<br />

Feld-Entomologie | Horst Schlüter<br />

Libellen | Hartwig Stobbe<br />

Allgemeine Botanik, Falter | Dieter Schneider<br />

Orchideen | Dr. Manfred Hennecke<br />

Naturschutzverbände | Maik Sommerhage<br />

Botanik, Pflanzenkunde, Pilze | Dr. Rita Lüder<br />

Fotografie | Bruno Dittrich<br />

ISSN 2195-5646<br />

Mit einem Gewicht von nur 400g, bietet<br />

Kowa mit dem neuen TSN-501/TSN-502<br />

ein ultrakompaktes Spektiv an.<br />

Perfekt als:<br />

Reisespektiv<br />

Zweitspektiv<br />

Einsteigerspektiv<br />

Spektiv für „Immer dabei“<br />

09<br />

KLEIN LEICHT ZUVERLÄSSIG<br />

TSN-500 SERIE<br />

www.kowa-tsn500.com<br />

Kowa Optimed Deutschland GmbH | Bendemannstr. 9 | 40210 Düsseldorf | Deutschland<br />

T: +49 (0) 211-542184-00 | E-mail: scope@kowaoptimed.com | www.kowaproducts.com


NATUR-SPAZIERGANG<br />

Gast aus Fernost<br />

Auf Helgoland entdeckte Christopher Schmidt eine unverhoffte Rarität.<br />

Text und Zeichnungen von Christopher Schmidt<br />

Endlose und einsame Weiten der<br />

Mongolei, unberührte Federgrassteppen,<br />

sanfte Hügel, ein<br />

allgegenwärtiger Duft von Wermut und<br />

unter einem tiefblauen Himmel langsam<br />

dahinziehende Wolken – das ist der eigentliche<br />

Brutlebensraum des Vogels, der<br />

sich das genaue Gegenteil zum Rasten<br />

an diesem stürmischen Tag Mitte Oktober<br />

ausgesucht hat: einen schmalen<br />

Hang, vor dem kleine, rote Sandsteine<br />

eine ebene Fläche bilden, die zu den<br />

Seiten hin von mächtigen Tetrapoden<br />

zu einer tosenden See hin begrenzt ist.<br />

Im Hintergrund zeichnen sich hohe,<br />

rötliche und ockerfarbene Felsen ab.<br />

Alte Schuppen, Hafenanlagen, Gebäude<br />

und Fundamentreste prägen dieses<br />

kleine, wenig attraktive Areal hier am<br />

Kringel auf der Hochseeinsel Helgoland.<br />

DER ERSTE PIEPER<br />

Umringt von einem Dutzend Fotografen<br />

und Beobachtern rastet hier der<br />

ziemlich unscheinbare, wenn auch attraktive<br />

und elegante Vogel, der seinen<br />

bevorzugten Lebensraum in seinem<br />

Namen führt: Es ist ein Steppenpieper,<br />

der hier und heute zum allerersten Mal<br />

überhaupt in Deutschland nachgewiesen<br />

wird. Auch in ganz Europa ist er bisher<br />

erst wenige Male aufgetaucht, weil seine<br />

Durchzugs- und Überwinterungsgebiete<br />

normalerweise sehr viel weiter östlich<br />

liegen. Außerdem ist er ein Vogel, der<br />

nicht ganz so einfach zu bestimmen ist.<br />

Denn er sieht seinem Verwandten, dem<br />

alljährlich in Deutschland durchziehenden<br />

Spornpieper, relativ ähnlich. Zugleich<br />

erinnert er ein klein wenig an eine<br />

weitere Pieperart, den Brachpieper, und<br />

es erfordert schon einen genauen Blick,<br />

um die Feinheiten zu erkennen, die den<br />

Steppenpieper als solchen entlarven. So<br />

fällt beispielsweise auf, dass es zwischen<br />

dem Schnabel und dem Auge keinen<br />

dunklen Zügelstreif gibt – das eliminiert<br />

den Brachpieper. Darüber hinaus lässt<br />

sich erkennen, dass die Hinterzehenkralle<br />

nicht so extrem lang ist wie die des<br />

Spornpiepers, und die Mittleren Armde-<br />

06<br />

Wiesenpieper


NATUR-SPAZIERGANG<br />

cken besitzen dunkle Zentren, die klar<br />

gegen die breiten hell beigefarbenen<br />

Spitzen abgesetzt sind, anders als die<br />

verschwommenen Übergänge in diesem<br />

Bereich beim Spornpieper. Mit etwas<br />

Geduld kann man all diese Feinheiten<br />

entdecken, und neben der Herausforderung,<br />

sich mit Bestimmungsmerkmalen<br />

auseinanderzusetzen, ist es für viele<br />

hier auch der Reiz der »neuen Art«, die<br />

eine Fahrt auf die kleine Hochseeinsel<br />

rechtfertigt.<br />

Steppenpieper<br />

FEIN GEZEICHNET<br />

So setze ich mich auf einen der etwas<br />

höheren Steine, baue das Spektiv auf<br />

und versuche, all diese Details, vielleicht<br />

noch neue, zu erkennen und zu<br />

skizzieren, sie festzuhalten in diesem<br />

besonderen Moment, in dem ich das<br />

Glück hatte, auf der Insel zu sein. Aber<br />

auch unabhängig von seiner Seltenheit<br />

und den subtilen Artmerkmalen ist dies<br />

ein Vogel, den ich mit Spaß beobachte.<br />

Er ist nicht großartig scheu und unruhig,<br />

versteckt sich nicht wie viele kleine<br />

Laubsänger im Blattgewirr, sondern<br />

präsentiert sich offen und gut sichtbar<br />

vor der beschriebenen Kulisse. Mir gefallen<br />

die verschwommenen Nuancen<br />

verschiedener Braun- und Ockertöne,<br />

das Nebeneinander alter und neuer Federn,<br />

die großen, dunklen Augen und<br />

die Feinheit der Gefiederzeichnung.<br />

Diese Kombination findet man bei verschiedenen<br />

Pieperarten.<br />

Steppenpieper<br />

07<br />

GENAUES HINSCHAUEN<br />

Bei meinen Besuchen auf Helgoland<br />

verbringe ich viel Zeit damit, am Nordoststrand<br />

vor der Jugendherberge die<br />

im Tang nach Nahrung suchenden<br />

Wiesenpieper zu beobachten – mit<br />

all ihren individuellen Unterschieden.<br />

Teilweise lassen sich Jung- und Altvögel<br />

noch unterscheiden, oder man trifft<br />

auf Individuen, die an andere und seltenere<br />

Pieperarten erinnern können.<br />

Regelmäßig unter ihnen befinden sich<br />

Strandpieper, die insgesamt etwas größer<br />

sind, einen längeren Schnabel haben,<br />

deren Oberseite fast ungestreift ist<br />

und die anders rufen als Wiesenpieper.<br />

Allesamt aber sind es schöne Vögel, und<br />

beim Malen und Zeichnen merke ich,<br />

wie genau ich hinschauen und zeichnen<br />

muss, damit auf dem Papier aus dem<br />

Steppenpieper nicht doch auf einmal<br />

ein Brachpieper oder Spornpieper wird.<br />

Strandpieper<br />

Alle Rechte an Text und Bildern<br />

bei Christopher Schmidt.<br />

Steppenpieper


NATUR-SAISON<br />

DEN BUCHEN<br />

GEHT ES<br />

SCHLECHT<br />

Unser Autor Dieter Schneider blickt zurück auf einen teils heißen<br />

Sommer, eine Schmetterlingsinvasion und ornithologische Raritäten.<br />

08<br />

Deutschland ist Buchenland.<br />

Jeder Förster, Biologe oder<br />

Geograph lernt in seiner Ausbildung,<br />

dass die natürliche Vegetation<br />

Mitteleuropas ohne menschlichen<br />

Einfluss ganz überwiegend aus Buchenwäldern<br />

bestehen würde – je nach<br />

geologischem Untergrund zwar in unterschiedlicher<br />

Ausprägung, aber immer<br />

von der Rotbuche (Fagus sylvatica) dominiert.<br />

Lediglich an Sonderstandorten<br />

mit Extrembedingungen hinsichtlich<br />

Wasserversorgung, Bodenbeschaffenheit<br />

oder Temperaturen (etwa Hochgebirge,<br />

Flussauen, Moore und Salzmarschen)<br />

wären großflächig andere Waldgesellschaften<br />

vertreten – oder gänzlich unbewaldete<br />

Lebensräume vorhanden.<br />

KAUM REGEN<br />

Grund für die Vorherrschaft der Buche<br />

in unseren Breiten ist unser feucht-gemäßigtes<br />

Klima mit mindestens 650<br />

Millimetern Jahresniederschlag und<br />

mittleren Jahrestemperaturen über acht<br />

Grad, an das die Art optimal angepasst<br />

ist, und das seit ungefähr zehntausend<br />

Jahren in weiten Teilen Europas herrscht.<br />

Oder muss man bereits sagen »herrschte«?<br />

Denn die Bedingungen der letzten<br />

beiden Jahre entsprachen so gar nicht<br />

mehr den Ansprüchen unserer Leitbaumart.<br />

Der Mangel an Niederschlägen<br />

im letzten Dürresommer hatte vielen<br />

Beständen bereits arg zugesetzt, doch<br />

trieben sie in diesem Frühjahr noch<br />

weitestgehend normal aus. Aber auch<br />

in diesem Jahr fiel zur Hauptvegetationszeit<br />

vielerorts kein nennenswerter<br />

Niederschlag, und das hat nun verheerende<br />

Auswirkungen auf unsere alten


01 Zwergadler tauchen immer<br />

mal wieder in Deutschland<br />

auf. / Saverio Gatti, Agami<br />

02 + 03 Die Buchenwälder<br />

leiden unter der großen<br />

Trockenheit und Hitze.<br />

Ch. Püschel / Adobe Stock<br />

04 Bei Lübeck und Hamburg<br />

erschien im Mai/ Juni ein<br />

Buschrohrsänger. / R. Martin<br />

05 Ein Cistensänger sorgte in<br />

Hessen für Aufregung, als sich<br />

dort ein singendes Männchen<br />

aufhielt. / S. Gatti, Agami<br />

‣ 06 Zu einem Masseneinflug von<br />

Distelfaltern kam es in diesem<br />

Frühling. / Hubertus Trilling<br />

NATUR-SAISON<br />

Buchenwälder. In Thüringen, Hessen<br />

und an vielen anderen Orten begann ein<br />

großes, bisher nie dagewesenes Buchensterben.<br />

Buchenwälder auf Standorten,<br />

auf denen die Art seit Jahrhunderten<br />

bestens gedieh, sterben gegenwärtig<br />

großflächig ab. Die Thüringer Landesforstverwaltung<br />

beziffert den Schaden<br />

allein für Thüringen auf rund 450.000<br />

Festmeter (ein Festmeter entspricht einem<br />

Kubikmeter fester Holzmasse), was<br />

etwa 150.000 toten Buchen entspricht<br />

beziehungsweise dem Verlust von etwa<br />

2.500 Hektar Buchenwald.<br />

NEUE LEBENSRÄUME<br />

Wir müssen uns vielerorts also schon<br />

sehr kurzfristig auf tiefgreifende Veränderungen<br />

unserer Waldökosysteme einstellen,<br />

und so traurig wie das ist, wird<br />

es zugleich spannend sein zu sehen, wie<br />

der mitteleuropäische Wald der Zukunft<br />

zusammengesetzt sein wird, welche<br />

Baumarten also am besten mit den neuen<br />

Bedingungen zurechtkommen. Aus<br />

ökologischer Sicht ist zu hoffen, dass die<br />

Forstverwaltungen nicht großflächig mit<br />

exotischen Arten experimentieren, sondern<br />

die Regeneration der Wälder mit<br />

einheimischen, trockenresistenteren<br />

Baumarten anstreben.<br />

Aber das Sterben der Buchenwälder<br />

ist nur ein Aspekt der Dürrefolgen.<br />

Nicht minder dramatisch sieht es bei unseren<br />

Kleingewässern aus. Regenwasserabhängige<br />

Tümpel sind ausgetrocknet<br />

und Bäche, die seit Jahrzehnten ununterbrochen<br />

Wasser führten, sind im letzten<br />

Jahr versiegt und damit alle darin lebenden<br />

Wassertiere verschwunden. Selbst<br />

wenn sich die Niederschlagsmengen in<br />

den nächsten Jahren wieder normalisieren<br />

sollten und die Quellen irgendwann<br />

wieder ganzjährig zu sprudeln begännen,<br />

würde die natürliche Wiederbesiedlung<br />

der derzeit trockengefallenen Bachläufe<br />

sicher Jahrzehnte dauern. Natürlich<br />

würden schon sehr schnell vermehrungsund<br />

wanderfreudige Pionierarten (sogenannte<br />

r-Strategen) wieder auftauchen,<br />

doch bei den eher standorttreuen Arten<br />

mit geringer Vermehrungsrate (sogenannte<br />

K-Strategen) wird eine Wiederbesiedlung<br />

– wenn überhaupt – nur sehr<br />

langsam erfolgen können.<br />

09<br />

VIELE DISTELFALTER<br />

Kein Problem mit der Eroberung neuer<br />

Lebensräume hat dagegen der Distelfalter,<br />

der in diesem Jahr wieder einmal<br />

in großen Massen in Mitteleuropa eingeflogen<br />

ist. Anders als beim letzten<br />

großen Einflug im Jahr 2009, bei dem


NATUR-SAISON<br />

10<br />

die Faltermassen aus Südwesten kamen<br />

(Massenvermehrung in Marokko),<br />

flogen sie in diesem Jahr mehrheitlich<br />

aus südöstlicher Richtung bei uns ein.<br />

Grund für die Invasion waren wohl ungewöhnlich<br />

ergiebige Regenfälle auf der<br />

arabischen Halbinsel im vergangenen<br />

Spätwinter, in deren Folge es dort zu<br />

ganz ausgezeichneten Vermehrungsbedingungen<br />

für den Distelfalter kam. Die<br />

im arabischen Raum geschlüpften Faltermassen<br />

zogen dann über die Länder<br />

des östlichen Mittelmeers in Richtung<br />

Nordwesten bis weit nach Mittel- und<br />

Nordeuropa. So konnte ich am Vormittag<br />

des 19. Juni in meinem Garten am<br />

Niederrhein innerhalb von nur einer<br />

Viertelstunde mindestens 50 Falter beobachten,<br />

die zielgerichtet und bodennah<br />

Richtung Westnordwest zogen. Dabei<br />

war kein größerer Flugverband erkennbar,<br />

sondern die Falter überflogen jeweils<br />

einzeln unser Grundstück. Interessant<br />

dabei war, dass sie dabei Hindernisse<br />

wie Häuser und Bäume nicht seitlich<br />

umflogen, sondern auf Ihrer schnurgeraden<br />

Fluglinie blieben. Sie stiegen auf,<br />

um die Hindernisse zu überfliegen und<br />

ließen sich danach wieder auf Bodennähe<br />

absinken. Bedenkt man, dass ich<br />

bei dieser zufälligen Zählung einen nur<br />

etwa 20 Meter breiten Korridor überblicken<br />

konnte, kann man sich ausmalen,<br />

welche Massen an Faltern allein an<br />

diesem Tag auf ihrem sicher mehrere<br />

hundert Kilometer breiten Wanderkorridor<br />

nach Westen gezogen sein mögen.<br />

Die Nachkommen dieser Fernwanderer<br />

entwickelten sich dann hier in Europa,<br />

und die ersten frischen Tiere dieser Generation<br />

erschienen in nennenswerter<br />

Zahl etwa ab Mitte Juli, im Osten etwas<br />

früher als im Westen. Diese hier bei uns<br />

geschlüpften Tiere wandern nun wieder<br />

nach Süden und erreichen teilweise sogar<br />

die Sahelzone. In der Hauptsache werden<br />

sie aber im Herbst im Mittelmeergebiet<br />

07 Elf rufende Männchen des Zwergsumpfhuhnes<br />

wurden in den Büttelborner<br />

Bruchwiesen bei Großgerau<br />

gemeldet. / C. van Rijswijk, Agami<br />

08 Viele Fledermausarten wie der Große<br />

Abendsegler ziehen im Herbst in den<br />

Süden. / Theo-Doumause, Agami<br />

‣ 09 Igel unter 300 Gramm sollten ab<br />

Ende November bei Frost eingesammelt<br />

werden. / Sigrun Brüggenthies<br />

10 Rosapelikane wurde im Juli in Niedersachsen<br />

und Schleswig-Holstein gesichtet.<br />

Marc Guyt<br />

für erneuten Nachwuchs sorgen, der<br />

dann im Winter die Ursprungsgebiete<br />

in Nordafrika und auf der arabischen<br />

Halbinsel wieder erreicht. Und die Nachkommen<br />

dieser Tiere werden dann im<br />

nächsten Frühjahr wie in jedem Jahr in<br />

Europa einfliegen. In welcher Stärke und<br />

aus welcher Himmelsrichtung das geschieht,<br />

entscheiden Wetterbedingungen<br />

vor Ort, aber auch die Windverhältnisse,<br />

welche das Zuggeschehen bei Schmetterlingen<br />

nicht unerheblich beeinflussen.<br />

FLUG GEN SÜDEN<br />

Das frühherbstliche Zuggeschehen unserer<br />

Vögel ist mittlerweile in vollem Gange,<br />

und schon bald werden die Rufe der<br />

nach Südwesten ziehenden Wildgänse<br />

und Kraniche die beginnende Winterzeit<br />

verkünden. Weniger auffällig und eher<br />

unbekannt ist, dass auch einige unserer<br />

Fledermausarten im Herbst recht ausgedehnte<br />

Wanderungen zu ihren Winterquartieren<br />

unternehmen. Die weitesten<br />

Strecken legen dabei Großer und Kleiner<br />

Abendsegler (Nyctalus noctula und<br />

Nyctalus leisleri), Zweifarbfledermaus<br />

(Vespertilio murinus) und Rauhautfledermaus<br />

(Pipistrellus nathusii) zurück,<br />

deren Winterquartiere teilweise bis zu<br />

2.000 Kilometer südlich oder westlich<br />

ihrer Sommerlebensräume liegen. Herausgefunden<br />

hat man das – analog der<br />

Erforschung des Vogelzugs – anhand<br />

der Registrierung beringter Tiere. Die<br />

Zugbewegungen der meisten Fledermäuse<br />

erfolgen natürlich nachts, doch kann<br />

man zur Herbstzeit gelegentlich auch am<br />

hellen Tage einzelne Große Abendsegler<br />

auf ihrem Wegzug beobachten.<br />

Wer nicht fliegen kann und den<br />

Winter wohl oder übel in unseren Breiten<br />

verbringen muss, wird sich in den<br />

nächsten Wochen auf die kalte Jahreszeit<br />

einstellen müssen. Unsere Winterschläfer,<br />

etwa Bilche oder Igel, müssen nun<br />

ordentlich futtern, um genügend Winterspeck<br />

als Reserve anzusetzen. Gerade<br />

bei den Igeln scheint das nicht immer zu<br />

gelingen, denn jedes Jahr aufs Neue werden<br />

im Spätherbst untergewichtige Igel,<br />

überwiegend Jungtiere, aufgefunden, die<br />

in diesem Zustand den folgenden Winter<br />

mutmaßlich nicht überstehen würden<br />

und dann in speziellen Auffangstationen<br />

aufgepäppelt werden. Doch sollte man<br />

erst dann aktiv werden, wenn ein Tier offensichtlich<br />

krank oder verletzt ist oder<br />

wenn die Tiere ab Ende November bei<br />

tatsächlich winterlichen Temperaturen<br />

unter fünf Grad aufgefunden werden<br />

und sichtlich unterernährt wirken. Als<br />

Richtmaß gilt dabei ein Gewicht von


weniger als 300 Gramm. Die Sinnhaftigkeit<br />

dieser Mühen ist bei Ökologen<br />

nicht unumstritten, denn es hat sich gezeigt,<br />

dass die in menschlicher Obhut<br />

überwinterten Igel in freier Wildbahn<br />

oft geringere Überlebenschancen haben.<br />

Doch ist mittlerweile möglicherweise<br />

bald jedes Tier zur Stützung der allenthalben<br />

schrumpfenden Igelpopulationen<br />

enorm wichtig.<br />

NATUR-SAISON<br />

VIELE RARITÄTEN<br />

Der Rückblick auf die besonderen Beobachtungen<br />

der letzten Wochen beginnt<br />

mit dem seltenen Nachweis des Zwergsumpfhuhnes,<br />

von dem zwischen 24. Mai<br />

und 29. Juni bis zu elf rufende Männchen<br />

in den Büttelborner Bruchwiesen bei<br />

Großgerau gemeldet wurden – es besteht<br />

hier dringender Brutverdacht. Die in<br />

Mitteleuropa extrem seltene Art kommt<br />

mit Ausnahme des amerikanischen<br />

Kontinents weltweit vor und besiedelt<br />

seggenreiche Uferzonen und blänkenreiche<br />

Seggenwiesen. Zur Überwinterung<br />

ziehen die mitteleuropäischen Tiere<br />

überwiegend in den Mittelmeerraum,<br />

ein kleinerer Teil überwintert in Afrika<br />

südlich der Sahara. Man darf gespannt<br />

sein, ob sich die Vögel im nächsten Frühjahr<br />

erneut in diesem Gebiet einfinden.<br />

Ebenfalls aus Hessen stammt der bei<br />

uns sehr seltene Nachweis eines Zistensängers.<br />

Ein singendes Männchen der<br />

eigentlich mediterran verbreiteten Art<br />

wurde um die Monatswende Juni/Juli<br />

mehrfach im Bereich des Bingenheimer<br />

Rieds gehört, gesichtet und auch fotografisch<br />

dokumentiert. Aus einer ganz<br />

anderen Richtung hatten sich gleich mehrere<br />

Buschrohrsänger nach Deutschland<br />

verirrt, denn das normale Brutgebiet der<br />

Art erstreckt sich vom Baltikum ostwärts.<br />

Nachweise von über einen längeren Zeitraum<br />

singenden Männchen wurden seit<br />

Anfang Juni in der Clever Au bei Lübeck<br />

und im Duvenstedter Brook bei Hamburg<br />

erbracht. Von der Nordseeküste wurden<br />

in der zweiten Julidekade gleich vier Seltenheiten<br />

vermeldet: Den Auftakt machte<br />

ein Graubruststrandläufer im Gebiet<br />

Hauener Pütten bei Greetsiel am 10. Juli,<br />

gefolgt von einem Bindenstrandläufer<br />

in der Meldorfer Bucht am 13. Juli und<br />

einer Korallenmöwe am selben Tag in<br />

Horumersiel. Ein verirrter Rosapelikan<br />

hielt sich zudem seit mindestens 10. Juli<br />

im Bereich des Meldorfer Speicherkoogs<br />

auf. Schon am 8. Juli konnte im Gebiet<br />

Bislicher Insel bei Xanten ein Stelzenläufer<br />

gesichtet werden und am 10. Juli überflog<br />

mal wieder ein einzelner Gänsegeier<br />

die Ramsau bei Berchtesgaden. Zuletzt<br />

seien noch zwei Zwergadler erwähnt, die<br />

am 11. Juli am Rietzer See bei Potsdam<br />

und am 13. Juli bei Würgassen (Kreis<br />

Höxter) beobachtet werden konnten.<br />

Details zu aktuellen Sichtungen auf<br />

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NATURSCHUTZ<br />

Wenn Watzmann<br />

UND KÖNIGSSEE RUFEN<br />

Obwohl am Königssee und am Jenner-Gipfel<br />

der Tourismus explodiert, bietet der Nationalpark<br />

Berchtesgaden ruhige Ecken mit unberührter<br />

Natur sowie besonderer Flora und Fauna.<br />

Von Andreas Scholz<br />

12<br />

01 Majestätisch: Der Königssee<br />

vom Rinnkendlsteig aus gesehen<br />

Andreas Scholz<br />

02 Steinadler im Flug. Die<br />

Chancen, den König der Lüfte zu<br />

beobachten, stehen vor allem im<br />

Klausbachtal nicht schlecht. / Jari<br />

Peltomäki, Agami


NATURSCHUTZ<br />

Der 2.713 Meter hohe Watzmann<br />

im Nationalpark Berchtesgaden<br />

zählt neben der Zugspitze zu<br />

den prägnantesten Bergen in Deutschland.<br />

Das Watzmann-Massiv mit der<br />

berühmt-berüchtigten Ostwand zieht<br />

schon seit Jahrzehnten abenteuerhungrige<br />

Bergsteiger und Kletterer an. Die<br />

lauernden Gefahren und anspruchsvollen<br />

Kletterpassagen in der knapp 1.800<br />

Meter hohen Ostwand schrecken Alpinsportler<br />

kaum ab.<br />

IMPOSANTER ANBLICK<br />

Wenn der Watzmann »ruft«, dann folgen<br />

dem Ruf wagemutige Bergsteiger. Neben<br />

einer artenreichen Flora und Fauna<br />

beeindruckt der Nationalpark auf einer<br />

Fläche von mehr als 200 Quadratkilometern<br />

mit einer Vielzahl an ökologisch<br />

wertvollen Lebensräumen und geologischen<br />

Besonderheiten. So ist beispielsweise<br />

das Blaueis zwischen Blaueisspitze,<br />

Hoch- und Kleinkalter der nördlichste<br />

Gletscher der Alpen. Einen imposanten<br />

Anblick vom Hintersee bei Ramsau bietet<br />

der Dachsteinkalk des Hohen Gölls.<br />

Unvergleichlich ist auch der Malerwinkel<br />

an der Ramsauer Ache in unmittelbarer<br />

Nähe der Pfarrkirche Sankt Sebastian.<br />

Hinter der Kirche türmt sich die Reiter<br />

Alpe auf – ein bis zu 2.286 Meter hohes<br />

Tafelgebirge. Das Gewässer ist nicht der<br />

einzige Wildbach im Berchtesgadener<br />

Land, der im Laufe der Zeit viel Geröll<br />

gewaschen und auf seinem weiteren Verlauf<br />

hinunter in die Bergtäler mitgerissen<br />

hat. Aber beeindruckend ist es schon,<br />

wie die Ramsauer Ache das Landschaftsbild<br />

im Zauberwald beeinflusst.<br />

Der Zauberwald ist ein Geotop,<br />

das vor knapp 4.000 Jahren durch einen<br />

Bergsturz entstanden ist. Das Wasser ist<br />

eines der prägendsten Landschaftselemente.<br />

Dessen Naturgewalt wird auch<br />

bei einem Besuch der Almbachklamm<br />

zwischen Ettenberg und Maria Gern<br />

sichtbar. Geologisch interessant ist zudem<br />

die Wimbachklamm bei Ramsau:<br />

Hier verengen sich die Wassermassen<br />

03 Der Malerwinkel in Ramsau bietet<br />

traumhafte Aussichten auf die Berge<br />

sowie die Wallfahrtskirche Sankt<br />

Sebastian. / Andreas Scholz<br />

04 Alpen-Murmeltiere leben auf den<br />

Bergwiesen, z. B. rund um die Königsbachalm.<br />

/ Jaques van der Neut, Agami<br />

05 Eindrucksvolles Kerbtier: Ein Alpenbock<br />

mit der typischen schwarz-blauvioletten<br />

Zeichnung / Andreas Scholz<br />

06 Auch die Flora der Region weiß zu<br />

gefallen wie diese Türkenbundlilie am<br />

Rinnkendlsteig. / Andreas Scholz<br />

des wilden Wimbachs zur faszinierenden<br />

Gebirgsklamm. Ein Naturschauspiel<br />

ohnegleichen liefert der Königssee,<br />

der zur Gemeinde Schönau gehört. Am<br />

östlichen Fuß des Watzmanns gelegen,<br />

ähnelt der Königssee aufgrund seiner<br />

geologischen Lage – er wird von steilen<br />

Berghängen umrahmt – fast schon einem<br />

skandinavischen Fjord. Während<br />

der Tourismus-Saison sind die Fährschiffe<br />

im Minutentakt im Einsatz. Der<br />

13


NATURSCHUTZ<br />

Massentourismus ist ein zweischneidiges<br />

Schwert: Einerseits spült er Geld<br />

in die Region, andererseits fragen sich<br />

Naturschützer, wie viel Tourismus rund<br />

um den Königssee noch verträglich ist.<br />

»Wir beobachten mit Sorge, dass am<br />

Königssee im Hangwald jetzt auch noch<br />

Waldhütten als Luxuswohnobjekte für<br />

Touristen geplant werden«, sagt Rita Poser,<br />

Vorsitzende der BUND Kreisgruppe<br />

Berchtesgaden. Auch dass im Jahr 2017<br />

am Königssee mit einem noch größeren<br />

Schiff zusätzlich aufgerüstet wurde,<br />

stimmt sie nachdenklich. »Hinzu kommt,<br />

dass die Übernachtungszahlen auf den<br />

Almhütten, insbesondere der Wasseralm,<br />

in den letzten Jahren stetig gestiegen<br />

sind.« Glücklicherweise trennt sich aber<br />

im weitläufigen Nationalpark Berchtesgaden<br />

irgendwann wieder die Spreu vom<br />

Weizen. Es gibt noch einige Geheimtipps.<br />

Allerdings ist eine gute Grundkondition<br />

erforderlich, um in einer mehrstündigen<br />

Wanderung beispielsweise den Funtensee<br />

14<br />

im Steinernen Meer zu erreichen. Übernachtungsmöglichkeiten<br />

bieten sich dort<br />

im Kärlingerhaus, eine vorherige Anmeldung<br />

ist aber empfehlenswert.<br />

Der See auf 1.600 Metern Höhe ist<br />

ein wahres Kälteloch. Am 24. Dezember<br />

2001 wurden hier minus 45,9 Grad gemessen!<br />

Im Hochsommer dagegen lädt<br />

der Funtensee dazu ein, die Natur zu entdecken<br />

und die umliegenden Berggipfel<br />

zu besteigen. Am Seeufer halten sich<br />

Gämsen und Hirsche auf. Auch Bergpieper,<br />

Alpendohlen und Bachstelzen<br />

sind sind am See häufig zu beobachten.<br />

Auf den Blumenwiesen ringsum finden<br />

Murmeltiere reichlich Nahrung. Ebenfalls<br />

intensive Naturerlebnisse ermög-<br />

07 Blick über den Hintersee<br />

auf den Watzmann<br />

Andreas Scholz<br />

08 Großes Rauschen:<br />

Die Wimbachklamm<br />

Andreas Scholz<br />

09 Seltener Anblick:<br />

Schneehasen sind<br />

meist nachtaktiv.<br />

Jari Peltomäki, Agami<br />

10 Blühender Alpen-<br />

Milchlattich / A. Scholz<br />

11 Der Alpensalamander<br />

ist an Bächen und auf<br />

Wiesen zuhause.<br />

Andreas Scholz<br />

12 Die schmucke Silberdistel<br />

schafft es bis<br />

auf 2800 Höhenmeter.<br />

Andreas Scholz


NATURSCHUTZ<br />

licht eine anspruchsvolle Wanderung,<br />

die von der Schiffsanlegestelle bei der<br />

Wallfahrtskapelle St. Bartholomä über<br />

den Rinnkendlsteig hinauf zur Kührointalm<br />

führt. Von Kühroint führt ein<br />

Wanderweg weiter zum Watzmannhaus.<br />

Obwohl es ein bis zwei anspruchsvollere<br />

Passagen auf dem Klettersteig gibt, lohnt<br />

sich der Aufstieg über den Rinnkendlsteig<br />

allein schon wegen der grandiosen<br />

Aussicht hinunter auf die markanten<br />

Zwiebeltürme von St. Bartholomä und<br />

die aufsteigenden Bergflanken rund um<br />

den bis zu 200 Meter tiefen Königssee.<br />

MAGISCHE MOMENTE<br />

Der Blütenzauber von Ochsenauge, Alpen-Rose,<br />

Türkenbundlilie, Trollblume<br />

und Graslilie erfreut Blumenfreunde.<br />

Perlmutt- und Apollofalter flattern auf<br />

den sonnigen Wegabschnitten umher.<br />

Die blauviolette Zeichnung des Alpenbockkäfers<br />

auf dem Holzstamm am<br />

Wegesrand ist nur ein weiterer von vielen<br />

magischen Naturmomenten. Mit<br />

Glück lässt sich auf dem Rinnkendlsteig<br />

in einer Felsspalte der Mauerläufer beobachten.<br />

Am schattigen Waldrand oder<br />

kleineren Bachläufen treffen wir den<br />

Alpensalamander. Am Watzmannhaus<br />

begrüßen uns dann wieder Murmeltiere<br />

mit einem munteren Pfeifen. Und<br />

welcher Naturgucker nun noch nicht<br />

aus dem letzten Loch pfeift, der sollte<br />

im Watzmannhaus übernachten und<br />

am nächsten Tag bis zum Hocheck aufsteigen.<br />

Hier ist die Wahrscheinlichkeit<br />

groß, einem Steinbock nahe zu kommen.<br />

Weniger anstrengend als der Aufstieg<br />

zum Watzmannhaus oder zum Hocheck<br />

sind kleinere Wanderungen zu den<br />

ruhigeren Almen wie Königsbachalm<br />

oder Priesbergalm, die verstreut um<br />

die Mittelstation der Jennerbahn liegen.<br />

Am Wegesrand können wieder Apollofalter<br />

beobachtet werden, auf feuchten<br />

Wiesen blühen Fingerwurze, Knabenkräuter,<br />

Wollgras und Arnika. In den<br />

felsigen Waldzonen sticht vor allem der<br />

Alpen-Milchlattich ins Auge. Die Almenwanderung<br />

bietet außerdem immer<br />

wieder phantastische Ausblicke auf die<br />

gegenüberliegende Watzmann-Ostwand.<br />

Der zwischenzeitlich fertig gestellte Neubau<br />

der Jennerbahn ist ein zweistelliges<br />

und umstrittenes Millionenprojekt. »Es<br />

stellt sich die Frage, ob ein so überdimensionierter<br />

Bau zur Bergwelt hier passt<br />

und ob es vielleicht nicht auch ein kleinerer<br />

Neubau getan hätte«, meint die Naturschützerin<br />

Rita Poser vom BUND. Für<br />

zwei Baustopps sorgten Verstöße gegen<br />

Auflagen im Baubescheid zum Schutz<br />

des hier vorkommenden Birkhuhns.<br />

Gedanken machen sich Rita Poser und<br />

ihre Mitstreiter auch über den aktuellen<br />

Zustand der Almenwege. »Im Vergleich<br />

zur Entstehungszeit der Almen vor Jahrhunderten<br />

sind die Kühe heute deutlich<br />

größer und schwerer. Sie benötigen dementsprechend<br />

mehr Futter, und dadurch<br />

nehmen die Nährstoffeinträge zu, während<br />

gleichzeitig die Artenvielfalt sinkt.«<br />

Erfreulicher ist da schon die Nachricht,<br />

dass im Berchtesgadener Land der<br />

König der Lüfte noch geeignete Lebensräume<br />

vorfindet: Der Steinadler ist hier<br />

nach wie vor mit mehreren Brutpaaren<br />

vertreten. »Speziell im Klausbachtal lässt<br />

sich der Steinadler gut beobachten. Am<br />

besten geht dies, wenn sich die Nationalparkbesucher<br />

einer unserer geführten<br />

Wanderungen anschließen«, erklärt Carolin<br />

Scheiter vom Nationalparks Berchtesgaden.<br />

Für Naturliebhaber hat sie weitere<br />

Tipps parat. »Die Lärchen-Zirbenbestände<br />

auf der Reiteralm sind für Pflanzenfreunde<br />

eine echte Besonderheit. Auch<br />

die zahlreichen Murmeltiere auf der Königsbachalm<br />

faszinieren«, sagt Scheiter.<br />

KREISENDE GEIER<br />

Ein schönes Naturerlebnis bietet sich<br />

in ihren Augen ebenfalls im Frühjahr,<br />

wenn die Trollblumen auf den Almwiesen<br />

am Jenner blühen. »Im Herbst lohnt<br />

sich außerdem eine Tour zur Bindalm,<br />

wo viele Silberdisteln wachsen.« Weitere<br />

faunistische Raritäten im Nationalpark<br />

Berchtesgaden sind unter anderem<br />

Schneehase, Raufußkauz, Auerhuhn,<br />

Kreuzotter, Alpen-Kammmolch oder<br />

Königssee-Saibling. Auch Geier kreisten<br />

in den letzten Jahren gelegentlich über<br />

den Berggipfeln. Allerdings sind Gänsegeier<br />

oder Bartgeier bisher noch nicht<br />

als Brutvögel in den Berchtesgadener<br />

Alpen registriert. Der Landesbund für<br />

Vogelschutz plant derzeit eine Machbarkeitsstudie<br />

zur Ansiedlung des Bartgeiers.<br />

15<br />

nationalpark-berchtesgaden.bayern.de<br />

berchtesgadener-land.bundnaturschutz.de<br />

berchtesgaden.de/wandern


NATUR-BESTIMMUNG<br />

Von Teufelsnadeln<br />

UND WASSERJUNGFERN<br />

All die Respekt einflößenden oder schmeichelnden Bezeichnungen im Volksmund für die<br />

Libelle zeigen, dass diese Flugakrobaten die Menschen schon seit langem fasziniert haben.<br />

Wir helfen Ihnen, die Arten auseinanderzuhalten. Text und Fotos von Edelgard Seggewiße<br />

36<br />

Wenn Libellen, manchmal einfach<br />

nur als Jungfern bezeichnet,<br />

am Ufer schweben, flattern<br />

und schwirren, fällt es ungeübten<br />

Beobachtern schwer, die kleinen Flieger<br />

zu bestimmen. Hinzu kommt der Umstand,<br />

dass viele Libellen ständig unterwegs<br />

sind und nicht lang genug sitzen<br />

bleiben, damit wir uns wichtige Merkmale<br />

einprägen können. Noch schwieriger<br />

wird es, wenn es sich um sogenannte<br />

Dauerflieger handelt, die ständig in ihrem<br />

Revier auf- und abfliegen. Trotz all<br />

der Widrigkeiten können wir uns einige<br />

Verhaltenseigenschaften und optische<br />

Merkmale der Libellen zunutze machen,<br />

um eine zu bestimmende Art näher einzugrenzen.<br />

Beobachten wir die Tiere<br />

etwas länger, werden wir nicht nur im<br />

Aussehen, sondern auch im Verhalten<br />

Gemeinsamkeiten oder grobe Unterschiede<br />

entdecken.<br />

VIELE EIGENSCHAFTEN<br />

Dabei helfen Frage wie: Ist die Libelle<br />

zierlich oder kräftig gebaut? Welcher<br />

Art ist der Flug? Fliegt die Libelle über<br />

dem Wasser oder am Ufer? Wie hoch<br />

fliegt sie, wie setzt sie sich ab? Sitzt sie<br />

auch direkt auf dem Boden oder nur in<br />

der Vegetation? Wie hält sie die Flügel,<br />

sind diese zusammengeklappt, etwas<br />

abgespreizt, fast offen, komplett auseinandergeklappt<br />

oder gar etwas nach<br />

vorn durchgedrückt? Stehen die Augen<br />

weit auseinander oder berühren sie sich?<br />

Welche Farbe haben sie? Sind die Flügel


NATUR-BESTIMMUNG<br />

gefärbt oder durchsichtig? Schon diese<br />

Eigenschaften können einen Hinweis<br />

auf die Zugehörigkeit zu einer Gruppe<br />

geben. Bei dem Wort Gruppe fallen uns<br />

vielleicht Begriffe wie Klein-/Großlibelle,<br />

Schlanklibelle, Azurjungfer, Mosaikjungfer<br />

oder Heidelibelle ein, aber<br />

diese sind wenig aussagekräftig, wenn<br />

man nicht weiß, welche Merkmale sich<br />

dahinter verbergen.<br />

Die Unterscheidung Klein- und<br />

Großlibelle hat mit der Größe der Libelle<br />

wenig zu tun. Es gibt große Kleinlibellen<br />

und kleine Großlibellen, was<br />

die Frage aufwirft, wo groß aufhört und<br />

wann klein anfängt. Auch der Begriff<br />

»Schlanklibelle« als solcher ist nur wenig<br />

aussagekräftig. Zunächst sollten wir klären,<br />

was diese Begriffe bedeuten. Um unsere<br />

Libellenwelt (biologische Ordnung<br />

Libellen) in einer Klassifikation unterzubringen,<br />

werden sie zunächst in die beiden<br />

sogenannten Unterordnungen der<br />

Klein- und Großlibellen unterteilt (siehe<br />

Infokasten auf Seite 38). Als nächstes<br />

erfolgt jeweils die Einteilung in Familien.<br />

Hierher gehört zum Beispiel der Begriff<br />

Schlanklibelle. Innerhalb der Familien<br />

gibt es eine weitere Untergliederung in<br />

Gattungen wie etwa Azurjungfer, und<br />

dann der Name der Art, beispielsweise<br />

die Hufeisen-Azurjungfer (Coenagrion<br />

puella). Im zweiteiligen wissenschaftlichen<br />

Namen finden wir an erster Stelle<br />

den Gattungsnamen und an zweiter<br />

Stelle den Artnamen. Es gibt demnach<br />

Merkmale, die eine Großlibelle ausmachen<br />

und gemeinsame Merkmale einer<br />

Familie und einer Gattung. Kennen wir<br />

solche Merkmale, sind wir schon auf<br />

einem guten Weg zur Bestimmung der<br />

Art. Bei den Arten selbst sind das oft<br />

sehr kleine und spezielle Unterschiede,<br />

die ein sehr genaues Hinsehen voraussetzen.<br />

Ein gutes Hilfsmittel, um solche<br />

Merkmale zu entdecken, ist ein Nahglas.<br />

01 Kleinlibellen wie diese Hufeisen-<br />

Azurjungfer klappen in Ruhestellung<br />

ihre Flügel zusammen.<br />

02 Großlibellen dagegen, hier eine<br />

Falkenlibelle, spreizen die Flügel weit auf.<br />

03 Bei Kleinlibellen, wie der frühen Adonislibelle,<br />

stehen die Augen auseinander.<br />

04 Bei Großlibellen wie der Blaugrünen<br />

Mosaikjungfer berühren sich die Augen.<br />

05 Eine Ausnahme bilden Flussjungfern<br />

(hier eine Westliche Keiljungfer).<br />

‣ 06 Auseinander stehende Augen, abgespreizte<br />

Flügel kennzeichnen die Westliche<br />

Weidenjungfer als Kleinlibelle.<br />

KLEIN- VS. GROSSLIBELLE<br />

Unsere heimischen Libellen werden<br />

untereilt in Kleinlibellen, Zygoptera<br />

(Gleichflügler), und in Großlibellen,<br />

Anisoptera (Ungleichflügler). Die wissenschaftlichen<br />

Namen verraten uns etwas<br />

über den unterschiedlichen Flügelbau<br />

der Libellen. Bei den Kleinlibellen ist die<br />

Form der Vorder- und Hinterflügel fast<br />

gleich. Die Basis der Flügel ist ziemlich<br />

schmal, ihr Flug wirkt eher schwebend.<br />

In Ruhehaltung werden die Flügel über<br />

dem Körper zusammengeklappt oder etwas<br />

gespreizt abgestellt (Bild 01). Einige<br />

wenige klappen die Flügel zusammen<br />

und legen sie neben dem Hinterleib an,<br />

wie etwa die Winterlibellen.<br />

Bei den Großlibellen sind die Vorder-<br />

und Hinterflügel unterschiedlich. An<br />

der Basis sind sie breiter und somit kräftiger,<br />

was ihnen einen kraftvollen und<br />

schnellen Flug ermöglicht. Wenn sie sich<br />

absetzen, klappen sie die Flügel komplett<br />

auseinander (02). Manche drücken sie<br />

sogar ein wenig nach vorn durch (Familie<br />

der Segellibellen). Ein weiterer Unterschied<br />

besteht in der Augenstellung. Bei<br />

den Kleinlibellen stehen die Augen weit<br />

auseinander (03), während sich bei den<br />

Großlibellen die Augen mehr oder weniger<br />

stark berühren (04). Hier bilden nur<br />

die Flussjungfern eine Ausnahme, deren<br />

Augen weit auseinanderstehen (05). Allerdings<br />

können wir uns diese Tatsache<br />

zunutze machen und solche Libellen direkt<br />

dieser Familie zuordnen.<br />

37<br />

KLEINLIBELLEN<br />

Angenommen, wir haben ein Foto einer<br />

Libelle (06), und aufgrund der eben genannten<br />

Unterschiede festgestellt, dass<br />

es sich bei der gesuchten Libelle um eine


NATUR-BESTIMMUNG<br />

38<br />

Die wissenschaftliche<br />

Untergliederung des<br />

Tierreichs am Beispiel<br />

der Königslibelle:<br />

Reich: Vielzellige Tiere (Metazoa)<br />

Stamm: Gliederfüßer (Arthropoda)<br />

Unterstamm: Sechsfüßer<br />

(Hexapoda)<br />

Klasse: Insekten (Insecta)<br />

Ordnung: Libellen (Odonata)<br />

Unterordnung: Großlibellen<br />

(Anisoptera)<br />

Familie: Edellibellen (Aeshnidae)<br />

Gattung: Königslibellen (Anax)<br />

Art: Große Königslibelle<br />

(Anax imperator Leach, 1815)<br />

Buchtipps:<br />

Libellen Europas, Der Bestimmungsführer,<br />

von Klaas-Douwe B. Dijkstra ,<br />

Haupt Verlag, 340 Seiten, 49,90 Euro<br />

Der Kosmos Libellenführer, von Heiko<br />

Bellmann, 320 Seiten, 34,90 Euro.<br />

Kleinlibelle handelt, dann besteht der<br />

nächste Schritt darin herauszufinden,<br />

in welche Familie dieses Tier gehören<br />

könnte. Die Unterordnung der Kleinlibellen<br />

umfasst bei uns vier Familien:<br />

1. Prachtlibellen<br />

2. Teichjungfern<br />

3. Schlanklibellen<br />

4. Federlibellen<br />

Die Flügel der heimischen Prachtlibellen<br />

(zwei Arten) sind gefärbt (07). Auf<br />

unserem Foto sind die Flügel durchsichtig.<br />

Die Prachtlibelle schließt die Flügel<br />

über dem Körper. Bei unserer gesuchten<br />

Libelle sind die Flügel ziemlich weit<br />

geöffnet. Also treffen die Merkmale der<br />

Prachtlibelle auf unsere Libelle nicht zu.<br />

In den Bestimmungsbüchern wird eine<br />

bestimmte Reihenfolge, zum Beispiel zuerst<br />

die Kleinlibellen mit den einzelnen<br />

Familien (siehe oben) und deren Gattungen,<br />

eingehalten – es sei denn, es ist ein<br />

Bestimmungbuch, dass die Libellen nach<br />

Gewässerarten (Tümpel, Teich, See oder<br />

Fluss), an denen sie häufig anzutreffen<br />

sind, einteilt. Dies erschwert die Suche<br />

eher, zumal sich auch nicht alle Libellen<br />

an »ihr« Gewässer halten. Setzen wir hier<br />

jetzt ein Bestimmungsbuch voraus, welches<br />

die Libellen in der zuerst genannten<br />

Reihenfolge aufführt: Den Prachtlibellen<br />

folgt die Familie der Teichjungfern mit<br />

den drei Gattungen: Weidenjungfern,<br />

Binsenjungfern und Winterlibellen. Die<br />

Winterlibellen können wir definitiv aus-


NATUR-BESTIMMUNG<br />

schließen. Wie oben bereits erwähnt,<br />

legt diese Art die Flügel zusammengeklappt<br />

meist neben dem Körper ab und<br />

scheidet daher aus. Schauen wir uns die<br />

Weiden- und Binsenjungfern an, dann<br />

sehen wir, dass die Flügelstellung in<br />

Ruheposition – nämlich ziemlich weit<br />

geöffnet – der unserer Libelle entspricht.<br />

Schon können wir die gesuchte Libelle<br />

entweder den Weiden- oder den Binsenjungfern<br />

zuordnen. Die Körperfarbe der<br />

Teichjungfern ist meist metallisch grün<br />

oder bronzefarben glänzend. Ältere<br />

Tiere sind etwas dunkler und stumpfer<br />

in der Farbe. Zudem gibt es je nach Geschlecht<br />

Farbunterschiede.<br />

DICKER HINTERLEIB<br />

Es ist von Vorteil zu wissen, ob es ein<br />

Männchen oder ein Weibchen ist. Dies<br />

sieht man am besten von der Seite (09).<br />

Die Weibchen der Kleinlibellen wirken<br />

ein wenig stämmiger, ihr Hinterleib ist<br />

07 Gebänderte Prachtlibelle. Wie bei<br />

allen Prachtlibellen fallen bei ihr die<br />

gefärbten Flügel auf, zudem schließt sie<br />

die Flügel in Ruhestellung.<br />

08 Zwei Westliche Weidenjungfern im<br />

Tandem. Das Männchen (rechts) hält<br />

dabei das Weibchen (links) hinter dem<br />

Kopf ergriffen.<br />

09 Möglich wird dies durch die Anhänge<br />

am Hinterleibsende. Bei den Weibchen<br />

befindet sich an dieser Stelle der<br />

verdickt erscheinende Legeapparat.<br />

‣ 10 Falkenlibellen wie die Gefleckte<br />

Smaragdlibelle glänzen metallisch und<br />

sind als Dauerflieger beständig »auf<br />

Patrouille«.<br />

etwas dicker. Das Ende des Hinterleibes<br />

ist etwas verdickt, da sich dort der Legeapparat<br />

befindet.<br />

Die Männchen tragen am Ende<br />

des Hinterleibes Anhänge, mit denen<br />

sie das Weibchen hinter dem Kopf<br />

ergreifen können. Auf der Unterseite<br />

des Hinterleibes direkt hinter der<br />

Brust ist oft eine kleine Verdickung zu<br />

sehen, das sogenannte sekundäre Geschlechtsorgan.<br />

Das ist die Stelle, an<br />

der das Weibchen bei der Paarung andockt.<br />

Unsere Libelle ist zwar nicht von<br />

der Seite zu sehen, aber wir sehen von<br />

oben ein schlankes Ende des Hinterleibes<br />

mit Anhängen, die wie eine Zange<br />

aussehen. Also können wir davon ausgehen,<br />

dass es sich in unserem Fall um<br />

ein Männchen handelt. Vergleichen wir<br />

die Männchen der noch in Frage kommenden<br />

Teichjungfernarten, stellen wir<br />

fest, dass die Männchen der meisten<br />

Binsenjungfern in Deutschland eine<br />

blaue Bereifung (Anfang und/oder am<br />

Ende des Hinterleibes) tragen. Schließen<br />

wir diese aus, bleiben noch zwei<br />

Arten übrig: die Südliche Binsenjungfer<br />

(Lestes barbarus) und die (Westliche)<br />

Weidenjungfer (Chalcolestes viridis).<br />

ÜBUNG NÖTIG !<br />

Schauen wir wieder auf unser Foto: Die<br />

Flügelmale an den Flügelspitzen sind<br />

einfarbig hellbraun, nur die Zangen des<br />

ausgefärbten Männchens sind hell (10).<br />

Die Flügelmale der Südlichen Binsenjungfer<br />

dagegen sind zweifarbig und das<br />

Hinterleibsende des Männchens dieser<br />

Art ist wesentlich heller, also nicht nur<br />

die Zangen. Somit können wir unsere<br />

gesuchte Libelle als Westliche Weidenjungfer<br />

bestimmen.Zugegeben, die Bestimmung<br />

ist nicht immer so einfach<br />

wie in diesem Fall, aber unser Beispiel<br />

beschreibt eine Vorgehensweise, die<br />

uns oft bis zur Familie oder Gattung<br />

führt, wenn auch die Art nicht eindeutig<br />

bestimmt werden kann. Mit ein<br />

wenig Übung wissen wir bei der nächsten<br />

Beobachtung, worauf wir achten<br />

müssen, und können so weitere sich<br />

unterscheidende Details herausfinden.<br />

An dieser Stelle würde es zu weit führen,<br />

weitere Arten zu bestimmen. Bei<br />

den Großlibellen funktioniert es im<br />

Prinzip genauso. Bei uns gibt es fünf<br />

Familien:<br />

1. Edellibellen<br />

2. Flussjungfern<br />

3. Quelljungfern<br />

4. Falkenlibellen<br />

5. Segellibellen<br />

Diese Familien haben ebenfalls gemeinsame<br />

Merkmale. So berühren sich<br />

die Augen der Edellibellen (Aeshnidae)<br />

stark, also an mehr als nur einem Punkt.<br />

Viele sind mosaikartig gezeichnet. Sie<br />

zählen zu den Dauerfliegern. Die Augen<br />

der Flussjungfern (Gomphidae) stehen<br />

wie bei den Kleinlibellen weit auseinander<br />

(siehe oben). Sie setzen sich häufiger<br />

auch auf dem Boden ab. Die Augen der<br />

Quelljungfern (Corduligastridae) berühren<br />

sich nur in einem Punkt, zudem<br />

sind die Tiere schwarz mit gelber Zeichnung.<br />

Sie fliegen ausdauernd, setzen sich<br />

aber häufiger für etwas längere Zeit ab.<br />

39<br />

SCHLICHTE WEIBCHEN<br />

Die Falkenlibellen (Corduliidae) sind<br />

Dauerflieger und zeichnen sich durch<br />

einen metallisch (grün/braun) glänzenden<br />

Körper aus (10). Die Segellibellen<br />

(Libellulidae) drücken oft ihre Flügel<br />

ganz nach vorn durch. Viele sind blau<br />

bereift oder auch rot, etwa bei der Gattung<br />

der Heidelibellen. Doch Vorsicht!<br />

Die farblich auffälligen Tiere, und das<br />

gilt besonders für Kleinlibellen, sind<br />

meist Männchen. Die Weibchen vieler<br />

Arten tragen ein schlichtes, eher unauffälliges<br />

Kleid in gelblichen, bräunlichen<br />

oder grünlichen Farben. Das heißt leider<br />

auch, dass die Bestimmung der Weibchen<br />

immer etwas schwieriger ist als<br />

die der Männchen. Aber: Übung macht<br />

den Meister!<br />

Mehr Bilder finden Sie bei den aktuellen<br />

Beobachtungen auf <strong>naturgucker</strong>.de


REZENSIONEN<br />

Lesestoff für Naturfreunde<br />

Thea Wittmann stellt Neuerscheinungen auf dem Büchermarkt vor.<br />

40<br />

WECHSEL-<br />

SPIEL DER<br />

JAHRES-<br />

ZEITEN<br />

Christopher<br />

Schmidt ist<br />

einer unserer<br />

Autoren und Zeichner, <strong>naturgucker</strong>-Leser<br />

kennen seine Naturstudien und Texte.<br />

Nun hat der Naturmaler ein Tagebuch<br />

über eine kleine Ostseebucht gezeichnet<br />

und geschrieben. Sie ist etwa 500 Meter<br />

lang und ganz nah an seinem Wohnort in<br />

Schleswig-Holstein. Von Januar bis Dezember<br />

dürfen wir ihn durch alle Jahreszeiten<br />

in diesem Landstrich begleiten. In<br />

zarten, poetischen Aquarelle fängt er die<br />

jeweilige Stimmung ein: die graue See im<br />

Januar, dramatische Wolkenformationen<br />

im Februar, leuchtende Sommerfarben,<br />

Kartoffelrosen in den Dünen, Muscheln<br />

im Spülsaum, das zarte Licht im September<br />

und eine schier unendliche Palette an<br />

Meeresfarben, von Graugrün bis Azur.<br />

Natürlich kommen die Strand- und Wattvögel<br />

nicht zu kurz. »Das Ziel meiner Bilder<br />

ist es, den Vogel nicht nur so zu malen,<br />

wie ich ihn gesehen, sondern wie ich ihn<br />

erlebt habe«, so der Autor. Detaillierte<br />

Bleistiftskizzen, Naturstudien und sehr<br />

persönliche Texte zeigen uns, wie kunstvoll<br />

dieser Lebensraum ist und welche<br />

Vielfalt er an Licht und Schatten wie an<br />

Flora und Fauna bietet. Wer die Ostsee<br />

liebt, sollte dieses Buch nicht verpassen!<br />

Mein Jahr am Ostseestrand, Ein Naturtagebuch<br />

von Christopher Schmidt,<br />

Naturillustrationen, 124 Seiten, 29,90<br />

Euro, www.naturillustrationen.de<br />

PFLANZEN IN<br />

MITTELEUROPA<br />

Für rasche Orientierung<br />

im heimischen<br />

Pflanzendschungel<br />

bietet diese Buch eine<br />

gut strukturierte<br />

Übersicht über die<br />

40 Pflanzenfamilien,<br />

die im Mitteleuropa<br />

am häufigsten vorkommen. Der<br />

Einführungsteil mit Grundlagen bleibt<br />

überschaubar. Wie konnten überhaupt<br />

verschiedene Pflanzenfamilien entstehen?<br />

Welche botanischen Klassifizierungssysteme<br />

gibt es? Der wesentlich umfangreichere<br />

Hauptteil widmet sich den Porträts<br />

der einzelnen Familien. Auf der ersten<br />

Doppelseite werden die Familien in Text<br />

und Piktogrammen mit ihren Hauptmerkmalen<br />

vorgestellt und per Zeichnung<br />

dargestellt. Auf den folgenden vier<br />

Seiten finden sich Detailfotos der häufigsten<br />

Vertreter. Die Informationen sind<br />

dabei gut portioniert. So verzichten die<br />

Autoren auf zu viel Text und setzen aufs<br />

Bild: ein leicht nachvollziehbarer Einstieg<br />

in die Botanik, der Gemeinsamkeiten<br />

und Unterschiede der Pflanzen deutlich<br />

macht. Das Buch ist jedoch kein Bestimmungsschlüssel.<br />

Wer einen solchen sucht,<br />

der ist beispielsweise mit »Grundkurs<br />

Pflanzenbestimmung« oder einem anderen<br />

Standardwerk besser bedient.<br />

Botanische Grundkenntnisse auf einen<br />

Blick. 40 mitteleuropäische Pflanzenfamilien,<br />

Yann Fragnière, Nicolas Ruch, Evelyne<br />

Kozlowski, Gregor Kozlowski, Haupt Verlag,<br />

320 Seiten, 34 Euro, www.haupt.ch<br />

RAUF AUF DIE<br />

DÄCHER!<br />

Dächer sind das,<br />

was der gebürtige<br />

Londoner David<br />

Lindo an Städten<br />

am meisten<br />

schätzt. Von hier<br />

oben hat er nicht<br />

nur einen großartigen<br />

Blick auf<br />

das Häusermeer,<br />

sondern auch auf den Himmel. Er ist der<br />

Popstar unter den Vogel-Nerds, Kolumnist<br />

der Zeitschrift Bird Watching, twittert<br />

seine neuesten Entdeckungen und<br />

nimmt Zuschauer per youtube gern auf<br />

Streifzüge durch den Großstadtdschungel<br />

mit. Lindo ist selbsternannter »Urban<br />

Birder«. In allen Städten, die er bereist,<br />

geht es ihm nicht um Sightseeing, sondern<br />

um die Vögel, die in der jeweiligen<br />

Stadt zuhause sind. Für sein Buch hat<br />

er über 100 Städte auf der ganzen Welt<br />

bereist. Nach einem ausführlichen Teil<br />

mit zusammengewürfelten Anekdoten,<br />

zum Beispiel zur undankbaren Rolle,<br />

die Tauben in der Stadt spielen, zu den<br />

Erlebnissen rund um ein Fußballspiel in<br />

Moskau oder warum ausgerechnet Flughäfen<br />

sich so vortrefflich zur Vogelbeobachtung<br />

eignen, folgen die Stadtportraits:<br />

In Deutschland macht er Station in Stuttgart,<br />

Wetzlar, Frankfurt, Wuppertal, und<br />

Berlin. Die einzelnen Kapitel in #Urban<br />

Birding sind informativ und unterhaltsam.<br />

Echten Beobachtungsprofis könnte<br />

der Tiefgang fehlen, denn sie erfahren<br />

wenig über die Lebensweise der Stadtvögel.<br />

Man merkt jedoch, dass Vögel<br />

Lindos Leidenschaft sind. Die Erlebnisse<br />

sollen hauptsächlich Laien dazu animieren,<br />

sich ein Fernglas zu schnappen, auf<br />

den Turm der nächstbesten Kirche zu<br />

steigen oder sich in der Mittagspause in<br />

den Park zu setzen, um die zwitschernde<br />

Vielfalt zu entdecken und zu staunen.<br />

Und vergessen Sie nicht, anschließend<br />

all Ihre Beobachtungen auf der<br />

Internetseite www.<strong>naturgucker</strong>.de zu<br />

melden!<br />

#Urban Birding, David Lindo, Kosmos<br />

Verlag, 367 Seiten, 20,50 Euro.<br />

www.kosmos.de


LESERSEITE<br />

Unsere Experten-Tipps<br />

werden gesponsert von:<br />

BESUCH IM GARTEN<br />

Dieses Exemplar eines Falters konnte ich in<br />

meinem Garten beobachten. Leider habe ich<br />

weder in meinen Büchern noch im Internet<br />

darüber etwas gefunden. Vielleicht könnt Ihr<br />

mir ja verraten, wer bei mir zu Besuch war?<br />

Angelika Sülberg, Altena<br />

Dieter Schneider, NG-Fachbeirat:<br />

Bei dem Falter handelt es sich um einen<br />

Brennnesselzünsler (Anania hortulata).<br />

Der überwiegend nachtaktive Falter ist<br />

im Hochsommer überall häufig, und man<br />

findet ihn vor allem nach Einbruch der<br />

Dunkelheit an künstlichen Lichtquellen,<br />

seltener auch am Tage, meistens wenn<br />

man einen Falter an seinem Ruheplatz in<br />

der Vegetation aufgeschreckt hat und er<br />

dann eine kurze Strecke fliegt. Wie sein<br />

deutscher Name nahelegt, entwickelt sich<br />

die Raupe häufig an Brennnesseln – die<br />

Art ist aber nicht streng an Brennnesseln<br />

gebunden, sondern kann noch eine Reihe<br />

weiterer Pflanzenarten nutzen.<br />

MYSTERIÖSE PILZE<br />

Auf einer Wiese in Südhanglage habe ich<br />

Pilze entdeckt, die in Ringform wachsen.<br />

Leider konnte ich sie<br />

nicht bestimmen. In der Nähe<br />

des einen Ringes wächst<br />

ein Walnussbaum, bei einem<br />

zweiten eine Eiche. Der Hut des<br />

Pilzes hat einen Durchmesser<br />

von rund 15 Zentimetern und<br />

der Stiel eine Länge von etwa<br />

acht Zentimetern. Das Fleisch ist<br />

weiß bei jungen Pilzen und wird<br />

braun wie auch der Hut, wenn<br />

sie älter werden. Dann franst der<br />

Hut auch aus und wölbt sich nach<br />

oben. Können Sie mir weiter helfen?<br />

Carlotta Kamps, Aachen<br />

Rita Lüder, NG-Fachbeirätin:<br />

Es handelt sich höchstwahrscheinlich<br />

um einen Mairitterling (für eine<br />

zweifelsfreie Bestimmung bräuchte<br />

es allerdings einen Sporenabdruck).<br />

Der Mairitterling ist ein guter Speisepilz,<br />

auch wenn sein mehlartiger<br />

Geschmack nicht jedem gefällt. Seine<br />

Fruchtkörper erscheinen zur Apfelblüte<br />

von April bis Juni auf Rasenflächen in<br />

Laub- und Mischwäldern, in Gärten und<br />

Parkanlagen oder an Wegrändern auf mineralreichen<br />

Böden – und zwar tatsächlich<br />

in Ringen. Dies erklärt sich damit,<br />

dass das unterirdische Myzel, also<br />

der eigentliche Pilz, vom Zentrum<br />

aus gleichmäßig in alle Richtungen<br />

wächst, und die Fruchtkörper nur<br />

am äußeren Rand gebildet werden.<br />

Sind alle Nahrungsreserven im Boden<br />

aufgebraucht, stirbt das<br />

Myzel nur im Innern der Kreisfläche ab.<br />

Auf diese Weise wird der Durchmesser<br />

eines Ringes von Jahr zu Jahr größer. Diese<br />

magische Form hat die Menschen seit<br />

jeher zu allerlei mystischen Gedanken und<br />

Legenden inspiriert. Ein Glaube war, dass<br />

die sogenannten Hexen- oder Elfenringe<br />

überall dort entstehen, wo Hexen oder Elfen<br />

in klaren Vollmondnächten ihre Reigen<br />

getanzt haben.<br />

ZAHME AUERHENNE<br />

Von unserem Leser Siegbert Teuber erreichte<br />

uns eine bemerkenswerte Geschichte: Kürzlich<br />

besuchte er Verwandte in Schweden, die<br />

dort während des Sommers in einem Ferienhaus<br />

an der Ostküste leben – und wurde<br />

Zeuge der Annäherung zwischen Mensch<br />

und Tier. Siegbert Teuber schreibt:<br />

41<br />

Eines Tages erschien plötzlich eine Auerhahn-Henne<br />

– und blieb den ganzen<br />

Sommer über. Sie war so erstaunlich<br />

zahm, dass man schon an ihrem Verhalten<br />

zweifeln konnte; sie war aber flugtauglich<br />

und machte keinen kranken Eindruck. Sie<br />

wechselte von Grundstück zu Grundstück<br />

und ließ sich anstandslos streicheln. Im<br />

Herbst war sie dann wieder verschwunden.


NATURGUCKER.DE<br />

WAS WISSEN SIE<br />

ÜBER ARTEN ?<br />

Mit der Umfrage arten| pisa 2019 möchte <strong>naturgucker</strong>.de gemeinsam mit Partnern<br />

herausfinden, wie es um das Artenwissen der Menschen bestellt ist. Von Gaby Schulemann-Maier<br />

42<br />

Vom 30. August bis 8. September<br />

findet zum zweiten Mal eine arten|pisa-Umfrage<br />

statt. Die Befragung<br />

wird online durchgeführt. Die<br />

Teilnehmer sollen 36 Fotos von Tieren<br />

und Pflanzen erkennen, wobei die Arten<br />

in drei Schwierigkeitsgrade unterteilt<br />

sind und aus neun Artengruppen stammen.<br />

Wie schon bei der ersten Umfrage<br />

im Herbst 2017 wird Teilwissen wieder<br />

berücksichtigt: Wer zum Beispiel statt<br />

Siebenpunkt-Marienkäfer nur Marienkäfer<br />

angab, ging punktetechnisch nicht<br />

leer aus. Neu ist in diesem Jahr ein Umfrageteil,<br />

in dem sechs Bilderpaare von<br />

Hummeln präsentiert werden. Die Teilnehmer<br />

sollen angeben, ob die Bilder jeweils<br />

dieselbe Art oder unterschiedliche<br />

Spezies zeigen. Flankiert werden diese<br />

beiden Artenwissen-Teile durch einige<br />

Fragen zum persönlichen Hintergrund.<br />

36 ARTEN ERKENNEN<br />

Wer teilnimmt, bleibt anonym – außer<br />

es wird auf freiwilliger Basis eine<br />

E-Mail-Adresse angegeben, an die nach<br />

der Auswertung das persönliche Ergebnis<br />

geschickt wird. Neben <strong>naturgucker</strong>.<br />

de gehören der NABU, Eckhard Jedicke<br />

vom Institut für Landschaftsplanung<br />

und Naturschutz der Hochschule Geisenheim<br />

University und Thomas Gerl<br />

vom Bereich Fachdidaktik der Biologie<br />

der LMU München zum Team von arten|pisa<br />

2019. Ermutigt fühlen sich die<br />

Initiatoren von den Ergebnissen der Online-Umfragen<br />

vom September 2017.<br />

Dabei wurden ebenfalls 36 Artfragen<br />

aus sechs Artengruppen sowie 15 soziodemografische<br />

Fragen gestellt. Damals<br />

beteiligten sich 8.033 Menschen.<br />

Für richtig beantwortete Fragen zu den<br />

Arten gab es jeweils zehn Punkte, bei<br />

falschen Antworten null Punkte. Die<br />

volle Punktzahl von 360 Punkten wurde<br />

von drei Teilnehmern erreicht. Über<br />

alle Teilnehmenden betrachtet, betrug<br />

die Durchschnittspunktzahl 177, was<br />

einer Schulnote von 4+ entspricht. Am<br />

häufigsten richtig benannt wurde ein<br />

erwachsenes Rotkehlchen (7.674 Teilnehmer),<br />

gefolgt von Gänseblümchen<br />

(7.481) und Hirschkäfer (7.179). Das<br />

andere Extrem bildeten die Arten mit<br />

den wenigsten vollständig richtigen Nennungen.<br />

Dabei waren Spaltenkreuzspinne<br />

(166 mal), Roter Hartriegel (138) und<br />

der Graugrüne Schenkelkäfer (20). Fast<br />

die Hälfte (4.234) machten keine Angaben<br />

zur Skorpionsfliege, wohingegen das<br />

adulte Rotkehlchen diejenige Art ist, zu<br />

der die wenigsten Teilnehmender keine<br />

Angaben machten (71).<br />

ADULT ODER JUVENIL?<br />

Daraus aber nun zu schließen, das Rotkehlchen<br />

sei als Art sehr bekannt und<br />

würde häufig richtig identifiziert, ist<br />

angesichts eines weiteren Ergebnisses<br />

der Studie nicht sinnvoll, denn das Foto<br />

eines noch nicht voll ausgefärbten Rotkehlchens<br />

benannten 6.395 Menschen<br />

falsch. Lediglich 364 Personen hatten


NATURGUCKER.DE<br />

dies erkannt und korrekt benannt. Jedoch<br />

war das Bild tückisch, denn die<br />

Körperhaltung des juvenilen Rotkehlchens<br />

konnte bei flüchtiger Betrachtung<br />

eine Verwechslung mit einem Zaunkönig<br />

zur Folge haben. Tatsächlich hatten<br />

etwa drei Viertel der Teilnehmenden<br />

hier fälschlicherweise mit »Zaunkönig«<br />

geantwortet. Eine detaillierte Auswertung<br />

findet sich in der Zeitschrift »Naturschutz<br />

und Landschaftsplanung«, die<br />

kostenlos heruntergeladen werden kann:<br />

https://bit.ly/2xdbuqY. Mehr Infos und<br />

die Möglichkeit zur Teilnahme finden<br />

sich unter www.artenpisa.de. Nach dem<br />

Ende des Umfragezeitraumes werden<br />

dort erste Ergebnisse veröffentlicht.<br />

Rotkehlchen (1), Brauner Waldvogel (2), Feuerlibelle<br />

(3), Balkenschröter (4), Hufeisen-Azurjungfer<br />

(5), Rainfarn (6), Graugrüner Schenkelkäfer<br />

(7), Gemeine Feuerwanze (8), Mäusebussard<br />

(9), Blutroter Hartriegel (10), Admiral (11), Gemeiner<br />

Rosenkäfer (12), Eiche (13), Blaugrüne<br />

Mosaikjungfer (14), Asiatischer Marienkäfer<br />

(15), Wiesen-Flockenblume (16), Mauerfuchs (17),<br />

Spaltenkreuzspinne (18), Großer Blaupfeil (19),<br />

Hirschkäfer (20), Gänseblümchen (21), Sperber<br />

(22), Hainschwebfliege (23), Braune Tageule (24),<br />

Plattbauch (25), Skorpionsfliege (26), weibliche<br />

Mönchsgrasmücke (27), Tagpfauenauge (28),<br />

Siebenpunkt-Marienkäfer (29), Kohlmeise (30),<br />

Große Pechlibelle (31), Schwalbenschwanz (32),<br />

Großes Heupferd (33), Heide-Nelke (34), Dunkle<br />

Erdhummel (35), juveniles Rotkehlchen (36)<br />

5. nabu| <strong>naturgucker</strong>kongress<br />

Vom 1. bis 3. November 2019 findet<br />

der nabu| <strong>naturgucker</strong>-kongress<br />

statt, dieses Mal in der<br />

Pauluskirche in Göttingen. Am<br />

Freitagabend wird der Tierstimmen-Imitator<br />

Uwe Westphal sein<br />

Können zum Besten geben, den<br />

Leitvortrag am Samstag hält Bernd<br />

Weßling, der die Gefühle und Motivationen<br />

der Kraniche erforscht.<br />

Mehr Infos und Anmelden unter<br />

www.<strong>naturgucker</strong>-kongress.de.<br />

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7 8 9 10 11 12<br />

43<br />

13 14 15 16 17 18<br />

19 20 21 22 23 24<br />

25 26 27 28 29 30<br />

31 32 33 34 35 36


NATUR-BESTIMMUNG<br />

WER KRIECHT<br />

DENN DA ?<br />

Wie man heimische Echsen und Schleichen unterscheidet, weiß Kai Kolodziej.<br />

<strong>44</strong><br />

Mit acht Arten sind die Echsen<br />

in Deutschland, Österreich<br />

und der Schweiz vertreten,<br />

wobei zwei verschiedene Echsenfamilien<br />

vorkommen. Dies wären zum einen die<br />

Echten Eidechsen (Lacertidae) und die<br />

Schleichen (Anguidae). Generell haben<br />

Echsen im Unterschied zu Schlangen bewegliche<br />

Augenlider, das heißt, sie können<br />

blinzeln. Ebenso ist ihre Zunge nicht<br />

gespalten, und sie besitzen ein Trommelfell,<br />

das sogar von außen zu sehen ist. Alle<br />

unsere heimischen Echsen können bei<br />

Gefahr ihren Schwanz abzuwerfen, der<br />

durch weitere Zuckungen die Aufmerksamkeit<br />

des Angreifers auf sich ziehen<br />

soll. Da auch beide Blindschleichen-Arten<br />

keine Extremitäten besitzen, werden<br />

sie gern mit Schlangen verwechselt.<br />

Wie alle Echsen aber haben auch Blindschleichen<br />

mehrreihige Bauchschuppen,<br />

während Schlangen große, einreihige<br />

Bauschuppen besitzen.<br />

Die Fortpflanzung erfolgt bei den<br />

meisten Arten, indem diese Eier legen.<br />

Die beiden Blindschleichen-Arten und<br />

die Bergeidechse hingegen bringen vollentwickelte<br />

Jungtiere zur Welt.<br />

WESTLICHE UND ITALIE-<br />

NISCHE BLINDSCHLEICHE<br />

(Anguis fragilis und Anguis veronensis)<br />

Diese beiden werden zusammen behandelt,<br />

da sie optisch nicht voneinander<br />

zu unterscheiden sind, denn die Unterschiede<br />

zwischen diesen Arten sind rein<br />

genetischer Natur. Blindschleichen werden<br />

etwa 50 Zentimeter lang und weisen<br />

eine bräunliche Grundfarbe mit glatter<br />

Beschuppung auf. Öfters kann man<br />

auch eine leichte linienförmige dunklere<br />

Zeichnung sehen, und alte Männchen der<br />

Westlichen Blindschleiche<br />

weisen<br />

manchmal<br />

blaue Punkte auf. Wie kein anderes Reptil<br />

dieser Länder ist die Blindschleiche ein<br />

Lebensraumgeneralist und besiedelt zahlreiche<br />

verschiedene Habitate wie Wälder,<br />

Weinberge oder auch menschliche Siedlungen.<br />

Sie ist aus menschlicher Sicht ein<br />

äußerst nützliches Tier, denn sie frisst<br />

die ungeliebten Schnecken, macht aber<br />

auch vor einem Regenwurm nicht halt.<br />

Die Westliche Blindschleiche kommt flächendeckend<br />

in Deutschland und Österreich<br />

vor und auch in weiten Teilen der<br />

Schweiz. Im Tessin und im Misox lebt die<br />

Italienische Blindschleiche. Weil sich die<br />

Verbreitungsgebiete nicht überschneiden,<br />

erfolgt hier die Artbestimmung am sinnvollsten<br />

durch den Fundort.<br />

MAUEREIDECHSE<br />

(Podarcis muralis)<br />

Die Mauereidechse wird bis zu 22 Zentimeter<br />

groß, wobei der Durchschnitt eher<br />

bei 20 Zentimetern anzusiedeln ist, wovon<br />

die Hälfte auf den Schwanz entfällt.<br />

Die Grundfarbe dieser eher zierlichen Eidechse<br />

ist braun, wobei der Rücken meist<br />

heller gefärbt ist. An den Seiten findet<br />

man ebenfalls einen hellen Streifen, der<br />

von den Augen bis<br />

Schwanzansatz<br />

verläuft.<br />

Inmitten der<br />

Paarungszeit<br />

sind die<br />

Männchen auf<br />

der Bauchseite oft<br />

intensiv rötlich gefärbt.<br />

In der Wahl ihres Lebensraumes<br />

ist die Mauereidechse<br />

sehr flexibel und besiedelt<br />

Bahndämme genauso wie alte<br />

Festungsmauern und lichte<br />

Wälder, solange sie genug Nahrung<br />

in Form von Insekten findet.<br />

Sie ist in Deutschland vor allem<br />

z u m<br />

im Südwesten verbreitet, aber isolierte<br />

Populationen gibt es in so gut wie jedem<br />

Bundesland. In Österreich ist sie<br />

vor allem im Süden und Osten zu finden,<br />

wobei das Verbreitungsgebiet nicht geschlossen<br />

ist. In der Schweiz besiedelt sie<br />

hauptsächlich den Süden und den Westen.<br />

Von dieser sehr anpassungsfähigen<br />

Art gibt es viele eingeschleppte Populationen,<br />

die auf menschlichen Einfluss<br />

zurückgehen.<br />

BERG- ODER WALD-<br />

EIDECHSE (Zootoca vivipara)<br />

Die kleinste Eidechse dieser Länder<br />

ist mit nur 18 Zentimetern Gesamtlänge<br />

die Bergeidechse, die aber in<br />

Deutschland und der Schweiz zum Teil<br />

als Waldeidechse bezeichnet wird. Der<br />

Schwanz dieser Eidechse nimmt oft<br />

fast die doppelte Länge des Körpers<br />

ein. Die Grundfarbe ist braun, am<br />

Rücken befindet sich ein dunkler<br />

bis schwarzer Längsstreifen, der<br />

auch aufgebrochen sein kann.<br />

Die Geschlechter sind anhand<br />

der gelblich bis weißen<br />

Bauchunterseite zu<br />

unterscheiden. Während<br />

die Männchen<br />

dort


NATUR-BESTIMMUNG<br />

schwarze Punkte besitzen, sind die<br />

Weibchen einfarbig. Der Kopf der Bergeidechse<br />

wirkt im Gegensatz zur Mauereidechse<br />

rundlicher. Generell besiedelt<br />

die Art unterschiedliche Lebensräume<br />

wie Wälder oder Wiesen, bevorzugt jedoch<br />

eine gewisse Grundfeuchtigkeit<br />

und ist dann oft auf Totholz anzutreffen,<br />

wo sie zahlreiche Insekten als Nahrung<br />

findet. Während Deutschland und die<br />

Schweiz fast komplett von der Waldeidechse<br />

besiedelt sind, findet man sie in<br />

Österreich vor allem in den Bergregionen,<br />

wobei es auch einzelne Tieflandpopulationen<br />

etwa am Neusiedlersee gibt.<br />

ZAUNEIDECHSE<br />

(Lacerta agilis)<br />

Die Zauneidechse ist mit ihren etwa<br />

22 Zentimetern eine kräftige Erscheinung.<br />

Der Schwanz macht dabei etwa<br />

drei Viertel der Gesamtlänge aus, die<br />

Schnauze ist relativ kurz und abgerundet.<br />

In der Färbung ist ein deutlicher Unterschied<br />

zwischen den Geschlechtern zu<br />

erkennen, gemeinsam haben sie jedoch<br />

eine bräunliche bis graue Grundfärbung<br />

und mehrere helle, aber dunkel umrandete<br />

Augenflecken auf den Seiten. Der<br />

Rücken trägt drei weiße Linien, welche<br />

oft aufgelöst sind und von zwei helleren<br />

längsverlaufenden Streifen getrennt werden.<br />

In der Paarungszeit entwickeln die<br />

Männchen eine grüne Flankenfärbung<br />

und eine grüne Kehlfärbung. Steinbrüche,<br />

Trockenrasen und Kiesgruben gehören<br />

zu den bevorzugten Lebensräumen<br />

der Art, wo sie allerhand Insekten findet,<br />

um sich zu ernähren. Österreich wird<br />

bis auf die Bergregionen flächendeckend<br />

besiedelt, in der Schweiz findet man die<br />

Art nördlich der Alpen, in Deutschland<br />

kommt sie flächendeckend vor, mit nur<br />

spärlichen Nachweisen im Nordwesten.<br />

ÖSTLICHE SMARAGD-<br />

EIDECHSE (Lacerta viridis)<br />

Die Östliche Smaragdeidechse wird bis<br />

zu 40 Zentimeter lang und ist zusammen<br />

mit ihrer Schwesternart die größte Eidechse<br />

Mitteleuropas. Der Schwanz ist<br />

doppelt so lang wie der Körper. Es sind<br />

kräftig gebaute Eidechsen, speziell die<br />

männlichen Exemplare. Die Weibchen<br />

weisen eine Färbung auf, die zu unterschiedlichen<br />

Teilen aus grün und braun<br />

besteht, hinzu kommen oft zahlreiche<br />

schwarze Zeichnungselemente.<br />

Die Männchen dagegen sind<br />

leuchtend grün gefärbt, in der Paarungszeit<br />

weisen sie eine blaue Kopffärbung<br />

auf. Im Laufe des Sommers verlieren die<br />

Männchen aber ihre Blaufärbung und<br />

zeigen dann auch einige Brauntöne. Diese<br />

Art bevorzugt klimatisch begünstigte<br />

Regionen und ist speziell in Weinbaugebieten<br />

in Österreich häufig anzutreffen.<br />

In Deutschland kommt die Art nur an<br />

einigen Stellen in Brandenburg und in<br />

Passau vor, in der Schweiz nicht, dafür<br />

aber ihre Schwesternart.<br />

WESTLICHE SMARAGD-<br />

EIDECHSE (Lacerta bilineata)<br />

Die Westliche Smaragdeidechse gleicht<br />

der Östlichen Smaragdeidechse, daher<br />

wird das Aussehen der adulten Tiere hier<br />

nicht wiederholt. Die Jungtiere jedoch<br />

weisen im Gegensatz zur Östlichen Smaragdeidechse<br />

eine grüne Kehlfärbung auf<br />

und später jene zwei weißen Striche am<br />

Rücken, die zu ihrem wissenschaftlichen<br />

Namen geführt haben. Die Streifen gehen<br />

aber im Laufe des Wachstums meist<br />

wieder verloren. Diese große Eidechse<br />

bevorzugt eine krautige Struktur, die mit<br />

Steinhaufen oder Totholz als Sonnenplätze<br />

aufgelockert ist. In der Schweiz<br />

wird neben dem Rhonetal im Wallis der<br />

Bereich südlich der Alpen besiedelt, in<br />

Deutschland gibt es einzelne Fundorte<br />

entlang des oberen Mittelrheins und den<br />

Unterläufen der Mosel, der Nahe und der<br />

Lahn. Ein bekanntes Vorkommen befindet<br />

sich am südbadischen Kaiserstuhl,<br />

hier wurden aber sowohl die Westliche<br />

als auch die Östliche Smaragdeidechse<br />

nachgewiesen, wobei letztere wahrscheinlich<br />

auf Aussetzungen zurückgeht.<br />

01 Diese Italienische Blindschleiche<br />

unterscheidet sich optisch nicht von der<br />

Westlichen.<br />

02 Der Vergleich mit der Fliege zeigt<br />

die Größe der Waldeidechse<br />

Maike Sprengel-Krause<br />

03 Die Smaragdeidechse hat ihren<br />

Namen durch ihre leuchtenden Farben<br />

verdient. / Alain Ghignone<br />

04 Im Vergleich sieht die Mauereidechse<br />

relativ unscheinbar aus. / Kosten,<br />

Arco Images<br />

KROATISCHE GEBIRGSEI-<br />

DECHSE (Iberolacerta horvathi):<br />

Erst in den 1980er Jahren wurde diese<br />

Art in den drei hier behandelten Ländern<br />

nachgewiesen. Die Kroatische<br />

Gebirgseidechse wird nur etwa 20 Zentimeter<br />

groß. Wie die Mauereidechse<br />

weist diese Art eine braune Grundfärbung<br />

auf, der Rücken ist meist heller gefärbt<br />

und die Flanken dunkler. Entlang<br />

des Rückens verläuft eine dunkle dünne<br />

Mittellinie, und der Schwanz ist doppelt<br />

so lang wie der Rest des Körpers.<br />

Die Eidechse ist schlank, mit spitzem,<br />

abgeflachtem Kopf. Optisch ist sie von<br />

der Mauereidechse fast nicht zu unterscheiden.<br />

Dazu sind Beschuppungsmerkmale<br />

wichtig: So berühren sich bei der<br />

Mauereidechse die beiden Schuppen<br />

oberhalb der Nasenlöcher, man spricht<br />

von Supranasal-Schuppen, was bei der<br />

Kroatischen Gebirgseidechse nicht der<br />

Fall ist. Die Kroatische Gebirgseidechse<br />

bewohnt feuchte und schattige vertikale<br />

Strukturen, oft in großen Dichten.<br />

Sie kommt in Österreich nur an wenigen<br />

Stellen im Süden Kärntens vor, in<br />

Deutschland gibt es wenige Funde im<br />

Karwendelgebirge – dabei ist zu vermuten,<br />

dass es sich hierbei um ausgesetzte<br />

Individuen handelt.<br />

Lesetipp: Reptilien und<br />

Amphibien Europas, Axel Kwet,<br />

Kosmos, 352 Seiten, 29,99 Euro<br />

45


NATUR-BESTIMMUNG<br />

Kroatische Gebirgseidechse<br />

Kai Kolodziej<br />

dunkle Mittellinie<br />

Schuppen oberhalb der Nasenlöcher<br />

berühren sich nicht<br />

dunkelbraune Seiten<br />

braune Grundfärbung<br />

Westliche Blindschleiche<br />

Kai Kolodziej<br />

braune Grundfärbung, bei diesem<br />

Exemplar sehr hell<br />

Waldeidechse<br />

Kai Kolodziej<br />

46<br />

dunkler Strich<br />

auf dem Rücken<br />

bei den Männchen dominiert die grüne<br />

Farbe, im Laufe des Sommers nehmen<br />

die braunen Seitenelemente zu<br />

Westliche Smaragdeidechse<br />

Ernie, Fotolia<br />

während der Paarungszeit leuchtet die<br />

Kehle des Männchens intensiv blau oder<br />

türkis


NATUR-BESTIMMUNG<br />

Östliche<br />

Smaragdeidechse<br />

Kai Kolodziej<br />

die Weibchen sind ebenfalls grün, aber<br />

weniger leuchtend und besitzen mehr<br />

braune Farbanteile<br />

Mauereidechse<br />

Kai Kolodziej<br />

heller Rücken<br />

braune Grundfarbe<br />

helle Bauchunterseite,<br />

bei Männchen<br />

mit dunklen Punkten<br />

rote Bauchseite<br />

bei Männchen in der<br />

Paarungszeit<br />

heller Streifen an der Seite<br />

47<br />

braune Grundfärbung<br />

helle, dunkel<br />

umrandete Augenflecken<br />

an den Seiten<br />

Zauneidechsen<br />

Kai Kolodziej<br />

heller Streifen<br />

auf dem Rücken<br />

kurze, abgerundete<br />

Schnauze<br />

intensive Grünfärbung<br />

von Kehle und Flanken<br />

beim Männchen während<br />

der Paarungszeit<br />

runderer Kopf<br />

als bei der Mauereidechse


NATUR-KIND<br />

Ein lautes Quäken ertönt<br />

von oben, ein großes »V« zieht<br />

über den Himmel. Es ist soweit: Die Zugvögel<br />

fliegen Richtung Süden. Von Thea Wittmann<br />

48<br />

A<br />

b<br />

Anfang September sammeln<br />

sich Stare und Rauchschwalben,<br />

später auch Graugänse und Kraniche<br />

zu ihrem Flug in den Süden.<br />

Für die Zugvögel ist das alles andere<br />

als eine Urlaubsreise: Sie<br />

ziehen an wärmere Orte, denn<br />

ihnen werden die Temperaturen<br />

in Nordeuropa zu frostig.<br />

Im Winter würden sie nicht<br />

mehr genug Nahrung finden<br />

oder erfrieren. Wenn bei<br />

uns die Tage kürzer werden,<br />

geht es los. Zu jeder<br />

Tageszeit kannst du<br />

jetzt riesige Schwärme<br />

am Himmel sehen. Du<br />

erkennst Kraniche und Wildgänse an<br />

ihrer V- oder Keil-Formation: Ein alter,<br />

erfahrener Leitvogel fliegt voraus. Er<br />

kennt den Weg bereits. Nach einiger<br />

Zeit wechselt ein anderer Altvogel an<br />

die Spitze des Schwarms. Die Jungvögel<br />

fliegen hinter ihren Eltern her. Von<br />

Geburt an haben viele andere Zugvögel<br />

eine Art inneren Kompass, der ihnen die<br />

Richtung weist. Bei den Kranichen hingegen<br />

müssen die Eltern dem Nachwuchs<br />

die Route und das Überwinterungsgebiet<br />

in Südwesteuropa erst mal zeigen.<br />

GÄNSE IN SCHAREN<br />

Kraniche fliegen in einem sogenannten<br />

Zugkorridor von Nordost nach Südwest.<br />

Westlich und östlich des Korridors sieht<br />

man sie kaum oder gar nicht in den Süden<br />

ziehen. Auf ihrem Weg nach Frankreich,<br />

Spanien oder bis Nordafrika rasten<br />

sie von Oktober bis Ende November in<br />

Norddeutschland und fliegen meist bei<br />

einsetzendem Nachtfrost weiter.<br />

Der Buchfink kommt aus Skandinavien<br />

nach Deutschland ins Winterquartier.<br />

Die deutschen Buchfinken, meist nur die<br />

Weibchen, ziehen Richtung West- und<br />

Südeuropa. Unsere heimischen Rotkehlchen<br />

verabschieden sich im Spätsommer<br />

Richtung Mittelmeer. Dafür kommen<br />

Rotkehlchen aus Skandinavien und Russland<br />

den Winter über zu uns. In den<br />

Rheinauen triffst du im Spätherbst Gänse<br />

in Scharen an: Graugänse, Saatgänse<br />

oder Blässgänse. Sie kommen aus dem<br />

Norden Skandinaviens oder aus Russland<br />

und verbringen die Wintermonate bei uns


im Hessischen Ried, an der Nordsee und<br />

am Niederrhein. Und dann gibt es noch<br />

die Langstreckenflieger: Störche, Mauersegler,<br />

Kuckuck und Schwalben. Sie<br />

ziehen bis nach Afrika, einige sogar bis<br />

nach Südafrika. Für sie müssen Insekten<br />

als Nahrungsquelle vorhanden sein, was<br />

in Europa im Winter nicht garantiert ist.<br />

WENN DU ZUGVÖGEL<br />

BEOBACHTEN WILLST:<br />

Diese Ausrüstung brauchst du für<br />

Deinen Beobachtungsposten<br />

● Fernglas<br />

● Bestimmungsbuch* oder eine<br />

Bestimmungs-App auf dem<br />

Smartphone<br />

● Heft und Stift für Notizen<br />

AB AUF DEN HÜGEL<br />

Die größten Gruppen an Vögeln entdeckst<br />

du bei ihrer Rast an Seen, in<br />

Mooren und Auenlandschaften oder an<br />

den Mündungen großer Flüsse. Auch<br />

große Seen wie der Müritzsee und die<br />

gesamte Mecklenburgische Seenplatte<br />

oder der Bodensee sind ausgewiesene<br />

Vogeltreffpunkte.<br />

Ein sehr guter Platz für deine Beobachtungen<br />

ist ein Hügel. Du bist dann<br />

den Zugvögeln näher, denn sie verändern<br />

ihre Flughöhe nicht. Verfolge<br />

den Schwarm mit deinem Fernglas.<br />

Wenn du die Chance hast, im<br />

Herbst ans niedersächsische oder<br />

schleswig-holsteinische Wattenmeer<br />

zu reisen, kannst du jede<br />

Menge Zugvögel sehen. Die Nordund<br />

Ostseeküste, die Halligen und die<br />

Inseln Rügen und Hiddensee sind berühmt<br />

dafür. Wenn Du rastende Zugvögel<br />

beobachtest, dann verhalte Dich<br />

ruhig und bleib auf Abstand! Denn wenn<br />

Menschen zu nahe kommen, werden die<br />

Tiere nervös: Einige schlagen Alarm und<br />

der ganze Schwarm fliegt auf. Das kostet<br />

die Vögel Kraft, die sie<br />

eigentlich für ihren langen<br />

Flug brauchen.<br />

Sie rasten, um zu<br />

fressen, ihre Fettpolster<br />

aufzufüllen<br />

und dürfen deshalb<br />

nicht gestört werden.<br />

TIPPS ZUM<br />

IDENTIFIZIEREN:<br />

Wie groß ist der Vogel?<br />

Welche Farbe hat er, wie ist sein<br />

Schnabel geformt?<br />

Wie sehen seine Füße aus?<br />

NATUR-KIND<br />

Hör genau hin: wie würdest du seine Stimme<br />

beschreiben? Macht er hohe oder tiefe Töne? Ruft<br />

er laut oder leise, kurz oder lang? Erinnert sein Gesang<br />

dich an etwas? Könntest du seine Vogelstimme in<br />

Buchstaben übersetzen? »Gru-Gru«, so ähnlich machen<br />

Kraniche, Vogelexperten nennen das den »Trompetenruf«.<br />

»Quiäk-Quääk" ist der Ton der Graugänse. Kraniche<br />

und Gänse ziehen flügelschlagend, Störche segeln<br />

und gleiten. Wenn du alle Indizien beisammen hast, such<br />

in deinem Vogelführer, ob du den Vogel identifizieren<br />

kannst. Manche Arten ähneln einander sehr. Bei einigen<br />

Vögeln sieht das Männchen ganz anders aus als das<br />

Weibchen. Aber mit der Zeit bekommst du Routine und<br />

erkennst die Vögel, die du häufig siehst, zielsicher.<br />

Buchtipp:<br />

Was fliegt denn da?<br />

Kindernaturführer:<br />

entdecken, erkennen,<br />

erleben,<br />

von Holger Haag,<br />

Kosmos Verlag, 112<br />

Seiten, 8,99 Euro<br />

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