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September 2019 - coolibri Oberhausen, Duisburg, Mülheim

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BAUEN & BASTELN<br />

BAUEN &BASTELN<br />

Die jungen Landschaftsarchitekten Sebastian Sowa und<br />

GianlucaToriniarbeiten daran, Freiräume zu erschaffen, die<br />

Landschaft und Poesie zusamme<br />

Das Wort Vers kommt eigentlich aus dem Ackerbau, es<br />

bezeichnet das Wenden des Pfluges. Im Gedicht werden<br />

die Zeilen auch nicht zu Ende geschrieben, man wendet<br />

den Pflug schon vorher. Darum ist Poesie eine Art von Verkürzung,<br />

Verknappung oder Verdichtung – und genau das<br />

macht auch gute Entwürfe aus. Es geht darum, konzeptionell<br />

klar zu arbeiten und eine starke Idee zu fokussieren.<br />

Ein poetischer Ort hat deshalb etwas Strenges und Genaues,<br />

aber auch Leichtes und Warmes. Im Garten selbst entsteht<br />

dann Poesie aus den dichten Atmosphären, die man<br />

aus Pflanzen, Steinen, Licht und Duft<br />

entwickelt.<br />

Dem Ruhrgebiet fehlt Mut. Einfach mal etwas wagen,<br />

ausprobieren, testen. Dabei will die Region doch eine so<br />

moderne Metropole sein, da braucht es statttt altbackener<br />

Ideen definitiv mehr Wagnisse. Leider fehlt es aber auch an<br />

Investitionen in das, was schon da ist: Letztens bin ich an<br />

den Grummer Teichen in Bochum vorbeigeradelt und war<br />

begeistert: teils parkig, teils urwüchsig, echt wunderschön<br />

– aber vieles in einem desolaten Zustand. Auch den kleinen,<br />

vielleicht unscheinbaren Orten gebührt gestalterische<br />

Aufmerksamkeit.<br />

Das Konzept heißt ‚Ausgangspunkte‘. Ein Raster aus neonfarbigen<br />

Holzblöcken, die skulptural auf der Wiese verteilt<br />

sind, bildet diese Ausgangspunkte. Sie sind eigentlich nur<br />

Fundamente, auf denen aufgebaut werden kann, etwa<br />

Bänke oder Hochbeete. Was daraus wird, entscheiden die<br />

Anwohner des Viertel mit den Leuten von der Ko-Fabrik zusammen.<br />

Unser Ziel war es, eine Initialzündung zu geben.<br />

Indem er drei Schlagwörtern folgt: Neugier, Mut und Geduld.<br />

Man muss neugierig selber auf die Suche gehen nach<br />

dem, was gefällt und nicht den ausgetretenen Pfaden im<br />

Gartencenter folgen. Dann braucht man den Mut, sich aus<br />

den immer reichlich vorhandenen Ideen für eine einzige zu<br />

entscheiden, etwa den einzelnen großen Baum auf weiter<br />

Wiese. Schließlich ist Geduld nötig, auf den Garten zu warten.<br />

Denn er kommt von ganz allein.<br />

Ja! Die Hummel funktioniert bei uns als Metapher. In ihrer<br />

unmöglichen Figur mit ihrem friedfertigen Wesen und tiefen<br />

Brummen ist sie Sinnbild für die überraschende Schönheit<br />

der Natur. Sie ist eigentlich unmöglich, aber trotzdem<br />

da. Wer echten Hummeln etwas Gutes tun will, sollte übrigens<br />

möglichst großflächige Pflanzungen von Arten anbauen,<br />

die Hummeln nähren und die zu unterschiedlichen<br />

Jahreszeiten blühen.<br />

sowatorini.de<br />

Dazu ein Zitat vom berühmten Gärtner Karl Foerster: ‚Ein<br />

Garten ohne Rittersporn ist ein Irrtum.‘ Für mehr Spielraum<br />

würde ich hinzufügen: Ein Garten ohne Frühjahrsblüher<br />

und Herbstfarben ist ein Irrtum.<br />

4<br />

Um es fußballerisch zu sagen: Der private Garten spielt<br />

sehr defensiv, hat eine starke Deckung und nur sehr vereinzelte<br />

Offensivaktionen. Der Rückzug ins Idyll ist das große<br />

Thema. Der öffentliche hingegen spielt nach vorne, ist<br />

offensiv stark und sehr präsent. Für die Verteidigung, die<br />

man ja nie vernachlässigen darf, bietet er kleine, nischige<br />

Rückzugsorte.<br />

Der Garten ist eine Antithese zum Zeitgeist – und erlebt<br />

deswegen aktuell eine unglaubliche Renaissance. In unserer<br />

schnellen, digitalen Welt scheinen wir etwas zu vermissen,<br />

was der Garten mit seinem Natürlichen, Verwurzelten<br />

und langsam Verändernden uns zurückbringt. Er ist ein<br />

Gegengewicht, das uns in Balance bringt.<br />

40<br />

Fotos: HG.: SOWATORINI Landschaft; u.r.: Alexander Luna

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