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WeltBlick 2/2019

Wie hast du's mit der Religion Europa?

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ein großes Vertrauen gewagt haben, um nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg miteinander in Kontakt zu treten,<br />

die sich gegenseitig besucht haben, sich gegenseitig<br />

ihre Geschichte erzählt haben, einander näher<br />

gekommen sind. Weil Christinnen und Christen vor<br />

uns diese Schritte gewagt haben, können wir heute<br />

einander kennen und schätzen. Ja, diese gegenseitige<br />

Wahrnehmung und Wertschätzung ist zur Normalität<br />

geworden. Und doch gleicht all dies auch<br />

einem Wunder, über das wir staunen und für das wir<br />

danken.<br />

»Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg<br />

der Sicherheit. Denn Friede muss gewagt werden.«<br />

Dieser Satz stammt von Dietrich Bonhoeffer. Unsere<br />

vertrauensvolle Begegnung heute zeugt von dem<br />

Wagnis, das unsere Väter und Mütter im Glauben<br />

eingegangen sind. Sie haben die Schritte über Oder<br />

und Neiße gewagt und im Angesicht von Schuld und<br />

Verletzung Vertrauen aufgebaut. Frieden entsteht<br />

nur durch das Wagnis des Vertrauens. Und den Mut<br />

für ein solches Wagnis gewinnt nur der, der sein<br />

Schicksal ganz in Gottes Hände legt. Das hat Dietrich<br />

Bonhoeffer 1934 formuliert. Wir erleben dankbar<br />

die Wahrheit dieser Gedanken Bonhoeffers und<br />

die den Krieg mit seinen verheerenden Verletzungen<br />

doch nicht verhindern konnten.<br />

»Es gibt keinen Weg zum Frieden auf dem Weg<br />

der Sicherheit. Denn Friede muss gewagt werden.«<br />

Dietrich Bonhoeffer hat diese Worte vom Frieden-Wagen<br />

auf der Tagung des »Weltbundes für die<br />

internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen«<br />

1934 auf der dänischen Nordseeinsel Fanö gesagt. Er<br />

sprach dort zum Thema »Kirchen und Völkerwelt«.<br />

Anders als von ihm erwartet wurde, ging er nicht auf<br />

das Volk als theologische Kategorie ein, sondern<br />

suchte nach Antworten auf die Frage, wie die Christenheit<br />

ihren Weg zwischen Nationalismus und<br />

Internationalismus findet. Bonhoeffer ruft die Kirchen<br />

deshalb zu einem gemeinsamen Konzil auf,<br />

um gemeinsam der Welt das Wort des Friedens zu<br />

sagen. Ein radikaler Friedensruf müsse von den<br />

Christgläubigen ausgehen. Sie dürften sich nicht<br />

vom Wutgeheul der Weltmächte beeindrucken lassen.<br />

Wenn dieser Ruf eines Friedenskonzils erklingen<br />

würde, dann könne die Welt dieses Wort nur<br />

zähneknirschend hören und akzeptieren.<br />

Aus der Geschichte wissen wir, dass auf diese<br />

christliche Friedensbotschaft in den 1930er Jahren<br />

nicht gehört worden ist. Es ist zu einem solchen<br />

Friedenskonzil nicht gekommen. Der Glaube der<br />

Christen an das Wagnis des Friedens war nicht groß<br />

genug. Durch eine grausame, schuldbeladene<br />

Geschichte hindurch mussten die Völker Europas<br />

erst neu verstehen, welch hohes Gut der Friede ist.<br />

Und sie haben gewagt, aufeinander zuzugehen,<br />

Frieden zu suchen mit Erzfeinden, Herzen zu öffnen<br />

durch gegenseitige Wahrnehmung, durch Begegnungen,<br />

durch Zuhören und erzählen, durch<br />

Schuldeingeständnis und Bitte um Vergebung. Nicht<br />

nur die Länder Europas, auch die Kirchen Europas<br />

haben sich zu gemeinsamen Konferenzen zusammengeschlossen.<br />

Es war ein großes Ereignis, als sich im Jahr 2001<br />

die Konferenz Europäischer Kirchen und die Europäische<br />

Bischofskonferenz in der sogenannten<br />

Charta Oecumenica auf Leitlinien für die wachsende<br />

Zusammenarbeit der Kirchen in Europa geeinigt<br />

haben. Unter der Überschrift »unsere besondere<br />

Verantwortung für Europa« verpflichten sich<br />

die Unterzeichnenden darauf, die Einigung des<br />

europäischen Kontinents voranzutreiben. Mir ist<br />

gerade in der jetzigen Zeit, in der Europa in einer<br />

schwierigen Phase seiner Geschichte ist, diese<br />

Charta Oecumenica wieder neu wichtig geworden.<br />

Vor 18 Jahren schien es ein Leichtes, die schon<br />

gewonnenen Überzeugungen weiter auszubauen.<br />

Heute wird deutlich, dass »Frieden stiften« kein einmaliger<br />

Akt ist. Immer wieder muss der Friede neu<br />

gesucht und gejagt werden. Immer wieder neu<br />

braucht es den Impuls der Versöhnung über Grenzen<br />

hinweg.<br />

Wir als christliche Kirchen müssen immer und<br />

überall vor der Dynamik eines allzu offensiven Nationalismus<br />

warnen. Der Wunsch nach nationaler<br />

Selbstbestimmung und Stärke darf nicht gegen das<br />

Friedenszeugnis in Stellung gebracht werden. Jede<br />

christliche Kirche muss in ihrem Land für Versöhnung<br />

über nationale Grenzen hinweg eintreten.<br />

Suchen wir den Frieden, und jagen ihm nach: Gottes<br />

Schalom, Gottes Gerechtigkeit und Recht mitten<br />

unter uns.<br />

/<br />

Bischof<br />

Dr. Markus Dröge<br />

hielt diese Predigt in Frankfurt/Oder zum ökumenischen<br />

»Europatag«, der am 9. Mai zum Gedenken an<br />

den deutschen Überfall auf Polen vor 80 Jahren veranstaltet<br />

wurde. Wir veröffentlichen hier eine gekürzte<br />

Fassung.<br />

Wunder der Normalität:<br />

Wo früher<br />

auf Usedom die<br />

streng gesicherte<br />

Grenze zwischen<br />

der DDR und<br />

Polen verlief, steht<br />

heute ein offenes<br />

deutsch-polnisches<br />

Tor.<br />

Meditation<br />

7

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