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GILGAMESCH

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den, wo im Innern die Kinder mit dem Erdball Freundschaft schlossen, von dessen<br />

Kreisen der erfreulichste – der schönste, bilderreichste Meridian – sich durch das<br />

Kaiserpanorama zog.<br />

(Walter Benjamin, Berliner Kindheit um Neunzehnhundert)<br />

Sehen und Schauen<br />

Panoramen, Dioramen, Guckkästen sind einander nahe verwandt. Sie stellen<br />

imaginierte Orte dar, in denen das räumlich und zeitlich Entfernte Gegenwärtigkeit<br />

gewinnen kann. Guckkästen arbeiten auch durch ihr kleines Format<br />

höchst reizvoll mit der Spannung von Nähe und Ferne in optischen Phänomenen.<br />

Der Guckkasten ist zugleich eine Bühne en miniature. Wie kaum ein<br />

anderes Medium eignen sich Guckkästen den Blick der Betrachter zu fokussieren<br />

und ihre Sicht geradezu in eine Richtung zu zwingen, weshalb sich das<br />

historisch oder geografisch Entfernte in seinen Bildern sich überzeugend gegen<br />

die äußere Wirklichkeit behaupten konnte.<br />

Wenn sich heute Künstler dem Medium Guckkasten und Diorama zuwenden<br />

wählen sie damit ein historisches (Massen-) Medium. In Zeiten der digitalen<br />

Bilderflut ermöglicht dieses Konzentration und Entschleunigung. Wie eine<br />

Zeichnung sich zur großformatigen Malerei verhält, kommt auch hier das kleine,<br />

intimere Format, im Vergleich zu raumgreifenden Installationen, subtilen<br />

künstlerischen Formulierungen entgegen.<br />

Sieben Guckkästen<br />

Barbara Graf entfaltet in ihrem Guckkasten eine sublime Textilinstallation,<br />

die Motive der altbabylonischen Ikonographie, Keilschriftinschriften und Reliefzeichnungen<br />

in zarten Scherenschnitten überlagert. Diaphane Strukturen<br />

werden geschichtet, das Licht mittels subtiler Eingriffe schattiert und gefiltert,<br />

so dass sich zahllose Lichtgrau und Weiß-Nuancen überlagern. Das feinstrukturierte,<br />

empfindliche Material ihrer Arbeit kontrastiert dabei reizvoll mit dem<br />

grobgezimmerten Ausgangsformat.<br />

Nachdem Markus Guschelbauer sich bereits in einer Reihe von fotografischen<br />

Arbeiten mit Wasser beschäftigt hat, wählt er für Zeitschatten eine Auseinandersetzung<br />

mit dem Sintflutthema. In seinen Wasser-Landschaftsbildern setzt er<br />

Folien und Textilien ein, um die Wasseroberfläche zu inszenieren, zu überlagern<br />

oder zu ersetzen. Im begrenzten Raum des Kastens werden die Oberflächenspannung<br />

des Elements und das Motiv der unendlichen Bewegung<br />

übertragen in textile Struktur und im Faltenwurf rhythmisiert. Der Raum wird

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